Wechselwirkung - Teil 1 - Neuanfang

Story by Niwo on SoFurry

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#2 of Wechselwirkung

Teil 1 der eigentlichen Geschichte "Wechselwirkung".

Ich war selber unentschlossen, wie das Ganze ausgehtm daher auch das Hin- und Her, das ich dann versuche habe, irgendwie zu verpacken. Als es sich dann zu sehr durch die ganze Geschichte zog, hab' ich's irgendwann gelassen und damit gearbeitet. Darum heißt es überhaupt "Wechselwirkung" ;)

Viel Spaß beim Lesen ^.^


Die Spätsommersonne stand noch tief, es war kühl, würde aber ein schöner Tag werden.

‚Typisch', dachte Nick. ‚Erster Schultag und dann noch mal so`n geiles Wetter!'

Er schaute aus dem Fenster. Von überall strömten Schüler die kleine Anhöhe hinauf, auf der sich das Robert-Falk-Gymnasium befand. Er hatte das Gelände schon vorab besichtigt, vor etwa zwei Wochen, kurz, nachdem seine Mutter mit ihm hier hergezogen war. Es war komisch, diese Zusammensetzung aus Backsteinbauten, einer großen Turnhalle, einigen Spiel- und Klettergeräten und einem parkähnlichen Übergang in den Oberstufentrakt sollte von nun an seine neue Schule sein. Er vermisste seine alten Freunde schon jetzt, zumindest die, die er als Ehestes als solche bezeichnet hätte, denn seit er denken konnte, war Nicolas eher ein Einzelgänger gewesen. Seine Freundschaften waren an einer Pfote abzählbar. Auf die erste Begegnung mit seinen neuen Klassenkameraden war er somit überhaupt nicht heiß.

Seine Mutter spürte seine Anspannung, wie immer hatte sie einen sechsten Sinn dafür; oder hörte sie einfach nur seinen aufgeregten Herzschlag? „Mach dir keine Sorgen, Nicolas, dein neuer Rektor hat mir versichert, dass du in eine total nette Klasse kommst." „Ja klar," murmelte der Kater. Er kannte das, in der Schule wurde doch eh nur gelästert. In seiner alten Klasse war er der Kleinste gewesen, sodass er schon bald den Spott all seiner Mitschüler auf sich sitzen hatte. Dabei war er lediglich später entwickelt, als der Rest des lästernden Fusselhaufens. Vielleicht hätten sie nur halb so viel Wind um ihn gemacht, wenn er ein Eichhörnchen oder eine Maus gewesen wäre, aber als Kater der Kleinste zu sein war schon eine undankbare Position. Im letzten halben Jahr hatte er endlich einen Wachstumssprung hingelegt, er maß jetzt fast 1,50m und sein Stimmbruch war im Kommen. Vielleicht hatte seine Mutter ja recht und er würde dieses Mal nicht in die Opferrolle rutschen. Er rieb sich nervös die Pfoten. Die Oberseiten waren von einem dunklen Orange bedeckt, durch das sich wiederum bräunliche Querstreifen zogen. Diese Fellfärbung setzte sich fort über die Mitte seines Rückens sowie die Oberseite der Arme, Beine und des Tails. Sie endete auf dem Kopf und färbte auch sein Haupthaar orangebraun. Der Rest seines Körpers war hell, fast weiß mit einer Nuance Beige.

Der Wagen hielt und sie drückte ihn an sich.

„Mama, nicht!" beschwerte er sich. „Wenn die sehen, wie ich meine Mutter drücke, kann ich mich gleich aufhängen."

„Ich will dir doch nur Mut machen und viel Glück wünschen."

Nick befreite sich aus der Umarmung. „Jaja, haste ja nun." Er schnappte sich seinen Rucksack und stieg aus der Tür des alten Nissan.

„Denk dran, du sollst dich im Sekretariat melden."

„Ja Mama," kommentierte er mit rollenden Augen. Kurz darauf stand er alleine vor dem Haupttor und ließ die Szenerie auf sich wirken.

Im Grunde, stellte er fest, unterschied sich diese Schule nicht wirklich von seiner bisherigen. Zugegeben, die Gebäude standen beengter und waren höher, aber das Gesamtbild, das sich ihm sonst bot, war wenig überraschend: In kleinen Grüppchen standen Schüler unterschiedlichen Alters. Die Kleineren, gerade erst dem Welpenalter Entwachsenen tauschten Sticker oder irgendwelche Sammelkarten, Jugendliche von dreizehn Jahren etwa, wie er selber auch - vielleicht waren sie auch vierzehn - unterhielten sich lautstark, grölten und lachten. Ein Gepard jagte gackernd einem Wiesel hinterher, das er kurz darauf auch am Ranzen packte und sich dann spielerisch von ihm wegschubsen ließ. „Verpiss dich Alter, du bist halt schneller, hab`s gepeilt."

„Dann hör` auf, mich immer herauszufordern."

„Hab ich gar nicht, ich ..." und dann waren sie außer Hörweite. Noch ältere Mädchen hatten einen großen Tratschkreis gebildet und redeten scheinbar gleichzeitig aufeinander ein, während ihre Finger über die Displays ihrer Smartphones huschten. Sie erinnerten Nick an seine Schwester, auf die vermutlich an ihrer neuen Schule gerade die gleichen Eindrücke einprasselten. Anders als er, ging sie auf eine Realschule, da sie, vor zwei Jahren etwa, mit dem Stoff auf dem Gymnasium überfordert und kurz davor war, nicht versetzt zu werden.

Weit entfernt von ihm, in Richtung Oberstufengelände, sammelten sich die bereits erwachsenen Schüler. Einige fuhren sogar mit dem eigenen Auto vor. Er atmete tief durch; das war es also!

Gerade als er losgehen wollte, tauchte ein dunkler Schatten neben ihm auf und jemand rempelte ihn grob von der Seite an. Als er sich umdrehte, sah er einen Timberwolf und seine zwei Begleiter, einen finster dreinblickenden Marder mit mehreren Piercings durch beide Ohren und eine weibliche Hyäne, die ihm, fies grinsend, ihre gelben Zähne zeigte. Sie war kräftig gebaut und groß für ihre Spezies und Alter und machte nicht weniger Eindruck als der Wolf in der Mitte, wenn auch ihre Masse mehr Fett als Muskeln zu sein schien.

„Ey, was soll die Scheiße?" raunzte sie ihn an.

Nick wusste gar nicht, wie er antworten sollte, er hatte doch nur hier gestanden. Am Besten, er hielt sich fern von solchen Primitivlingen, die suchten doch nur Ärger.

„Ich ... ´tschuldige," brachte er hervor und drehte sich um, in der Masse zu verschwinden.

„Was, du glaubst mit ´ner verfickten Entschuldigung is` gut, oda was?"

Nick spürte ihre Blicke, alle Drei gingen ihm nach. Das fing ja klasse an, jetzt würde er an seinem ersten Tag gleich verprügelt werden? Hinter sich hörte er die Stimme der Hyäne bedrohlich laut werden.

„Bleib stehn, du Wichser!" forderte sie ihn auf. Jetzt schien offensichtlich, dass sie der Anführer der Rowdygang war.

‚Nur weg hier!'

Nick wartete, bis er an einer Gruppe Jugendlicher vorbeiging und rannte, sobald er den Letzten von ihnen passiert hatte, hart nach rechts. Sein Fluchtversuch dauerte nur wenige Sekunden an, offenbar hatte das Trio damit schon gerechnet, denn er lief dem Timberwolf geradewegs in die Arme. Wie auf Beton prallte er gegen dessen Brustkorb und torkelte überrascht zurück. Der Kanide versetzte ihm einen groben Stoß gegen die Schulter, worauf Nick endgültig den Halt verlor und hintenüber fiel.

Er landete unerwartet sanft, schwarz-weiße Arme fingen ihn auf. Sein Retter trat einen Schritt zurück, um nicht selber vom Gewicht des Katers umgerissen zu werden und half ihm auf.

Es dauerte zwei Sekunden, bis der sich orientiert hatte, seine Gedanken wirbelten durcheinander.

„Ey, sucht euch jemanden von eurer Größe zum Draufrumhacken!"

Der Timberwolf baute sich bedrohlich auf und fletschte die Zähne. Dann sah er sich um. Eine Traube von Schülern hatte sich gebildet, die das Geschehen höchst interessiert beobachteten, mindestens ein Mädchen filmte mit ihrem Handy.

„Pass auf, wo du rumstehst," knurrte der Lupine Nick an. Die Hyäne sammelte ihre Kumpanen ein und sie walzten sich ihren Weg durch die Menge.

„Alles okay, Kleiner?" fragte dieselbe Stimme, die dem Wolf soeben Paroli geboten hatte. Die Schwarz-weißen Arme ließen ihn los, er stand wieder auf eigenen Beinen.

„J-ja," bestätigte Nick. Die übrigen Schüler verloren das Interesse und verteilten sich wieder. Er drehte sich um. Vor ihm stand ein ausgewachsener Border Collie, er schien einige Jahre älter als er selber, vermutlich sogar volljährig. Zwar maß auch er nur knappe 1,75m, aber er war in Begleitung von zwei Mardern, die den Flüchtenden grimmig hinterher blickten.

