Wolfsblut - Teil 2 Kapitel 33: Prüfungen
Teil 2: Eis
Kapitel 33: Prüfungen
Mazaru sah zum rötlich schimmernden Horizont. Der Himmel wurde immer dunkler. ,,Wollen wir das wirklich tun?", fragte der Dingo und sah auf das Schild, welches darauf hinwies, dass der Hafen nicht betreten werden sollte. Sesuke schien ihn nicht gehört zu haben, er studierte die Karte und machte sich einige Notizen. ,,Wir sollten uns aufteilen, dann sind wir schneller, sonst müssten wir alle zusammen die markierten Bereiche aufsuchen. Wir teilen uns in zwei Gruppen auf."
Leo sah sich den Hafen an. Sie standen vor einem altertümlichen Hotel, auf der anderen Seite des steinigen Weges befand sich ein Restaurant. Die Gebäude waren alt und brüchig. Pflanzen wucherten über die Wände. Zerbrochene Flaschen, einige Bretter und andere Materialien lagen auf dem Boden.
Der Wolf sah wieder zu dem Collie, der sich gerade etwas abzeichnete. ,,Wir brauchen eine Kopie der Karte", meinte er, als er fertig war. Canjy griff sich die Kopie, trabte zu Mazaru und sagte: ,,Wir übernehmen den hinteren Teil des Hafens." Noch bevor jemand etwas erwidern konnte, waren die beiden hinter dem Restaurant verschwunden.
Leo sah ihnen mit gesenkten Ohren hinterher. ,,Wa... Warum geht Canjy mit ihm und nicht mit mir?"
,,Ist doch unwichtig, lass uns die Sache hinter uns bringen", meinte Sesuke optimistisch.
Mazaru sah zu dem Fuchs, der den Blick starr nach vorn gerichtet hielt.
,,Warum wolltest du mit mir und nicht mit Leo gehen?", erkundigte er sich. Canjy schielte auf das kleine Café, dessen Fensterscheiben zersplittert waren. Den Holztischen hatte Wind und Wetter ebenfalls nicht gut getan.
,,Er hängt zu sehr an mir. Vor allem jetzt, wo er sich nicht verwandeln kann, verliert er immer mehr an Mut. Wenn er sich etwas von mir fern hält, wird das vielleicht besser, er muss die Dinge auch allein in den Griff bekommen."
Mazaru nickte und dachte an Sesuke. Er würde nie so sehr an dem Collie hängen. ,,Oder tu ich das vielleicht doch? Ich muss immer an ihn denken, obwohl ich immer in seiner Nähe bin. Und wenn er mich berührt, kribbelt alles so", überlegte er. Er schüttelte den Kopf und verdrängte die Gedanken. Jetzt gab es wichtigere Dinge zu erledigen. Er versuchte sich auf die Gegend zu konzentrieren, doch in seinen Gedanken erschienen immer wieder diese blau-grünen Augen und das freche Grinsen eines ganz bestimmten Collies. Der Dingo ballte die Fäuste. ,,Hänge ich vielleicht doch so sehr an ihm? Sind wir vielleicht doch..."
,,Da, wir sind fast da", unterbrach Canjy seine Gedanken. Mazaru sah auf. Sie waren mittlerweile bei einer Reihe von Wohnhäusern angekommen. Die Türen und Fensterläden wurden von dem Wind auf und zu geweht, dabei klapperten und quietschten sie. Einige Häuser waren eingestürzt, andere hielten sich gerade noch so. Der Steinboden war verdreckt und nichtmal eine Maus zeigte sich hier. Es war eine unheimliche Geisterstadt, fand Mazaru.
Canjy tippte auf die Karte und sagte: ,,Eine der Markierungen ist auf einem Boot am Hafen, dort müssen wir hin. Wir sind jetzt hier, also müssten wir gleich das Wasser sehen können."
Mazaru wandte sich um und sog die Luft ein. Es stank in dieser Stadt, doch auch den Geruch des Meeres nahm er wahr, wenn auch nur schwach.
