Kapitel 1: Nächtlicher Besuch
KAPITEL 1Zahllose Regentropfen schlugen an
Adrian Fishers Fenster, wo sie sich sofort mit anderen Tropfen verbanden und
herunterliefen. Der Mond beleuchtete sie, was sie wie Milchtropfen aussehen
ließ. Der Himmel war wolkenbedeckt, und
die Straßenlaternen draußen tauchten den Ahornweg in ein gelbes Licht. Normal
für Mitte Oktober. Der Halbmond warf weiße Lichtstrahlen in Adrians Zimmer, wo
sie auf die Katzenposter trafen, die überall an den Wänden hingen. Diese Poster waren das wohl
auffälligste in dem sonst recht normalen Zimmer. Adrian hatte sie alle selbst
gezeichnet. Doch noch seltsamer war, jedenfalls für einen normalen Betrachter,
das Aussehen der Katzen. Sie hatten zwar einen normalen Katzenkopf, einen
Schwanz und Pfoten, aber einen menschlichen Körperbau. Es waren Furrys. Adrian liebte diese
vermenschlichten Tiere über alles, und hatte sein ganzes Zimmer mit Bildern
vollgepflastert. Bildern von Geparden, Leoparden und Katzen. Katzen aller Art
und Fellzeichnung. Adrian selbst schlief momentan tief
und fest. Er war für einen 16-Jährigen eigentlich recht normal. Groß, schlank,
braunhaarig. In der Schule war er recht beliebt. Seine Noten waren akzeptabel.
Und momentan schlief er.Und erwachte. Zum einen von dem
Regen, der ans Fenster prasselte, und zum anderen von einem Klopfen an der
Haustür. Was äußerst seltsam war. Nicht der Regen, sondern das
Klopfen. Nicht nur, dass es schnell und durchdringend wie ein Maschinengewehr
war, außerdem war es laut Adrians Uhr an der Wand 01.45 nachts. Adrian drehte sich auf die andere
Seite und hoffte, dass es von selbst verschwinden würde. Hoffentlich war es nur
ein Traum und nicht echt. Hoffentlich... Doch es hörte nicht auf. Fluchend
kämpfte Adrian sich aus dem Bett, schlüpfte in seine Hausschuhe und tappte im
Pyjama die Treppe hinunter. Seine Eltern waren im Urlaub, die konnte er schon
mal nicht aufwecken. Unten sah er zur Haustür. Draußen stand etwas, was aussah wie
ein Mensch, ungefähr so groß wie er. Paul war etwas nervös. Was, wenn es ein
Gangster war? „Verdammt" murmelte Adrian, öffnete - und schreckte zurück. Die
Gestalt draußen trug einen dunkelblauen Mantel mit Kapuze, die ihr komplettes
Gesicht im Schatten hielt. „Bist du Adrian Fisher?" fragte sie,
mit einer Stimme, die er einem Mädchen in seinem Alter zugeordnet hätte. „Äh,
ja, wieso?" stotterte Adrian. Was wollte diese Frau hier? Um diese Uhrzeit? Er
hatte keine Ahnung. Ohne auf eine Einladung zu warten,
trat das Mädchen ein. Ihr Mantel war vom Regen klatschnass und Wasser tropfte
auf den Boden. „Kann ich mit dir irgendwo hier drin
reden? Ungestört, meine ich?" Adrian, immer noch völlig perplex,
öffnete die Küchentür. „Hier, in der Küche." Das Mädchen betrat die Küche. Sie
ließ sich auf einen Stuhl fallen und bat Adrian, sich ihr gegenüberzusetzen, was
er auch tat. Dann zog sie etwas aus ihrem dunkelblauen Ärmel. Dem Jungen stockte der Atem. Ihre Hand -
sie war fellbedeckt, mit weißen und braunen Haaren, und aus den Fingern ragten
schwarze Krallen hervor. Adrian konnte nicht anders, als die Katzenpfote
anzustarren. In seinem Kopf begann sich alles zu drehen. Konnte das - nein,
konnte es nicht. Das Ding, dass das Mädchen - oder
was es auch immer war - hervorgeholt hatte, war eine kleine, gläserne Flasche.
