Auf der Spur - Teil 4
#6 of Auf der Spur
Auf der Spur
Kapitel 4: Fehler
Bewaldetes Gebiet westlich von Roxborough, Anwesen von Mrs. Rowlings
Sonntag, 18.01.2009, 10:32Uhr
Ein lautes Klopfen an der hölzernen Zimmertür weckte Alicia aus ihrem Tiefschlaf. Sie hatte erst große Mühe, sich in ihrem Nachtquartier zurecht zu finden, aber nach wenigen Sekunden viel ihr ein, wo sie sich befand.
Wieder hämmerte es kräftig an der Tür, aber diesmal schaffte es die Polizeidetektivin zu antworten: "Ja, herrein?!"
Die Tür öffnete sich Schwung und in dem hölzernen Türrahmen stand eine dunkelgraue Füchsin, die verärgert irgendwelche Handzeichen machte, die allem Anschein nach als Beschwerde über Alicias Tiefschlaf oder Taubheit aufzufassen waren.
Aber die weiße Katze schüttelte nur verwirrt den Kopf und brummte: "Was ist denn überhaupt los?"
Mehr oder weniger fassungslos über die Frage, signalisierte die dunkle Fähe so einfach, wie möglich, dass das Frühstück fertig war und schloss die Tür zwar schnell, aber gottseidank leise.
Frühstück war auf jeden Fall eine klasse Idee! Wenn Alice so recht darüber nachdachte, hatte sie doch wohl ein Loch im Magen und freute sich schon auf einen kräftigen Kaffee.
Als sie gerade aus ihrem himmlisch weichen Bett aufstehen wollte, welches vom Comfort her wirklich einer Königen würdig war, stieß sie mit ihren Füßen auf etwas Weiches und Flauschiges.
"Hm?", wunderte sich die weiße Katze und fand vor ihrem Bett ein Paar flauschige Hausschuhe in beige-farbenen Pelz und auf dem stummen Diener neben dem Bett einen, ebenfalls beigen, Bademantel.
Flink zog sich Alicia um und schaute in den großen Wandspiegel, der gegenüber ihres Bettes stand.
"Super! Steht mir hervorragend und ist obendrein noch schön kuschelig!", freute sich die Katze und verließ ihr Schlafgemach, wo draußen allerdings schon die dunkelgraue Füchsin Sombra ungeduldig auf sie wartete und sie wild gestikulierend die Treppe hinunter in das Esszimmer führte.
Im Esszimmer selbst hatte sich Samantha bereits an den Tisch gesetzt und begrüßte die Beiden herzlich: "Ah, da seid ihr ja! Und Alicia, wie ich sehe, hast du die Sachen gefunden, die ich dir extra habe rauslegen lassen. Ist zwar noch aus Sombras Anfangszeit bei mir, aber der Mantel und die Pantoffeln scheinen dir gut zu passen."
"Wie für mich gemacht, Danke!", entgegnete die weiße Katze fröhlich, wobei ihr allerdings auffiel, dass sie wohl die Letzte war, die aus den Federn kam, denn Samantha und Sombra hatten, im Gegensatz zu ihr, bereits ihre Ausgeh-Garderobe an.
Etwas verduzt beeilte sich Alice, sich ebenfalls einen Platz an der runden wohlgedeckten Esstafel zu suchen.
"Sag mal... Sombra berichtete mir, dass sie heute morgen, auf dem Weg in die Stadt, ein ziemlich mitgenommenes Auto im Straßengraben hat liegen sehen. Ist dir der Wagen gestern auch schon aufgefallen?", erkundigte sich die rote Fähe und schmierte sich Butter auf ihr Brötchen.
"Ja, der ist mir auch aufgefallen... ich war es schließlich, der die Karre da rein gelenkt hat...", brummte die Katze etwas kleinlaut und zog den Kopf zwischen ihren Schultern ein.