,,Da, ich sehe die Schiffe!", rief er. Sie trabten auf den Holzsteg zu und Canjy überprüfte nochmals die Karte. ,,Also, auf welchem dieser Schiffe finden wir den Hinweis?"
Canjy deutete auf ein Schiff, dessen abgebrochenes Segel halb auf dem Meer schwamm. Mazarus Ohren stellten sich steil auf. Die vielen Schiffe begeisterten ihn, nie konnte er eines sehen, doch es stimmte ihn traurig, dass die Boote kaputt und teilweise zerbrochen waren.
Mazaru warf einen Blick aufs Meer. Es war sogar noch relativ sauber. Sie betraten den Steg. Es krachte und Mazaru sprang vor. ,,Das Holz ist sehr brüchig", keuchte er. Canjy ging weiter, doch plötzlich brachen unter ihm einige Bretter weg. Der Fuchs warf sich zurück und landete auf dem Hosenboden. Mazaru hechtete vor und klammerte sich an einen Holzpfosten.
,,Mazaru! Ist alles in Ordnung?!"
Der Dingo trat hinter dem großen Loch wieder auf den Steg und sah durch das Loch ins Wasser, das vorher von den Brettern verdeckt war. ,,Ja, ich bin noch ganz."
,,Ich bin vermutlich zu schwer für das brüchige Holz. Du bist kleiner und leichter. Kriegst du das auch alleine hin?"
Mazaru nickte und kehrte um. Einige Meter vor ihm schwamm das alte Schiff im Wasser. ,,Na dann mal los", sagte er sich und kletterte hinauf.
An Deck sah er sich um. Das einst große, weiße Segel war verschmutzt und zerfetzt. Der Boden war schmutzig und brüchig. Mazaru erkundete das Schiff, sah in jedem Fass nach, doch er fand nichts. Er vermutete, dass er im Inneren des Schiffes wohl mehr finden würde. Er öffnete eine knarzende Tür und stieg hinab. Durch vergilbte Fenster fiel etwas Licht, doch Mazaru erkannte nur wenig. Er tastete sich durch den Raum und fühlte einige zerfetzte Sitzpolster und einen Tisch. ,,Nichts interessantes." Mazaru ging weiter. ,,Ich weiß nicht mal genau, wonach ich überhaupt suche."
Seufzend lehnte er sich gegen die Wand. Neben ihm ruckelte etwas. Der Dingo sprang erschreckt vor und fuhr herum. An der Wand befand sich ein Gemälde, auf dem ein großes Schiff zu sehen war. Das Mondlicht, welches durch eines der Bullaugen fiel, traf genau auf das Gemälde.
Staunend betrachtete Mazaru das Gemälde. ,,Was ist das?" Ihm fiel eine Münzgroße Scheibe auf, in der ein blauer Tropfen eingraviert war. Die Scheibe saß auf einem der Bullaugen des Schiffes auf dem Gemälde.
Mazaru löste die Platte ab und sah sie sich näher an. Auf der Rückseite war ebenfalls ein Tropfen abgebildet. Plötzlich krachte es. Das Gemälde fiel zu Boden und zerbrach. ,,Was...?" Zu mehr kam Mazaru nicht, das laute Beben erstickte seine Worte. Er fuhr herum. Das Schiff bebte. ,,Verdammt!"
Mazaru bemerkte das Wasser, welches sich am Boden bis zu seinen Knöcheln gesammelt hatte. ,,Raus hier!", brüllte es in seinem Kopf. Mazaru rannte in die Richtung, in der er den Ausgang vermutete. Überall strömte Wasser ein, bis es ihm zu den Knien stand. Panisch rannte er gegen das Wasser an.
Plötzlich riss eine Holzwand ein und die Wasserwelle erfasste den Dingo. Er wurde umgerissen und an die gegenüberliegende Wand geschleudert. Er röchelte nach Luft. Die Wand brach in tausende Splitter und der Dingo wurde ins offene Wasser gedrückt. Er wirbelte herum und sah verschwommen, wie das Schiff kenterte.