„Mach dir keine Sorgen, das sind Idioten, die fette Tina fliegt wohl eh bald und die anderen lungern meist nur hinter`m Oberstufenhaus und rauchen." Er musterte den Kater. „Du bist nicht alt, oder? Gehst du bei Flo in die Klasse?"

„Nein, das heißt, ich weiß nicht," antwortete Nick. „Ich habe heute meinen ersten Tag hier."

Die Glocke klingelte, nur noch fünf Minuten bis Schulbeginn.

„Ich bin Siebte, aber weiß noch nicht, welche."

Der Collie reckte sich, als suche er jemanden. „Rob, siehst du Flo?"

Einer der Marder verschwand zwischen den Leuten und kam nur Sekunden später mit einem jüngeren, etwas dunklerem Border Collie in Schlepptau zurück. Er schien im selben Alter zu sein, wie Nick, sein Welpenflaum war beinahe vollständig durch glattes, zart glänzendes Fell ersetzt. „hm ... hi?!" begrüßte er den Kater. Auch er war im Stimmbruch, vermutlich sogar etwas länger als Nick.

„Ha-hallo, ich bin Nico ... Nick."

„Hallo Nico-Nick," lächelte der jugendliche Kanide ihn an. „Ich bin Flo ... nur ein Mal." Sein Grinsen wirkte, trotz, dass er Nicks stotternde Unsicherheit veräppelte, nicht herablassend, eher freundlich-lustig. Dann drehte er sich zu dem größeren Border Collie um - vermutlich seinem Bruder. „Was`n los?"

„Nick ist neu hier und hatte etwas Ärger mit Tina. Er sagt, er geht in die Siebte, da dachte ich, dass du ihm vielleicht helfen kannst, seine Klasse zu finden?"

„Äh ...?" Flo wandte sich ihm zu. „Ich ging in die Siebte, ab heute bin ich in der Achten." „Ja, ich auch," bestätigte Nick. Klar, nach den Sommerferien war er ja nun auch in der Achten.

Der Jüngere lächelte ihn an. „Na dann, okay, komm ich bring dich hoch. ‚A', ‚B' oder ‚C'?"

„Ich ... keine Ahnung, ich soll ins Sekretariat."

„Also Richtung Lehrerzimmer!" Der Kanide griff seine Pfote und zog Nick mit sich. „Chiao Dan, bis nachher," verabschiedete er sich von seinem Bruder.

Dem Feliden war nicht wohl dabei, so Pfote in Pfote durch die Pausenhalle zu eilen, es fühlte sich falsch an, zwei Jungs ihres Alters hielten sich nicht an den Pfoten. Die Wärme des Kaniden, die seine Finger berührte, wirkte indes jedoch wie eine beruhigende Injektion und setzte sich durch seinen Arm fort. Er fühlte sich nicht mehr ganz so ziellos auf der Suche nach seiner neuen Klasse, er brauchte nur der Wärme folgen.

Flo huschte vorbei an Snackautomaten und Glasvitrinen mit Holzrahmen, in denen Ehrenurkunden, Fotos und Pokale von allerlei Sportevents und Schulturnieren ausgestellt waren. Die meisten Schüler strömten bereits in Richtung der unterschiedlichen Klassenräume.

Kaum waren Flo und Nick am Sekretariat angekommen, wurde der Kanide von einem Lehrer angesprochen, der sich zwar kurz dessen Begründung anhörte, warum er hier war und nicht bereits vor seinem Biologieraum, ihn aber trotz seines triftigen Grundes (nämlich Nick zu begleiten) mitnahm.

„Cya, Nick, vielleicht kommst du ja auch in die 8B," rief er dem Kater im Weggehen zu, dann war er verschwunden.

Die alte Sekretärin, eine Eule mit endlos großen, tiefen Augen, tippte umständlich auf ihrer Tastatur. Genervt rollte Nick die Augen. Was war so schwer daran, einfach nur zügig einen Computer zu bedienen? Seltsamerweise wollte er seit seiner Begegnung mit Flo nur noch in seine Klasse. Wer weiß, vielleicht käme er ja tatsächlich in die 8B? Die Chancen standen eins zu zwei.

Der Kanide war in der kurzen Zeit sehr nett zu ihm gewesen, er hatte ihn nicht wegen seiner Größe oder irgendetwas Anderem verarscht, sondern war, im Gegenteil, unvoreingenommen nett zu ihm gewesen. Er war Nick sehr sympathisch. Womöglich sah Flo die Sache ja genauso und die beiden würden sich anfreunden?

So schnell, wie diese Hoffnung entstanden war, so schnell wurde sie auch von seiner eigenen Unsicherheit weggefegt: Das würde eh nichts, der Collie hatte bestimmt genug Freunde. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seiner momentanen Situation zu.

Hoffentlich beendete die Alte ihr erbärmliches 2-Finger-Suchsystem bald und würde ihm endlich sagen, welche Klasse für ihn vorgesehen war. Eine Minute später erfüllte sich dieser Wunsch.

Nick kam nicht in die 8B. Die Alte erklärte ihm, dass er zwar für diese Klasse vorgesehen war, man ihn nach Ferienende stattdessen jedoch in die durch Nichtversetzung und Schulwechsler geschwächte 8A steckte. Bereits nach zehn Minuten dort wusste er, wieso diese Klasse so viele schwache Schüler hatte: Bis auf wenige ruhige Ausnahmen waren vieles Chaoten und die Lehrer schienen dies zu wissen und resigniert zu haben. Der Lärmpegel war lauter als in seiner alten Klasse, so viel stand schon mal fest.

Bereits während seiner Vorstellung dichteten eine Farbratte und ein Frettchen aus der Nagerecke seinem Namen das von ihm verhasste ‚i' an und zogen ihn vor allen Anderen als ‚Nicci', dem Namensgeber dieser übertrieben niedlichen Plüsch-Schlüsselanhänger auf. Die Lehrerin, eine recht junge Wölfin mit hellgrau - beigefarbenem Fell setzte ihn neben Korky, einem Waschbär, der ihn zwar nicht mobbte, dafür aber auch zu nichts Anderem zu Gebrauchen schien. Er hielt sich aus dem lauten Treiben heraus und kritzelte lieber in sein Heft. So verbrachte Nick seine erste Doppelstunde Physik hauptsächlich schweigend und lesend. Korky, der in Wirklichkeit Daroslav Korkinski hieß, schob ihm während der ersten Fünfminutenpause den Stundenplan zu und er schrieb seinen zukünftigen Tagesablauf ab.

In der ersten Pause stellten sich ihm mehrere Jungs vor, die mit Korky mehr oder weniger zu verkehren schienen. Keiner davon war aus der 8A und auf einer Wellenlänge mit Nick schien auch keiner zu sein. Zugegeben, sein Hobby war bei Weitem nicht so mainstreamtauglich, wie z. B. Fußball. Der Kater guckte alles, was mit Science-Fiction zu tun hatte; ob Battlestar Galactica, Babylon 5 oder diverse Star Trek-Varianten, er kannte sie alle. Zwar war er nicht verrückt genug, ein wild sammelnder Trekki zu sein, aber es reichte, um Sci Fi auch zu lesen und wann immer man in einem PC-Spiel ein Raumschiff durch ferne Welten steuern konnte, war er dabei. Hier in dieser neuen Umgebung verschwieg er diese Leidenschaft bewusst.

Die zweite Doppelstunde verlief ähnlich, die Klassenchaoten zeigten außer einem gelegentlichen Kichern in seine Richtung kein weiteres Interesse an ihm und mit Korky oder Anderen wollte er sich an seinem ersten Tag nicht allzu sehr auseinandersetzen. Er hatte Gemeinschaftskunde, was hier alle nur mit ‚GMK' abkürzten. Nick fand das holprig, er mochte das an seiner alten Schule übliche ‚GeKu' lieber. Dann kam die große Pause. Der Kater aß seine Salamisandwiches und unterhielt sich erneut mit dem Waschbären, während der Rest seiner Klasse die Zeit auf dem Pausenhof verbrachte. Kurz vor Beginn der fünften Stunde entschuldigte er sich und streifte durch die überfüllte Pausenhalle. Er hoffte, Flo über den Weg zu laufen, aber der schwarz-weiße Collie war nirgends zu sehen. Nach kurzer Zeit gab er auf und ging zum Klassenraum der 8A. Der Donnerstag endete mit einer Doppelstunde Mathe nach der Siebten.

Als alle Anderen bereits aus der Klasse stürmten, sprach der Lehrer, Herr Weinberg, ein Dachs mittleren Alters ihn an und stellte sich als sein neuer Klassenlehrer vor. Er fragte, ob der Kater außerschulische Interessen hätte, es gäbe da verschiedene Gruppen und Kurse, wie den Chor, eine Biotop-AG, die Sonnen-AG für Sternkunde und Astronomie und verschiedene andere Projekte, die auch helfen würden, sich in der neuen Umgebung schneller einzugewöhnen. Nick bedankte sich und versprach, über eine Teilnahme an der Sonnen-AG nachzudenken.

