Wolfsblut - Teil 2 Kapitel 24: Eisbad
Teil 2: Eis
Kapitel 24: Eisbad
Sesuke wachte mitten in der Dunkelheit der Nacht auf und rieb sich den Kopf. Die Wunde auf der Brust machte sich durch ein schmerzhaftes Ziehen bemerkbar, doch schon klang der Schmerz wieder ab. Er schaltete eine kleine Lampe an, die das kleine Zimmer mit den terracotta-farbenen Wänden nur dürftig beleuchtete.
Der Collie griff sich ein Glas Wasser und löschte seinen Durst. Gerade als er das Licht wieder ausschalten wollte, um sich wieder schlafen zu legen, bemerkte er ein leises Atmen. Er blickte auf das Sofa neben ihm, wo ein kleiner Dingo zusammengekauert schlief. Anscheinend wollte Mazaru in dieser Nacht nicht alleine sein. Sesuke lächelte und legte eine Wolldecke über den Körper des Rüden. Er schaltete das Licht wieder aus und sank in den Schlaf.
Mazaru gähnte und reckte sich. Plötzlich spürte er, wie etwas über sein Fell glitt. Eine warme Pfote strich durch sein sandfarbenes Fell. Mazaru blickte hinauf und bemerkte, dass es Sesuke war, der bereits wach war.
,,Guten Morgen.", sagte er lächelnd. Mazaru schob die Pfote des Collies weg und brummte: ,,Hör auf mich anzufassen."
,,Wieso?"
,,Schonmal was von Privatsphäre gehört? Wenn du mich berührst, hast du diese Sphäre um drei Meter überschritten."
,,Ich mag aber Deinesphäre."
Seufzend stand der Dingo auf. ,,So klappt das nicht, kannst du nicht einfach akzeptieren, dass ich nicht angefasst werden will?"
,,Nein, denn ich kann es nicht verstehen." Der Collie stand ebenfalls auf. Für ihn waren Berührungen etwas ganz Natürliches, in seiner Welt war es absolut nichts Verwerfliches, es gehörte dazu. Sesuke seufzte, als ihm eine dunkle Erinnerung in den Kopf stieg. Er verdrängte den Gedanken und fragte: ,,Hast du Hunger?"
,,Ich würde lieber eine Dusche nehmen.", meinte der Dingo, als ihm auffiel, wie dreckig sein Fell war.
Sesuke legte die Zeitschrift aus der Hand, als er den Dingo bemerkte, der mit nassem Fell und nur mit einem Handtuch um die Hüften ins Zimmer trat. Zwar war das Wohnzimmer dank des Kamins sehr warm, dennoch müsste es dem Jungen ziemlich kalt sein, doch er ließ sich nichts anmerken.
,,In der Küche habe ich dir etwas zu Essen gemacht.", sagte Sesuke. Mazaru nickte und verschwand in dem nächsten Raum. Während er aß, schlich Sesuke ins Badezimmer, er wollte wissen, ob dieser Dingo tatsächlich so kalt war. Er schaltete das Wasser in der Dusche an und schreckte zurück, das Wasser war tatsächlich eiskalt, obwohl zu dieser Herbstzeit kalte Außentemperaturen herrschten.
,,Warum tust du das alles für mich?", fragte Mazaru kühl, als sich der Collie neben ihn an den Frühstückstisch setzte. ,,Es muss doch einen Grund haben."
Der Collie lehnte sich zurück und fragte: ,,Möchtest du einen Tee?"
,,Beantworte meine Frage." Sesuke seufzte, noch wollte er dem Dingo nichts erzählen, erst muss er wieder richtig leben und fühlen können. ,,Ich will einfach unschuldiges Leben retten.", sagte er. Mazaru erkannte, dass es nur eine Ausrede war. Er rückte mit dem Stuhl zurück und meinte: ,,Falsche Antwort. Was willst du von mir?"
Eiskalte Augen fixierten den Collie.
,,Nichts."
,,Lüge! Rede endlich!"
Sesuke schloss die Augen und schwieg.
,,Du nimmst mich auf, gibst mir zu Essen, willst mich beschützen und meine Gefühle wiederaufbauen, hast aber keinen Grund dafür?"