Die schwarze Füchsin konnte sich ein lautloses Kichern nicht mehr verkneifen, versuchte sich aber noch abzuwenden, wobei Samantha sie allerdings böse anfunkelte und sie schulmeisterte: "Lach nicht über das, was dir selbser passieren kann, junges Fräulein! Immerhin hätte sich unser Gast dabei verletzen können!"
Sombra aber schaute nur gut gelaunt hinauf zu der aufwändig verzierten Hängelampe und drehte Däumchen.
"Ach ja... manchmal ist es schlimm mit ihr! Ab und zu habe ich so den Eindruck, dass das Mädchen trotz ihrer 22 Jahre immernoch nicht aus der Pupertät raus ist.", stöhnte Mrs. Rowlings und stützte angestrengt ihren Kopf auf der Hand ab.
Obwohl die Polizeidetektivin eigentlich gerade etwas zu Sombras Verteidigung erwiedern wollte, sah sie nur aus dem Augenwinkel, wie sie sich hinter ihre Herrin schlich und freche Grimassen zog, wobei sie auch ihre Zunge rausstreckte.
Scheinbar unbekümmert hob die rote Füchsin ihr Sektglas und hielt es auffallend weit von sich weg, aber plötzlich schnellte Samanthas andere Hand nach oben und packte sich die Zunge ihrer unverschämten Dienerin.
"Wie kann man nur stumm und gleichzeitig so frech sein?! Habe ich denn nicht gerade etwas gesagt?", schimpfte die rote Fähe und zog Sombra zu sich hinunter, die sich beeilte, mit ihren Händen, so schnell es ging, eine Entschuldigung zusammen zu fuchteln.
"Ja, 'Es-tut-mir-Leid!-Ich-werde-es-nie-wieder-tun!-Versprochen!'", übersetzte Samantha die Gesten laut und schaute fragend zu Alice herüber: "Glauben wir ihr?"
Alicia tat erst so, als würde sie angestrengt überlegen, aber als Sombra bettelnd ihre Hände zusammenfaltete und sie mit flehenden Augen anschaute, nickte die Katze schließlich doch noch, worauf die rote Fähe die Zunge ihrer Dienerin erst noch einmal lang zog, sie dann aber losließ, sodass Sombra zurücktaumelte und sich den schmerzenden Mund hielt.
Alice war über Samanthas blitzschnelle Reaktion wirklich erstaunt und war neugierig, wie sie das gemacht hatte: "Woher wusstest du..."
"... dass sie so einen Unsinn macht? Ich hab' sie als Spiegelung in meinem Glas gesehen. Ausserdem konnte ich schon an deinem sparsamen Gesichtsausdruck ablesen, dass sie Unfug trieb. Das Sektglas brauchte ich lediglich zum Zielen.", erklärte die Rotfüchsin beiläufig und verwies ihre Haushälterin mit einem grimmigen Nicken zurück auf ihren Platz.
Mittlerweile näherte es sich der Mittagsstunde.
Samantha hat für ihre Freundin die Abholung des liegengebliebenen Wagens organisiert und Sombra angewiesen, sie zurück zum Polizeirevier, und bei Bedarf nach Hause, zu fahren. Nun wollte sie die verbliebenen Minuten noch nutzen, um Alicia noch ein paar Worte mit auf den Weg zu geben.
"Ich wollte dir nur noch mal sagen... Ich fand es sehr schön, dass du gestern Abend noch hier geblieben bist. So einen schönen Abend durfte ich schon lange nicht mehr genießen!", begann die rote Füchsin dankbar und reichte der Katze ihren Anorak.
"Da kann ich nicht wiedersprechen! Der Abend gestern war eine vollkommen neue Erfahrung für mich und du weisst gar nicht, wie glücklich ich bin, auf dich getroffen zu sein.", entgegnete die weiße Katze ehrlich und ließ sich von ihrer neuen Freundin in die dicke Winterjacke helfen.
"Das ist schön zu hören! Meine Telefonnumemr habe ich dir auch aufgeschrieben. Wenn dein Handy wieder läuft, kannst du sie dir ja abspeichern und mich jederzeit anrufen, wenn du willst", erinnerte Samantha sie noch einmal.