Halb drei verließ er das Schulgelände. Seine Mutter würde ihn nicht abholen, er hatte sich die Busverbindung rausgesucht und musste sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln selber behelfen. Die Haltestelle dazu befand sich genau vor dem Haupteingang. Die meisten anderen Schüler hatten einen Bus vor ihm genommen, weil er so lange aufgehalten worden war, so stand er nun recht einsam neben dem Halteschild, als er wie aus dem Nichts Florian auftauchen und über die Straße huschen sah. Er stellte sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf, es schien, als habe der Collie von heute Morgen ihn nicht bemerkt. Nick beobachtete, wie er auf seinem Smartphone tippte, bevor er es in die Hosentasche gleiten ließ. Sein schwarzes Gesicht wurde von einem großen weißen Fleck durchzogen, der einen Teil seiner Schnauze und Wange umfasste und sich unter dem Saum seines T-Shirts fortsetzte. Seine linke Pfote war schwarz, die Rechte schwarz-weiß. Der Tail hing schlaff hinab, auch er war überwiegend schwarz, aber aus seiner Perspektive konnte Flo eine weiße Spitze erkennen.

Wie weit setzten diese Flecken sich wohl fort? Hatte er einen weißen Bauch? Nick schüttelte den Kopf und sah weg. Wie kam er dazu, über die Fellzeichnung eines fremden Jungen nachzudenken?

„Hey!" ertönte eine ihm vertraute Stimme. Der Collie war auf ihn aufmerksam geworden und winkte ihm zu.

„Hey!" antwortete Nick. Nur zaghaft hob er eine Pfote.

Flo sprang auf, guckte links und rechts und rannte dann zu ihm über die Straße. „Na, wie war dein erster Tag?"

„Geht so." Der Kater war schüchtern, das kannte er schon. „Ich bin in der 8A."

„Schade, dass du nicht in die B gekommen bist. Wär` bestimmt lustig."

„Ja, naja, kann man nichts machen."

„Und wie ist die A? Chaotisch, nicht?"

Der Kater nickte, besser konnte man es kaum beschreiben. „Jo, sind da nur solche Vollidioten?"

„Die meisten. Musst halt gucken, ob du da wen findest, mit dem du klarkommst."

Nick überlegte. Eigentlich wollte er das nicht wirklich, so hundertprozentig warm wurde er nach seinem ersten Eindruck nach mit niemandem dort. Aber Freunde brauchte man immer. Er nahm sich vor, den Freitag als zweiten Eindruck abzuwarten und sich dann zu

beginn der nächsten Woche auf seine Mitschüler einzulassen. „Jop!"

„Hey, sag mal wo kommst du eigentlich hier?"

Flo erzählte, dass er mit seiner Mutter aus einer anderen Stadt hergezogen war, weil sie sich nur so räumlich von ihrem Ex trennen konnte. „War ´ne miese Trennung, er hat ständig versucht, sie zurückzugewinnen. Voll stressig!" Die Drohungen und die schrecklichen Wochen danach, in denen die Polizei Peter letzten Endes wegen Stalking und Hausfriedensbruch festgenommen hatte, ließ er absichtlich weg.

„Krass, Neuanfang quasi?"

„M-hmh."

„Und wie lange seid ihr schon hier?"

„Seit zwei Wochen etwa," antwortete Nick. Dann fügte er hinzu: „Ist ganz nett hier."

„Geht," stellte Flo fest. „Hey wart` mal, hast du nachher noch Zeit?"

Der Kater wusste zuerst nicht was er antworten sollte. Wollte der Colliejunge sich etwa mit ihm verabreden? „Sorry, nee, später kommt meine Schwester und wir packen noch Kartons aus."

Flo ließ enttäuscht seine Ohren hängen, wenn auch noch nicht völlig. „Und jetzt?" fragte er hoffnungsvoll.

„Jetzt?" fragte Nick ungläubig.

„Ja, nicht lange, nur zum Kiosk, Eis essen oder so ..."

Der Kater überlegte. Seine Mutter erwartete ihn bis spätestens 16:30 Uhr zurück, weil bis zum Ende unklar gewesen war, wie lange sein erster Schultag dauern würde. Der Bus brauchte laut Internet nur zwanzig Minuten ... „Okay, eine Stunde hab` ich."

„Cool, Stunde klingt gut. Da könnten wir sogar ..." Flo rieb sich die Nase. „... ja klar, komm mit." Er sprang auf.

Nur zehn Minuten später standen sie vor einer kleinen Eisdiele, über der ein Schild Prangte ‚JET - Jenny's EisTresen'. Eine junge Igeldame stand hinter der Kühltheke und bereitete mit vielen Früchten dekorierte Eisbecher zu. „Hi Jen!" begrüßte der Collie sie.

„Oh hi, Florian. Das Übliche?"

Flo`s Ohren zuckten. Er nickte und sah aus als würde er sich dafür genieren. Offenbar aß er hier öfters ‚das Übliche'. Verlegen grinste er, als er merkte, dass Nick ihn anschmunzelte. Jenny begann durch die verschiedenen Fächer zu kramen und stellte einen appetitlich aussehenden Schokobecher zusammen, sprühte Sahne, verteilte Karamellsoße und am Ende bunte Streusel obendrauf. „Keine ... Streusel," beendete Flo seinen Einspruch. Er kam zu spät, Jenny hatte den farbenfroh gesprenkelten Eisbecher bereits rübergeschoben.

Nick beäugte die knallbunte Leckerei und kommentierte: „Süß!" Unter dem weißen Teil seiner Schnauze konnte Nick erkennen, wie sein Gegenüber rot wurde. Erneut grinste er nur.

Dem Kater gefiel die Gesellschaft seines neuen Freundes schon jetzt - war er tatsächlich mit ihm befreundet? Vielleicht war es etwas früh, dass er darüber nachdachte. Er wühlte durch sein Portemonnaie und stellte fest, dass sein Geld für mehr als eine Kugel nicht reichen würde. Egal, wenigstens konnte er sich überhaupt eine leisten.

„Ein Mal Schokolade, bitte," bestellte er.

„Nimm mal ´nen Becher, die schmecken richtig lecker," forderte Flo ihn auf.

Unbehagen breitete sich in Nicks Bauch aus. „Hab nicht genug Geld mit."

„Oh, okay?! Jenny? Machst du ihm bitte eine Schokobombe, die geht auf mich, dann."

Der Felide machte große Augen. „Du lädst mich ein?"

„Kein Problem, ich hab` grad Taschengeld bekommen. Du kannst ja den nächsten Becher zahlen wenn du willst."

„Gerne." Nick strahlte. Seine bisherigen Freunde hatten sich nie so nett verhalten, speziell nicht, wenn es um Geld ging. Daran würde er sich erst gewöhnen müssen. „Meinen aber bitte ohne Streusel."

„Alles klar, Kleiner," zwinkerte Jenny ihm zu und lächelte erst ihn, dann Flo an. Der grummelte ob der Neckerei, guckte zerknirscht aus der Wäsche und bemühte sich, zuallererst die bunte Dekoration aufzuschlecken.

Kurz darauf waren die Streusel längst vergessen, Flo führte sie in den angrenzenden Stadtpark, wo sie sich auf die Wiese legten und genüsslich ihr Eis schlabberten. Der Collie fragte, wo genau er jetzt wohnte. Nick erzählte von der kleinen Doppelhaushälfte, das seine Mutter mit Hilfe einer gekündigten Lebensversicherung angezahlt hatte und in den nächsten Jahren wie zu den Raten einer teuren Miete abstottern würde. Dann sprachen sie erneut über die 8A und der Kanide lachte, als er hörte, wie chaotisch es in Nicks Klasse zuging. „Ja, die A hat da so ihren Ruf weg ... zurecht. Aber mach dir nichts draus, wenn du willst, können wir in der Pause abhängen."

Der Kater blickte von seinem beinahe leeren Eisbecher auf. Ein Rest Sahne hing ihm an den Lippen. „Mit dir?"

„Klar," strahlte Flo ihn an. „Ich mag dich."

Nick machte große Augen. ‚Ich mag dich?' Was ging denn jetzt ab?

Scheinbar im selben Moment bemerkte auch Florian, wie zweideutig diese Äußerung rübergekommen war. „Also ... du bist nett, ich meine ..."

Der Kater lachte verlegen. Was für ein unangenehm schwuler Moment für Flo, aber auch für Nick. Seine Ohren kribbelten, er wollte die Situation auflockern. „Hey, ist da was in deinem Eis von dem ich nix weiß?" grinste er. „Was? Also ... nein, was sollte ...?"

„Schönen Schuss Vodka, dass du so redest oder so?" Flo verstummte und ließ seinen Kopf sinken. Er betrachtete beschämt seine Krallen, die den leeren Pappbecher hielten. Hatte Nick zu viel gesagt? Der Collie tat ihm leid, er war ruhig und zitterte leicht. Beinahe wirkte er, als kämpfe er mit einer unangenehmen Erinnerung. „Flo? Hab` ich ...?"

Nach einer kurzen Pause berappelte sich der junge Collie und schüttelte entschlossen den Kopf. „Nee, sorry, hab` mich nur blöd ausgedrückt."

„Macht nix, ich weiß was du meinst, mag dich auch," bestätigte er. Geteiltes Leid war halbes Leid. Sein Satz klang mindestens genauso schwul, das sollte doch jetzt helfen. Es half! Sie berappelten sich und tauschten weiter Details ihres Lebens aus. Beide skateten gerne, surften gelegentlich im Internet und hatten noch keine Freundin. Flo zeigte sogar Interesse an Nicks Science-Fiction Hobby und gestand, dass er noch immer ‚Magic' spielte, das Sammelkartenspiel. Auch wenn an seiner Schule nur Jüngere das viel massentauglichere Yu-Gi-Oh spielten, so hatte er seine Karten für eine regelmäßige Spiel- und Sammelgruppe in einem örtlichen Fantasyladen.