Mazaru stand auf und ging aus der Küche, Sesuke blickte ihm hinterher. Der Dingo war kalt, doch Sesuke wusste, dass er das Eis zum schmelzen bringen konnte. Er stand auf und spähte in das Wohnzimmer, welches an die Küche grenzte. Er erblickte den Dingo, wie er nachdenklich aus dem Fenster sah, er hatte das Handtuch in die Ecke geworfen und sich bereits wieder angezogen.
Sesuke trat hinter der Tür hervor, Mazaru schenkte ihm jedoch keine Beachtung. Er sah keinen Grund, dem Collie Vertrauen zu schenken. Er kannte ihn gar nicht. Und dennoch kam es ihm so vor, als würde er in seiner Gegenwart etwas empfinden, aber das war ausgeschlossen, er fühlte nichts und der Collie würde daran auch nichts ändern können.
Sesuke ließ sich neben ihm auf dem Sofa nieder, blickte ebenfalls aus dem Fenster und sagte: ,,Der Himmel ist schön, nicht wahr? Wir alle leben in verschiedenen Welten, doch der Himmel bleibt immer der Gleiche."
Mazaru blickte zu ihm und ein innerliches Bedürfnis verlangte danach, sein Fell zu berühren. Er kniff die Augen zusammen, solche Bedürfnisse waren irrelevant, er müsste das Bedürfnis haben, jemanden zu töten. ,,Bin ich wirklich nur eine gefühllose Waffe?", fragte er sich. Er hatte nie an der Macht des Programms Sunhào gezweifelt, doch nun fragte er sich, ob er nicht einfach nur zu einer Maschine gemacht wurde.
,,Es löscht Gefühle und macht mich zu einem Killer, doch zu welchem Zweck? Wieso gibt es dieses Programm? Warum leben wir nicht in einer friedlichen Welt?"
Ihm wurde beigebracht, dass der Kampf die einzige Lösung für Konflikte sei, doch warum musste es so sein? Warum tötet man sich gegenseitig, wenn man doch in Frieden leben könnte? ,,Warum sollte ich zu einem Zàhng werden?", fragte er sich und bemerkte nicht, dass er die Frage laut ausgesprochen hatte. Sesuke blickte zu ihm. Mazaru hielt sich den Kopf, die dunkle Erinnerung blitzte in seinen Augen auf, er würde es ihnen nie verzeihen, dass sie ihn zu einem Roboter machen wollten.
Er blickte zu dem Collie und sagte: ,,Als ich geboren wurde, haben mich meine Eltern in die Organisation Chénmò gegeben."
Sesuke zuckte mit den Augenbrauen. Er war froh, dass Mazaru scheinbar Redebedarf hatte. ,,Wieso?"
Er erkannte ein Glitzern in den kalten Augen, waren die Gefühle etwa doch noch nicht so sehr zerstört, wie er angenommen hatte?
,,Sie wollten mich nicht haben, ich bin nichts weiter als ein blöder Unfall. Sie haben mich nach Chénmò gegeben, weil sie sich dann nicht mehr um mich kümmern mussten. Sie hatte es gar nicht interessiert, was sie mir damit angetan haben."
Er blickte Sesuke tief in die Augen, die die Farbe des tiefen Meeres hatten.
,,Ich will ein ganz normaler Junge sein, der fähig ist, glücklich zu sein, Freunde zu haben... lieben zu können. Bitte, hilf mir, mich wiederaufzubauen."
Er senkte den Kopf und vergrub die Schnauze im weichen Fell unter dem Brustkorb des Collies. Sesuke war erschreckt von dieser Reaktion, der Dingo wollte also seine Hilfe annehmen. Sesuke schwor sich, alles dafür zu tun, dass Mazaru wieder fühlen konnte. Er strich ihm über die kurzen braunen Haare.
Mazaru war überwältigt von dem schmerzenden Ziehen, was ihm durch den Körper fuhr. Er wurde darauf trainiert, keinen anhaltenden Körperkontakt zuzulassen, da sonst dieser Schmerz in ihm ausgelöst werden würde. Es war Teil des Programms, ihm wurde ein Mikrochip eingepflanzt, der schmerzende Impulse auslöste, wenn er sich Gefühlen hingab, dies sollte die Ausschaltung der Gefühle erleichtern. Doch Mazaru wollte wieder Gefühle empfinden können, wollte den Collie nicht loslassen, also musste er den Schmerz ertragen.
