Chôchô - Zéro
Chôchô - Zéro
(prologue to the Chôchô series)
All characters © Silver
Warning: contains a lot of violence
1780, Edo-Protektorat, Japan
Der Angler am Kanda-Fluss genoss die Ruhe und Stille. Allein mit seiner Rute hockte er, den Strohhut tief ins Gesicht gezogen, und die untergehende Sonne auf seinen rotgelben Kimono scheinen lassend. Ab und an schlug sein langer, nackter Schwanz die Mücken weg, die ihn umkreisten. Im Schneidersitz wartete er auf einen weiteren Fang, den ersten Fisch hatte er vor Kurzem erst an Land ziehen können.
Es war ein Rattenmännchen, ein Nezumi, mit glattem, gepflegtem grauen Fell, und schwarzen Bändern um seine nackten, klauenbewehrten Pfoten und Oberarme. Sein Alter war nicht zu schätzen, aber er mochte bereits 30 Sommer gezählt haben. Der Unart der Ratten, ständig etwas nagen und kauen zu wollen, blieb er treu, indem er einen Halm aus seinem Mund hängen ließ.
Mehrere Meilen lagen zwischen Edo und dem Übergang nach Kaga, und es war ein verlassener Ort, an dem sich nur selten Wanderer einfanden. Nur wenig trieb die Niederen dazu, den Bezirk Edo zu verlassen, und noch weniger erhielten eine Tegata, eine Passiererlaubnis in das benachbarte Kaga. Sein Bündel und sein gerader Wanderstab lagen an seiner Seite, die Angelrute selbst war ein langer, biegsamer Ast, die Schnur ein Faden aus seinem alten Kimono.
Nichts störte seine Ruhe, bis dass er das Geräusch sich nähernder Wanderer hörte. Die Ohren der Ratte richteten sich auf und peilten die Quelle des Ganzen an. So wie er es vernehmen konnte, waren es mindestens zwei, die miteinander sprachen. Seinen Kopf zu drehen war der Mühen nicht wert.
Bis die Schatten der Wanderer stehen blieben, und sich links wie rechts von ihm den kleinen Hang hinab zum Fluss streckten, wo er saß. Ein Dritter stand ihm in der Sonne, und dessen Strohhut warf seinen Schatten genau auf ihn. Er konnte ein kleines, gequältes Lachen hören. Und er kannte die dazugehörige Stimme.
"Wenn du noch wartest", sagte die Ratte seelenruhig, "kann ich noch ein paar Fische für dich und deine beiden Freunde fangen, Senzo. Ihr Neko mögt doch so gerne Fisch".
"Spar dir deine Häme, Iji Yatsuruki!", warf der Angesprochene, ein in einem schwarzen Mantel mit weißen Lotosblättern steckender Kater mit braunem Fell und weißer Gesichtsmarkierung, unfreundlich zurück. Seine Ärmel waren ungewöhnlich lang und flatterten bei seinen Bewegungen.
"Nie würde ich mir das erlauben, Senzo, nie mit einem Männchen, das keines mehr ist..."
Einer der beiden Begleiter - dem knurrenden Geräuschen nach musste es ein Hund, ein Inu, sein - zog sein Schwert, das verriet sein Schatten, doch der Kater hielt ihn zurück. "Nein, noch nicht... nicht so..."
"Warum die Mühen, Senzo? Hast du nicht zwei Jahre darauf gewartet, dich an mir rächen zu können?" Er hob den Kopf ein wenig, und so wie er sprach, musste er breit unter seinem Hut grinsen.
"Und jetzt diese Gnade?"
"So leicht kommst du mir nicht davon, Nacktschwanz! Das habe ich mir geschworen. Zwei Jahre schon lebe ich das Leben eines Krüppels. Ich ließ mich in eine Zelle werfen, damit ich nicht verhungern musste. Und all das verdanke ich nur dir..."