„Hey, wenn du willst können wir ja morgen zusammen skaten," schlug Flo vor.

Nick war begeistert von der Idee, nur klang die Skatebahn, von der der Kanide berichtete alles Andere als leicht. Bisher war er mit seinen Inlinern nur auf geraden Straßen gefahren. „Hm, gerne, aber du musst mir das langsam beibringen."

„Und du zeigst mir dafür mal eine Sci-Fi-Serie." Flo hielt ihm die Pfote entgegen.

„Deal!" Nick schlug ein. „Äh, sag mal hast du Schoner für mich?"

„Klar, brauchst du auch einen Helm? Ich hab` alles doppelt."

„M-joar."

Sie verabredeten sich für morgen direkt nach der Schule.

Nach einer weiteren halben Stunde verabschiedete Nick sich und stieg in seinen Bus. Die ganze Fahrt dachte er über seinen neuen Freund nach. Sie waren doch jetzt befreundet?! Doch, ja, Florian hatte ihm sogar ein Eis spendiert, für das der Kater sich gleich am nächsten Tag revanchieren wollte.

Als er aus dem Bus stieg kam es ihm vor, als betrete er eine andere Welt. Die vergangenen zwei Wochen war ihm das kleine Haus in dem sie zu Dritt renovierten und wohnten wie etwas Neues, Fremdes vorgekommen, fast so, als würden sie nach einer vorbestimmten Zeit wieder abreisen und er käme zurück in die ihm vertraute Heimat. Jetzt aber kam er aus der Schule, einem noch viel neueren und unbekannteren Ort. Im Gegensatz dazu bot ihm das Haus eine fast schon angenehme Vertrautheit. Ja, er fühlte sich auf gewisse Weise zu Hause. Hier würde sein Leben die nächsten Jahre verlaufen. Seine Mutter war noch bei der Arbeit. Er hoffte, dass sie es hier in der Distanz schaffte, sich von den anstrengenden Erlebnissen mit seinem Beinahe-Stiefvater Peter zu erholen. Beide, seine Schwester und er hatten über Monate mit ihr gelitten und zusammengehalten. Kurz vor dem Umzug hatten sich die Geschwister untereinander sogar versprochen, gute Kinder zu sein und ihr nicht unnötig Stress zu bereiten.

Sandra wühlte sich im Obergeschoss durch einen Karton voll mit Geschirr, das früher einmal im Wohnzimmerschrank gestanden hatte. Noch immer waren etwa zwanzig Kartons quer im ganzen Haus verteilt und warteten darauf, dass sie ausgepackt und ihr Inhalt auf Regale, Schränke oder andere Aufbewahrungsorte verteilt wurde.

„Hey, Nicky, wie wars?" Sie war die Einzige, die ihn Nicky nennen durfte. „Hier, das kannste gleich aufn Dachboden bringen."

„Hey, geht so." Er legte seinen Rucksack ab und schleppte eine offene Kiste mit Krimskrams die wackelige Leiter hinauf.

„Bei mir sind alle ganz nett, ich hab` zehn neue Handynummern oder so. Und nächste Woche bin ich eingeladen zum Wellnessschwimmen." Sie strahlte stolz.

„M-jo, ich bin morgen verabredet. Skaten."

„Cool, siehste? Und du hast gesagt, Klassenkameraden sind keine guten Freunde." Sie befreite goldrandiges Sonntagsgeschirr aus Zeitungspapier.

Nick öffnete einen Karton und klappte ihn gleich wieder zu als er sah, dass er voller Weihnachtsdekoration war: Ein Weihnachtskater, Rauschgoldkatzen, Sterne. Dafür war es noch etwas früh, also auch Dachboden. „Ehrlich gesagt, ist er kein Klassenkamerad.

Parallelklasse."

„Ach, das ist doch das Gleiche." Sie wurde ruhiger. „Wie geht`s Mama?"

„Weiß nicht, ganz normal." Er erinnerte sich, dass er sie weggedrückt hatte, als sie ihn umarmen wollte und schämte sich für sein Handeln. „Schätze, sie braucht noch Zeit."

„M-hm. Hier, das kann in die Küche."

Gemeinsam schafften sie drei weitere Kartons, bevor ihre Mutter nach Hause kam. Sie arbeitete bereits seit einer Woche in einer neuen Filiale ihrer Drogeriekette. Dankbar blickte sie auf die leeren Kartons und bereitete ihren leckeren Thunfisch-Nudelauflauf zu. Sandra und Nick erzählten auch ihr von ihrem ersten Schultag. Der Kater erweiterte seine Erzählung um Florian und ihren Abstecher in die Eisbar. Dann fragte er, ob er etwas Geld bekäme, um sich morgen für das Eis zu revanchieren.

„Klar, geb ich dir dann mit. Schön, dass du einen Freund gefunden hast," freute sie sich. „Aber skaten auf einem Platz? Du weißt, ich mag es nicht, wenn du ohne Schoner fährst. Wenn du dir welche zum Geburtstag wünschst, aber der ist ja erst im Winter. Und ... so einfach aus der Reihe. Wir sind knapp bei Kasse. In einem Monat kann ich vielleicht ..." „Die bekomm` ich von Flo," unterbrach Nick sie.

„Oh? Na dann, viel Spaß euch morgen. Wie sieht`s aus mit Schulaufgaben?"

„Nur Physik, mach` ich gleich noch."

Kurze Zeit später saß er über seinem Heft und setzte sich mit Spannungen und Stromstärken auseinander. Er hatte keine Sorge, dass er mit dem Stoff an sich nicht hinterherkam, aber in der lauten Klasse würde es nicht einfach werden, dem Unterricht zu folgen.

Könnte er die Klasse vielleicht irgendwie wechseln?

‚Na, warten wir erstmal ab', entschied er. Obwohl der Gedanke, mit Florian in einer Klasse zu sein ihm schon verlockend erschien. Dieser Border Collie ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Noch nie zuvor hatte Nick über einen Freund / Mitschüler so viel nachgedacht. Immer wieder erschien das ehrliche kanidische Lächeln vor seinem geistigen Auge, sogar noch als er später mit geputzten Zähnen und ohne Kleidung im Bett lag. Dieser weiße Fleck, der sich am Hals des Hundes hinab zog und im Saum des T-Shirts verschwand. Wie weit er wohl hinunterreichte? Bestimmt war er auf Höhe der Brust zu Ende. Ob Flo noch weitere solche Flecken besaß? Er versuchte sich den Collie ohne T-Shirt vorzustellen. In seiner Fantasie dichtete er dessen rechter Flanke eine weitere weiße Stelle hinzu, einfach nur, weil es symmetrisch aussehen würde. Als er sich dann fragte, welche Farbe sein Bauchfell und die Region darunter wohl haben würde, schreckte er hoch. Seine Felltasche hatte begonnen, sich zu spannen. Was tat er hier eigentlich, wieso dachte er über den Schritt eines anderen Jungen nach? Und wieso wurde er ...? Genervt von seiner Latte drehte er sich auf den Rücken, holte seine rote Männlichkeit aus ihrer Tasche und pfotete sich. Er ließ die Ballen immer wieder über die empfindlichen Noppen gleiten und japste, als ihn eine erste angenehme Welle durchfuhr.

Weit entwickelt war er auch jetzt nicht, sein Penis war gerade mal groß genug, dass er ihn endlich mit einer Pfote umschließen konnte. Flüssiges Precum ließ ihn flutschig werden und er wuchs zu seiner vollen Härte.

Wieder kam ihm Flo`s Gesicht in den Sinn, es war die Erinnerung, wie er neben ihm im Gras des Parks gesessen und sein Eis gegessen hatte. Nick hielt nicht an, er wichste sich weiter, versuchte seinen neuen Freund zu verdrängen, aber irgendwie blieb der hartnäckig dort.

Als er kam, stöhnte er leise und drückte seinen Rücken durch. Klares, jugendliches Sperma schoss im Hohen Bogen bis hinauf zu seiner Brust. Mit ein paar Taschentüchern wischte er sich trocken und drehte sich auf die Seite. Endlich schien sein Kopf Ruhe zu geben, die Erschöpfung nach dem Orgasmus ließ ihn schnell einschlafen, ohne dass er Florian noch ein weiteres Mal sah.

Am nächsten Morgen hatte er Glück, er war als Erster auf und konnte ungestört duschen. Noch während seine Mutter das Frühstück zubereitete, hatte der Kater seinen Stundenplan ordentlich in einen gekauften Pappplan übertragen und diesen aufgehängt. Heute würde er Spezieskunde haben, dann langweiliges Zeugs, wie Deutsch und Erdkunde. Erst im letzten Moment erinnerte er sich an seine Verabredung und packte seine Skates ein.

