Basilisk Part 5
Nachdem sich Naomi all die letzten Jahre mit ihrem neuen Körper befasste und genügend Zeit hatte ihn zu verstehen, scheinen die Flucht und die ständigen Gewissenbisse aus der Vergangenheit diese Akzeptanz nun schneller wieder zu zerstören, als es ihr lieb ist. Als sie dann noch erfährt, was die Wahrheit über Raiheels Herkunft sein könnte und in welcher direkten Verbindung sie dabei steht, beschließt sie nicht nur mit der Vergangenheit endlich abrechnen zu wollen. Die Frage ist nur, ob es dafür nicht vielleicht schon längst zu spät ist.
~Leider hat es bis zu diesem Part viel zu lange gedauert. Großes SORRY ! Aber das hat auch seine Gründe. Ich habe tüchtig an einer weiteren Story Serie gefeilt, die ich bald uploaden möchte. Und die wird um einiges umfangsreicher und damit eben auch aufwendiger.
Der Part 6 ist außerdem bereits auch schon so gut wie fertig und folgt in ein paar Tagen.
BASILISK
Teil 5 - Kein Ausweg
Ungeachtet der störenden Sonne, die bereits aufgegangen war und deren helles Licht in den Augen brannte. Und ungeachtet der ganzen Geräusche, Gerüche und Eindrücken, die der Wald beim Erwachen mit sich brachte. Und ungeachtet der ganzen Gedanken, Probleme und Plagen, verweilte Naomi lieber weiter in einem Zustand zwischen Träumen und Erwachen. Zu angenehm fühlte es sich an um jetzt schon damit aufzuhören. Ganz leicht spannte sie die Muskeln in ihren Gliedern an, nur um überhaupt wieder ein Gefühl für sie zu bekommen und sich in Bahkus behutsamen Griff wiederzufinden. Die ganze Nacht hindurch hatte er sie nicht losgelassen. Sein Verlangen nach ihr war größer als sie es sich hätte vorstellen können. Jeder Gedanke der in seinem Kopf umherkreiste galt ihr. Auch wenn sie sich sicher war, dass ihr diese Aufmerksamkeit alleine durch ihr Aussehen ermöglicht wurde. Nach dieser kurzen Zeit, die sie nun mit ihm verbracht hatte, schien es ihm ernster zu sein als es ihr lieb war. Er schien mehr zu wollen als etwas Spaß und den noblen Ansatz ihr zuzuhören und zu helfen. Die komplette Nacht hindurch wurde sie immer wieder von ihm geweckt. Entweder es waren seine Klauen, die behutsam erneut den Weg zwischen ihre Beine fanden. Ein leichtes Zwicken, wenn er ihr leicht in den Nacken biss. Oder sein steifes Glied, dass ihre Hüfte berührte und sie selbst wieder ganz aufgewühlt werden ließ. Unklar war ihr dann immer nur, ob er denn noch schlief und es unbewusst tat. Genauso unbewusst hätten dann jedoch auch seine Worte sein müssen, wenn in Mitten der Nacht etwas in ihr Ohr geflüstert hatte. Vieles hatte sie nicht verstanden. Das, was sie verstand, waren die Dinge die er mit ihr anstellen wollte. Er wisperte die Taten mit so viel Ehrgeiz in seiner Stimme, dass sich Naomi selbst schon verdorben vorkam, nur weil sie ihm gebannt zuhörte und seinen sinnvollen Erzählungen und Plänen lauschte. Offensichtlich war dieser Basilisk wahrlich besessen von ihr. Unter allen anderen Umständen, und vor all diesen Geschehnissen, hätte sie sich in solch einer Lage alles andere als wohl gefühlt. Viel mehr genoss sie es, wie schon damals bei Raiheel, dass sie sich nicht einmal zu bemühen brauchte, um diese starken maskulinen Geschöpfe zu willenlosen Liebhabern ihrer andersartigen weiblichen Züge werden zu lassen. Es hatte fast schon etwas magisches an sich. Doch das Gefühl, dass es nach dem ganzen Spaß noch ein Erwachen Seite an Seite geben würde, ändert alles. Bahku war nicht verrückt. Er wollte sie auch nicht einfach nur benutzen, da war sie sich sicher. Für sie hätte er sich wohl in jede erdenkliche Gefahr begeben. Er war einfach nur versessen darauf etwas ausleben zu können, dass sich viel zu lange in seinen Gedanken angestaut hatte. Und selbst danach wäre er noch ein interessanter Liebhaber, wenn sein Kopf dann endlich etwas freier von ihr wäre. Vielleicht würde sich aber auch selbst daran niemals etwas ändern.
Schon wieder verirrten sich seine Klauen zwischen die Beine von Naomi. Sie verfolgte seine Berührungen mit einem Lächeln bei geschlossenen Augen. Noch immer war sie darum bemüht dabei etwas Schlaf zu finden. Bahkus Berührungen an diesen sensiblen Stelle ihres Körpers waren allerdings stärker und intensiver als es ihre Träume je hätten sein könnten. Mit einem leisen Stöhnen erwachte sie aus dem Halbschlaf. Dieses Mal entschied sie sich dazu ihn einfach fortfahren zu lassen, neugierig drauf zu sehen was dann noch passieren würde und was er als nächstes tat. Doch zunächst einmal war er davon angetan genug, überhaupt schon wieder mit ihr intimer werden zu dürfen. Die vergangene Nacht kam ihm mit Sicherheit viel länger vor als ihr. Lange liegt sie jedoch noch nicht zurück. Seine Fingerglieder kitzelten sie. Es dauerte einen Moment bis sie nicht mehr ganz so kalt waren und sich allmählich angenehm anfühlten. Sie spürte seinen warmen Atem in ihrem Nacken. Die Wärme zwischen ihren Beinen wuchs und der betörende Duft, den sie immer dann vernahm kehrte in ihr Gedächtnis zurück.
„Bist du wach?", flüsterte Bahku in ihr Ohr.
„Ja. Aber aufstehen will ich noch nicht.
„Das musst du auch gar nicht.", versicherte er ihr.
Naomi drehte sich auf den Rücken, als sie das Verlangen nach mehr verspürte. Bahku machte sich nichts aus zärtlichen Gesten die ja sowieso alle in die gleiche Richtung lenkten, jetzt zumindest nicht mehr. Jetzt wo er wusste, dass es schöner sein kann als er sich je vorgestellt hatte, wollte er auf diese Lappalien lieber verzichten. Naomi erfreute der Anblick der sich ihr bot während Bahku sich so ungehalten über sie hermachte, als hätte er keine Zeit zu verlieren. Sie sah wie sich seine Schnauze zwischen ihren Beinen zu schaffen machte. Sie fühlte seine warme und feuchte Zunge eindringen. Und sie hörte ihn genüsslich aufatmen, als er ihren Duft wieder in vollen Zügen vernehmen konnte. Dann stoppte er und begab sich über sie. Dabei ließ er keinen Moment aus ihr nicht zu demonstrieren wie erregt er selbst schon war, indem er sein steifes Glied fest an ihren Körper presste. Er biss ihr behutsam in den Hals, immer und immer wieder, bis hinauf zu ihrem Ohr. Nur manchmal machte er es etwas zu fest für Naomis Empfindung, doch die meiste Zeit kitzelte es sie. Raiheel hatte das auch schon einmal gemacht, daran konnte sie sich noch erinnern. Doch noch immer fragte sie sich was ihnen wohl an diesem merkwürden Akt so gut gefiel. Allerdings mochte Naomi wie es ihn aufputschte und sein Herz schneller schlagen ließ. Sie hatte den Eindruck, dass er selbst ab und an in all der Überstürzung fast schon das Atmen vergaß, wenn er erst nach einer Weile viele hastige Atemzüge nacheinander nahm. Seine Klauen griffen ihre lange und schmale Taille links und rechts und drückten sie fest an seinen Körper. Während er sich immer noch in ihrem Hals verbiss, spürte sie noch zu alldem wie er in ihr eindrang. Sein Schweif zuckte und krümmte sich. Naomi verfolgte jede einzelne seiner Bewegungen, jeden Muskel, den er anspannte, als er seine Hüfte langsam vor- und zurückschob. Immer wenn er komplett in ihr war, biss er etwas fester zu und sie konnte ihn durch seine Nase Schnaupen hören. Immer dann presste er auch ihren Körper fester an den seinen. Für Naomi war es nicht nur eines der befremdlichsten Gefühle die sie je verspürt hatte, sondern auch eines der intimsten. Es war ein seltsames Spiel aus Licht und Schatten. Sie fühlte seinen Herzschlag, fast so als sei es ihrer und zugleich gab sie ihm ihren. Sie verspürte das berauschende Gefühl seines Gliedes, wie es in ihren Körper eindrang und ihn wieder verließ. Und zugleich war da der Schmerz, der er ihr zufügte, sie aber erduldete, ja sogar immer mehr zum Teil ihrer begehrenswerten Empfindungen werden ließ, die sie sich einander gaben.