Sein Arm schmerzte und Blut schwebte durch das Wasser. Plötzlich wurde er von einer Ladung Schutt nach unten gedrückt. Er bekam keine Luft und sah keinen Weg, zurück an die Oberfläche zu gelangen. Er wurde immer tiefer ins Wasser gedrängt. Mazaru bekam Panik. Er ballte die Fäuste, in der er noch immer die kleine Schiebe fest hielt.
Er versuchte zu schreien. Luftblasen stiegen empor. Er wusste, dass ihn niemand hören würde. Er schlug die Augen auf. Wenn er sich nicht selbst retten würde, wäre dies sein Ende und er wollte noch nicht am Ende sein. Seine Augen glühten wie Bernstein. Er spürte kaum, wie er sanft durch das Wasser flog. Die Zeit schien wie eingefroren.
Er blinzelte, als er wieder den Nachthimmel sehen konnte. Überall schwammen Holzstücke und Fetzen des Segels, sonst war nichts vom Schiff zu sehen.
Mazaru sah etwas orangefarbenes im Wasser. ,,Canjy!", rief der Dingo. Schnell schwamm der Fuchs zu ihm. ,,Mazaru? Alles in Ordnung? Das Schiff ist plötzlich unter gegangen, ich dachte, du würdest nicht mehr auftauchen. Was ist denn passiert?"
,,Mir geht es gut. Ich weiß nicht, weshalb das Schiff gekentert ist."
Canjy deutete mit der Schnauze zum Steg und sagte: ,,Lass uns erstmal an Land gehen."
,,Du hast dich verletzt", bemerkte Canjy.
,,Es ist nichts. Tut nicht weh. Aber ich glaube, dass ich gefunden habe, wonach wir suchen." Stolz zeigte der Dingo dem Fuchs die kleine Scheibe. Canjy nahm ihm die Scheibe ab und betrachtete sie.
Mazaru schüttelte sich. Die Bewegung begann beim Kopf, ging über den gesamten Körper, bis sie schließlich an der Schweifspitze endete. Das Wasser spritzte in alle Richtungen.
Canjy gab dem Dingo eine Jacke, die er sich sogleich anzog. ,,Wir bringen dich am besten zurück, sonst wirst du noch krank", meinte Canjy und nahm seinen Rucksack. Mazarus Miene wurde ernst und er sagte fest: ,,Nein." Der Fuchs zuckte verwundert mit den Ohren. Er sah den Dingo an. Mazarus Blick war voller Entschlossenheit. ,,Wir beenden erst unsere Aufgabe, vorher gehe ich nirgendwo hin." Canjy zuckte mit den Schultern. ,,Sesuke würde mir den Schweif abreißen, wenn dir etwas passieren würde. Du bist gerade erst fast ertrunken, du solltest dein Glück nicht auf die Probe stellen." Mazarus fester Blick durchdrang den Fuchs. ,,Ich bin kein Welpe mehr. Ich kann auf mich selbst aufpassen."
Canjy schüttelte den Kopf. ,,Noch so ein Dickkopf. Na gut, dann komm mit, aber ich werde mich diesmal um..." Weiter kam er nicht, da Mazaru schon los ging. ,,Hey, warte!"
Canjy holte ihn ein und sagte: ,,Ich weiß nicht, was uns dort erwartet aber da es wieder gefährlich sein kann, mach ich das alleine, klar?" Mazaru warf ihm einen knappen, nichtssagenden Blick zu.
Canjy überprüfte die Karte und warf einen Blick zurück zu den verfallenen Häusern. ,,Hier muss es sein." Er sah sich um. Eine dunkle Gasse hinter den Häusern. Die Wände waren mit Graffiti besprüht. Glassplitter, Dosen und anderer Müll türmte sich hier. Der Geruch stach dem Fuchs in die Nase. ,,Das war wohl der Ort, an dem sich früher die Jugendlichen trafen."
Er bemerkte, dass Mazaru ihm nicht mehr folgte. Canjy blickte sich suchend um. Schnell entdeckte er das goldene Fell des Dingos. Er warf einen Blick über Mazarus Schulter und entdeckte die Tonne, in der etwas knisterte.
,,Hast du Feuer gemacht?", wollte Canjy wissen. Der Dingo schüttelte den Kopf. ,,Es hat schon gebrannt, als wir her kamen."