Sesukes Schweif wedelte leicht, auch wenn Mazaru kalt wirkte, er war warm, sehr warm. Der Collie ließ die Pfote tiefer sinken und strich über den roten Stoff des T-Shirts. Mazaru stöhnte, er spürte die Berührung durch den Stoff, die sowohl ein angenehmes Kribbeln im Fell, als auch ein schmerzendes Stechen im Inneren auslöste. Erschreckt ließ Sesuke ihn los, Mazaru setzte sich wieder auf und sagte: ,,Ich habe doch gesagt, dass du mich nicht anfassen sollst." Er machte eine Pause, in der der Schmerz langsam abklang. ,,Erzählst du mir jetzt, wieso du das für mich tust?"
Der Collie zog sich das Hemd aus, sodass man den Verband um seine Brust sehen konnte. ,,Alles zu seiner Zeit." Er kam den Dingo näher, der sich keinen Zentimeter von der Stelle rührte. Leise hauchte Sesuke ihm ins Ohr: ,,Du sagst, dass du lieben willst? Würdest du denn auch gerne geliebt werden?"
Mazaru zuckte mit den Ohren und fragte: ,,Wieso fragst du das?"
,,Vielleicht kann ich dir das geben, wonach dein Körper verlangt.", sagte er mit weicher, verführerischer Stimme. Mazaru zog sich zurück. ,,Hör auf so zu sprechen."
Sesukes Augen funkelten. ,,Du willst es also..." Er rückte näher an den Dingo. Mazaru zog sich weiter zurück und brüllte: ,,Lass mich in Ruhe!"
Etwas Dunkles blitzte in den blaugrünen Augen auf, Sesuke seufzte und lehnte sich gegen die Sofalehne.
Nach einigen Sekunden der Stille krabbelte Mazaru näher zu dem Collie, der mit geschlossenen Augen etwas undeutliches murmelte.
,,Was war los mit dir?"
,,Benutzt.", hauchte der Collie. ,,Was?" Sesuke öffnete die Augen, die dunkelblaue Farbe wurde wieder zu einem leuchtenden Türkis.
,,Tut mir leid.", flüsterte er leise. ,,Vielleicht sollte ich dir doch einiges erklären." Mazaru spitzte die Ohren.
,,Gestern Abend im Wald, als sie dich holen wollten, hatte ich mich verwandelt und gegen sie gekämpft." Mazaru nickte, er konnte sich gut daran erinnern und er würde es so schnell auch nicht wieder vergessen. Der Collie war in diesen wenigen Sekunden von schillerndem Licht umgeben, sein Fell schien so hell wie die Sonne und die Augen strahlten vor Energie.
,,Ich bin ein Wächter. Vor vielen Jahren sind Wächter in die Welt Xornia gekommen, doch niemand wusste, woher sie kamen, nicht einmal ich selbst weiß das."
Mazaru nickte abwesend. ,,Sie haben spezielle Fähigkeiten, ich zum Beispiel habe die Fähigkeit, die Luft zu kontrollieren, ich kann somit Stürme erzeugen und ich kann, wie du gestern sicher gemerkt hast, fliegen." Er kreiste mit dem Zeigefinger, Mazaru spürte einen heißen Luftzug an seinem Bauch. ,,Aber ich kann auch spielen."
Mazaru gab ein Brummen von sich.
,,Eigentlich hat Xyon mir verboten, mich zu verwandeln und zu kämpfen."
Mazarus Miene verfinsterte sich. ,,Wer ist Xyon?", fragte er sich.
Sesuke deutete auf seine Brust. ,,Diese Wunde ist von einem Kampf, der vor kurzer Zeit in Xornia ausgefochten wurde. Xyon meinte, dass ich ich mich regenerieren sollte, bevor ich wieder in die Schlacht trete, doch gestern Abend hatte ich keine andere Wahl."
,,Moment mal. Wer ist Xyon? Und was ist Xornia? Du erzählst mir hier doch nur irgendwelche Märchen."
,,Xornia gibt es wirklich und wenn es soweit ist, wirst du es sehen können."