"Wenn du ein würdiger Kenshi gewesen wärst, hättest du heute vielleicht noch deine Tatzen", erwiderte gelassen die Ratte. "Es war unklug von dir, der Fähe des Fuchswirts im südlichen Rotlichtviertel noch genug Luft zu lassen, damit sie deinen Namen röcheln konnte, bevor sie gestorben ist."
"So hast du mich also damals gefunden", staunte der Neko. "Das muss ich dem Kitsune lassen, seiner Fähe noch einen letzten Dienst zu erweisen... wie viel hast du dafür von ihm bekommen?"
"Ich werde es dir nicht sagen. Ich will dich nicht noch weiter vor deinen zwei Begleitern demütigen. Es reicht schon, wenn sie dich füttern müssen, Senzo. Außerdem - wenn du wenigstens noch ihren Rüden zum Schweigen gebracht hättest, hättest du mich niemals getroffen."
Auch der zweite Begleiter des offensichtlich tatzenlosen Neko zog seine Waffe. Anhand der Lautlosigkeit dieser Bewegung, aber vor allem aufgrund des zornigen Murrens, wusste er, dass es ein Artgenosse von Senzo sein musste. Ein Rüde, zwei Kater - besser gesagt anderthalb, so dachte Iji spöttisch. Er hatte sie alle schon als Feinde eingetragen. Nun versuchte er, zumindest einen der drei aus der Fassung zu bringen. Wer auf offener Straße seine Waffen zog und kein Samurai war, wollte jemanden töten. Es waren Verbrecher, so wie er.
"Ich sagte - wie viel hast du dafür bekommen?"
Iji seufzte nur. "Eine warme Mahlzeit."
"Eine warme Mahlzeit?" fragte Senzo zurück. "Sonst nichts?"
"Sieh es wie du es möchtest", meinte die Ratte, "such dir aus, warum ich so wenig verlangt habe. Wenn du glaubst, ich tat dies aus Mitleid um den Wirt, dann hast du recht. Wenn du glaubst, dass ich dich nicht für mehr wert hielt, hast du auch recht. Vor allem aber, weil ich Hunger hatte."
"Eine warme Mahlzeit... für eine warme Mahlzeit....?" Senzo schaute zu sich herab. Er musste an seine verlorenen Tatzen denken, die Iji ihm in einem kurzen, unausgeglichenen Kampf verlor. Die Ratte hatte er damals in der Seitengasse gnadenlos unterschätzt. Senzo war ein Ausgestoßener der Gesellschaft, gezeichnet vom Leben als Dieb und Mörder - und auch vom Sake, der ihn die Sinne benebelte. Er hielt Iji für einen ebensolchen Abschaum wie alle anderen Gegner vor ihm - leider war er die Sorte Abschaum, deren Schwertkunst überlegen war. Damals hatte er zwei Messer gleichzeitig führen können, und kurz darauf al Iji seine erste Tatze abtrennte schnitt er ihm auch noch die andere ab. Und dann war der Kampf entschieden, so schnell, wie er begann, so schnell endete er auch.
"Ja, es wird nicht mehr, wenn du es ständig wiederholst, Katerchen", verhöhnte ihn Iji noch zusätzlich. "Dachtest du, du wärst einen Ryo wert gewesen, oder gar zwei? Ich hätte dich umsonst getötet, aber der Fuchs wollte dich nicht tot sehen, er wollte nur, dass du mit dem Morden aufhörst. Wer weiß, wie viele Weibchen du vor seiner Fähe getötet hast."
"Du redest zu viel, Nacktschwanz!" mischte sich jetzt der zweite Kater ein und hielt seine Klinge genau auf Iji - wenngleich es immer noch ein paar Meter zu ihm waren.
Die Ratte musste lächeln. "Wie viel hast du ihnen denn geboten, Senzo?"
"Acht Ryo für jeden", antwortete dieser zornig. Er biss sich schon auf die Zähne. Der Gedanke an Rache schoss ihm mehr und mehr durch den Kopf, aber er hatte auch Angst.
"So viel?" Iji wirkte überrascht. "Richtig helle scheinen die beiden ja nicht zu sein."