"Ja, danke... Ähm... darf ich dich nochmal etwas fragen?", druckste Alice und schaute sich verstohlen um, ob die Sombra nicht vielleicht irgendwo in der Nähe war.
"Aber klar doch! Was liegt dir auf dem Herzen?", antwortete die Füchsin ruhig und schaute sie aufmerksam an.
"Ich wollte dich fragen, wann wir uns das nächste mal treffen könnten, um... noch mehr... ich meine... wie gestern...", brachte Alicia zögernd hervor und spielte nervös mit ihren Händen.
Sanftmütig lächelnd, streichelte ihr Samantha über die Wange und flüsterte ihr liebevoll zu: "Ich habe noch die ganze nächste Woche Urlaub. Ruf an, wann immer du willst, und Ich werde dich abholen lassen oder zu dir kommen. So, wie es dir passt!"
"Oh, das ist schön! Ich verspreche dir, mich auf jeden Fall zu melden, sobald ich wieder Zeit habe. Machs gut!", verabschiedete sich die Polizistin erfreut und folgte Sombra, die inzwischen an der Haustür wartete und ungeduldig mit dem Fuß tappte.
Als die Beiden dann verschwanden und ihre Haushälterin die Haustür hinter sich schloss, schaute die rote Füchsin noch einige Sekunden und Gedanken verloren auf die hölzerne Pforte und dachte nach: "Ich bin mir sicher, es wird nicht lange dauern..."
Ungefähr eine halbe Stunde später hatte die Samanthas Dienerin die weiße Katze vor ihrem Zuhause abgesetzt und mit einem ausgedehnten und niedergeschlagenen Seufzen betrat sie ihre Wohnung.
Erst jetzt, wo sie wieder alleine war, merkte Alice erst, wie alleine sie sich wieder fühlte.
Nachdem sie sich ihre Schuhe ausgezogen und den Winteranorak an die Garderobe gehängt hatte, schloss sie ihr Handy an das Ladegerät an und überprüfte ihren Anrufbeantworter.
"Oh... zwei Leute haben angerufen?", stellte sie fest und drückte auf die Wiedergabe-Taste, um sich die erste Nachricht anzuhören: "Schönen guten Tag, Mrs. Williams! Gary Steel, von der Hausverwaltung... Ich wollte ihnen nur mitteilen, das die Warmwasserzufuhr wieder reibungslos läuft. Ich hoffe, dass sie durch den bedauerlichen Ausfall nicht allzu viele Schwierigkeiten hatten. Sollte es trotzdem noch Schwierigkeiten geben, dann rufen sie bitte umgehend zurück. Meine Nummer ist..."
"Wurde auch Zeit, du lahme Schnecke! Noch so eine Dusche und ich wäre erfroren!", kommentierte Alicia bissig, aber zufrieden und ließ die zweite Nachricht abspielen:
"Hi Alice! Ich bins, Mike. Wollte dir nur bescheid sagen, dass mich die vereinigten Staaten wieder haben und... ich könnte ein bisschen Gesellschaft brauchen. Wäre schön, wenn du mich anrufen könntest, sobald du wieder da bist. Hab' dich lieb!"
Mit einem Mal zog sich ihr Magen unangenehm zusammen, denn erst jetzt wurde der Katze gänzlich klar, was sie gestern eigentlich getan hatte. Sie hatte Michael betrogen!
"Oh Shit! Was habe ich nur getan!", klagte sie sich selbst an und malte sich in Gedanken die verschiedensten Szenarien aus, wie der Rüde wohl reagieren würde, wenn er davon erfuhr.
Zehn lange Minuten haderte Alicia mit sich selbst, was sie nun tun sollte. Am liebsten hätte sie sich in die Ecke gesetzt und geheult, aber ihr war auch klar, dass das keine Lösung war.
"Moment! Er muss es ja nicht erfahren! Ich meine... Ich habe mir ja nur neue Freunde gesucht!", fiel es der Katze plötzlich ein und betrachtete die kleine Liebelei mit Samantha schon als gar nicht mehr so gravierend.
