Máella Twins - Kapitel 9: Hilflos
Hilflos
(Lion)
Ich kehrte zurück in die Zelle mit den Gefangenen. Noch lief alles nach Plan. Niemand hatte etwas von der Fluchtaktion mitbekommen.
Die beiden übrig gebliebenen Gefangenen schliefen noch. Panther konnte ich noch einfach überzeugen, doch die anderen beiden würden mir vermutlich nicht vertrauen. Sie würden womöglich laut werden, was die Wachen alarmieren würde, dadurch wären wir alle verloren.
Ich machte es mir zur Aufgabe, die beiden aus dem Gebäude zu schaffen, ohne sie zu wecken.
Da er schon weitaus länger in der Zelle aushalten musste, befreite ich zuerst Loup. Ich löste ihn von den Ketten und ließ den Wolf behutsam in meine Arme gleiten. Sie wären erstaunt, wenn sie sähen, dass ein Wesen wie ich gefühlsvoll handeln konnte!
Wenn ich beide Rüden zusammen tragen würde, wäre die Gefahr zu groß, unvorsichtig zu sein, da ich zu sehr darauf achten müsste, sie nicht zu wecken.
Mit dem Wolf in den Armen verließ ich die Zelle und ging den Flur entlang. Ich wich den Bereichen aus, die die Überwachungskameras erfassten und folgte dem Korridor.
Ich blieb stehen und versuchte die hauchdünnen Fäden zu erkennen, die knapp über dem Boden gespannt waren und den Alarm auslösten, sobald sie zerrissen wurden. Wenn ich darübersprang, würde ich vermutlich Loup wecken, daher setzte ich vorsichtig einen Fuß auf die andere Seite und bewegte mich langsam nach vorn.
Ich ließ die Stolperfallen hinter mir und erreichte die Treppe zum Erdgeschoss. Bedächtig stieg ich die Stufen hinauf und ließ die vorletzte Stufe aus.
In der nächsten Etage angekommen wandte ich mich nach links und erreichte die Tür. Ich gab den Code ein und die Tür wurde entriegelt.
In Freiheit angekommen ließ ich das Gelände hinter mir und kam an den Stacheldrahtzaun. Mit einer Hand hielt ich den Wolf fest, während ich die andere zum Klettern benutzte. Zwar waren wir fast am Ziel, doch ich wollte nichts riskieren. Bis ich im Wald war, sollte Loup noch schlafen.
Ich kletterte hinab, federte meine Landung auf dem Gras ab und lief in den Wald.
„Weck ihn auf und sag ihm, was los ist", sagte ich zu Panther, als ich Loup in seine Obhut gab.
Der Junge nickte und ich machte kehrt, um den letzten Insassen zu retten. Diesmal konnte ich schneller über den Zaun klettern, aufs Gelände springen und in großen Zügen zur Tür sprinten.
Ich ließ alle Hindernisse gekonnt hinter mir, bis ich zurück im Korridor war, in dem sich die Zellen befanden. Ich hörte schon aus der Ferne ein Rufen.
„Verdammt, er ist wach!", dachte ich. Jetzt würde es komplizierter werden. Wenn Jackel zu laut war, würden die Wachen aufmerksamer werden und in den Gängen patrouillieren. Hinzu kam, dass ich Jackel dazu bringen musste, mir zu vertrauen und ich wusste, dass er mich für das, was ich getan hatte, hasste.
Verübeln konnte ich es ihm nicht.
„Du?!", rief der Schakal, als er mich sah.
Ich machte eine Handgeste, die ihm zum Schweigen auffordern sollte, jedoch wurde er nur lauter.
„Was hast du mit den anderen beiden gemacht?! Du hast sie getötet! Sie alle! Du Monster!", brüllte er mich an.
„Nein, ich habe sie gerettet", rechtfertigte ich mich flüsternd.
„Ich glaub dir kein Wort! Du hast sie umgebracht!"
„Sei leise. Ich bring dich zu ihnen."
„Dreckswichser! Du bist so ein widerliches..."
Ich holte den Schlüssel für das Schloss an den Ketten aus meiner Tasche, die ich mir vorher genommen hatte und hielt sie hoch. Es verfehlte seine Wirkung nicht. Jackel schwieg und starrte auf den Schlüssel. Er sehnte sich nach Freiheit, dafür würde ich sein Vertrauen gewinnen.
„Wenn du jetzt ruhig bist, befreie ich dich. Wenn du schreist, muss ich dich zurücklassen, verstanden?"
Jackel nickte.
Na also, es ging doch. Eine Bestrafung für die Beleidigungen würde er sich dennoch holen, allerdings später. Das Wichtigste im Moment war, dass ich ihn heil und unbemerkt nach draußen schaffte.
Ich entfernte die Ketten an seinen Armen und machte sich an seinen Beinen zu schaffen.
Dieser Schakal hatte eine Dusche nötig, allerdings war es zum Teil ja meine Schuld, dass sein Fell schmutzig war.
Das dritte Schloss war geöffnet und ich konnte mich an das letzte machen.
Als Jackel frei war, richtete ich mich auf und wollte den Schakal in meinen Plan einweisen, doch dazu kam ich nicht mehr. Ein kräftiger Tritt in die Weichteile ließ mich zusammensacken. Der Schmerz breitete sich aus, während ich leise das Lachen des Schakals vernahm.
„Glaubst du, ich würde dir vertrauen? Idiot."
Jackel rannte aus dem Kerker, schlug die Tür hinter sich zu und rannte den Gang entlang.
Ich wollte ihm hinterher rufen, doch ich hatte genug Schwierigkeiten damit, auf die Beine zu kommen.
Wenn ich Glück hatte, würde ich ihn einholen, noch bevor er den Alarm auslöste. Seine Gliedmaßen waren durch das lange Stehen eingerostet, während ich fit war, abgesehen von dem Schmerz im Schritt.
Ich stieß die Tür auf und entdeckte den Schakal in der Ferne.
So schnell es mir möglich war rannte ich hinterher. Ich hatte keine Zeit, auf die Kameras zu achten. Sie würden Jackel sowieso bereits entdeckt haben, das hieß, dass wir schnell sein mussten.
Rotes Licht leuchtete auf und der Alarm ertönte. Jackel musste die Fäden zerrissen haben. Ich erkannte, wie er abbog, um die Treppe hinaufzusteigen. Es gab keine andere Tür, daher konnte er nur in diese Richtung. Wenn ich ihn nicht einholte, konnte es fatale Folgen für ihn haben, die Treppe zu benutzen.
„Halt! Du darfst da nicht hoch!", rief ich. Da die Menschen bereits informiert sein mussten, war es egal, wie laut ich war.
Jackel sah zurück, doch als er mich erkannte, rannte er die Treppe hinauf.
„Bleib stehen! Sonst töten sie dich!", brüllte ich aus aller Kraft meiner Kehle. Jackel wurde tatsächlich langsamer und sah zurück, doch er hielt nicht an.
„Nein!"
Mein Schreien hatte nichts gebracht.
Jackel trat auf die vorletzte Treppenstufe, dann auf die letzte und war im Erdgeschoss angelangt, ehe er stehenblieb.
„Was soll...?", begann er, doch er wurde von dem ohrenbetäubenden Lärm eines Schusssalve unterbrochen.