Canjy stellte die Ohren steil auf. ,,Wer außer uns sollte es angezündet habe? Sind wir vielleicht doch nicht allein?"
Mazaru sah zu ihm. ,,Nein, das glaube ich kaum. Sieh dir mal die Flamme genauer an."
Der Fuchs beugte sich vor und sah sich das Feuer näher an. Auf den ersten Blick war es nur ein normales Feuer, doch Canjy entdeckte etwas im Zentrum des Feuers. Mazaru hielt die Scheibe, die er in dem Schiff fand, hoch. ,,Das ist auch so eine Platte." Im Feuer lag eine Scheibe, die der von Mazaru ähnelte. ,,Das muss es sein."
Da es nur ein kleines Feuer war, versuchte Canjy es aus zu pusten. Sein Versuch scheiterte.
Der Fuchs holte eine Wasserflasche aus seiner Tasche und versuchte das Feuer mit dem Wasser zu löschen. Es zischte, doch nichts weiter geschah. Canjy sah verwundert zu dem Dingo. ,,Wäre ja auch zu einfach gewesen."
Canjy ballte die Fäuste. ,,Irgendwie muss das Feuer doch zu löschen sein." Er lockerte die Pfoten wieder und lehnte sich an die Wand. ,,Vielleicht kann ich das Feuer irgendwie kontrollieren, immerhin bin ich der Träger eines Feuerschwertes." Er trat vor die Tonne. Mazaru beobachtete ihn schweigend.
Canjy atmete tief ein und streckte die Hände vor. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Schwärze vor ihm. Er spürte die prickelnde Hitze der Flamme in seinen Fingerspitzen. Seine Augenlider zuckten und ein Funke sprang aus dem Feuer, der auf Mazarus Nasenspitze landete. Der Dingo wich zurück und rieb sich die Schnauze.
Canjy öffnete die Augen. ,,Ich schaffe es nicht mal, ein kleines Feuer zu löschen?" Er richtete die Ohren nach vorn, peitschte mit dem Schweif und griff entschlossen in die Flamme. Mazaru riss die Augen weit auf und hielt den Atem an. Canjy stöhnte vor Schmerz und zog die Pfote zurück. Klimpernd fiel die Scheibe auf den Boden, während Canjy keuchend Wasser über seine Pfote goss. Der Geruch von verbranntem Fell schwebte in der Luft. Canjy versuchte die Verbrennungen zu kühlen. Mazaru beugte sich herab und hob die Scheibe auf. Er verzog das Gesicht. Die Scheibe war noch immer heiß, doch in nur wenigen Sekunden kühlte sie ab. Mazaru hielt seine Scheibe aus dem Schiff daneben. ,,Sie sind identisch. Nur die Gravierung ist anders: Die Scheibe aus dem Schiff trägt einen Wassertropfen, während auf dieser hier etwas gezacktes ist, ein Feuer."
Canjy nahm sie beiden Scheiben in die unverbrannte Pfote und betrachtete sie. Die Scheiben waren nicht größer, als eine gewöhnliche Münze. Der Fuchs fuhr die Gravierungen mit der Kralle nach und meinte: ,,Feuer und Wasser. Fehlen noch Luft und Erde. Ob Sesuke und Leo schon etwas gefunden haben?"
,,Meinst du, dass Canjy und Mazaru schon was gefunden haben?", fragte Sesuke, während er auf die Scheibe in seiner Pfote blickte, auf der ein Wirbel eingraviert war. Leo schielte auf die Kratzer und Schrammen an Sesukes Rücken. ,,Wie kannst du so locker sein? Eben bist du fast umgekommen."
,,Bin ich aber nicht", sagte Sesuke lächelnd. ,,Das war nicht schwieriger, als das Training von früher."
Leo zuckte mit den Ohren. ,,Du bist unvorsichtig. Du wärst vor ein paar Tagen schon beinahe draufgegangen."
,,Bin ich aber nicht." Sesuke steckte die Scheibe in den Rucksack.