Die Schule bot ihm das vertraute Bild vom Vortag. Er hielt Ausschau nach Tina und ihren Spießgesellen, aber die waren, sehr zu seiner Erleichterung, nirgends zu sehen. Seine Klasse fand er ohne Probleme. Korky begrüßte ihn halbherzig und verwickelte ihn in ein Gespräch über seine Biotop-AG, ein Thema das Nick zwar nicht im geringsten interessierte, Korky dafür aber umsomehr mitzureißen schien. Entweder wollte dieser den Kater ihn mit der wahren Informationsflut für die AG begeistern, oder ihm - was Nick wahrscheinlicher erschien - auf diesem Wege die Warnung zukommen lassen: ‚Komm da bloß nicht hin, sonst wirst du wie ich!'

„... und die ganzen Herbstgewächse kommen jetzt auch so richtig raus. Wir haben neuen Dünger dieses Jahr verwendet. Aber das Seegras mochte das überhaupt nicht, also mussten wir mit einer Teichplane das Blumenbeet vom Wasserkreislauf des Seerosenteichs trennen. Dazu haben wir ..."

Er gab erst Ruhe, als die Lehrerin endlich eintraf. Als sie ihn fragte, wie er von ihr angesprochen werden wollte, antwortete der Kater „Nick ist okay," bevor die Farbratte ‚Nicci' schreien konnte.

Flo blieb die Pausen über verschollen, die meiste Zeit über tigerte Nick über den Schulhof, er klapperte alle Ecken ab, aber fand den Collie nirgends.

Die letzte Stunde vor Beginn des Wochenendes zog sich wie Kaugummi. Es war beinahe so, als habe jemand zähflüssiges Karamell in das Räderwerk der Uhr gegossen.

Jedes Mal, wenn Nick hinaufblickte, waren nur zwei, höchstens drei Minuten vergangen, es war quälend. Das schienen auch die Chaoten zu finden, denn sie taten alles Mögliche, nur Stillsitzen und Lernen war nicht dabei. Der Kater seinerseits wollte doch auch nur endlich zum Skaten.

Als sie schließlich alle von der entnervten Lehrerin, einer Fledermaus mit glänzend ledrigen Flügeln, ins Wochenende entlassen wurden, bekamen sie zum Abschluss noch eine aufwendige Hausaufgabe aufgebrummt, es war eine klare Bestrafung dafür, dass die letzte Stunde mehr Geschrei und Unruhe als produktives Lernen gewesen war. Aber das war Nick in diesem Moment egal, er rannte als Erster los und stellte sich genau an den Zaunpfeiler, der das Haupttor begrenzte. Dort hielt er Ausschau nach Flo.

Der Collie kam kurz nach dem Gong zur nächsten Stunde. Er war völlig außer Atem, strahlte aber glücklich und winkte, als er Nick entdeckte. „Hey, cool! Da bist du ja."

„Ja, hey!" Das freundliche Gesicht nur zu sehen ließ das Herz des Katers höher schlagen."

„Hier, ich haballes dabei, habs nur von Dan ausm Auto holen müssen, hat etwas länger gedauert, sorry!" Er deutete auf ein Bündel aus Skates, Schonern und zwei Helmen. „Ja, cool. Wo gehts lang?"

„Wir können hinskaten wenn du willst, oder hast du eine Monatskarte?"

Nick war es unangenehm zuzugeben, dass es seiner Familie durch den Umzug finanziell nicht so gut ging. Seine Schwester hatte eine Karte bekommen, da sein Schulweg aber auf dem Arbeitsweg seiner Mutter lag, hatten sie beschlossen, dass sie ihn morgens fuhr oder er gänzlich alleine mit dem Fahrrad zur Schule fahren würde - sobald es repariert war, hieß das. „Nee, hab` ich keine, Skaten klingt gut."

„Na dann ..." Flo setzte sich auf einen Fahrradständer und entknotete seine Schnürsenkel.

Zehn Minuten später hatten sie besagten Skateplatz erreicht. Es war ein großer, betonierter Platz mit einer Abfahrt von einem ebenfalls betonierten Hügel, mehreren Rampen, einer Grindstange, einer Treppe auf der man sitzen konnte am Rand und das alles war umgrenzt von Rasen, auf dem sogar eine Funpipe stand. Nur wenige Meter neben diesem Bereich lag ein Verkehrsübungsplatz für Fahrradfahrer, der offenbar schon vor längeren Zeiten aufgegeben worden war.

„Ist ideal für Rundenrennen," kommentierte Flo, als er das Interesse des Katers an den unzähligen Kreuzungen und Kurven bemerkte.

Schon auf dem Weg hierher hatte sich herausgestellt, dass der Collie ein wesentlich geübterer Skater war als Nick, auch wenn der als Felide die besseren speziesbedingten Voraussetzungen haben sollte. Was ihm fehlte war die Übung.

Einige andere Welpen und Jugendliche fuhren umher, in der Ferne kickten vier Furs einen Ball über den Rasen. Die anfängliche Angst des Katers, dass bei all dem Verkehr auf den Platz Zusammenstöße an der Tagesordnung seihen, war unbegründet. Auch, wenn man mit ordentlich Schwung den Hügel hinunterdonnerte, schaffte es scheinbar jeder, in flüssigen Bewegungen den Anderen auszuweihen. Er brauchte zehn Minuten, um sich an die Abfahrt zu gewöhnen, es war gar nicht so schwer wie er gedacht hatte. Bald schon fuhr er locker von der halben Höhe des Hügels und steigerte sich mit jedem Mal.

Nach einer Weile setzten sie sich ins Gras, tranken etwas und verschnauften.

„Boah, zehn Minuten Pause," verkündete Flo und zog sich das T-Shirt aus. Nick tat es ihm gleich. Der schwache Wind kühlte jetzt wesentlich besser. Nach einem weiteren Schluck aus seiner Flasche schielte der Kater zu seinem Freund hinüber, er befriedigte seine Neugier, die ihm von seinen Überlegungen am Vorabend noch immer im Kopf herumspukte und besah sich die Fellzeichnung des Kaniden.

Ähnlich wie Flo es vermutet hatte, setzte sich auch beim Collie das Erwachsenenfell gegen den Welpenflaum durch, nur noch vorne am Bauch schien das Fell weicher zu sein. Er hatte ebenfalls Recht, was den zweiten weißen Fleck anging, es gab ihn tatsächlich. Er befand sich an der rechten Flanke und zog sich bis hinunter in den Hosenbund, schien dort aber auch zu enden. Was Nick jedoch noch viel mehr faszinierte war der dritte, der knapp oberhalb der Gürtelschnalle begann und von unbestimmter Größe nach unten ausgeprägt war. Als habe er einen Röntgenblick wanderte sein Blick tiefer. Er starrte genau auf den Reisverschluss und die dezente Beule, die sich darunter abzeichnete und schreckte mit einem Mal hoch, als ihm bewusst wurde, wo er einem anderen Jungen gerade hinguckte.

Flo hatte sich bewegt. Ihr Blick traf sich und Nick zog ein Kribbeln den Nacken hoch, durch den Kopf, bis hoch in die Ohren. Wie peinlich! Der Collie musste einfach bemerkt haben, was er gerade getan hatte, oder etwa nicht? Falls dem so war, erwähnte er es nicht, er hechelte und grinste ihn nur an. „Und ...? Was sag`ste?" Er nickte in Richtung des Platzes.

„Gefällt mir, aber mir fehlt noch Übung."

„Die kommt, na los, Runde zwei. Meinst du, du schaffst den ganzen Hügel?" „Finden wir`s raus."

Sie zogen sich wieder an, schnallten ihre Schoner fester und nur Minuten später meisterte Nick die Abfahrt ohne Hilfe. Dennoch wich ihm Flo kaum von der Seite. Der Kater vermutete, dass er gerne selber viel waghalsigere Manöver geübt oder - wer weiß - sich sogar auf die Funpipe getraut hätte, aber er blieb bei seinem Katerfreund. Irgendwann sprach der ihn darauf an. Flo`s Ohren knickten ein und er wirkte unangenehm getroffen. „Nun, ich ... falls du den Halt verlierst, dachte ich," stammelte er regelrecht. „Sorry, ich wollte nicht ..."

„Ach, nix los, ich stehnur nicht so aufs Kuscheln beim Fahren, zumindest nicht mit Typen," scherzte Nick, und zwinkerte neckisch. Es sollte nur ein Spruch sein, etwas, um sie beide aufzuheitern, aber irgendetwas war. Unter dem weißen Fell wurde Flo rot.

Hatte er etwas Falsches gesagt? So schlimm war das doch nicht?!

„Hm-mh," stimmte der Collie zu und starrte dennoch leer auf den Betonboden.

„Komm, jeder für sich, ich fall` schon nicht hin, keine Sorge!"

Was auch immer Florian so unangenehm war, es hielt die nächste halbe Stunde an. Sein Enthusiasmus, der die letzten zwei Tage förmlich aus ihm herausgesprüht war, schien versiegt, nur halbherzig rollte er über den Platz. Als er dann auch noch einen BeinaheZusammenstoß mit einem jungen Vielfraß verursachte, schien er das kaum bemerkt zu haben. Weil sich der Zustand des Kaniden auch danach nicht veränderte, bremste Nick am Rand des Rasens und winkte ihn zu sich.

„Alles in Ordnung? Wenn ich was Falsches gesagt habe, dann tut es mir leid, weißt du, in meiner alten Klasse haben wir ständig solche Sprüche gebracht." Er konnte sehen, wie die Worte in seinem Freund arbeiteten. Sie schienen ihn zu erreichen.