Mazaru drehte ihm den Rücken zu.
,,Du bist seltsam." Sesuke erkannte dennoch einen freundlichen Unterton in der Aussage.
,,Vielleicht bin ich das wirklich.", lachte er. Mazaru blickte zu einem Gemälde an der Wand, auf dem eine grüne Wiese mit einem sich dadurch schlängelnden Fluss zu sehen war.
,,Gefällt dir das Bild?"
,,Dort wo ich aufgewachsen bin, gab es keine Kunst.", sagte Mazaru kühl.
,,Das ist schade. Dieses Bild ist von mir."
,,Lass mich das alles mal zusammenfassen.", sagte Mazaru, ohne weiter auf das Gemälde einzugehen. ,,Du behauptest, du kämst aus einer anderen Welt, hast aber keine Ahnung, woher du kommst?"
Sesuke verschränkte die Arme. ,,Ich weiß nicht, wo meine Ahnen herkommen. Sie müssen geboren worden sein, da sie keine künstlich erschaffene Wesen waren. Ich glaube, dass wir in Wirklichkeit in einer ganz anderen Welt geboren wurden, weder in Xornia, noch in dieser Welt."
Seufzend schüttelte Mazaru den Kopf.
,,Ich habe von Parallelwelten gehört, doch ich konnte dem nie Glauben schenken. Aber das ist jetzt auch unwichtig, ich will wissen, was das Ganze mit mir zu tun hat!"
Der Collie seufzte. ,,Das erkläre ich dir später."
,,Bist du wegen mir in diese Welt gekommen?" Der Collie blickte ihn an, die bernsteinfarbenen Augen durchdrangen ihn. ,,Ja."
,,Und wie kommst du dann zu diesem Haus?" Sesukes Augen verfinsterten sich. ,,Das ist eine andere Geschichte."
,,Du bist ein Dieb! Das Haus gehört gar nicht dir, du hast es gestohlen!"
Die Anschuldigung ließ den Collie erstarren, doch zeigte sich auch ein amüsiertes Lächeln auf den dunklen Lefzen. ,,Natürlich habe ich es geklaut, eigentlich wollte ich die ganze Stadt haben, doch sie passte nicht in die Tasche."
,,Hör auf Witze zu machen, wem gehört das Haus? Was hast du demjenigen angetan, dem das Haus gehörte?"
Er schloss die Augen, eigentlich wollte er nicht in diesem Haus leben müssen, doch es gab keine Alternative.
,,Du willst es mir also nicht sagen, noch etwas, was du mir verheimlichst. Wieso sollte ich dir vertrauen, wenn du mir nicht vertraust?"
Sesuke gab ein Zischen von sich und sprang auf, seine Brust schmerzte. ,,Mir wurde das Haus überlassen, da sein früherer Besitzer es nicht mehr nutzen wird.", sagte er wahrheitsgemäß und versuchte dabei nicht laut zu werden.
,,Und wem gehörte das Haus vorher?", hakte der Dingo nach. Sesuke senkte den Kopf, sodass die blonden Haare sein Gesicht bedeckten und es verdunkelten. Leise murmelte er etwas, das Mazaru nicht verstehen konnte.
,,Was?", fragte er. Sesuke blickte auf und bellte: ,,Das geht dich nichts an!"
Einen Moment war er wütend, doch dann setzte er sich und flüsterte: ,,Es tut mir leid, ich wollte nicht laut werden."
Mazaru entschied sich, den Collie nicht mehr danach zu fragen, er hatte nicht das Recht, alles über ihn zu wissen, selbst wenn es ihn interessierte.
Xyon ließ sich auf dem mit rotem Stoff bezogenen Bett nieder und blickte zu der hellgrauen Füchsin. ,,Ich mache mir Sorgen um ihn, vielleicht ist die ganze Sache zu schwierig."
Fuchsit ließ sich auf der Bettkante nieder und strich die Strähnen aus Xyons gestresstem Gesicht. ,,Hessonit weiß, was er tut und falls er scheitert, würde ich mich bereit erklären, den Auftrag zu übernehmen."
,,Sei nicht albern, dein Platz ist am Tor."