,,Ich mache mir Sorgen um Canjy und Mazaru. Wenn sie auch so etwas tun mussten, ist ihnen vielleicht etwas schlimmeres zugestoßen", meinte Leo bedrückt. Sesuke lächelte und klopfte auf Leos Schulter. ,,Mach dir um die mal keine Sorgen. Mazaru sollte zum Killer ausgebildet werden und Canjy ist doch der Nachfahre eines großes Kriegers. Die beiden werden damit schon fertig."
Leo drehte den Kopf zur Seite und brummte: ,,Das würde ich gern glauben."
Nach einigen Augenblicken sagte Sesuke: ,,Da vorn." Er deutete auf ein großes Gebäude. ,,Das ist das Hotel, das auf der Karte markiert ist. Hier muss die zweite Scheibe sein."
Er verschränkte die Finger und ließ sie knacken. ,,Ich erledige das schnell."
Leo hielt ihm am Schweif fest und sagte: ,,Nein, du bist bereits verletzt. Ich mach das, hier wird bestimmt nicht wieder verlangt, aufs Dach zu klettern."
Sesuke blickte zurück. Er sah Leo an, dass er nicht in das Hotel wollte, dennoch fragte Sesuke: ,,Bist du sicher? Mir macht das nichts aus, ich..."
,,Du hast schon die erste Scheibe besorgt, ich will nachher nicht sagen müssen, dass ich nichts geleistet habe." Sesuke erkannte, dass sich gespielte Entschlossenheit in den grünen Augen zeigte, doch er sagte nichts und nickte nur.
Leo ging ein paar Schritte, bis er vor der hölzernen Tür stand. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihm aus. ,,Bis nachher", sagte er mit einem letzten Blick zu Sesuke.
Leo legte die Pfote auf den Griff der Tür und atmete tief durch. Er bemerkte, wie sein Schweif zuckte und seine Beine zitterten. Er zupfte sich das Shirt zurecht und kratzte sich am Oberarm.
Er öffnete die Tür. Es knarrte und etwas Staub rieselte auf ihn herab. Leo zuckte zurück und hielt sich an einem Pfosten fest.
Er ballte die Fäuste und strich sie die Haare zurück. Mit festen Schritten ging er auf das Hotel zu und ehe er sich versah, war er drinnen. Die Eingangstür knallte zu und sofort war der Mut wieder verschwunden.
Das Holz unter seinen Pfoten knarrte. Leo wunderte sich, dass es ihn überhaupt noch halten konnte. Durch die Fenster fiel kaum Licht, da sie von Staub und Spinnweben verdeckt waren.
Er ging einige Schritte und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Ein großer, mit blauem Stoff bezogener Sessel stand vor einem kleinen Holztisch. Eine große Spinne hatte es sich auf dem Sessel gemütlich gemacht und ihn mit ihren Fäden verschönert. Leo verzog angewidert das Gesicht und ging weiter, wobei er stolperte, da er die Stufe übersah. Er fing sich wieder und bemerkte, dass er fast vor den Schreibtisch gerannt wäre. Leo schüttelte sich und bemerkte, dass an der Wand einige Schlüssel hinter einem Gitter hingen, außerdem fand er ein Buch mit der Aufschrift 'Gästebuch' auf dem Tisch. Er ging davon aus, dass dies die Rezeption des Hotels war. Leo trottete um den Schreibtisch herum und warf einen Blick in das Buch. Es musste schon sehr alt sein, das Papier war vergilbt und die Schrift kaum noch lesbar.
Er blätterte gelangweilt durch das Buch und begutachtete die Schlüssel an der Wand. ,,Keine Ahnung wo diese Platte sein soll. Muss ich denn das ganze Hotel durchsuchen?", seufzte er. Plötzlich zuckte er zusammen und ließ das Buch fallen. Sein Nackenfell richtete sich auf und seine Pupillen verengten sich. Er wagte einen Blick hinter sich und sah nur Schwärze.
,,Was war das? Ich hatte das Gefühl, jemand würde hinter mir stehen."
Er atmete tief durch und beruhigte sich wieder. Seine Pfote strich das Fell wieder glatt, während er sich nochmals vergewisserte, dass niemand hinter ihm war.