Als Bahku seinen Höhepunkt erreichte, war Naomi noch immer so gefangen und gebannt von dem Kontakt zwischen ihren Körpern, dass sie es erst bemerkte, als er ein wenig von ihr abließ. Er ließ ihren Hals frei, stemmte sich auf. Nur seinen Unterleib bewegte er nicht, obgleich er wusste wie sehr sie die Wärme seines dickflüssigen Samens genoss oder er selbst Gefallen an dem Gefühl seines pulsierenden Gliedes in ihr fand. Seine Zunge glitt über die leichte Spur, die seine Zähne an ihrem Hals verursacht hatten. Naomi stöhnte in Befriedigung auf. Sie krümmte und windete sich unter ihm, damit das berauschende Gefühl zwischen ihren Beinen wieder etwas stärker wurde.
Naomi zog sich aus eigenem Belangen unter Bahku hervor und streckte ihren müden Körper. Bahku beobachtete die mehr als ansprechende Präsentation ihres Körpers. Der Steinboden, auf dem sie grade noch gelegen haben und besonders natürlich Naomis entblößte Weiblichkeit waren bereits deutlich von seiner Lust gezeichnet. Er nahm erneut ihren betörenden Duft auf und machte sich nichts daraus selbst jetzt noch einmal von ihr in vollen Zügen zu kosten.
„Weiter.", stöhnte Naomi leise. „Mach es nochmal. Gib mir noch mehr."
Bahku erklomm sie ohne weiteres Dazutun. Sein Atem in ihrem Nacken ließ sie einen wohligen Schauer verspüren. Es tat gut, wie sein Gewicht auf ihrem Rücken lastete und er sich fest an sie klammerte. Sein noch immer steifes Glied machte gerade da weiter, wo sie noch eben aufgehört hatten. Naomi selbst konnte ja auch noch die Lust und Leidenschaft dazu aufbringen, doch Bahkus schier unermüdlicher Einsatz war bemerkenswert. Sie fühlte sich wie unter neuer Führung, fast so als hätte sie den Partner getauscht. Doch es war noch immer Bahku.
Ihre Gliedmaßen erzitterte, als in kürzester Zeit zwei Orgasmen durch ihren Körper rauschten. Immer wieder sackte sie kurz ab, wenn er ihr einen harten Stoß gab. Er war so schnell und traktierte sie so sehr, dass sie für einen Moment schon befürchtete, sie könne ihm zu keinem zweiten Mal verhelfen. Dann kam jedoch sein umso erlösenderes Stöhnen und ein Orgasmus den beide gleichermaßen befreiend empfanden. Bahku ließ sogleich erschöpft von Naomi ab. Sie spürte noch mehr von seinem Sperma und das überall wo ihre Hüften aufeinandergetroffen sind. Dieser Anblick offenbarte sich jedoch nur Bahku.
Naomi machte kehrt, kroch unter ihm hindurch bis zu seiner Männlichkeit. Das maskuline Aroma vermochte es ihre anderen Sinne restlos zu betäuben, und dort war es am stärksten. Die Spuren seines wilden Rittes waren überall. Naomi putze mit ihrer Zunge an seinem Schaft entlang und führte sich zugleich mit einem wohligen Gefühl im Inneren vor Augen, dass das vor wenigen Momenten noch niemals in ihrem menschlichen Körper komplett Platz gefunden hätte. Noch immer tropfte nach und nach etwas von der Spitze. Immer dann bettete sie sein Glied nur auf ihrer Zungen und genoss den letzten Rest seiner Lust. Dann umschlang sie ihn mit ihrer Zunge. Bahku genoss ihre Arbeit mit geschlossenen Augen. So lange bis auch schließlich er für den Moment mehr als gesättigt war.
Naomi legte sich und Bahku tat es ihr gleich. Sofort wurde sie wieder von seinen Armen umschlossen und er presste erneut seinen Körper an sie. In diesem Moment wurde ihr wieder in Erinnerung gerufen, dass er nichts weiteres brauchen würde als das, um ein erfülltes Leben zu genießen. Er brauchte sie. Er wollte nicht mehr als leben, mit und für sie. Es schmeichelte sie, genauso wie es sie auch abschreckte. Was nach dem Spaß noch blieb, waren Bedenken, die sie nun lange genug aufgeschoben hatte. Doch möglicherweise könnten die Probleme doch noch warten. Wenigstens für noch ein oder zwei Stunden erholsamen Schlafes.
„Also, erzähl mir doch mal was in den letzten Jahren geschehen ist.", wurde Naomi von Bahku aufgefordert. Seine Hartnäckigkeit diesbezüglich wurde ihr bereits unangenehm. Andererseits hatte sie nun einen gediegenen Zuhörer, was die Sache wiederrum durchaus ändern konnte.
„Anfangs habe ich versucht zu ignorieren. Ich war heilfroh, dass mir die Chance weiterhin ein normales Leben führen zu können nicht verwehrt blieb. Zumindest dachte ich das zunächst noch. Doch während ich versuchte zu vergessen und zu verdrängen, erinnerte ich mich auch an diese mächtige Kraft die in mir schlummerte."
„Von welcher Kraft sprichst du?"
„Von der eines Basilisken. Dir mag das natürlich normal vorkommen. Doch als ich sah wozu Raiheel im Stande war, welche Furcht er in den Menschen weckte und wie mächtig seine Präsenz gegenüber seinen Feinden war, fühlten sich meine einstigen Siege in meiner Jagdzeit wie glückliche Zufälle an. Entweder war ich vom Streben nach Ruhm und Ehre zu verblendet, vielleicht auch einfach nur naiv und dumm genug, um mich dieser Macht in den Weg zu stellen. Mit Mut hatte es jedenfalls nichts zu tun. In gewisser Weise konnte mir Raiheel die Augen öffnen. Zuvor war ich jemand, der glaubte seinem Feind überlegen zu sein. Nach meiner Reise mit ihm wusste ich jedoch wirklich was es heißt jemanden überlegen zu sein."
„Und das weißt du wegen ihm? Raiheel..." Bahku sprach den Namen wie einen Fluch aus. Er war ihm nun ein Dorn im Auge, mehr denn je. Und das wusste Naomi auch, selbst wenn sie dieses Verhalten als idiotisch erachtete.
„Ich hatte nun mal noch nie Zeit mit einem Basilisken verbracht, wie mit ihm.", erwiderte Naomi. „Jedenfalls änderte sich meine Meinung im Laufe der Zeit. Nun, vielmehr schätzte ich, es wäre eine reine Verschwendung, würde ich diese Kraft ungenutzt lassen. Ich arrangierte es mit meinem Gewissen es mit dem Wandeln mal zu versuchen, aber dennoch ein weitgehend normales Leben zu führen. Ich reiste im ersten Jahr sehr viel. Mein Weg führte mich von Stadt zu Stadt, ohne ein genaues Ziel vor Augen. Die meiste Zeit über versorgte ich mich selbst, sodass ich meine Ausgaben gering hielt. Lange konnte ich allein von meinen Jagdersparnissen jedoch trotzdem nicht überleben. Für den Moment schien es aber immer noch zu reichen. Ich sparte einfach immer und immer mehr ein. So wanderte ich oft den gesamten Tag bis Sonnenuntergang. Und jedes Mal, wenn ich dann noch die Kraft fand, übte ich meinen neuen Körper zu verstehen." Naomi schaute an sich herab. Bahkus Klauen hielten sie noch immer fest, ihre Körper aneinandergeschmiegt. Es gab kaum etwas schöneres, wie solch sanfte und ehrliche Berührungen nach so einem aufregend intimen Erlebnis. Unterdessen hatten sich auch schon wieder die Wolken aufgetan und es regnete.