„Ja, sorry, ´s is` nur ..." Dann sah er verlegen beiseite. Seine Ohren hingen noch immer.

Nick tat der Collie leid, mehr sogar als es einer seiner früheren Freunde getan hätte. Dann hatte er eine Idee, er hatte ja noch immer das Geld von seiner Mutter. „Komm, ich lad` dich auf ein Eis ein, weißt schon, wegen gestern." Erwartungsvoll legte er den Kopf schief.

Der schwarz-weiße Tail wedelte, noch bevor Flo zustimmte. „Okay!"

„Jenny? Oder gibt`s hier auch was Gutes?"

Der Kanide schüttelte den Kopf. „Wenn du`s gut willst, dann Jenny."

Nick ignorierte die Zweideutigkeit in dem Satz, er hatte schon genug angerichtet mit Sprüchen. „Dann lass uns."

Bergauf war die Fahrt auf Skates weitaus beschwerlicher als andersherum, so dauerte es mühselige fünfzehn Minuten, bis sie hechelnd über die kleine Stufe hinein in die Eisdiele stiegen. Der Fliesenboden war sehr glatt und Nick rollte prompt einen halben Meter weiter als er wollte. Fuchtelnd hielt er sich am Tresen fest und grinste gespielt, so als habe er die unbeholfenen Bewegungen irgendwie absichtlich vollführt.

„Oh, hi Jungs," begrüßte Jenny sie. „Tut mir einen Gefallen, setzt euch mit den Dingern nach draußen, ich komme zu euch."

Der Kater stellte sich einen Krokantbecher zusammen, der so süß war, dass seine Zunge immer nur einen halben Löffel vertrug. Flo blieb beim ‚Üblichen' - ohne Streusel.

Ganz allmählich taute der Border Collie auf und schien bald wieder er selbst zu sein. Nick überlegte, ob er seinen Freund auf die komische Situation ansprechen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Stattdessen schwieg er und überließ dem Schwarzweißen die Eröffnung des Gesprächs.

„Und wie gefällt dir der Platz? Du kommst ja schon ganz gut klar, wie`s scheint?!"

Der Kater grinste stolz. Das stimmte, er hatte schnell gelernt und war begierig darauf, auch die anderen Rampen zu meistern. „Gefällt mir gut, das müssen wir mal wieder machen."

„Gebongt, nächste Woche irgendwann?"

„Ja, muss mal sehen, was der Stundenplan so sagt."

„Ich blick` auch noch nicht durch."

Nick überlegte, er wollte sich für die Einladung zum Skaten ebenso revanchieren, wie er es bei dem Eis getan hatte, aber wie? Er kannte doch nichts in dieser Stadt. Er könnte Florian lediglich zu sich nach Hause einladen, aber da stand noch alles voll mit Kartons. Auf der anderen Seite war sein Zimmer weitestgehend fertig, sogar die Krallenkratzschienen hatte seine Mutter ihm angebracht. Das würde schon irgendwie gehen. „Flo?" Der Tail des Kaniden wedelte erneut, als er angesprochen wurde.

„Hättest du Lust mich ..." Sein Bauch zog. Irritiert hielt er inne. Wieso fiel es ihm plötzlich schwer, eine derart simple Einladung auszusprechen? Er war ja regelrecht nervös. Sein Tail tanzte unter dem Stuhl. „... mich am Wochenende zu besuchen?" Seine Fingerspitzen kribbelten.

„Oh? Ja?! Ich meine, ja, wann denn?"

„Äh ..." So weit hatte er die ganze Sache noch gar nicht bedacht. „Heute ist schlecht, wir packen Kartons aus und bauen einen Schrank in Sandras Zimmer auf ... das` meine Schwester."

„Also Samstag?" fragte Flo. Seine Ohren hatten sich seinem Gesprächspartner erwartungsvoll zugedreht. „Ja, schätze das geht."

„Ich kann auch beim Auspacken helfen," schlug der Kanide vor. Er schien von der Idee, Nick zu besuchen ebenso begeistert.

„Das ..." Er überlegte. „Willst du wirklich?"

„Klar, wir können ja auspacken und dann gucken wir eine von deinen Serien." „Battlestar hab` ich neu," schlug Nick vor."

„Geht die lange?"

„Mehrere Stunden, die schaffen wir nicht an einem Nachmittag, nichtmal an Zwei."

„Vielleicht machen wir mal einen Marathon? Lassen einfach laufen und schauen mal, wie weit wir kommen?" „Mit Übernachten meinst du?"

Flo zuckte zusammen bei dem Wort. Er stellte die Ohren dennoch wieder auf. „J-ja klar, warum nicht? Ich meine wenn`s bei dir nicht geht ..."

„Muss ich mal fragen, nächstes Wochenende?"

„Ja, sonst geht bestimmt bei mir, ich werd` auch fragen. Dann wechseln wir uns ab."

„Wenn du mir dafür dein Kartenspiel erklärst."

Flo`s Gesicht hellte sich auf. „Gebongt! Und morgen steht auch?" „Morgen steht," bestätigte Nick.

Sie aßen ihr Eis und skateten noch eine gute Stunde weiter, bevor sie Handynummern tauschten und der Kater sich verabschiedete. Mit einem guten Gefühl im Bauch fuhr er nach Hause. Zwei Verabredungen in Aussicht zu haben tat ihm sehr gut.

Seine Mutter war bereits in der Küche. Sandra hing am Telefon und unterhielt sich aufgeregt mit einer ihrer alten Freundinnen. Es ging um irgendeinen Jungen, für den sie schwärmte.

‚Mädchen', dachte er amüsiert.

„Und dann hat er mich auf eine Cola eingeladen, ja einfach so. Was? Nein natürlich nicht. Aber am Montag sehen wir uns wieder. Er ist so süß. Ich weiß, dass du keine ... du weiß schon ... magst, aber er`s so ..." Es folgte ein Quietschlaut, der Nicks Trommelfell durchbohrte. Als er sie ihm Wohnzimmer zurückließ und seinen Kram in sein Zimmer brachte, hörte er den zweiten Teil ihres Gespräches: „Lucy, ich glaube ich bin verknallt. Wie? Weiß ich, ich bin immer total aufgeregt wenn ich bei ihm bin. Ich darf nicht durchflippen ..."

Der Kater räumte seine Schulsachen weg, jetzt war erstmal Wochenende. Warum konnte nicht jede Woche so sein, nur zwei Tage Schule, Skaten, Eis essen?! So konnte es weitergehen.

Beim Abendessen erzählte ihre Mutter, dass sie aufgrund des halben Monats, den sie nur gearbeitet hatte, weniger Geld bekommen würde und sie den Gürtel daher etwas enger schnallen müssten. Es gab den Nudelauflauf vom Vortag. Sie beschwor Nick, dass er am Wochenende sein Fahrrad reparieren sollte.

„Und Kinder, stellt nichts an, ich bitte euch, wir können uns im Augenblick nichts erlauben."

„Mama, wir stellen doch nichts an?!" antwortete Sandra entrüstet.

Nick schwieg. Bisher hatten sie ihrer Mutter wirklich kaum Ärger gemacht, aber seine Übernachtungspläne waren damit hinfällig, er wollte die schmale Familienkasse nicht mit einem zusätzlichen Maul zu stopfen belasten. Zum Glück hatte Flo sich angeboten. Vielleicht, so überlegte er, gab es für ihn eine Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen? Mit Rasen mähen? Das würde er die nächsten Tage mal ausloten.

Als er am Abend die undankbare Deutschhausaufgabe begann (sie umfasste das Lesen zweier Kapitel aus ‚Der Schimmelreiter'), schweiften seine Gedanken, wie schon am Vortag, häufig ab. Immer wieder sah er Flo. Er hatte echt Spaß gehabt bei ihrem gemeinsamen Skatenachmittag. Dann erinnerte er sich an das Stimmungstief des Collies nach seinem Spruch. Hatte er wirklich so gewaltig über die Stränge geschlagen? Er rief sich seinen Spruch erneut vor Augen.

Irgendwas mit ‚ich steh nicht so auf Typen', oder ‚auf Kuscheln' oder so, das war doch okay, sie waren doch beide nicht schwul, was sollte daran also ...?

Nick legte das Buch weg. Eine Zeit lang starrte er auf seine Schreibtischoberfläche, dann ging er noch immer nachdenklich die Treppen hinunter und putzte sich die Zähne. Mit einem Mal hielt er inne und guckte mit großen Augen sein Spiegelbild an. Weißer Schaum tropfte ihm das Kinn hinab. Der Gedanke den er hatte, war so absurd wie passend. Wenn Flo nun auf ... Typen stand? Dann hätte er womöglich so reagiert. Der nächste Gedanke folgte noch viel beunruhigender: Was, wenn Flo auf IHN stand? Er spülte aus und verwarf die Idee gleich wieder. Ach was, Schwul war ein Spruch, eine Beleidigung, die man sich an den Kopf haute. Allenfalls waren das bunt gekleidete Tuckenköter, die in den Nachrichten grelle Paraden abhielten oder lederbekleidete Bären und Tiger, wie in dieser Bar aus Police Academy, aber Flo? - Neee!