Leo schüttelte sich und sah wieder auf den Tisch. Er zuckte mit den Ohren, als er wieder in das Buch sah. Eine Seite war aufgeschlagen, auf der einige Namen standen. Hinter einem Namen war ein Kreis mit roter Tinte gemalt.
,,Marek Laviora, Zimmer 1e", murmelte der Wolf. Aufgrund der Markierung beschloss er, in dem Zimmer 1e nachzusehen. Er drehte den Kopf, sodass er die Treppe sehen konnte. Die Stufen wirkten noch stabil. Leo wandte sich von dem Buch ab und trat auf die erste Stufe. Es knackte, doch das Holz gab nicht nach.
Leo zuckte mit den Schultern und ging höher. Auf dem Weg zur nächsten Etage verfing er sich in einem Spinnennetz. Er taumelte und wischte sich die weißen Fäden aus dem Gesicht. ,,Hier sieht man ja die Pfote vor Augen nicht", grummelte er, als er die letzte Treppenstufe erreichte.
Das Licht war so schwach, dass er nichts erkennen konnte. Sein Fell prickelte, er hatte keine Ahnung, wo er war und wo er hin musste. Als er bemerkte, dass seine Pfoten zitterten, zog er den Rucksack ab und suchte verzweifelt nach der Taschenlampe.
,,Na endlich." Er nahm die Lampe und betätigte den Schalter.
Er schrie laut und ließ die Taschenlampe fallen. Das Licht erlosch. Leo stolperte über etwas und konnte sich noch rechtzeitig am Treppengeländer festhalten.
,,W-was war d-das?", keuchte er, während er eine Stufe hinab stieg. Er legte sich die Pfote auf die Stirn und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Er sah noch diese groteske, blutverschmierte Kreatur vor sich. Leo schüttelte sich und stieg die Treppe herab.
,,Dämliche Illusionen. Ich brauche neues Licht", brummte er, als er wieder an der Rezeption stand. Er sah auf die Taschenlampe. Sie war zerbrochen und unbrauchbar. Wütend warf er sie in eine Ecke und verschränkte die Arme. ,,Blödes Teil, hält gar nichts aus."
Er sah auf den Tisch, wo noch immer das aufgeschlagene Gästebuch lag. Leo warf einen kurzen Blick auf das Buch und seufzte. Er griff sich die Kerze und ein paar Streichhölzer, die er auf dem Tisch fand.
,,Uralte Streichhölzer und sie funktionieren sogar noch", dachte er sich, als er die Kerze anzündete.
Das Licht der Kerze sorgte nur für geringe Helligkeit, doch es reichte.
Leo erreichte die letzte Treppenstufe und sah etwas rotes vor der Treppe liegen. Er kniete sich nieder. ,,Ein Schraubenzieher? Auf dem bin ich also ausgerutscht." Er hob ihn auf und steckte ihn sich in die Tasche. ,,Vielleicht kann ich den noch gebrauchen."
Er ging einige Schritte in den Flur. Das Licht war zu schwach, um etwas zu erkennen. Leo kniff die Augen zusammen.
,,Hier muss es doch irgendwo..." Er suchte die Wand ab und entdeckte endlich den weißen Schalter. ,,Und es werde Licht." Er betätigte den Schalter. Der Raum wurde von einem düsteren Licht geflutet.
Er nahm einen tiefen Atemzug und wandte sich den Türschildern zu.
Nach wenigen Sekunden fand er schließlich das Zimmer mit der Nummer 1e. Leo fragte sich, was ihn hinter dieser Tür wohl erwarten würde. Sein Fell kribbelte, als er die Pfote auf die Klinke legte. Er drückte die Pfote nach unten, doch nichts geschah, die Tür war verschlossen.
Frustriert stapfte er wieder die Treppen hinab zur Rezeption, wo er die Wand mit den Schlüsseln nach der richtigen Nummer durchsuchte. Doch als er den richtigen Schlüssel fand, bekam er das Gitter nicht auf. Er versuchte die Pfote durch das Gitter zu stecken, doch der Versuch schlug fehl.