„Und wie weit bist du?"
„Ich glaube, ich bin mittlerweile bestens vertraut. Es gefällt mir sogar. Das Leben ist aufschlussreicher, sicherer, fühlt sich intensiver an. Vielleicht ist es ja nur so aufregend, weil ich vorher einfach nichts anderes kannte. Aber auch dann, fühlt sich dieser Körper wie ein völlig anderes Leben an. Als würden mir zwei Seelen innewohnen, begann ich am Anfang aus zwei Blickwinkeln aus zu denken. Aus dem Denken wurde dann Handeln. Manchmal gewann meine menschliche Seite. fters hingegen gewann die andere. Nach der langen Zeit ohne ein gewisses Ziel vor Augen, beschloss ich schließlich etwas daran zu ändern. Und ich fing damit an mich nicht länger als verflucht sondern gesegnet anzusehen. Denn war sie es, diese Macht, denn nicht auch? Ein Segen der mir die Türen in ein völlig anderes Leben eröffnete. Um dieser macht auch genügend Ausdruck zu verleihen, wollte ich nicht länger mit knurrendem Magen durch Wälder streifen. Ich wollte in einem prächtigen Haus wohnen, mit vielen Zimmern und mit genug Geld in den Taschen. Schließlich bekam ich auch all das."
„Und wie?", wollte Bahku wissen.
„Liegt das nicht auf der Hand? Ich nutzte meine Gabe dafür, plünderte Transporte und Händlerkarawanen. Zuvor informierte ich mich immer. Es sollte sich ja schließlich gebührend lohnen. Ich nahm von den Reichen und wurde selbst reich. Bis ich eines Tages genug beisammen hatte um mir einen Lebensstandard zu ermöglichen, der mir meiner Meinung nach auch gerecht wurde. Ich zog nach Helingjah, kaufte mir dort ein Haus und lebte dort bis heute unter den Menschen, die gar nicht ahnen konnten welche Gefahr innerhalb ihrer eigenen Mauern auf sie lauerte. Denn ich war nicht gesättigt, noch lange nicht. Mein Reichtum hätte mich bis ans Ende meines Lebens tragen können. Eigentlich wollte ich dann auch einen Schlussstrich ziehen, um meiner zweiten Gestalt für immer zu entsagen. Doch ich konnte nicht. Zu sehr hatte ich mich schon an diesen Körper gewöhnt, lernte ihn mehr als nur zu akzeptieren. In den Nächten durchzog ich weiterhin die Wälder um zu jagen, und das nicht als Mensch. Oft sättigte ich meinen Hunger und andere Bedürfnisse nur noch in dieser Form. Das hatte ich zuvor nie getan. Sieben Menschen tötete ich in dieser Zeit. Es war nicht willkürlich, denn sie hatten es heraufbeschworen. Miese dreckige Halunken, die ja eigentlich nichts anderes verdient hatten. Dennoch fühlte ich mich schlecht dabei. Außerdem schürte es enorm die Furcht der Stadtbewohner. Schnell verbreitete sich die Kunde, dass eine Kreatur in der Nähe ihr Unwesen trieb. Was natürlich ein willkommener Hilferuf für viele Jäger war, die hofften schnelles Geld machen zu können. Ausgerechnet die Truppe, mit der ich einst selbst jagen war, hatte sich für diese Aufgabe bereiterklärt und fragte zu allem Übel auch noch mich als Begleitung an. Ich stimmte zu, im Glauben ihnen einen Bären aufbinden zu können, sodass sie schneller ihre Sachen wieder packen und verschwinden würden. Wir stießen unterwegs auf eine weitere Gruppe, in deren Reihen sich jemand befand der..." Naomi stockte und beschloss den Teil der Geschichte um Baleck auszulassen, müsste sie ansonsten nämlich wieder Raiheel erwähnen. „Jedenfalls ging alles schief. Und um nicht selbst getötet zu werden, musste ich mich wehren. Jetzt habe ich noch mehr Menschen getötet."
„Du hast einst unsereins gejagt und getötet. Hast du dich da genauso schlecht gefühlt?", fragte Bahku.
„Das ist etwas anderes. Ich fühle mich ja gerade deswegen so schlecht, weil ich sie nicht als Mensch getötet habe. Sie waren nicht vorbereitet, hatten deswegen praktisch kaum eine Chance gegen mich. Als Mensch an dieser Stelle hätte ich mit Sicherheit den Tod gefunden. Da muss ich mich unweigerlich fragen, ob denn nicht genau das eigentlich mein Schicksal gewesen wäre und ich meinen eigentlichen Weg die ganze Zeit mit dieser Macht nur austrickse."
„Das ist doch Unsinn, Naomi. Genauso kann das doch auch dein Weg sein, den du gehen sollst. Oder sehe es als ein Wunder, dass du es überhaupt noch einmal von vorne beginnen darfst. Dass wir von vorne beginnen dürfen."
„Ich glaube aber nicht an Wunder.", entgegnete sie harsch.
„Die meisten die nicht an Wunder glauben, äußern dennoch einen Wunsch wenn sie eine Sternschnuppe sehen. Sie sind nicht bereit zu glaube, außer es hängt nichts davon ab und sie müssen nichts dafür tun. Doch so funktioniert das nicht. Du bist das Wunder, doch du glaubst nicht an dich. Warum solltest du dir dann noch etwas wünschen und erwarten, dass es in Erfüllung geht?"
„Ich habe mir ja auch nichts gewünscht."
„Ach, wirklich?"
Naomi schwieg. In ihren Augen war Bahku in dieser Hinsicht nichts weiter als ein Träumer. Deswegen missfiel es ihr auch so sehr irgendeinen Halt in seinen Worten zu finden, auch wenn sie es gerne getan hätte.
„Vielleicht wäre es wirklich das Beste, wenn ich mit dem ganzen abrechne.", meinte Naomi nach einer Weile.
„Mit denen, die dich verfolgen?"
„Nein. Mit dem, dem ich das alles zu verdanken habe. Durch den ich meinen Gefährten verloren habe und der mich erst diesen Weg hat gehen lassen."
„Dann meinst du wohl Dharak.", schlussfolgerte er. „Das wäre dann mit Sicherheit dein Ende. Dieses Wesen ist nicht zu unterschätzen."
„Ich weiß das. Immerhin bin ich ihm doch einst gegenübergetreten, jedoch als Mensch. Dieses Mal wird es anders ablaufen. Und dann wird er büßen müssen."
„Du stellst dir das zu einfach vor."
„Und du kannst es dir nicht einmal vorstellen.", warf sie ihm vor.
„Ich will es mir nicht vorstellen müssen. Mein Platz ist hier. Und deiner übrigens auch."
Naomi stand auf, drehte sich um und blickte bedrückt durch den Vorhang aus Regen hindurch, der vor dem Felsvorsprung hinunterprasselte.
„Willst du für etwas sinnloses sterben?" Bahkus Tonfall verhärtete sich. „Du hast doch nichts davon, selbst wenn es dir gelingen würde. Natürlich hat er dein Leben für immer verändert und dafür gesorgt, dass du nun hier stehst. Ist das denn aber so schlimm? Ich dachte es ginge dir soweit wieder gut. Warst du denn nicht im reinen damit, was du nun bist? Mit mir könntest du glücklich werden."
„So einfach ist das nicht.", antwortete Naomi.
„Doch, ist es. Du musst es einfach nur zulasse. Sich jetzt wieder in Gefahr zu begeben wäre dumm."
„Ich weiß auch nicht." Naomi zögerte. Sie dachte daran, wenn auch nur kurz, dass es vielleicht doch die falsche Entscheidung gewesen war mit ihren Problemen zu Bahku zu gehen. „Seit jenem Tage möchte ich nichts lieber als diese Kreatur aus der Welt zu wissen. Ich wollte Rache. Ich wollte Genugtuung."
„Dharak ist ein dunkles Wesen, genauso wie sein Schöpfer. Er bedeutet den Tod. Ich will dich nicht verlieren, besonders nicht für ein so niederes Bedürfnis wie Rache."
„Du sagtest Schöpfer?" Naomi drehte ihren Kopf aufmerksam zur Seite.
„Ich hatte dir doch bereits von Dharak erzählt, von seinem Fluch. Er war einst ein Mensch."