Später im Bett, während seine Finger wie selbstverständlich an seiner Felltasche spielten, war dieser Gedanke aber immer noch nicht ganz verschwunden. Viel schlimmer, er hatte sich von einem Akuten Verdacht weg und hin zu einer fixen Idee festgesetzt, ein Überbleibsel, wie ein unangenehmer Beigeschmack.

Florian.

Nick war dankbar, dass er so schnell einen so netten Freund gefunden hatte, mit ihm konnte er sich häufige Verabredungen vorstellen, nicht so wie früher alle Jubeljahre mal ein Treffen hier und ein gemeinsames Schwimmengehen da. Er dachte zurück und sah den süßen Collie erneut, wie er neben ihm auf dem Gras gesessen hatte mit seinen weißen Flecken, die so interessant zu beobachten gewesen waren. Speziell der eine. Der Kater staunte nicht schlecht, er war hart geworden und das von dem halbherzigen Gefummel?! Oder war es etwa nicht seine eigene Berührung, war das der Gedanke an Flo?

‚Ach was, Schluss mit dem Thema jetzt!' befahl er sich selber. Er pfotete sich schnell und unspektakulär und schlief zügig ein.

Der Samstag begann abrupt, Nick schlief, bis ihn gegen neun Uhr Geräusche aus dem Flur weckten. Ein lautes Poltern, ein Schleifen und die Stimmen seiner Mutter sowie Schwester zeugten von deren Versuch, den Wäschetrockner an den ihm zugedachten Platz in der Waschküche zu befördern. Er stand auf, schlüpfte in seine Klamotten und half mit. Zu Dritt schafften sie es. Wer brauchte schon einen dauerbesoffenen Kerl im Haus, wenn er ihn, seine Mutter und Schwester hatte?

„Mama, darf Florian heute zu Besuch kommen?" fragte er beim gemeinsamen Frühstück.

„Heute Nachmittag? Aber da wolltet ihr doch den Schrank aufbauen, den ihr gestern

Abend nicht mehr geschafft habt."

„M-ja, schon. Aber er würde auch mit aufbauen. Hat er extra gesagt," fiel Nick wieder ein.

„Oh, also wenn das so ist, helfende Pfoten sind immer willkommen."

„Cool, danke." Nach dem Essen schrieb er Flo eine SMS und schlug vor, dass er 14 Uhr bei ihm sein sollte. Voller Tatendrang räumte er sein Zimmer auf, saugte, lüftete und schnallte sich schließlich die Skates um. Er hatte ja noch was zu erledigen ...

Der Supermarkt war nicht weit weg und das schwarze Brett hing voll mit Arbeitsangeboten für Schüler und 400€ Kräfte. Er suchte sich drei davon raus, in denen für Rasenmähen, Babysitten und Nachhilfe eine Entlohnung angeboten wurde und rief die angegebenen Telefonnummern an, sobald er wieder zu Hause war. Seine Mutter war schwer beeindruckt von seinem Enthusiasmus.

Ein Rentner bot ihm an, für zwanzig Euro monatlich seinen Rasen zu mähen, jedoch nur bis Oktober, weil die Gartensaison dann eh vorbei sei. Nick sagte zu, kritzelte sich die Adresse auf ein Post-it und sie machten einen Termin für nächsten Dienstag aus. Das war doch schon mal was! Die Nummer für den Babysitterjob warf er weg, das wäre wohl nichts für ihn, aber bei dem Nachhilfegesuch rief er noch an. Es konnte nicht schaden, zwei Eisen im Feuer zu haben. Es meldete sich eine Frau Sumani mit indischem Akzent, die ziemlich erleichtert klang, dass sich jemand auf ihren Aushang meldete. Ihr Sohn Majiit war acht und bräuchte Nachhilfe in Deutsch und Mathe und sie würde ihm zehn Euro pro Sunde zahlen, wenn er seine Sache gut machte. Majiit hatte am Donnerstag Zeit, also hatte er schon zwei Verabredungen in der nächsten Woche. Das lief ja wie am Schnürchen. Wenn er sich in beiden Jobs bewähren würde, hätte er bald schon genug Geld, um mit Florian mithalten zu können und Eis oder Bustickets zu bezahlen, ohne die Haushaltskasse zu schröpfen. Er informierte seine Mutter von seinen Plänen.

„Solange du dadurch deine Schule nicht vernachlässigst, habe ich natürlich nichts dagegen," versicherte sie ihm. „Ich freue mich sogar." Ihre Augen wurden feucht. „Ach, ich habe schon liebe Kinder." Damit drückte sie ihn an sich.

„Mama, nicht," beschwerte er sich. So gerne er ihr auch Half und in dieser schwierigen Zeit für sie da war, im Augenblick war er viel zu voller Tatendrang, um sich die Ruhe für eine Umarmung zu nehmen.

Er dachte an Florian. Es war bereits nach Zwölf und im Haus regierte das Chaos. Nick investierte weitere zehn Minuten, um Ordnung in sein Zimmer zu bringen und begann dann, mit Sandra zusammen die Verpackungselemente des Schlafzimmerschrankes die Treppe hinaufzuschleppen.

Mittags gab es nur Müsli, für mehr reichte ihre Zeit nicht. Ihre Mutter versprach am Abend ein Blech Pizza zu backen; sie hatte sich ein Tuch um den Kopf gebunden und sah aus wie eine fleißige Erin Brockovic.

Punkt Vierzehn Uhr klingelte es. Nick war sofort auf den Beinen und rannte als Erster zur Tür. Bekleidet mit einer dünnen Jacke, dunkelrotem T-Shirt und Dreiviertelhose begrüßte ihm Florian im Eingang. Vor dem Haus stand ein SUV, aus dem eine Border Colliedame ihm zuwinkte, als er über die Schwelle trat. Er winkte zurück. Die Jungs beschränkten sich auf ein lapidares ‚Hi', dann stellte der Kater seinen Freund seiner Familie vor. Flo verhielt sich auch hier sehr nett, seine Mutter kommentierte seine Begrüßung mit: „Du musst Florian sein." Sie sagte zwar nicht ‚Nicolas hat schon sooooo viel von dir erzählt', aber ihre Tonlage deutete den unterdrückten Folgesatz quasi an. Hatte er das wirklich? Er kannte den monochromen Kaniden doch erst zwei Tage.

Auch mit Sandra verstand er sich auf Anhieb. Zu dritt steckten sie die Elemente des mehrteiligen Schrankes zusammen, verschraubten und hämmerten die Rückwände und Türen an und unterhielten sich währenddessen. Sie schienen sich gegenseitig sehr sympathisch zu finden.

Für eine kleine Schrecksekunde musterte Nick den Collie, nicht, dass er seiner Schwester irgendwo hingaffte, immerhin war sie nur knapp zwei Jahre älter als er und trug für die Arbeit ein schlabberiges T-Shirt, das in manchen Posen erschreckend viele Einblicke gewährte. Das fehlte ihm noch, dass Flo sich am Ende noch für sie interessierte. Aber seine Sorge schien unbegründet. Tailposition, Körperhaltung, alles sprach dagegen, die beiden unterhielten sich einfach nur.

Keiner von ihnen hatte groß Erfahrung im Aufbauen von Möbeln, außer der, die sie in den letzten zwei Wochen gesammelt hatten, aber mit Hilfe der Anleitung und einer Stunde Zeit, schafften sie es. Nicks Mutter war begeistert und bedankte sich bei allein Dreien. Sandra verzog sich nach dem Wegräumen der ganzen Pappe in ihr Zimmer und auch

Nick führte Florian in sein Reich.

Ein Bett, ein Schreibtisch, zwei kleine Schränke und ein alter Fernsehtisch, mehr war es nicht, aber mehr war auch nicht nötig. Der Collie bewunderte die große Sammlung verschiedener Science-Fiction-Serien auf dem Regal. Nick hatte derweil Gläser, Limonade und eine Tüte Chips geholt.

„Ich dachte das ist uralt?" fragte Flo, als er ‚Battlestar Galactica' in den Pfoten hielt.

„M-ne, das ist eine ganz neue Verfilmung. Die ist super. Wenn du willst?!"

„Ja klar, das ist mit Robotern, oder was?"

„Nein, nicht ganz, die Cylonen ..." Er holte die erste DVD aus der Hülle. „Ach ... sieh`s dir einfach an. Du hast sowas bisher nie geguckt?"

„Nö, ich guck Fantasy, Herr der Ringe, Eragon, Hauptsache Drachen. Ich hab` sogar ein Drachendeck bei ‚Magic'."

Was auch immer das hieß, Flo schien sehr stolz darauf zu sein, also machte Nick ein anerkennendes Gesicht. „M-hmh."

Der Collie lachte, er hatte ihn durchschaut. „Erklär` ich dir nächste Woche," versprach er.

„Okay. Ich dachte immer, Science-Fiction und Fantasy seihen zu verschieden, um miteinander klarzukommen?"

Flo`s Ohren stellten sich hochaufmerksam auf. Seine Augen leuchteten, das hatte er schon mal gehört, und er wusste auch, wo: „Sag mal, kennst du die ‚Phineas und Ferb'Folge, mit der SciFi und Fantasy-Convention?" Scheinbar in der selben Sekunde bereute er seine Frage.