"Genau! Ich bin nur zu einer Freundin gefahren, weil ich mich ebenfalls einsam fühlte und meine Dusche kaputt war, das sit es!", lobte sich Alice selbst und strahlte beinahe vor Begeisterung über ihren zwielichtigen Einfall.
"Das ist es! Jetzt nur noch schnell einen schönen Strahl heißes Wasser auf den Pelz und dann rufe ich ihn zurück!", dachte sie und stürmte ins Badezimmer.
Bereits zwei Stunden später klingelte Michael, wie von Alicia zuvor bestellt, an ihrer Haustür und die Beiden setzten sich bei gemütlichen Licht auf das Sofa in ihrem Wohnzimmer.
"Und, wie war's?", fragte die weiße Katze, als sie sich neben dem walisischen Schäferhund setzte.
"Obwohl der Anlass nicht gerade der Schönste war, ging es eigentlich. Mein Vater hat viel von Früher erzählt, als ich meine Geschwister noch klein waren. Er hatte sich sehr gefreut, das ich da war.", berichtete Michael kurz
"Das glaube ich wohl... Ich bin auch froh, dass du wieder da bist!", entgegnete Alicia fröhlich und lehnte sich an seine Körperflanke.
"Och... mein armes, kleines Kätzchen! Wie ist es dir denn hier ergangen?", fragte der Rüde, wärend er seinen Arm um ihren Rücken legte.
"Naja... viel habe ich nicht gemacht. Allerdings glaubst du nicht, wen ich gestern kennengelernt habe!", bemerkte die Katze geheimnisvoll und kraulte den Hals des walisischen Schäferhundes.
"Hm... Keine Ahnung!", antwortete Mike nach kurzem Überlegen und nahm einen Schluck von seiner Limonade.
"Ich geb' dir einen Tipp: Sie ist Nobelpreisträgerin für Medizin!", brachte Alice feierlich hervor und schaute ihren Freund erwartungsvoll an, der jedoch einen kurzen Augenblick brauchte, um das Gehörte zu verarbeiten, eh er schließlich fragte: "Wie, um alles in der Welt, kommst du denn mit dieser Frau in Kontakt?!"
"Naja... das war so..."
Alicia berichtete ausführlich von ihren gestrigen Erlebnissen, wobei sie allerdings die 'unangenehmen Kleinigkeiten', eisern verschwieg.
"... und so stellte ich fest, dass sich Samantha als herzensgute Freundin herrausstellte.", beendete die Katze fröhlich und schüttete sich ebenfalls ein Glas Cola ein.
"Das ist natürlich schön für dich! Ich freue mich, wenn du neben deiner Arbeit etwas Kontakt nach Außen pflegst", äusserte Mike und nickte verblüfft.
"Ich hätte es vorher auch nciht gedacht. Ich nahm erst an, dass es sich bei ihr um so eine hochnäsige und versnobbte Schrulle handeln würde, aber ich lag falsch und wir freundeten uns an. Wir haben wirklich viele gemeinsame Interessen!", erklärte Alice weiter, wobei sie aufpassen musste, nicht ins 'schwärmen' zu kommen.
"Ja, gemeinsame Interessen sind schon eine schöne Sache, aber... wie sieht es mit 'unseren Interessen' aus? Ich meine... die Interessen, die nur wir Beide haben?", fragte der Rüde verführerisch und schob seine Hand von dem Rücken der Katze weiter nach unten, unter den Hosenbund ihrer Jeans.
Aber anstatt sich von seinem kecken Verhalten angezogen zu fühlen, überkam Alice eher ein unangenehmer Schauer der Schuld und der Reue.
"Was ist denn los, Liebling? Habe ich etwas falsch gemacht?", fragte Michael besorgt, als er bemerkte, wie seine Freundin traurig die Ohren anlegte.