„Es geht mir mehr um den Teil mit seinem Schöpfer. Du sagtest es so als würdest du ihn kennen."
Bahku hielt einen Moment lang inne. Mit Ungewissheit darüber, ob er ihr diese Informationen wirklich geben sollte, überdachte er zunächst seine Antwort. Vielleicht sogar mit Recht.
„Eine sehr mächtige Frau aus Viridis.", antwortete Bahku mit einem kurzen Satz.
„Wie hieß sie? Wer war sie?", wollte Naomi mit geweckter Neugierde wissen.
„Ich weiß nicht viel über sie. Das Meiste davon habe ich aufgeschnappt oder beiläufig erzählt bekommen. Vermutlich ist nicht alles die Wahrheit."
„Erzähl es mir trotzdem.", forderte sie ihn auf.
„Sie heißt Veleatrix. Ich weiß nicht ob sie überhaupt noch lebt. Dort in Viridis sind die Menschen nur in einem einzigen Land weiträumig angesiedelt, nicht so wie hier. Und die größte Stadt in diesem Land heißt Isvok. Dort soll sie sich auch aufhalten. Man sagt sie hat Experimente an Menschen wie auch Saevus durchgeführt."
„Was ist ein Saevus?", wollte Naomi wissen.
„Sie sind mit uns, den Basilisken verwandt. Doch anders als wir, sind sie etwas... primitiver gestrickt. In großen Gruppen lebend meiden sie alles Fremdartige und existieren heute nur noch als Geschichte in den Köpfen der meisten anderen Bewohner von Viridis. Sie trugen vor unzähligen Jahren einen Krieg mit den ebenfalls dort lebenden Drachen aus, den sie jedoch haushoch verloren. Die Lage hat sich schon vor langer Zeit wieder beruhigt, auch wenn beide Völker immer noch nicht gut aufeinander zu sprechen sind."
„Und welche Experimente waren das?" Naomi drehte sich wieder zu Bahku um, setzte sich sogar wieder ein Stück näher zu ihm.
„Sie versuchte Menschen in Saevus zu verwandeln. Angeblich hat sie das sogar mit Drachen versucht. Wohlmöglich ist vieles gescheitert, aber ein Versuch muss ihr ja offenbar geglückt sein. So ist Dharak entstanden. Ein Mensch der zuvor einen ganz anderen Namen trug, ein ganz anderes Leben führte."
„Er hatte vorher einen anderen Namen?"
„So sagt man, ja. Er gab ihn sich selbst."
„Er gab ihn sich selbst?", wiederholte Naomi skeptisch. „Wieso?"
„Das kann ich dir nicht sagen. Wer weiß schon wie dieses Ungeheuer funktioniert und was es denkt?"
„Dann muss ich dich also daran erinnern, dass meine Gestalt hier in gewisser Weise von diesem Ungeheuer stammt."
„Das ist etwas anderes. Dharaks Verstand war sicherlich schon als Mensch von harschsucht und Wahnsinn zerfressen."
„Und wie sieht es mit Raiheels Namen aus?" Naomi brachte ihn nur ungerne ins Thema zurück, doch sie konnte es sich einfach nicht verkneifen. „Ist Raiheel auch einfach nur erfunden?"
„Raiheel war einst der Name eines siegreichen Bediensteten von König Jalameel." Erstaunlicherweise warf Bahku es ihr diesmal gar nicht vor, dass ihre Gedanken abermals um Raiheel kreisten. „Er diente ihm bis zu seinem Tod. Es gab einst viele Geschichten von ihm. Also der Name ist nicht erfunden. Offensichtlich schien er den Namen einfach nur weiterführen zu wollen. Vielleicht hat er sich auch irgendwie mit ihm identifizieren können. Der Raiheel, den du kennst, hatte jedenfalls einen anderen Namen als Mensch gehabt."
Mit einem Mal horchte Naomi gebannt auf. Die ganzen Fragen über Raiheels Herkunft und seiner Vergangenheit, alles schien plötzlich auf eine einzige Vermutung hinauszulaufen. Ihr dämmerte etwas.
„Wie war sein menschlicher Name?"
„Ich weiß es nicht."
Naomis Hoffnung auf eine Antwort, die ihre Vermutung hätte bestätigen können, verblasste sogleich wieder.
„Sicher? Vielleicht fällt er dir wieder ein. Kannst du versuchen dich daran zu erinnern?", bat sie ihn.
„Ich habe ihn niemals erfahren. Er erwähnte mal etwas in dieser Richtung, sagte aber keinen Namen. Du weißt ja, er war damals ziemlich zerstreut. Aber warum fragst du eigentlich?"
Naomi wirkte wie geistesabwesend. Zu beschäftigt war ihr Verstand damit alle Puzzleteile zusammenzufügen. Doch letztendlich war sie sich fast sicher.
„Wo ist er jetzt?", fragte sie völlig entgeistert.
„Raiheel? Keine Ahnung. Ich sah in das letzte Mal vor über drei Jahren. Er könnte überall sein."
„Hat er nichts gesagt? Ist er nicht nochmal hier vorbeigekommen, als wir uns voneinander trennten?"
„Nein. Wieso bist du so hysterisch? Raiheel ist schon lange weg."
„Ich... muss zu ihm. Ich muss ihn sofort finden."
Bahku stand auf, in völliger Unruhe versetzte. „Jetzt bleib ruhig. Du musst ihn nicht finden."
„Doch, dass muss ich. Es ist wichtig!"
„Ich kann dich nicht gehen lassen. Du weißt doch gar nicht wo du suchen musst."
„Da wo alles angefangen hat.", meinte Naomi aufgeregt. „Er ist sicherlich wieder zurück zur Grabstätte."
Bahku drängte sich an Naomi vorbei und versperrte ihr den Weg. „Was ist los mit dir? Sei vernünftig!"
„Ich muss das tun! Ich muss das klären!"
„Was klären?!"
Naomi stand sich Bahkus strenger Miene gegenüber. Sie musste sich unweigerlich fragen, wie weit er wohl gehen würde, damit er sie hierbehalten konnte. Diese Frage stellte sie sich gewiss nicht gerne, doch hatte sie keine andere Wahl. So wie er sie in diesen langen Momenten ansah, gar anstarrte und versuchte seine Worte mit seiner felsenfesten Körperhaltung unmissverständlich zu unterstreichen.
„Bahku, was soll das?" Naomi bemühte sich darum so gelassen wie möglich zu klingen. Und als nichts zurückkam, bewegte sie sich langsam an ihm vorbei, unter dem Vorsprung hervor, hinaus in den Regen. Ihre Blicke kreuzten sich nicht. Diese bittere Kälte die Bahku ihr in diesem Moment entgegnete, ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen.
„Das wird dich nicht glücklich machen.", wisperte er, als sie ihn passierte.
„Ich weiß.", antwortete Naomi leise und verschwand im feuchten Dickicht des Waldes.
Nach den letzten drei vergangenen Jahren war sich Naomi eigentlich sicher gewesen ihr Zuhause gefunden zu haben. Ein Zuhause, in dem sie den Rest ihres Lebens verbringen könnte. Das wohlmöglich sogar irgendwann das Zuhause einer Familie geworden wäre. Doch anstatt eine Familie zu gründen, ein ruhiges Leben zu führen und in Ruhe in den Tag hineinzuleben, so wie sie es sich vorgestellt hatte, durchstreifte sie nun den vom Regen überfluteten und vom Schlamm bedeckten Morast. Auf der Suche nach jemanden, der vielleicht gar nicht war, wer er war. Auf dem Weg zu einem Ort, den sie nur mit Glück widerfinden würde. Naomi dachte nicht länger nach. Sie Tat die Dinge aus einem Impuls heraus, weiter nichts. Ja, vielleicht hätte sie bei Bahku bleiben sollen. Nun tat er ihr doch irgendwie leid. Er musste wohl am Boden zerstört irgendwo in der Kälte hocken und mit der Ungewissheit über ihren Verbleib kämpfen. Doch es war ja nicht für immer. Sie würde ihn wiedersehen, ihm dann vielleicht sogar eine Chance auf längere Zeit geben. Es spielte sich so vieles in ihrem Kopf ab, dass sie schon fast vergessen hatte in welch viel größeren Schwierigkeiten sie sich sonst noch befand. Da waren Jäger und skrupellose Söldner die ihren Kopf nur zu gerne gegen eine hohe Summe Gold eintauschen würden. Doch für den Moment konnte sie die Besorgnis mit der Suche nach etwas wie einem Anhaltspunkt, der sie in die richtige Richtung führen würde etwas minimieren. Gleichzeitig fragte sie sich heimlich ob es überhaupt einen Sinn machte was sie tat. War es richtig oder falsch? War es etwas jenseits von richtig oder falsch? Begann sie bereits genauso zerstreut und wahnsinnig zu agieren, wie es Raiheel in Bahkus Erzählungen nach einer Weile getan hatte? Doch nichts davon konnte ihr Unterbewusstsein wirklich verlassen. Sie nahm diese Fragen eher als ein Unwohlsein wahr, irgendwo tief in ihrer Brust sitzend. Wie etwas, dass sich da eingenistet hatte und sie von innen begann zu verzehren.