Er lehnte sich gegen den Tisch und überlegte. ,,Ich muss in Zimmer 1e, weil der Name Marek Laviora im Gästebuch markiert ist und dieser in Zimmer 1e gewohnt hatte. Doch ich komme nicht in das Zimmer, weil es abgeschlossen ist und der Schlüssel befindet sich hinter einen Gitter."
Er kratzte sich am Hinterkopf und legte den Rucksack ab. Er kramte darin und holte den Schraubenzieher aus, den er vor wenigen Minuten gefunden hatte.
,,Ich wusste doch, dass der mir noch von Nutzen sein würde." Er drehte die Schrauben des Gitters heraus, bis das Gitter scheppernd zu Boden fiel. Zufrieden steckte Leo den Schraubenzieher wieder ein und schnappte sich den passenden Schlüssel.
Als er diesmal die letzte Treppenstufe erreichte, stoppte er und kniete sich nieder. Sein Nackenfell sträubte sich und ein unbehagliches Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus. Ein verschnörkeltes Zeichen war mit einer roten Flüssigkeit auf die oberste Stufe gezeichnet. Leo fragte sich, ob das Zeichen schon vorher da war, da er sich nicht daran erinnern konnte.
,,Das ist bestimmt nur Kunstblut", sagte er sich und richtete sich wieder auf, während er sich über die Arme strich, um das Fell zu glätten.
Er begab sich zu dem Zimmer 1e und steckte den Schlüssel in das Schlüsselloch. Er drehte den Schlüssel bis das Knacken erklang. Quietschend öffnete sich die Tür. Vorsichtig betrat der Wolf das Zimmer. Seine Pfoten zitterten, als er nach dem Lichtschalter tastete.
Das künstliche Licht flutete den Raum und Leo atmete auf. Der Raum wirkte recht gemütlich, nur etwas heruntergekommen. Es standen viele Koffer in der Ecke, an der Wand stand ein kleiner Holztisch mit einem altertümlichen Radio und die Betten waren auch noch ganz.
Ihm fiel das große Plakat an der Wand auf, auf dem vier Personen abgebildet waren. ,,Eine Band?" Er trat näher und sah sich die vier Füchse näher an.
,,Noch nie von denen gehört. Vermutlich hat die Band in diesem Zimmer gewohnt und dieser Marek war einer von ihnen."
Leo sah sich die Namen der Bandmitglieder an. ,,Tatsächlich, der eine heißt Marek Laviora." Er betrachtete den Fuchs. Er hatte ein freches Lächeln, doch er wirkte sehr sympathisch. In den Pfoten hielt er eine Gitarre. Leo sah in die Ecke des Raumes, in dem die Koffer standen. Der eine Koffer stach ihn in die Augen, er hatte eine seltsame Form. ,,Ein Koffer für eine Gitarre."
Er beschloss, sich den Koffer näher anzusehen. Als er durch den Raum ging, bekam er ein unangenehmes Gefühl. Die Lampe flackerte und die alten Vorhänge des Fensters bauschten sich im heulenden Wind.
Leo stellte sich vor, dass er in Canjys Armes lag und sich kraulen ließ. ,,Das wäre mir jetzt viel lieber", seufzte er.
Schnell öffnete er den dunkelroten Koffer, der sofort aufsprang. Keuchend sprang Leo zurück und knallte gegen die Wand. Ein Totenkopf blickte ihn aus dem Koffer an. Der Wolf kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Der Tisch neben ihm rumpelte und das Radio sprang an. Eine laute Musik erhallte. Als ein Gitarren-Solo einsetzte, zuckte Leo mit den Ohren. Im Hintergrund hörte er ein ganz leises Kichern.
Er versuchte seine Gedanken zu klären, doch das Lachen wurde lauter. Er schlug gegen das Radio, sodass es krachend zu Boden fiel. Die Musik stoppte, doch das Lachen war noch zu hören.
Für Leo war es zu viel. Panisch flüchtete er aus dem Raum, stolperte die Treppe herunter und stemmte sich gegen die Tür, doch sie öffnete sich nicht. Leo schlug gegen die Wand und schrie verzweifelt. Das Lachen hallte noch immer in seinen Ohren.