Nun wurde ihr Puls rasend schnell. Sie wollte sich nichts vormachen, denn sie wusste, was für eine schlechte Lügnerin sie war, weshalb es bei einem Polizisten und gleichzeitig ihrem Freund eine ganz schlechte Idee war, nun damit zu beginnen. Innerlich haderte die Katze noch einige Sekunden, bevor der Druck in ihr zu stark wurde und sie die Bombe platzen lassen wollte.
"Mike?", fragte sie beinahe mit flehender Stimme
"Ja, was ist denn?", fragte er behutsam.
"Ich fürchte ich habe ganz großen Mist gebaut.", begann Alicia bedauernd.
"Was ist denn los, was hast du für Mist gebaut?", fragte der Rüde mitfühlend und legte eine Hand auf ihre Schulter.
"Du liebst mich doch oder? Und... und du würdest mir niemals weh tun, oder", fragte sie hastig, wobei sich ihre Atmung verschnellerte.
"Natürlich liebe ich dich und der Teufel soll mich holen, wenn ich dir jemals etwas antun sollte! Aber worauf willst du hinaus?", entgegnete Mike ernst.
Alice kämpfte mit den Tränen, als er ihr in die Augen sah, aber sie wusste, dass es nun kein Zurück mehr gab.
"Ich... habe...", fing sie an, unterbrach ihr Geständnis jedoch wegen eines Schluchzens.
"Ja, du hast?!", drängte der Schäferhund, der allmälich die Geduld verlor und näher an sie heranrückte.
"...betrogen.", wisperte die Katze beinahe lautlos und schloss zitternd die Augen.
Michael benötigte einen Moment, um ihre Worte hinunterzuschlucken, eh er sich wieder von ihr entfernte und es vermied, ihr ins Gesicht zu schauen.
"Sie hat mich betrogen...", wiederholte der Rüde noch einmal ruhig und stützte sein Kinn auf der Hand ab.
Schier endlose Sekunden verstrichen, eh sich Alicia traute, wieder etwas zu sagen.
"Ich verstehe dich, wenn du jetzt böse auf mich bist.", flüsterte sie ängstlich.
Doch anstatt einen Wutanfall zu bekommen und seine Freundin zusammen zu schreien, tat er das, womit sie zwar nicht gerechnet hatte, sich aber ebenfalls schrecklich anfühlte.
Der Rüde nickte nur heftig und antwortete ganz ruhig: "So... du verstehst also... "
Ängstlich und still rutschte Alice etwas von ihrem Freund weg und zog ihren Kopf zwischen die Schultern.
"Verstehst du auch, wie ich noch vor einigen Tagen nachts alleine in dem mir zugeteilten Bett lag, weit weg von dir? Wie ich um meinen Vater bangte und weinte, weil er mir als eine wichtige Person in meinem Leben bald genommen wird? Wie ich in diesen Stunden wünschte, du würdest bei mir sein und mich trösten? Du verstehst also, wie kalt mir war und wie ich mich nach deiner Nähe sehnte?", fragte Michael ungläubig und mit bebender Stimme.
"Oh, es tut mir so leid...", jammerte die weiße Katze und streckte ihre Hand nach dem Hund aus.
Er jedoch stand auf und trat mit gesenktem Kopf ein paar Schritte von ihr zurück.
"Es tut dir leid... tat es dir etwa auch in jenem Moment leid, als du im Bett deines neuen Liebhabers gelegen hast?", fragte Mike ungläubig und schüttelte den Kopf.
"Warte! Lass es mich erklären!", flehte Alicia und sprang von der Couch.
"Nein! Ich weiss nicht, ob du es jetzt auch 'verstehen' kannst, aber ich möchte jetzt gerne alleine sein!", erwiederte der Schäferhund kalt und schritt eilig aus dem Wohnzimmer.
Unfähig, sich zu bewegen, sackte die weiße Katze ins sich zu sammen und lauschte, wie sich Michael seine Jacke nahm und die Haustür hinter sich schloss.
"Was habe ich nur getan?!", dachte Alice und weinte sich die Seele aus dem Leib.