Naomi kämpfte sich immerzu von einem grünen Wall aus Blättern und Ästen zum nächsten. Regen prasselte auf ihren braunen Schuppen hinab. Das erfrischende Gefühl, das sie zunächst noch boten, wisch allmählich lästiger Kälte. Starre Äste kratzten an ihren Beinen vorbei. Das Gestrüpp um sie herum belästigte sie bei jedem einzelnen vorrangekommenen Meter. Sie konnte sich nicht länger konzentrieren. Zu sehr war sie damit beschäftigt die elendig störenden Kleinigkeiten ihrer Umwelt zu bemerken. Dann spürte sie etwas Geröll unter ihren Klauen, eine Abwechslung zu den ganzen Ästen und dem Schlamm. Das kam ihr bekannt vor. Kleinere Felsen taten sich auf ihren Weg auf, also hechte sie weiter nach vorn. So lange bis sie plötzlich eine steile Felswand umgab. Sie zögerte keinen Augenblick lang, sprang sogleich aus vollem Tempo empor, so hoch sie konnte. Ihre Krallen versuchten halt zu finden, rutschten aber ab. Unbeholfen schlitterte sie an der Wand hinunter. Ein zweiter Versuch nochmals mit Anlauf, ein dritter und dann noch ein vierter. Höher als bis zur Hälfte kam sie jedoch nicht. Ein weiteres Mal schlitterte sie an der feuchten Felswand herab, wobei eine ihrer Klauen in einem Spalt stecken blieb und ihr Fingerglied schmerzhaft verdrehte. Mit einem lauten Schrei zog sie die Klaue heraus. Eine Schuppe über der Klaue hatte sich gelöst, Blut strömte aus der Wunde.
„Verdammter...!", schrie sie erzürnt. „Ich hasse das!" Sie blickte auf die blutende Klaue, das zitternde Fingerglied in der Mitte, das nun auch noch taub wurde. „Alles nur deswegen. Wegen diesem... Dieser Körper ist schuld. Was passiert mit mir." Ihr Selbstgespräch stoppte als sie sich mehr um einen Weg um die Felswand herum kümmerte anstatt sich auf den Schmerz zu fixieren. Sie humpelte ein Stück in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war. Mit Ernüchterung stellte sie fest, dass die Verletzung sie mehr hinderte als zunächst befürchtet. Sie trat mit der verletzten Klaue auf und zuckte sogleich wieder zusammen. „Verdammt! Ich hasse es! Ich hasse diesen verdammten Körper, diesen verdammten Ort hier!" Fluchend humpelte sie die Schritte zur Felswand zurück, schaute hinauf zu den Baumkronen und dem verregneten Himmel. Sie musste an die ganze Zeit zurückdenken, die sie verschwendet hatte. Zeit die sie mit Raubzügen und in diesem Körper verbracht hatte. Zeit in der sie Raiheel schon längst hätte wiederfinden können. Und sie konnte sich nicht einmal sicher sein, dass er überhaupt noch am Leben war. Voller Verzweiflung und Wut stieß sie ihren Oberkörper seitlich gegen die Felswand. Sie spürte den kraftvollen Aufprall, den Schmerz und die Erschütterung in ihren Knochen. „Verrecke doch einfach!" Erneut wuchtete sie die rechte Seite ihres Oberkörpers gegen die unnachgiebige Felsformation, kratze mit der verletzten Klaue an dem Stein entlang. Der selbstzerstörerische Schmerz betäubte sie, ließ ihre Schreie und Rufe heiser wirken, ihre Tränen unbeabsichtigt. Naomi wankte, ließ sich zu Boden sinken, wo sich ihr Blut mit dem kalten Schlamm verband. „Ich sollte nicht hier sein.", wisperte sie. „Nicht in diesem Körper sein. Was mache ich jetzt?"
Einen langen Moment lag sie einfach nur da, beobachtete mit halbgeschlossenen Augen den herabprasselnden Regen.
„Was hast du dir da nur angetan, Naomi." Es waren Bahkus Worte. Er berührte sie sanft an ihrem Bein. Die Berührung zog sich durch ihren ganzen Körper hindurch. „Alles in Ordnung?"
„Du bist hier? Wie lange schon?", sprach Naomi mit heiser klingenden Stimme und blinzelnden Augen. Ihre Knochen schmerzten bei jeder Bewegung die sie machte, als sie sich bemühte aufzustehen.
„Es tut mir leid, wegen vorhin. Und auch, dass ich dir gefolgt bin. Ich konnte dich aber nicht einfach so gehen lassen." Bahku klang tatsächlich besorgt.
„Ist schon in Ordnung. Ich hab mir das mit Raiheel überlegt."
„Und?"
Naomi hob ihre Klaue an, sodass sie sich ein besseres Bild von der Verletzung machen konnte. Das mittlere Fingerglied war stark angeschwollen. Sie konnte nur hoffen, dass es nicht gebrochen war.
„Wie lange war ich denn unterwegs?", wollte sie wissen.
„Ein paar Stunden. Es müsste bald dunkel werden. Ich habe auch gesehen wie du..." Bahkus Worte setzten für einen Moment aus, als er sah wie Naomi ihre Blicke vor ihm vergrub, in Scharm über ihren Wutausbruch. „Du hast dich verletzt und diese Dinge gesagt. War das... ist das dein Ernst?"
„Es spielte sich einfach zu viel in meinem Kopf ab. Das tut es immer noch."
„Ist es Raiheel?"
„Vor allem, ja.", antwortete Naomi mit einem Seufzen.
„Und das hat sich jetzt geklärt?"
Bahku wurde sichtlich unruhiger mit jeder weiteren Minute die verstrich. Naomi nachdenklich auf den Boden starren zu sehen, brachte nur noch mehr Wogen in sein ruhiges und fürsorgliches Gemüt, das er versuchte irgendwie glaubhaft aufrechtzuerhalten. Innerlich kochte er jedoch vor Wut auf Raiheel, wie er ihr den Kopf verdreht hatte, sie es aber nicht gestehen wollte. Anfangs hatte er das noch ausgeschlossen. Verständlich, wo sich ihre Wege doch getrennt hatten und sie nach all den Jahren zu ihm zurückkam und nicht etwa zu Raiheel. Neben den Vorwürfen, die er sich selber machte, suchte er den Grund aber nun schon am ehesten bei Naomi selbst. Zu naiv und blind war sie seiner Meinung nach, wenn sie sein Angebot nicht annahm.
„Wir können das auch später klären.", meinte Bahku nach einer ganzen Weile des Schweigens. „Hauptsache wir verschwinden von hier. Ich habe Dharak schon oft hier in der Nähe gesehen. Wo er sich aufhält, ist es nicht sicher."
„Ich will dir erst etwas erzählen. Es geht um Raiheel. Lass uns ein letztes Mal über ihn reden. Ich verspreche dir, dass sein Name dann nicht mehr fallen wird. Auch ich möchte endlich abrechnen. Und ich vermute ich kann das auch ohne ihn dafür aufzusuchen. Wohlmöglich hätte er es ja gar nicht verstanden, wenn er jemand zu sein glaubt, der er nicht ist." Naomi blickte auf zu Bahku, der von ihren Worten weder überrascht noch erwartungsvoll wirkte. „Danach gehen wir. Von mir aus dahin wo du es für sicher hältst. Ich habe kein Zuhause mehr, keinen Ort an dem ich zurückkehren kann. Und ich kenne auch sonst niemanden, der mich nicht tot sehen möchte. Also heißt es dann wir beide, schätze ich.", sagte sie bedrückend genug, dass Bahku einen bitteren Nachgeschmack in ihren Worten fand. Er gab sich zwar ungerne damit zufrieden die letzte Wahl zu sein, doch im Anbetracht seines unersättlichen Geifers nach ihr, konnte er es getrost verdrängen.