"Wie meinst du das?" fragte jetzt der Inu, auch von der tiefen Stimme her ein tumber Geselle. Wahrscheinlich eine dunkle, schwere Rasse, sehr kräftig, aber nicht sehr schnell. Solche fanden sich überall in Edo.
"Du hast gar nicht so viel Geld, Senzo. Woher auch, ohne Arbeit - und ohne Arme. Auch wenn du irgendwelche Freunde im Verlies gefunden hast, keiner leiht dir soviel Geld. Aber das soll dich auch nicht stören. Denn auszahlen musst du sie sowieso nicht. Das ist doch dein Plan, oder?"
"Du bist so lächerlich, Yatsuruki", lachte Senzo daraufhin zurück. Angst kam in seinem Unterton mehr und mehr auf.
"Wer von uns beiden ist das wirklich?" sagte Iji und bewegte langsam seine linke Pfote zu seinem Wanderstab, so offensichtlich, dass es die drei Gegner bemerken mussten.
"Das würde ich nicht tun!" bellte ihn der Hund sofort an und hob, genau wie der andere Kater, seine Klinge. Gleich würde es zum Kampf kommen.
"Hehe", lachte Iji, "wie ihr meint..."
Plötzlich zupfte etwas an der Angel. Ein Fisch hatte angebissen. "Wartet einen Moment, ja?" hielt er seelenruhig die drei an. Er ließ ein wenig den Fisch noch mit dem Köder und dem kleinen Haken kämpfen, dann aber riss er die Rute nach oben, und an der Schnur flog der Fisch aus dem Wasser. Für einen kurzen Moment folgten drei Augenpaare dem Fisch, welcher durch Ijis Bewegung geführt in das Gesicht des Hundes flog. Der Hund stand zu Linken, genau auf der Seite von Ijis Wanderstab.
Dann ging alles blitzschnell. Die drei Gegner hatten gar nicht begriffen, dass sich die Ratte erhoben und sich beim Aufspringen den Wanderstab gegriffen hat. Als der Fisch vom Gesicht des schwarzen Rüden herunterfiel, hatte Iji bereits eine versteckte, lange Klinge gezogen und mit einem sauberen Schnitt dem Hund den Kopf von den Schultern getrennt.
Die beiden Kater starrten regelrecht auf den kopflosen Körper des Hundes, der in sich zusammenfiel und eine unschöne Blutlache auf dem steinigen Pfad bildete, auf dem Iji, in gebeugter Haltung und von schmalen, aber dennoch kräftigen Wuchs, nun stand. Seine blutige Klinge hielt gesenkt in der linken Pfote. Mindestens sechs bis sieben Schritte lagen zwischen ihm und Senzo sowie dessen Mitstreiter.
"Oh ich vergaß, Hunde mögen Fisch nicht so sehr wie ihr", scherzte er eiskalt.
Nunmehr war sich der andere Helfer von Senzo seiner Sache nicht mehr so sicher. In einem einzigen Augenblick hatte sich die Situation gewendet. Dennoch - Iji konnte sich auf den falschen Stolz der Katzen verlassen. Senzo wurde vom anderen Kater - ein Straßenkind mit schmutzigweißem Pelz - zur Seite geschoben. Mit erhobener Waffe stürzte er sich auf die Ratte, die keine großen Anstalten machte, ihre Klinge zur Parade zu erheben.
Stattdessen schoss der rechte Arm hervor, und etwas Metallisches flog aus dem Ärmel in Richtung des Katers. Senzo konnte erst erkennen, was es war, als es hinten aus dem Hals von Ijis Gegner ragte, welcher einige Schritte zurückgegangen war.
Sein derart getroffener Gegner ließ die Klinge fallen und ging in die Knie. Röchelnd hielt er seinen Hals, aus dem das Blut wie aus einer Fontäne strömte. Eine dünne Klinge, vielleicht dreißig Zentimeter lang, am Ende einer Kette, die in Ijis Ärmel führte, hatte ihm das angetan.