,,Ich bin eine Wächterin." Ihre Augen leuchteten hellrot. Xyon setzte sich auf. ,,Vielleicht ist es zu gefährlich für dich." Fuchsit spitzte die Ohren, machte Xyon sich tatsächlich Sorgen um sie? Etwas helles leuchtete in ihren Augen auf. ,,Du bist immerhin keine richtige Wächterin, du hast bisher kaum gekämpft."
Ihr Kinn klappte empört herunter. ,,Hast du vergessen, dass ich in der letzten Schlacht deinen Hintern gerettet habe?!"
Xyon lächelte. ,,Das weiß ich doch." Seine metallischen, ernsten Augen wurden zu einem neugierigen Blick.
,,Es wird dir gefallen.", meinte der Collie. Misstrauisch blickte Mazaru ihn an. ,,Ich war noch nie in einem Restaurant." Sesuke nahm ihm die Jacke ab, hängte sie an einen Haken und meinte: ,,Ich hoffe, du magst Fisch." Mazaru schluckte. ,,Natürlich.", stotterte er. Sie gingen zu einem Tisch, der für zwei Personen reserviert war, Sesuke zog den Stuhl für Mazaru zurück.
Ohne ein Wort zu verlieren nahm der Dingo Platz, Sesuke setzte sich ihm gegenüber.
Der Collie hatte einen Tisch in dem Restaurant reserviert, Mazaru gefiel die Idee zwar nicht besonders, willigte aber dennoch ein.
,,Als Vorspeise gibt es Sushi.", meinte er, als der Kellner Teller mit Sushi auf den Tisch stellte.
Mazaru blickte die rohen Fischrollen an und sagte: ,,Das kriege ich nie runter."
,,Sagtest du nicht, dass du Fisch magst?"
,,Das war, bevor ich kurzfristig beschlossen hatte, Vegetarier zu sein." Er schnippte mit den Fingern. ,,Kellner, bringen das weg und bringen sie mir ein anständiges Steak!"
Sesuke räusperte sich und aß eine Sushi-rolle.
,,Du kriegst dieses ausländische Zeug tatsächlich runter?", fragte der Dingo erstaunt.
,,Natürlich, man muss doch auch mal etwas Neues probieren. Das sensibilisiert das Feingefühl der Zunge."
,,Und was nützt das?", fragte Mazaru verwundert. Sesuke schwieg, doch ein Grinsen lag auf seinen Lefzen.
,,Nächstes Mal gehen wir einfach in eine Pizzeria.", meinte Sesuke, als sie das chinesische Restaurant verließen.
Mazaru seufzte, sein Magen knurrte, Sesuke zog sich den Reißverschluss seiner Jacke zu.
Eine einzelnes Blatt sank vom Himmel herab und landete auf der rosafarbenen Nase des Dingos, der nachdenklich in die Kälte der Nacht blickte.
,,Der Herbst, eine schöne Jahreszeit. Die Blätter färben sich und tauchen die Wälder in ein schönes Rot.", meinte Sesuke.
Sie ließen das Restaurant hinter sich und spazierten den Weg entlang zu Sesukes Haus. Der steinige Boden unter ihren nackten Füßen fühlte sich kalt und rau an.
Mazaru hielt etwas Abstand von dem Collie. Er traute ihm nicht ganz, in seinen Augen glitzerten zwar die Gefühle, aber da war auch etwas Dunkles. Er seufzte und fühlte sich plötzlich wieder eiskalt. Er bemerkte den See, an dem sie vorbei liefen. Der Mond spiegelte sich in dem schwarzen Wasser, welches so ruhig wirkte. Etwas blitzte in den Augen des Dingos auf, er erinnerte sich, wie sehr er das Wasser geliebt hatte.
Mazaru ging langsam aus das Wasser zu, es zeigte sein Spiegelbild. Sesuke drehte sich um, da ihm auffiel, dass der Dingo ihm nicht mehr folgte. Er riss weit die Augen auf, als der Dingo plötzlich das Bewusstsein zu verlieren schien und in den See stürzte.
Geistesgegenwärtig rannte der Collie ans Wasser und sprang ihm hinterher. Innerhalb kürzester Zeit brachte der Collie ihn zurück an die Oberfläche.