Als der Wecker klingelte und Alicia mit verheulten Augen auf die Anzeige ihrer Digitaluhr schaute, hämmerte sie mit der geballten Faust auf den Knopf, um das penetrante Weckgeräusch zu eliminieren und drehte sich wieder um. Eigentlich sollte sie heute wieder zur Arbeit gehen, aber dort würde sie auf ihn treffen und das war gerade das Wenigste, was sie wollte. Er war wütend, enttäuscht und mit Sicherheit ebenso traurig, wie sie, aber es bereitete ihr Schmerzen, daran zu denken.
Für einen kurzen Augenblick dachte sie daran, dass sie sich mit ihrem Fehlen am Arbeitsplatz nur noch mehr Kummer einfangen würde, doch das war ihr egal... Ihr war einfach alles egal!
Sie blieb noch so lange weinend im Bett liegen, bis die ersten Sonnenstrahlen ihr von Tränen durchweichtes Wangenfell berührte. Dann erst stand sie auf und schob sich lustlos ins Badezimmer, ums sich wenigstens einigermaßen für den Tag frisch zu machen.
Als sie in den Spiegel schaute, entdeckte sie ihre aufgequollenen Augen und die verschmierte Schminke, die ihr in schwarzen Streifen über das Gesicht liefen.
Als sie sich endlich etwas frisch gemacht hatte, setzte sie sich an den Küchentisch und legte sich alles bereit, um ein Sandwich zu machen.
Aber eigentlich wollte Alice nichts essen. In ihrem bauch herrschte eine zerfressende Leere. Eine Leere, die sich immer weiter ausbreitete und die traurige Katze in eine bleiernde Depression verweilen ließ.
Dieses Gefühl der Inhaltslosigkeit war ein leidvolles Zusammenspiel von Einsamkeit, Trauer, Kälte und der Gewissheit, der Person, der einem am meisten am Herzen liegt, bitter enttäuscht und verletzt zu haben.
Eh mehr Alice darüber nachdachte, umso niedergeschlagener wurde ihre Stimmung. Sie wünschte sich so sehr, wieder in Michaels Armen zu liegen, aber andererseits traute sie sich nicht mehr unter seine Augen.
Als ihr Blick rastlos durch die Küche wanderte, fiel ihr Blick auf das Handy, welches immernoch am Netzteil hing, damit der Akku wieder auflud.
"Es kann wohl kaum noch schlimmer werden...", dachte sich die weiße Katze nach langem Zögern und suchte Samanthas Telefonnummer aus ihrer Jackentasche und tippte sie auf ihrem Mobiltelefon ein.
"Komm schon...", flehte Alicia und wartete die Freizeichen ab, bis sie endlich eine erlösende Stimme vernahm.
"Ja, Rowlings hier! Mit wem spreche ich?"
"Hallo Samantha! Alicia hier. Ich wollte fragen, ob ich vielleicht für einen oder zwei Tage zu dir kommen kann.", brachte die Katze leise hervor und schloss erwartungsvoll die Augen.
"Ja, natürlich! Aber was ist denn bei dir los? Warum klingst du so traurig?", emtgegnete die Frauenstimme am Hörer.
"... Erkläre ich dir später.", antwortete sie deprimiert und legte auf.
Es dauerte keine Halbe Stunde, als Sombra schließlich vor ihrer Tür stand und Ailce bedeutete, ihr zum Auto zu folgen.
Als die Beiden dann schließlich auf dem Hof von Samanthas kleinen Villa vorfuhren, wurden sie bereits von ihr in Empfang genommen.
"Oh Gott, was ist denn mit dir passiert?!", entfuhr es der roten Füchsin sofort, als sie Alicias gequälten Gesichtsausdruck bemerkte.
"Ach... ich hatte nur... versucht...", begann die Katze gepresst, brach aber sofort wieder in Tränen aus.
"Komm erstmal mit rein und setz dich!", empfahl Samantha und bückte sich hinunter, um ihre weinende Freundin in den Arm zu nehmen.