Der schmerzverzerrte, verzweifelte Blick kümmerte den Nager wenig, als er an der Kette zog und die Klinge aus dem Hals seines Opfers riss, welcher nur noch tot auf den Boden fiel. Sicher, am kurzen Griff haltend, landete diese Waffe in Ijis rechter Pfote.
Der Blick in Senzos überraschtes Gesicht war herrlich. "Das bringt deinen Plan aber gehörig durcheinander", scherzte Iji und hob dieses Mal den Kopf so an, dass der größere Senzo zum ersten Mal sein Gesicht sehen konnte. Der kalte, stechende Blick von Ijis furchteinflößenden gelben Augen hatte sich seit jener Nacht in der Seitengasse nicht viel verändert. Nur eines war anders - damals, als sich Senzo schmerzverkrümmt vor ihm niederkniend sah, erkannte er einen Hauch von Mitleid in diesem Blick, jene Art von Mitleid, die man für ein Pferd mit gebrochenem Lauf hatte, bevor man es erlöste. Aber dieses Mal verriet Ijis Blick nur eines - er würde ihn töten, hier und jetzt.
Aber keine eitle Katze würde das zugeben. Weglaufen konnte er nicht, aber er besann sich auf seinen vermeintlichen Vorteil. Senzo stellte sich auf den Pfad. Ein Duell auf Leben und Tod stand bevor. "Nicht wirklich, Yatsuruki. Ich habe damit gerechnet, dass du sie tötest, allerdings nicht so..."
"Und nun?" fragte die Ratte.
Daraufhin hob Senzo seine Arme, so dass seine langen Ärmel zurückfielen. Kurz hinter dem Tatzengelenk hatte ihn Iji einst mit zwei brutal geführten Streichen verstümmelt. Wahrscheinlich war er dort nun noch mehr vernarbt - wie man eben damit leben muss, als Verbrecher keinen richtigen Arzt aufsuchen zu können, oder wenn man keine richtigen Freunde hatte. In diesem Fall aber musste er welche gehabt haben - denn anstelle in Bandagen waren diese Stümpfe jeweils in schwarzlederne Überzüge gehüllt, mit Gurten festsitzend gemacht. Senzo hatte nunmehr zwei kurze, spitz zulaufende Klingen mit kleiner Parierscheibe, vielleicht von vierzig Zentimetern Länge, anstelle seiner Tatzen. Sie waren schartig und blutverkrustet, Zeichen dafür, dass er sie auch tatsächlich benutzt haben mag.
"Schick", scherzte Iji, als er sein Schwert auf die Schulter legte.
"Iwamura hat sie mir angefertigt", sagte Senzo stolz, "und sie lassen mich den Schmerz ein wenig vergessen."
"Ich weiß, das mit Iwamura. Er hat auch die Klinge geschmiedet, die dich so verstümmelt hat. Man kann sich halt nicht jeden Schmied heraussuchen, wenn man Kenshi ist." Iji goss noch mehr l ins Feuer. Mit jedem Satz wurde die wahre Schmach Senzos offenbart. "Hat er dir das nie gesagt?"
"Wenn interessiert es?" warf der Getroffene harsch zurück. "Nur ein paar kleine Schnitte, und ich werde darüber keine Gedanken mehr verschwenden. Dann kann ich wieder meines Weges gehen, und endlich werde ich deine Augen nicht mehr im Schlaf sehen."
"An wen hast du gedacht, als du im Verlies gesessen hast und es dich in deiner Lende gejuckt hat? Wirst du mich vergessen, wenn du irgendwann halbverhungert am Straßenrand sitzt und bettelst? So toll du dich auch mit diesen Waffen halten magst, Senzo, sie werden deine Tatzen nicht ersetzen."
"Ich gehe wieder ins Gefängnis, oder ich werfe mich an den Hals der Teufel aus dem Westen. Scheiße, Iji, meinetwegen kann ich dabei draufgehen, aber ich will deine Pfoten, und dein Blut. Ich werde dein Herz rausschneiden und es verzehren!" grollte der Kater und bleckte seine Fänge.