„Dann mach es aber bitte kurz. Wir müssen wirklich bald los."
„Als du mir diese Sache mit den Namen erzähltest, mit Dharak und Raiheel, dass das nicht ihre richtigen Namen sind, hatte ich eine plötzliche Vermutung. Ich habe dir doch schon von meinem einstigen Partner erzählt. Er hieß Soren. Bislang glaubte ich, dass nur ich den Angriff von Dharak in dieser Nacht überlebt hatte."
„Und weiter?", drängte Bahku sie zum Fortfahren.
„Soren hat glaube ich doch überlebt. Er ist..." Naomi schrak auf, als Bahku urplötzlich von etwas getroffen wurde und nahezu zeitgleich zu Boden fiel. Ein kurzer dünner Pfeil ragte aus seinem Hals. Seine Augen waren weit geöffnet, seine Klauen zuckten. Einen Moment lang waren seine Muskeln noch angespannt, dann erschlafften sie und seine Augenlieder schlossen sich.
„Halt!" rief eine Stimme aus dem Unterholz. „Nicht sie!"
Naomi stand unter Schock. Sie vermutete die Schützen aus jeder Richtung, und sicherlich würde es nicht länger als einen Augenblick dauern, bis ein weiteres Geschoss auch sie treffen würde. Wohlmöglich war sie längst umzingelt. Sie starrte den reglosen Körper von Bahku an, suchte nach einem Lebenszeichen, noch bevor sie einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu finden versuchte.
Aus ihrem Augenwinkel heraus bemerkte sie eine Bewegung. Unweit entfernt von ihr erhob sich eine Gestalt aus einem Gebüsch. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und mit einem kurzen Bogen bewaffnet. Die Sehne war gespannt, der Pfeil im Anschlag deutete genau auf sie. Hinter ihm trat eine weitere Person in das mittlerweile schummrig gewordene Abendrot.
„Wir brauchen sie lebend.", war sein Befehl. Er ob die Hand über seinen Kopf und ballte seine Finger zur Faust, um die Geste mit einem Fingerzeig auf Naomi enden zu lassen. Daraufhin traten mehr und mehr Menschen aus ihren Verstecken und den Schatten hervor.
„Maik?", wisperte Naomi nachdem sie den Klang der Stimme zuordnen konnte.
„Ich hab ja gesagt, du entkommst uns nicht.", sagte Maik und trat aus der Dunkelheit hervor. „Deinen Spuren zu folgen war zu leicht. Da hättest du dir gar nicht die Mühe machen müssen zu fliehen."
Naomi stand noch immer erstarrt an Ort und Stelle. Sie spielte mit dem Gedanken es erneut mit mehr als ein Dutzend mäßig ausgerüsteten Handlangern aufzunehmen. In ihrer momentanen Verfassung wäre das jedoch nicht lange gut gegangen. Sie konnte sich ja gar nicht ausmalen wie groß die Verstärkung war, die Maik anzuführen schien.
„Tötet ihr mich jetzt?"
Maik blieb stehen, immer noch auf Distanz. Auch die anderen Männer schienen sichtlich zögerlich und rückten nur langsam weiter vor in die Richtung des Basilisken. Dann streifte sich Maik seine Handschuhe von den Händen, wischte sich den Schweiß von der Stirn und strich sich auch über seinen unbehaarten Kopf, so wie er es immer tat. Ein Schmunzeln kam ihm über die Lippen.
„Nichts davon tue ich gerne. Es hätte alles anders laufen können. Fangen wir doch mal damit an, dass du uns im Glauben gelassen hast, du wärst tot." Maik faltete seine Arme ineinander. „Aber du hast uns nicht aufgesucht. Das hätten wir dir verziehen. Weißt du eigentlich wie froh wir waren, als wir dich an einem Stück wiedergesehen haben? Und, ach ja, die Sache mit diesem Biss. Das hieltest du ja für genauso irrrelevant. Du hättest uns von dieser dunklen Gabe erzählen müssen. Jeden anderen hätte ich mit meiner Klinge von diesem Fluch befreit. Bei dir hätten wir eine andere Lösung gesucht, auch wenn wir dafür bis ans andere Ende der Welt hätten reisen müssen, wir hätten etwas gefunden, das dich von diesem Monster befreit. Aber diesen Weg wolltest du ja nicht gehen. Doch selbst das hätte ich dir verziehen, wenn du dich nicht diesen niederen Bedürfnissen dieses Dämons hingegeben hättest. Du hast Menschen getötet, die eine in Angst und Schrecken versetzte Stadt vor dir beschützen wollten. Jetzt ist es schon längst zu spät für Vergebung."
„Dann los. Töte mich, einen Freund, einen Kameraden, der dir einst den Rücken deckte.", entgegnete sie.
„Naomi ist schon längst tot. Du bist nichts weiter als eines der vielen grauenhaften Monster dort draußen, die uns das Leben erschweren. Eure Zeit ist vorbei. Wir haben keinen Platz mehr in dieser Welt für eure blutrünstigen Eskapaden."
Naomi spürte den Schmerz in ihren Gliedern pochen und wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als nur noch etwas mehr Kraft um noch irgendwie zu verschwinden. Es war vielleicht nicht der beste Gedanke zu versuchen sich erneut davonzustehlen, jedoch der beste Plan um am Leben zu bleiben.
„Du kommst dieses Mal mit uns mit.", meinte Maik. „So viel steht schon mal fest. Du entscheidest jetzt wie wir dabei vorgehen. Also schlage ich vor du verwandelst dich zurück und wir nehmen dich mit, als Menschen. Dann bleibt dir noch etwas Würde gewehrt. Und solltest du dich auf unserem Weg ungeachtet unserer Vereinbarung deiner Gestalt wiedersetzen um erneut zu dieser scheußlichen Missgestalt zu werden, dann töten wir dich auf der Stelle."
„Ich kann nicht.", antwortete Naomi.
„Was soll das heißen, du kannst nicht?"
Naomi schaute an sich herunter. Sie versuchte es wirklich, doch irgendetwas ließ es nicht zu. In den letzten Jahren hatte sie das Wandeln zwischen ihren Gestalten so gut unter Kontrolle bekommen, dass sie auch ohne weiteres die nötige Konzentration dafür aufbringen konnte. Doch dieses Mal blieben die dunklen Schuppen, wischen nicht der zarten Haut ihrer zierlichen Menschengestalt. Ein Gefühl, als könnte man nicht länger sprechen. Man hat die Worte in seinem Kopf und ist auch bereit sie auszusprechen, doch es gelingt einfach nicht.
„Im Moment kann ich meine Gestalt nicht ändern. Ich weiß nicht wieso."
„Das klingt für mich nach einem faulen Trick.", meinte einer der bewaffneten Männer mit einem kurzen Blick zu Maik.
„Für sowas haben wir keine Zeit.", sagte Maik und richtete sich mit einem Kopfnicken an den Bogenschützen, der sich sogleich neben ihn positionierte. „Beenden wir das endlich."
Der Bogenschütze spannte seinen Bogen, legte an und schoss. Es geschah so schnell, in einer so flüssigen Bewegung, dass Naomi keine Zeit hatte zu reagieren. Ein Taubheitsgefühl machte sich in ihrem Körper breit, gleich nachdem sich der Pfeil einen Weg zwischen den kleinen Schuppen an ihrem Hals hindurch gebahnt hatte und gerade weit genug eindrang um überhaupt von ihr gespürt zu werden. Ihre Gliedmaßen wurden kalt und schwer. Ihr Körper sackte zusammen. Sie spürte es bereits schon gar nicht mehr, als sie auf den Boden traf. Ihre Sicht wurde trüber, die Geräusche um sie herum verstummten. Nur einen kurzen Moment später verschwand die Welt vor ihren Augen.