Die Flüssigkeit darin war lila und etwas dickflüssig, wie Duschgel. Dann warf
sie, was Adrian die Luft einziehen ließ, mit einer einzigen flüssigen
Kopfbewegung ihre Filzkapuze zurück.Seine Augen wurden groß. Er konnte
es nicht fassen. Er hatte mit seiner Vermutung tatsächlich recht gehabt. Dieses
Mädchen war ein Furry. Ein Hybridwesen aus Mensch und Tier. Sie hatte einen
Katzenkopf, Schnurrhaare und Augen mit katzentypischen Schlitzpupillen. Fell
bedeckte ihn. Schönes, weiches, beigefarbenes Fell, und an den Ohren waren
dunklere Streifen. Das Katzenmädchen stand nun vom
Stuhl auf, wobei sie zugleich ihren Mantel abstreifte. Darunter kam ein
ebenfalls fellbedeckter Körper zum Vorschein, der die gleiche Farbe wie ihr
Gesicht hatte. Die Kleine war zierlich und ungefähr einen halben Kopf kleiner als er. Sie war mit etwas bekleidet, das aussah wie eine Art Body. Nur etwas primitiver gefertigt. Adrian starrte für einen Moment auf ihre Oberweite, sah jedoch schnell wieder weg. Sie ging auf den völlig perplexen
Jungen zu, und legte ihm mit den Worten „Ich brauche deine Hilfe" beide Hände,
nein, eher beide Pfoten, auf die Schultern. Adrian wich etwas zurück, doch stieß
gleichzeitig mit dem Rücken gegen die Küchenwand. „Warum hast du Angst vor mir?"
fragte sie, von Adrians Reaktion anscheinend leicht erschreckt, und nahm beide
Pfoten von Paul.„Weil... Weil... äh..." Er wusste
es um ehrlich zu sein selbst nicht, doch anscheinend fürchtete er sich wirklich
vor dem Furry.Ihm wurde klar, dass er sich
lächerlich aufführte. Angst vor einer Katze! Also wirklich! Anderseits... hatte
die Kleine nicht ein Fläschchen im Ärmel gehabt? Was war da wohl drin war...„Wie heißt du eigentlich?" sagte er
stattdessen zu ihr. Das Katzenmädchen, welches sich gerade wieder auf einen der
Stühle gesetzt hatte, sah zu ihm hoch. „Kaylin" antwortete sie. Dann begann
sie, mit dem Fläschchen herumzuspielen. Sie schien auf eine Reaktion von Adrian
zu warten.Dieser zeigte auf das kleine
Glasgefäß und fragte interessiert: „ Was ist eigentlich da drin?" „Ein Trank, der deine Gene
verändert. Sobald du ihn trinkst, verwandelst du dich in einen Katzenmenschen."
antwortete die Katze, ging auf den Jungen zu und drückte ihm das Mittel in die Hand.
Ihr Fell war ziemlich flauschig. „Trink ihn, bitte" sagte sie. Ihre Stimme begann auf einmal zu zittern. „Du musst mir helfen!" Nun begann sie zu weinen,
und zwischen Schluchzern stieß sie hervor: „Ich will doch nur mein Volk
wiedersehen!" Dieser Satz brachte Adrian nun doch
aus der Fassung. Er hatte Mitleid mit Kaylin, und da sie nun weinend vor ihm
stand, machte es nicht besser. „Shhht" machte er, und nahm sie in
die Arme. Willenlos ließ sie es mit sich geschehen.Ihre aufgesetzte Kälte, die sie beim
Eintreten gezeigt hatte, war nun völlig verschwunden. Tränennasses Fell
streifte seine Wange und er verspürte ein Bedürfnis, sie zu trösten. „Wieso bist du ausgerechnet zu mir
gekommen?" fragte Adrian und löste sich aus der Umarmung. Kaylin schniefte. „Weil
du der einzige Mensch hier in der Gegend bist, der Furries zu kennen scheint!