Aus Nicks Sicht gab es dafür keinen Grund, denn ohne es zu wissen hatte der Collie ins Schwarze getroffen. Dabei dachte er, er wäre der Einzige in seinem Alter, der diese Serie noch guckte. „Ja, kennich, dies genial."

„Ja, wie sie würfeln im Kampf!"

„... und mit ihren Taschenlampen."

„... und Inhalatoren." „Glorf!"

Sie lachten beide. Nick tat das sehr gut, er merkte wie er locker wurde. Amüsiert schaute er Flo ins Gesicht, auch der Kanide hatte die Lefzen zu einem breiten Grinsen hochgezogen. Ihr Blick traf sich und Nick sah in die braunen Augen seines Gegenübers. Ohne es zugeben zu wollen, fühlte er sich sehr wohl, mehr noch, beinahe hingezogen zu Flo. Ihr Lächeln erstarb und beide zogen eine Verlegenheitsgrimasse.

„Ja," sagte er matt, in der Hoffnung, diesen für ihn peinlichen Moment damit zu beenden. Auch Florian wirkte plötzlich angespannt, er hatte sich auf Nicks Bürostuhl gesetzt und in Richtung Fernseher gedreht. Sein Tail drückte sich fest gegen seinen Oberschenkel.

Auf dem Bildschirm war inzwischen das Hauptmenü der Pilotfilm-DVD zu sehen. Nick deutete auf den Start-Button und fragte: „Soll ich?"

Das beendete die Situation endgültig. Ach Flo rieb sich verlegen die Ohren und nickte dann. „Ja, mach los!" „Englisch oder deutsch?"

„Warum englisch?"

„Ist besser," erklärte Nick. „Schwieriger zu verstehen, aber einfach ... echter."

„Kenn` ich, vom ‚Magic'-Spielen. Da ist englisch auch immer besser als die blöden deutschen Karten. Na gut, lass uns englisch gucken, auch, wenn ich da vermutlich nur die Hälfte verstehe."

„Ach was, nach ´ner halben Stunde bist du drin, glaubma!"

Die ersten Minuten, in denen das geplatzte Zylonentreffen und danach viel von Dr. Baltar, einem etwa dreißigjährigen Wolf und seiner (imaginären) blonden Colliefreundin gezeigt wurde, dachte Nick über diesen letzten, peinlichen Moment nach. Was war bloß los, dass sowohl er als auch Flo so schnell in derartige Situationen gerieten, so verlegen. Überhaupt verhielt er sich dem Border Collie gegenüber viel unsicherer, als er es bei Anderen tat. Es kam ihm vor, als achtete er in dessen Gegenwart weit über die Maße auf sein eigenes Benehmen. Warum war es ihm so wichtig, wie er sich benahm, wie er rüberkam? Letzten Endes war der Kanide doch auch ‚nur' ein neuer Freund.

Andersrum war es das Gleiche. Er schielte hinüber. Im Glanz des schwarzen Fells schimmerte das Leuchten des Fernsehers um Flos Augenhöhlen und Nase. Für einen kurzen Moment zuckte dessen Blick in seine Richtung, fixierte sich dann aber übertrieben starr auf den Fernseher als er bemerkte, dass der Kater ihn anblickte. Nick fiel auf, dass die Hunderute sich daraufhin noch angespannter an dessen Becken drückte. Nur eine Sekunde lang starrte er auf die Rundung von Flos Hintern, als ihn ein Verdacht wie ein Hammerschlag traf: Das, was er nur eine knappe halbe Stunde zuvor verworfen hatte, nämlich dass Flo sich interessiert gegenüber Sandra verhalten hätte, erkannte er nun umso deutlicher ... und weitaus irritierender. Denn scheinbar ging es dem Collie gar nicht um Sandra oder sonst irgendwen.

All diese Anzeichen ...

Es ging um IHN!

Nicolas Behring. Flo verhielt sich, als sei er ein Mädchen, auf das er steht. Ständig dies Verlegene und so ...

Aber damit nicht genug, umgekehrt war es genauso. Auch er selber ...?!

Ein unangenehmes Prickeln zog bis hinunter in seine Fingerspitzen. Der Gedanke war zu absurd, doch die Hinweise passten ... seine Anspannung, dies übertriebene Nervössein, das ständige An-Florian-Denken.

‚Ach quatsch', dachte Nick und verwarf seine These. Er startete seine Beweisführung neu, das konnte ja so nicht stimmen da gab es bestimmt etwas, das er übersehen hatte. Aber auch im zweiten Anlauf kam er zu dem gleichen Ergebnis: Beide waren sie nervös in der Gesellschaft des jeweils Anderen, beide schielten sich an, er für seinen Teil hatte Florian sogar auf den Hintern geguckt und es genossen. Und was war das beim Pfoten abends? Die Tailhaltung des Kaniden sprach auch für dessen starke Angespanntheit. Nicks Kopf wurde ihm heiß, der Raum schien sich um ihn herum einzuengen. Das konnte nicht stimmen, er war doch nicht schwul?! Und der Collie doch auch nicht? Wie käme er darauf, einen anderen Jungen attraktiv zu finden?

Oder spielte ihm sein Verstand einen Streich, deutete er sein und Flo`s Verhalten einfach nur falsch? Bestimmt war es das, - nein - das MUSSTE es einfach sein! Eine ganze Zeit lang versuchte er, sich das einzureden, sich selber davon zu überzeugen, aber da blieb etwas, ein Zweifel. Die Beweise waren schlichtweg zu erdrückend.

Aber ... Das konnte nicht richtig sein, er wollte sich selber einen Irrtum nachweisen, er musste sich einfach irren! Und Flo würde ihm dabei helfen müssen. Nur wie? Er konnte doch nicht einfach fragen?

Keiner von beiden sagte etwas, erst als Starbuck, eine plietsche Leopardin das erste Mal auftrat, erklärte er dem Collie mit matter Stimme, dass diese Rolle früher - in der ersten Version der Serie - von einem männlichen Dachs gespielt wurde. Sein Freund nickte nur stumm.

Starbuck - natürlich! Nick hatte eine Idee.

„Sies sexy, oder?" fragte er stolz. Er fand das zwar nicht wirklich, sie war viel zu alt für ihn, aber er hatte die Beobachtung gemacht, dass andere Jungs auch gerne mal so über all die Jay-Los und Halle Berrys dieser Welt redeten.

„Hm, was?"

„Die ist sexy, oder?" wiederholte Nick.

Die erwartete (erhoffte) eindeutige Zustimmung blieb aus. „M-naja ..." „Nicht?"

Florian zögerte mit seiner Antwort. „Nicht mein Fall," verkündete er schließlich. Die Rute kringelte sich wieder unsicher gegen dessen Bein.

„Weil?" drängte Nick weiter. Er brauchte einfach Gewissheit.

Der Collie schien nachdenklich. Oder wusste er einfach nicht, wie er damit umgehen sollte? „Wie ‚Weil'? Die`s nicht mein Fall, ganz einfach!"

„Weil sie weiblich ist?"

Nick erstarrte. Er hatte seinen Gedanken ausgesprochen, ohne es geplant zu haben. Es war ihm einfach so rausgerutscht. Er wünschte die Worte zurück in seinen Mund, aber es half nichts, die Frage stand bereits im Raum.

Florian setzte sich aufgeschreckt auf und blickte ihm fassungslos in die Augen? „Was hast du gerade gefragt?"

Der Collie hatte ihn verstanden, daran bestand kein Zweifel, sich rauslügen half jetzt nichts mehr. Nick wiederholte die Frage Wort für Wort.

Florian legte die Pfoten ineinander und drehte sich seinem Gesprächspartner zu. Keiner von ihnen beachtete noch die Geschehnisse auf dem Bildschirm. „Ich ..." begann er.

Nick kribbelte der Kopf.

„Ich weiß nicht, ich schätze schon," gab Flo zu.

Stille.

‚DRADIS contact', tönte es aus den Boxen. Die Galactica startete die Viperstaffeln.

„Echt jetzt?" Etwas besseres fiel Nick nicht ein. Seine Pfoten zitterten, genau wie die des Collies.

Wieder Schweigen.

Die schwarzen Ohren legten sich an, Flo wirkte sehr verunsichert. Er nickte zaghaft, fast geistesabwesend. Wie sollte der Kater sich nur verhalten? Er konnte nur erahnen, wie sein Freund sich im Moment fühlte. Nick wollte helfen, ja, Hilfe schien ihm das Richtige

zu sein. Er drückte ‚Pause' und fasste dem Kaniden an die Schulter. „Hey, alles okay?" Keine Reaktion. Neben ihnen im TV tobte die Schlacht.

„Ich erzähl`s nicht weiter, keine Sorge!"

Das schien zu wirken. Flo löste seine Starre und blickte ihn an. Seinen Augen waren feucht und er zitterte am ganzen Körper.

„Nick, du bist der Erste, dem ich das erzähle ..." Er legte eine Pause ein. „... ich glaube ich mag keine Mädchen ... oder Weibchen allgemein," fügte er hinzu.

Diesmal war es Nick, der keine Reaktion zeigte. Er war wie eingefroren, gebannt wartete er auf die nächsten Worte seines Colliefreundes.

Der spannte seinen gesamten Körper an, um das Folgende über die Lippen zu bringen. „Ich mag ... Jungs." Er schluckte und blickte dem Kater direkt in die Augen. „Ich bin schwul."