Als sie aus ihrem Schlaf erwachte, war sie sich unsicher wo sie sich befand. Sie hatte wieder etwas Gefühl in ihren Gliedern dazugewonnen, aber etwas hielt sie noch immer fest am Boden. Dann realisierte sie die Bewegungen unter ihrem Körper und allmählich konnte sie auch die Seile spüren, die an unzähligen Stellen ihres Körpers fest verschnürt waren, sie festhielten und unangenehm scheuerten. Selbst ihr Kopf war von den Männern gesichert worden, ebenfalls gefesselt an der Konstruktion, mit der sie fortbewegt wurde. Ihr blieb nichts, außer der Blick zu den wachsamen Söldnern und einem hölzernen Wagen direkt vor ihr. Darauf befand sich Bahku. Gefesselt und unter der ständigen Beobachtung der Männer an seiner linken und rechten Seite, erging es ihm genau wie Naomi.
„Der andere ist jetzt auch wach.", rief einer der Männer, als er Naomis umherschweifende Blicke bemerkte.
„Schon gut, ist ja nicht mehr weit.", antwortete ein anderer.
Einige wenige Fackeln leiteten die kleine Karawane in der Dunkelheit der Nacht den schmalen Weg entlang.
Naomis Gedanken kreisten umher. So wie sie die Situation eingeschätzt hatte, wie sie Maik eingeschätzt hatte, wären sie und Bahku eigentlich bereits tot. Ihr Unbehagen wuchs, angesichts dessen was nun folgen würde. Folter war alles was ihr einfiel. Vielleicht reichte Maik ihr Tod als Rache ja nicht aus. Vielleicht wollte er sie leiden sehen, auch wenn es zugleich gar nicht seine Art war so vorzugehen.
Das Dickicht wurde lichter. In der Entfernung machte Naomi einen Lichtschein aus, ein großes Feuer. Naomi konnte die Wärme der Flammen spüren, noch bevor sie das Lager erreichten. Es war eine riesige Feuerstelle, mit Flammen so groß, dass sie in den Himmel zu ragen schienen. Vergebens versuchte sie ihren Kopf zu bewegen, um ein genaueres Bild von diesem Ort zu bekommen. Unzählige Menschen tummelten sich dort. Einige unscheinbar und gekleidet wie gewöhnliche Stadtbewohner, andere patrouillierten in schweren Rüstungen und waren bewaffnet. Doch allesamt hielten sie inne, als die Karawane die flache Ebene erreichte und die beiden Kreaturen offenbarte, die sie in ihrer Gefangenschafft hielten. Allgemeines Staunen und Getuschel machte die Runde. Mit einer dezenten Handbewegung ließ Maik die Gruppe halt machen.
„Damit sind wir nun fertig.", verkündete er lautstark. „Um den Rest kümmern wir uns. Ich danke denen, die sich uns auf der Jagd angeschlossen haben. Ihr alle habt einen großen Teil dazu beigetragen, dieses Land sicherer zu machen. Geht nachhause und schlaft endlich wieder unbesorgt."
Die Menge fing an zu jubeln und zu applaudieren. Die Wägen von Naomi und Bahku wurden weitergezerrt, in Richtung des großen Feuers. Die Flammen erzeugten bereits eine fast unerträgliche Hitze, als die Wägen schließlich anhielten. Bahku stellten sie direkt gegenüber von Naomi. Sie konnte sehen, wie seine Blicke nervös die Umgebung absuchten. Er stellte sich wohlmöglich gerade die gleichen zermürbenden Fragen, fühlte den selben immer größer werdenden Schmerz des Feuers.
„Sorgt dafür, dass sie nicht schon verbrannt sind, wenn er kommt!", befahl Maik einigen Männern.
Die Leute beendeten allmählich ihre Arbeiten. Die Gruppierungen lösten sich auf, zogen weiter, gingen nachhause zurück. Hätte Naomi in diesem Moment auch nur einen einzigen klaren Gedanken fassen können, ohne dabei um ihr Leben zu bangen, hätte sie die Menschenmenge beeindrucken können, die Maik in so kurzer Zeit organisiert hatte. Das waren nicht nur Bewohner aus Helingjah. Wahrscheinlich waren auch einige erfahrene und weniger erfahrene Bewohner der ganzen umliegenden Dörfer und Städte zusammengekommen. Und dass sie niemals alle ein einziges Gebiet absuchen würden bedeutete, dass dies lediglich eins von vielleicht vielen Lagern war, die in der ganzen Gegend verteilt waren und beständig wuchsen.
Während die einen gingen, kam eine weitere Karawane erst jetzt ins Lager zurück. Sie wurden von Jenson und Karles auf Pferden angeführt. Als sie die Basilisken fest an den hölzernen Wägen angebunden sahen, machten sie halt.
„Ihr könnt gehen. Schließt euch den anderen an. Danke für eure Hilfe!", rief Jenson zu seiner Gruppierung, ohne dabei seine Blicke von den zwei Kreaturen und dem Feuer vor sich abzuwenden. Überrascht und sogar vielleicht etwas enttäuscht über das plötzliche Ende ihrer Reise, machten die Männer kehrt. Viele hatten sich mehr vorgestellt, als sie die wohlmöglich letzten andersartigen Kreaturen dieses Landes endlich in Gefangenschafft hielten. Sie wollten bis zu ihrem Tod bleiben, sie leiden sehen. Überraschenderweise gab es jedoch keine Widerworte, als sie nachhause geschickt wurden. Entweder sie nahmen es einfach hin oder waren noch ergriffener von der Vorstellung wieder beruhigt schlafen zu können.
Jenson und Karles stiegen ab und gingen zu Maik, der in sicherer Entfernung zum Feuer stand. „Noch so einer? Warum denn noch so einer?", wollte Jenson wissen und deutete aufgeregt auf Bahku.
„Hätte ich ihn einfach laufen lassen sollen?", erwiderte Maik. „Damit wir nächsten Monat wieder Probleme mit Basilisken haben?"
„Es ging um sie.", sagte Karles und deutete in die Richtung von Naomi. „Sie und der andere Basilisk, aber von dem grünen hier war niemals die Rede. Da hat Jenson ausnahmsweise mal Recht. Wir sollten lieber genau das tun, was auch verlangt war."
„Ihr beschwert euch ernsthaft darüber, dass wir einen mehr als gefordert gefangen haben?" Maik verschränkte seine Arme. „Ich wollte ihn ja zuerst töten, aber dann dachte ich es wäre vielleicht sowas wie ein Bonus. Letztendlich ist es doch auch egal was er mit ihm macht. Tötet er die anderen zwei, wird er auch ihn töten. Und wenn nicht, machen wir es eben. Wo ist das Problem?"
„Gibt keines.", antwortete Jenson bündig. „Aber warum sieht Naomi eigentlich immer noch so aus? Kann sie sich nicht in einen Menschen zurückverwandeln?"
„Vielleicht will sie ja lieber in dieser Form sterben. Ich weiß es nicht. Geht den anderen Wagen holen, ich gebe das Signal."
Während Jenson und Karles in der Dunkelheit verschwanden, schritt Maik näher an das Feuer heran, löste dabei eine Flasche mit einer Flüssigkeit an seinem Gürtel und warf sie in die Mitte des Flammenmeeres. Als das Glas der Flasche zersprang und die Flüssigkeit freigesetzt wurde, änderte sich plötzlich die Farbe des Feuers zu einem hellen Blau. Naomi erinnerte sich sofort an die brennbare Substanz, die sie einst für ihre Fackel verwendet hatte. Die Hitze nahm nochmals beträchtlich zu.
„In eurer Lage würde ich mich jetzt aber sehr ungerne befinden." Maik schlenderte an Bahku vorbei zu Naomi. Auch ihm machte die Hitze offenkundig zu schaffen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und stellte seinen Fuß direkt neben Naomis Kopf auf den Wagen. „Es überraschte mich letztendlich doch, wie viele tapfere Männer wir in so kurzer Zeit finden konnten. Solltest mal darüber nachdenken, wie verhasst du bei den Leuten bist. Du und deine Art."
Das Scheppern und Quietschen eines weiteren Wagens war zu hören, den Karles zusammen mit Jenson mühselig in den Schein des Lichts zogen. Naomi konnte noch nichts genaues erkennen, Maik stand ihr im Blickfeld.