Und außerdem hätten mir Erwachsene nicht geglaubt!" Das leuchtete ein. Adrian beobachtete sie, die sich wieder auf den Stuhl fallen ließ und sich die restlichen Tränen
wegwischte. „Kann ich auf dich zählen?" fragte sie und sah ihn mit großen
Augen an. Dieser überlegte. Eine Erinnerung blitzte in seinem
Kopf auf. Er sah sich selbst, vierzehn Jahre alt. Damals hatte er einmal
geträumt, ein Furry zu sein. Als er aufgewacht und gemerkt hatte, dass es nicht
echt gewesen war, hätte er fast zu heulen begonnen. Und jetzt hatte er die
Chance, diesen Traum Realität werden zu lassen! Adrian atmete tief durch, streckte die
Hand nach der Flasche aus und sagte: „OK, ich mach's." Kaylin quietschte vor
Freude und fiel ihm um den Hals. „Danke" flüsterte sie. Der Junge
schraubte das Fläschchen auf und trank sie mit einem Zug aus.Sofort merkte er, dass sich in
seinem Körper etwas veränderte. Knochen verschwanden oder kamen hinzu. Das
erste, was sich bemerkbar machte, war, das ihm Fell auf dem ganzen Körper zu
wachsen schien. Adrian rannte sofort ins Bad nach oben und riss sich seine
Kleidung vom Leib, um seine Verwandlung besser sehen zu können. Mittlerweile bedeckten beigefarbene
Haare sein Gesicht, seine Brust, und schließlich seinen ganzen Körper. Außerdem
sah er im Spiegel, dass sein Oberkörper und seine Arme viel muskulöser geworden
waren als vorher. Adrians Gesicht veränderte und
streckte sich. Er beobachte, wie seine Augenfarbe von braun zu grün wechselte
und seine Pupillen sich nach oben in die Länge zogen. Seine Ohren wanderten am
Kopf nach oben und veränderten ihre Form. Sein Mund und seine Nase schienen
sich zu verbinden, während sein Kopf immer katzenartigere Züge bekam. Nach ca. zwei Minuten war die
Transformation vollendet, und Adrian starrte mit einer Mischung aus Ungläubigkeit
und Freude in dein Spiegel. Er war ein Furry. Ein Katzenmensch. Und er sah
verdammt gut aus. Grinsend betrachtete er seine Pfoten, drehte probeweise
seine Ohren und befühlte seinen Schwanz. Adrian ging in sein Zimmer und zog
sich eine dunkle Jeans und ein weißes T-Shirt über. Auf dem Weg nach unten zog
er sich seine Sandalen an, die an der Treppe standen. Als er die Küche betrat,
sprang Kaylin auf, als sie ihn sah. Sie kam auf in zu und rief
„Ja!" Eine Stunde später verließen die
beiden Furrys gegen zwei Uhr Adrians Haus. Sie hatten alles ausführlich
besprochen, und Kaylin hatte ihm nahezu alles über ihr Volk erzählt. Ihr Dorf
lag, ihrer Beschreibung nach, in einer Steppengegend der Mongolei, ungefähr
1000 Kilometer vom Uralgebirge entfernt. Sie lebten vom Ackerbau, außerdem
betrieben sie Viehzucht. Sie kannten die Menschen ziemlich gut, und wussten
sehr viel über ihre Technologie und Lebensweise. Adrian hatte Klamotten für eine Woche
in seinen Rucksack gepackt, außerdem hatte er an einer Automatenfiliale über 2000€
vom Konto seiner Eltern abgehoben, und ihnen einen Entschuldigungsbrief
dagelassen, in dem er ihnen alles erklärte. Im Internet hatte er Bahn- und
Flugzeugverbindungen gecheckt und herausgefunden, dass der billigste Weg in die
Mongolei folgender war: 1.
Mit der Bahn von Jena nach Berlin,
von mit der transsibirischen Eisenbahn nach Russland2.
Mit einem (gemieteten) Vehikel das
Uralgebirge passieren und von da nur noch weiterfahren, bis sie Kaylins Dorf
erreichten.Also waren Kaylin und Adrian nun mit
einem Taxi auf dem Weg zum Bahnhof von Jena. Der Taxifahrer hatte sie zuerst
aus Angst vor ihnen nicht mitnehmen wollen, doch sich schließlich überreden
lassen, sie gegen einen geringen Aufpreis zu fahren.Die
beiden neuen Freunde stiegen aus. Kaylin drückte dem Taxifahrer mit den Worten
„Behalten sie den Rest" in die Hand. Dieser raste gleich darauf davon, als wäre
der Teufel hinter ihm her.Zusammen
mit Adrian studierte sie den Fahrplan. Der nächste Zug nach Berlin fuhr in einer
guten Dreiviertelstunde. „Verdammt" murmelte sie, „Das dauert ja noch lange" Adrian zeigte auf eine kleine Kaffeebar ihm Bahnhofsgebäude. „Wie wär's,
wenn wir uns zum Warten da rein setzen?"Kurz darauf saßen die beiden in einem winzigen Coffeeshop und diskutierten über
ihre Reise. Kaylin hatte etwas Respekt vor den Zügen, denn obwohl sie viel über
die Menschen wusste - Bahn gefahren war sie noch nie. Adrian konnte sie
verstehen. Vor seiner ersten Zugfahrt hatte er sich genauso angestellt.