,,Wach auf Mazaru!", rief Sesuke verzweifelt und rüttelte an dem Dingo. ,,Ich bin wach, du dämlicher Köter." Verwundert blickte der Collie ihn an. ,,Ich bring dich nach Hause, da ist es warm.", meinte er und rannte mit dem Dingo auf den Armen los, zwar schmerzte seine Brust, doch dies ignorierte er.
,,Hör auf, lass mich runter!" Dies ignorierte der Collie ebenfalls.
Er rannte geradezu die Tür ein und stolperte die Treppe hinauf ins Bad, wo er dem Dingo die Kleidung vom Körper riss und sich ein Handtuch schnappte. Sesuke rieb das sandfarbene Fell trocken.
,,Keine Sorge, mir geht es gut.", sagte Mazaru, doch Sesuke achtete nicht darauf, warf seine nasse Jacke in den Wäschekorb und brachte Mazaru ins Wohnzimmer, wo das Feuer im Kamin prasselte. Er band ihm das Handtuch um die Hüfte und setzte sich mit ihn vor den Kamin. Mazaru saß auf Sesukes Schoß, der seine Arme um ihn klammerte und ihn wärmen wollte.
Für einen Moment genoss Mazaru die Wärme, die ihm sonst so fremd war und er ließ die Berührungen zu, obwohl sie ein schmerzhaftes Stechen in seinem Innersten auslösten.
,,Als Welpe hatte ich das Wasser geliebt.", flüsterte er. ,,Daran kann ich mich erinnern, meine Empfindungen wurden nach und nach ausgelöscht, dennoch liebe ich das Wasser, ich habe mich nachts oft aus der Organisation gestohlen, um ein Bad im Wasser zu nehmen."
Sesuke schaute ihn voller Verwunderung an. ,,Aber nachts ist das doch viel zu kalt."
,,Ich liebe die Kälte.", hauchte der Dingo. ,,Mir macht das nichts aus, aber dir, du bist derjenige, der sich wärmen muss."
,,Ach was."
,,Zieh dir wenigstens die nasse Hose aus und trockne dich ab."
Sesuke zuckte mit den Ohren, die Augenbrauen hoben sich. ,,Du machst dir Sorgen um mich?"
Mazarus Nase nahm einen rötlichen Farbton an, er nahm sein Handtuch und schleuderte es Sesuke um den Kopf.
,,Ich mache mir doch keine Sorgen um dich.", log er sich zurecht. Sesuke zog das Handtuch ab und grinste, der kleine Dingo hatte einen süßen Körper, der einfach zum Anbeißen war.
,,Schämst du dich etwa?"
Mazaru blickte seinen Körper herab und meinte: ,,Scham ist nur ein Gefühl, genauer gesagt eine Schwachstelle, alle Gefühle sind Schwachstellen."
,,Das würde ich nicht sagen."
Mazaru seufzte, Gefühle waren ihm fremd, er hat gelernt, sie nicht zuzulassen, doch innerlich wünschte er sich, er könnte so wie Sesuke fühlen.
Mazaru schloss die Augen, der Schmerz war unerträglich, doch das, was die Berührung bei ihm auslöste, ließ ihn den Schmerz vergessen. Etwas heißes, was er nie zuvor gekannt hatte, flammte in ihm auf. Er seufzte, als der Collie die Arme fester um ihn schlang.
Als die Wärme des Feuers ihr Fell getrocknet hatte, gähnte Mazaru, griff sich sein Handtuch und stand auf.
,,Ihr könnt also Müdigkeit empfinden?" Sesuke grinste ihn an. ,,Sehr witzig. Schlaf ist für uns wichtig, um die Energiereserven aufzufrischen. Genauso wie Essen. Wir sind keine Roboter." Er streckte sich.
Sesuke beobachtete gespannt den kleinen, zerbrechlichen wirkenden Körper, der so eiskalt und dennoch so heiß war. Er schüttelte den Kopf, er war erwachsen und Mazaru war nur ein Jugendlicher.
,,Was ist mit meinen Klamotten?", fragte der Dingo. ,,Die sind noch nass, ich gebe dir etwas von mir." Der Collie verschwand aus dem Zimmer und kam kurzerhand mit einem Shirt und einer kurzen Hose wieder, die sich der Dingo anzog. ,,Zwar etwas weit, aber es wird wohl reichen.", meinte Sesuke.