Er schnippte mit den Fingern. „Hey, sieh mich an!", forderte er Naomi auf. „Für die kurze Zeit haben wir einen verdammt langen Weg zurückgelegt. Wir waren bereits viel weiter und dachten schon du seist entkommen. Dabei warst du einfach viel langsamer als wir es uns dachten. Weißt du wo wir jetzt sind?" Maik zog einen Dolch und begann das dicke Seil durchzuschneiden, das Naomis Kopf fest an Ort und Stelle hielt.
„Lass das sein Maik. Bring uns nicht jetzt noch in Schwierigkeiten.", meinte Jenson aus der Ferne.
„Keine Sorge.", entgegnete Maik. „Ich will nur wissen was sie zu sagen hat." Dann durchdrang die kleine Klinge die letzten Fasern mit einem kurzen Ruck. Naomi konnte ihren Kopf anheben, wenn auch nicht sehr hoch. Der Nacken schmerzte ihr noch immer von den viel zu fest angezogenen Fesseln. Und wenn sich dieser Schmerz kurz verdrängen ließ, machte sich die Hitze wieder bemerkbarer. „Also, weißt du wo wir jetzt gerade sind?"
Naomi antwortete nicht. Sie blickte Maik nur erzürnt entgegen.
„Na?" Maik tippte mit seinem Stiefel an ihre Schnauze. „Schnappst du gleich zu wie es einer deiner Tiergefährten tun würde? Oder antwortest du mir, so wie es ein vernünftiger Menschenverstand machen würde?"
„Nein.", antwortete Naomi leise.
„Nein, was?"
„Nein, ich weiß nicht wo wir sind."
„Unsere kleine Reise hatte einen sehr aufschlussreichen Nebeneffekt. Ich habe sehr viel über dich erfahren, was ich noch gar nicht wusste. Zum Beispiel was es mit dem Biss auf sich hat. Dharak hat nicht nur dich gebissen. Tatsächlich ist es wohl so etwas wie ein Gift, das von Mensch zu Mensch eine andere Wirkung erzielen kann, in so ziemlich allen Fällen jedoch tödlich ist. Und wenn die Umstände richtig sind, dann entsteht sowas wie du. Natürlich fragt man sich doch dann, wie oft das denn nun schon der Fall war." Maik ging in die Hocke um mit ihr auf Augenhöhe zu sein, blieb aber dennoch in sicherer Entfernung. „Zwei Mal, ist die Antwort. Ich weiß nicht wie winzig deine Wahrscheinlichkeit war das durchzustehen, aber sie war umso geringer, dass eine zweite betroffene Person jemand ist, den du bestens kennst. Was für ein wunderschöner Zufall, das doch ist."
Maik drehte sich zur Seite und offenbarte ihr wieder den Blick zu Bahku und dem Wagen, der nun neben ihm stand. Genau wie sie, gefangen und bewegungsunfähig gemacht, lag dort Raiheel auf einem Wagen gefesselt.
„Soren.", wisperte Naomi mit einem Funkeln in den Augen.
„Richtig! Dieser Kerl, dein Liebhaber, von dem du immer erzählt hast. Er starb damals nicht. Genau wie du, konnte er sich von da an in diese Kreatur verwandeln. Und als wir Dharak erschlagen wollten ist dasselbe nochmal mit dir passiert. Stimmt doch, oder? Zugegeben ist so ein Zufall schon etwas... fragwürdig. Allerdings hab ich aufgehört mir über sowas den Schädel zu zerbrechen, nachdem was ich die letzten paar Tage alles gesehen habe. Dieses Land ist verdorben und verrückt geworden. Ob Zufall oder nicht, es nimmt jetzt sowieso ein Ende."
„Ich wollte es ihm sagen.", wisperte Naomi leise. „Wieso weißt du das? Hat er es dir gesagt?" Naomi konnte sehen dass Raiheel nicht bei Bewusstsein war. Unzählige Verletzungen und Blut an vielen Stellen seines Körpers zeugten von einem erbitterten Kampf.
„Dein Freund Soren da, oder Raiheel, wie auch immer, ist nicht sehr gesprächig gewesen. Ihn fanden wir hier ganz in der Nähe. Das war kurz nachdem wir Dharak begegnet sind."
„Ihr hab Dharak gesehen?", wiederholte Naomi. Einen Moment lang fragte sie sich noch wie es ihnen wohl gelungen war eine Begegnung mit ihm überlebt haben zu können. „Er hat es dir gesagt?", dämmerte es ihr. „Du hast mit Dharak gesprochen? Über all das?"
„Überraschenderweise ist er sogar sehr gesprächig, wenn man ihm von deinem Namen erzählt. Er hielt dich die ganze Zeit für Tod, dachte das Gift hätte dich getötet. Noch bevor ich ihm ganz erklären konnte, was aus dir geworden ist und dass wir dir auf der Spur sind, herrschte Waffenstillstand. Also machten wir eine Vereinbarung. Ich überliefere dich und deinen Freund und dafür hält er sich weiterhin weit abseits der Landesgrenzen auf. Ein recht fairer Deal."
„Du hast einen Fehler gemacht. Man kann keine Geschäfte mit ihm machen."
„Deine Meinung interessiert mich nicht."
Das Feuer begann sich langsam wieder normal zu färben. Jenson wurde schon sichtlich unruhig.
„Wir hätten den Leuten davon erzählen sollen.", meinte er zu Karles. „Wenn dieses Vieh hier angestapft kommt und beschließt Amok zu laufen, bin ich weg! Wenn er denn überhaupt kommt."
Erneut wischte sich Maik den Schweiß von der Stirn. „Herrje, schwächen wir das Feuer endlich etwas ab. Er hat es sicherlich schon gesehen und ist unterwegs. Meine Augen hören schon gar nicht mehr auf zu brennen."
„Sieht so aus als kommt der gar nicht.", rief Jenson durch das verlassene Lager.
Als Maik in diesem Moment kurz abgelenkt war, nutzte Naomi die Gelegenheit um mit ihren Zähnen die Fesseln zu lockern, die in Reichweite waren. Doch er bemerkte ihren Befreiungsversuch. Mit einem kräftigen Tritt seines Stiefels an ihren Kopf, hielt er sie davon ab weiter zu machen. Naomi entgegnete fast augenblicklich mit einem schnellen Schnappen nach vorne und erwischte dabei Maiks Fuß. Sie spürte wie ihre Zähne mühelos durch das Leder hindurchdrangen und an den Knochen seines Fußes vorbeischürften und sie brachen. Maik schrie auf und fiel zu Boden. Naomi machte sich währenddessen weiter an den Fesseln zu schaffen, schaute nur dann auf, wenn sie überprüfen wollte ob Raiheel noch immer nicht bei sich war. Jenson und Karles kamen bereits herangeeilt, stemmten ihn auf und gaben Halt.
„Du dreckiges...", zischte Maik.
„Ich kümmere mich um die Fesseln.", sagte Jenson. Maik hielt ihn jedoch mit einer Hand zurück.
„Warte! Er kommt." Es wurde ruhig. Lediglich das Feuer war noch zu hören. Bis sich zwischen dem Knistern auch das Zerbersten von Ästen und das Schütteln von Baumkronen gesellte. Die Geräusche kamen sehr schnell näher. Sie hielten noch immer inne und warteten ab. Selbst Naomi stoppte ihre Versuche die dicken Seile mit ihren Zähnen zu durchtrennen, als ihr diese gespenstische Atmosphäre mit einem unguten Gefühl durch den ganzen Körper jagte.
Es war nicht mehr zu erkennen, als ein gewaltiger Schatten, der durch die angrenzenden Bäume hindurch in das Lager stürmte. Mit einem mächtigen Hieb seines Schweifes zerstörte er die Feuerstelle. Die Flammen türmten sich ein letztes Mal hoch auf. Das Konstrukt aus Holz zerbrach, ein rotes Meer aus Glut wurde aufgewirbelt. Und als die vielen glimmenden Lichter erloschen waren, war da nur noch der Mondschein, der seine Präsenz zu verraten vermochte. Eine Kreatur, größer als alles Bekannte. Furchteinflößender als jede einzelne Geschichte, die von seinen Taten erzählt. Mit Schuppen schwärzer als die tiefste Nacht, gemacht dazu im Mondlicht zu schimmern und aufzublitzen, das letzte was seine Opfer jemals sehen werden.