"Das kleine schwarze Ding? Das wird dich nicht nähren", sagte Iji kalt zurück. Schlimmer noch, er warf seine Hauptwaffe weg. Senzo sah noch, wie es im Gras am Ufer landete. Aus Ijis linkem Ärmel indes schoss eine Klinge der gleichen Machart wie jene, mit der er den Kater getötet hatte.
Senzo lächelte. "Willst du fair kämpfen?"
"Nein, du?" erwiderte der Nezumi, "fair wäre, wenn du Tatzen hättest, Senzo. Hast du deine Ersatztatzen wenigstens vergiftet?"
"Würde ich dir das sagen wollen, wenn dem so wäre?"
"Na ja, sie glänzen nicht feucht in der Sonne, und du trägst sie nah am Körper. Kann mir vorstellen, dass du dir schnell selbst ins Fleisch schneidest. Einmal gestürzt und... na ja, du weißt schon."
"Hör auf zu quatschen Iji!" schimpfte der Kater. "Ich will das jetzt hinter mich bringen, hier und jetzt!"
Iji grinste zurück und ging in Kampfposition. "Schön. Dann komm her!"
Zweimal ließ sich das Senzo nicht sagen. Wie ein Lebensmüder stürzte er auf die Ratte zu. Sein erster Stich mit der linken Klinge zielte auf die Kehle seines kleineren Widersachers. Iji indes hatte keine Mühe, diesen Stich vorherzusehen und zu parieren.
Senzos wilde Angriffe ließen Yatsuruki zurückweichen, aber nie befand er sich in Gefahr, getroffen zu werden. Selbst Senzos Versuch, ihn von den Beinen zu holen, scheiterte. Dann plötzlich schoss er vor und nur um Haaresbreite ging die Klinge an Ijis Kopf vorbei. Daraufhin riss Senzo die Klinge hoch und zerfetzte dabei den Strohhut der Ratte, welche nur den Ellenbogen zur Hilfe nahm um Senzo umzuwerfen.
Einen Moment lang verschnauften beide, während Ijis Strohhut zu Boden fiel. Das ließ Senzo die Gelegenheit, aufzustehen. Unter dem Strohhut verbarg die Ratte noch ein breites, gelbes Stirntuch, welches genau über seinem rechten Auge einen roten Strich hatte. Das Markenzeichen von Iji Yatsuruki.
Der Kater fuhr seine Angriffe fort. Immer wieder scheiterte er an der Reaktion der Ratte, die immer wieder seine Handlungen voraussah. Senzo konnte mit diesen Waffen schwerlich einen Hieb austeilen, und so verließ er sich aufs Zustechen. Dann aber zielte Senzo mit beiden Klingen auf Ijis Hals, und nur eine Parade mit beiden Klingen verhinderte, dass der Kater seine Rache bekam.
Die Waffen der beiden verhakten sich, und nur ihre schiere Kraft drückte sie aneinander. Senzo verlor den neugefassten Mut gleich wieder, als er die Zuversicht in Ijis Augen sah. Dennoch - der körperliche Vorteil lag bei ihm, trotz allem waren Ratten kleiner und schwächer als Katzen, und so gewann er langsam die Kontrolle über die Situation.
Da fuhr Ijis nackter Schwanz zwischen die Beine und hinauf zu seinem Wams. "Der wird dir auch nicht helfen, Nezumi!" keifte Senzo siegessicherer. "Wenn du meinst", keuchte Yatsuruki zurück. Währenddessen bahnte sich sein Schwanz in seinen Kimono, und wickelte sich um ein kleines Messer, dass er dann zog.
Entsetzen machte sich in den Augen seines Opfers breit, als Iji das Messer in seinen Unterleib stieß. Fauchend und mit schmerzverzerrtem Gesicht taumelte der Kater zurück und musste seine Oberhand in dieser Verkeilung aufgeben. Iji ließ das Messer in seinem Körper stecken und ging einen Schritt zurück. Der Schmerz musste furchtbar gewesen sein für Senzo, welcher nur dastehen und zusehen konnte, wie sich Blut in jener Gegend seiner Hose verteilte, wo sich seine Genitalien befanden.