Die drei Frauen gingen gemeinsam ins Wohnzimmer und setzten sich dort auf das luxoriöse Sofa, wobei Alice zwischen den feiden Fähen saß, was sie sehr positiv überraschte. Von Sombra hatte sie eigentlich kein so großes Mitgefühl erwartet, doch auch sie spendete ihr trost, indem sie ihr mitfühlend über den Rücken rubbelte und ihr ein Papiertaschentuch reichte.
"So, jetzt atme nochmal ganz tief durch und erzähl uns in aller Ruhe, was gewesen ist.", schlug Samantha vor und legte ihr eine Hand auf das Knie.
"Also, ich... Gestern hatte ich mich mit meinem Freund Michael eingeladen, der von seiner Reise nach Wales zurückkehrte. Wir... unterhelten uns über das, was wir in der vergangenen Woche erlebt haben, wobei ich ihm auch von dir erzählte.", berichtete die Katze mit zitteriger Stimme und schnäuzte sich die Nase.
"Wenn du brauchst, mach ruhig eine Pause.", erwähnte die rote Füchsin beiläufig und streichelte ihr durchs Haar.
Alicia nickte dankbar und genoss das Gefühl, jemanden um sich zu haben, die einen mögen und für einen da sind. Sie spürte die körperliche, aber auch die seelische Wärme, die die beiden Füchsinnen für sie ausstrahlten, worauf sie nach einem kräftigen Atemzug weitererzählte: "Ich beschloss ihm, erstmal noch nichts von unserem Verhältnis zu erzählen, aber danach fing Mike an, wie sehr ich ihm gefehlt habe und dann... konnte ich den Druck nicht mehr aushalten...", setzte die weiße Katze fort und erneut rann eine Träne über ihre Wange.
"... und dann hast du ihm erzählt, das du mit mir geschlafen hast, hm?.", beendete Samantha den angefangenen Satz.
Nach einer kurzen Pause wischte sie sich die Träne aus dem Gesicht und erzählte weiter: "Nicht ganz... ich hatte ihm zwar gebeichtet, das ich mit jemand Anderem Sex hatte, aber nicht, dass du es warst. Dazu kam ich nicht mehr! Er... ich wollte ihn noch aufhalten, aber.. er lief sofort weg!", jammerte Alice und weinte erneut, wobei sie sich diesmal gegen Samanthas Schulter lehnte.
"Schhht...", zischte die Rotfüchsin leise und klopfte ihrer Freundin dabei mild auf den Rücken.
"Ich verstehe das nicht! Ist es denn so falsch, mir das bei einer anderen Person zu holen, was er mir niemals geben kann?", schluchzte die weiße Katze verzwiefelt.
Die rote fuchsdame legte ihrer Freundin beide Hände unter das Kinn und zwang sie so, mit dem Weinen aufzuhören und ihr ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
"Hör mir zu: Ich finde es zwar falsch, dass dein Freund so schnell abgehauen ist und dir nicht zuhören wollte, aber ich kann ihn auch verstehen! Du sagtest doch, dass er in der letzten Woche seinen Vater besucht hat, oder? Ich vermute mal ganz stark, dass ihn die Gewissheit, ihn bald zu verlieren, schwerer getroffen hat, als er zunächst selber annimmt. Als du ihn dann zu dir eingeladen hasst, freute er sich warscheinlich darauf, Trost und Nähe bei dir zu finden...", erklärte Samantha ruhig.
Als Alice darüber nachdachte, konnte sie ihre Worte nachvollziehen. Es geschah aber auch alles einfach so unpassend, worauf die weiße Katze schuldbewust ihren Kopf hängen ließ.
"Nein, nein, nein! Verurteile dich nicht selbst für die Gefühle, die du Anderen gegenüber empfindest! Du hattest keine Zeit, ihm deinen Standpunkt genau zu erklären. Die Schuld dafür trägt aber keiner von euch Beiden!", beruhigte die rote Fuchsdame ihre Freundin und sah, wie sich ihr Gesicht endlich aufhellte.
Alicia war überglücklich, so eine mitfühlende und kluge Person neben sich zu haben
"Danke, dass du mir so viel Trost spendest! Das werde ich dir nie vergessen!"