"Ich würde das rausziehen", verspottete ihn Iji erneut.
"Mein... mein..." erkannte Senzo entsetzt, "du hast ..."
Der verzweifelte Senzo bekam von Iji die Zeit, zu versuchen, irgendwie das Messer mit seinen Prothesen herauszuziehen. Vergeblich.
Iji preschte dann urplötzlich und ohne erkennbaren Ansatz nach vorne. Für den abgelenkten Senzo kam jede Chance auf eine Abwehr des Angriffs zu spät. Zwei Klingen bohrten sich durch seinen Leib und traten im Rücken wieder heraus. Senzos Blut rann von den Messern herab, und seine Arme erschlafften. Mit einem gezwungenen Lächeln vernahm Iji das Austreten von Blut aus dem Mund des Katers. Luft zum Atmen hatte sein Gegner kaum noch, und wenn, dann ließ er sie verstreichen, um gurgelnde, kläglich klingende Geräusche von sich zu geben.
"Denk nicht, dass es für dich damit vorbei wäre." Mit diesen Worten zog Iji seine Klingen aus Senzo heraus und ließ ihn umhertaumeln, ehe er sich auf sein Gesäß fallen ließ. Sein nervös zuckender Schwanz war das einzige, was noch irgendwie an ein Lebenszeichen von ihm erinnerte. Die Ratte verpasste ihm einen Tritt, sodass er auf dem Boden lag, die Glieder von sich gestreckt, mit einigen wenigen Zuckungen, und einem Gurgeln, an dem sich sein Bezwinger zu erfreuen schien.
Irgendwann, zwischen den vielen Malen, in denen Iji noch auf ihn einstach, hauchte Senzo sein Leben aus. Sein Lebenssaft spritzte auf den Kimono der Ratte, um ein bizarres Muster aus hellem Rot, Sonnengelb und dunkelroten Flecken zu bilden. Wie, als wenn sich eine lange aufgestaute Wut entlud, stach Iji auf sein Opfer ein.
Wieder hatte er Blut geleckt...
Eine Stunde später fanden zwei umherziehende Handwerker, ein Dachs und ein Schwein, die drei Leichen. Der einzige Hinweis auf den Täter waren zwei abgenagte Fischgräten, der auf dem Weg lag, und der kaputte Strohhut. Wie es schien, hatte der Täter keine Eile gehabt, sie abzunagen.
Iji Yatsuruki fand sich in den Straßen von Edo wieder, in einem sauberen Kimono von dunkelblauer Farbe mit weißen Dreiecksmustern, sein Bündel in der rechten Pfote, seinen Holzstab in der linken. Am Stand eines Hutmachers suchte er sich einen neuen Strohhut heraus, den billigsten, den der Händler, ein Ziegenbock, im Angebot hatte. "Das macht dann acht Mon", verlangte er dann von dem Nezumi. Der geschwätzige Bock versuchte einen kleinen Plausch anzuregen, auf das sich Iji dann einließ, um auch gleich mitzufeilschen.
"Was ist denn mit dem Herrn seinem alten Hut passiert?"
"Jemand hat ihn kaputtgemacht."
"Ja, das kenn ich, das ist schnell passiert. Wie ist es denn geschehen?"
"Einer hat sich draufgesetzt. Zuviel Sake, war wohl etwas wirr im Kopf", erwiderte Iji dann und dachte kurz an Senzo zurück.
"Ich gebe ihnen sechs Mon", feilschte er dann und deutete auf ein kleines Loch im Hut.
Schließlich einigten sie sich auf sieben Mon und Iji konnte dann die Marktstraße mit einer neuen Kopfbedeckung verlassen. Zeit für ihn, wieder in Edo unterzutauchen. Dort, wo er sich heimisch fühlte, auch wenn er nirgendwo ein Zuhause hatte.