Die Sakura Chroniken Teil 02
#2 of Die Sakura Chroniken
Hallo,
Seit August 2013 hat diese Geschichte auf meinem PC geköchelt. Nun hatte ich endlich Zeit gehabt, um mich darum zu kümmern und das nächste Stück anzugehen.
Erkundung
Der frischgebackene Gouverneur Balutin hatte sich entschlossen vorerst auf bemannte Erkundungsmissionen zu verzichten und beauftragte deshalb als erstes seinen Ingenieur Tjure Karlson damit Nachrichtendrohnen zu Erkundungssatelliten umbauen. Ordin hatte dem immer lustigen Schweden gerne zwei Stück der Drohnen überlassen und sie stellte ihm zudem Chief Miyaguchi zur Seite, der stille Japaner hatte so ziemlich die gegenteilige Persönlichkeit, wie Karlson. Aber er war mindestens genauso geschickt beim Improvisieren, auch wenn es mit den Stasekapseln nicht hingehauen hatte.
„Tjure, du wirst dir noch einen Bruch heben!" neckte der Chief seinen Kollegen, als der wieder einmal ein besonders schweres Bauteil auf den Montagetisch wuchtete.
„Hrmphhh." schnaubte der schwedische Hüne. „Wenn ich das nicht heben könnte, würde ich zum Arzt gehen. Aber du könntest ja die Schwerkraft etwas herunter drehen!"
„Könnte ich schon, dann würdest du aber hier herum schweben, für deine Quadratlatschen haben wir noch keine passenden Magnetstiefel!" feixte der, im Vergleich zum Schweden, zierlich wirkende Japaner.
„Kein Problem, ich hätte mir schon welche zusammengeschustert!" erwiderte der Schwede grinsend.
Miyaguchi lachte.
Kapitän Ordin betrat die große Werkstatt. Happy begleitete sie wie üblich und umgehend beschnupperte der große Rüde jeden einzelnen Fleck der Werkstatt.
„Meine Herren", fragte sie, „wie weit sind sie mit dem Umbau?"
Sofort nahm der Chefingenieur Haltung an und wollte schon salutieren, als Ordin abwinkte. Formalitäten hatten ihre eigene Zeit und die war knapp.
„Die erste Drohne ist so gut wie startklar. Meine Leute bringen sie gerade zur Startröhre 3. Sie werden sich auf der Brücke melden, wenn sie soweit sind." berichtete er und Ordin nahm es zufrieden zur Kenntnis. Von Hauser hatte schon Anweisung erhalten die Drohnen sofort zu starten und Ordin brauchte sich nicht darum kümmern.
„Gut und die zweite Drohne?"
„Da sind Tjure, ähem, Ingenieur Karlson und ich gerade bei. Der Umbau ist etwas aufwendiger, weil diese in der Atmosphäre manövrieren soll, aber wir sind guter Dinge, dass wir diese hier morgen auch starten lassen können. Diese Umbau-Kits, die vor dem Start der Mission noch an Bord kamen, sind sehr hilfreich, als ob jemand es geahnt hätte, dass wir genau das nun benötigen würden."
„Ja, als ob es jemand geahnt hätte." murmelte Ordin „Gut machen Sie weiter, um so eher bekommen wir, oder besser, um so eher das Team von Balutin die Ergebnisse der Erkundung."
„Wie sie wünschen Kapitän!"
„Weitermachen!"
Ordin wandte sich zum Ausgang und Miyaguchi salutierte nun doch. Er hatte zu lange auf einer Fregatte gedient, um noch umzudenken. Ordin erwiderte den Salut betont beiläufig und trat durch die Tür.
„Happy komm, es geht weiter!" rief sie.
Happy hatte sich ausgiebig mit Karlson beschäftigt und sich von dem Schweden ein paar Streicheleinheiten abgeholt. Doch nun folgte er gehorsam der Aufforderung seiner Herrin und trabte ihr hinterher. Nachdem die Automatiktür hinter den beiden geschlossen war, stieß Tjure seinen neuen Freund und Kollegen an.
„Das ist ein seltsames Paar."
„Wie meinst du das?"
„Euer Kapitän ist doch die einzige von euch ohne Familienangehörige an Bord. Wie kann sie es nur ertragen zu wissen, dass niemand in ihrer Verwandtschaft noch lebt, wenn sie zur Erde zurückkehrt. Außer ihrem Hund. Glaubst du, dass sie und der ...?"
„Der Kapitän und ... Happy? Man, Tjure, deine Phantasie läuft heiß. So ist der Kapitän nicht gestrickt! Sie ist Single, ja und. Meine Familie ist mit an Bord, genauso wie deine. Und selbst wenn, ist ja nicht so, als dass es ungesetzlich wäre. Einer meiner Großonkel war auch Raumfahrer und diente auf einem Schiff der Togo-Klasse. Der hat jede seiner vier Hündinnen über alles geliebt. Er hat sie sogar offiziell geheiratet, nachdem er sich, wie es gesetzlich verlangt wird, kompatibel hatte machen lassen. Aber der Käpt'n, ne du."
„Ihr Raumfahrer seid ein seltsamer Menschenschlag."
„Nicht alle, aber einige schon."
Damit war das Thema erledigt und die beiden Techniker machten sich wieder daran, die Sonde für den Einsatz umzurüsten.
Die Planung
Zwei Wochen nachdem auch die zweite Sonde gestartet worden war, hatte Gouverneur Balutin endlich seinen Stab und auch die leitenden Offiziere der Sakura zu einer Sitzung im Konferenzraum einbestellt. Kapitän Ordin war selber gespannt darauf, was die Erkundungssonden über die neue Welt herausgefunden haben mochte und so war sie bereits frühzeitig anwesend und trank gemeinsam mit dem Gouverneur Kaffee. Die beiden schwiegen sich gegenseitig an. Ordin wollte nichts vorgreifen und Balutin hatte eigene Gründe schweigsam zu sein. Wortkarg brütete der Russe über seinen Becher und nervös tippten seine Finger auf der Tischplatte.
Nach und nach trudelten die Mitglieder des Stabes von Balutin und Ordins Offiziere ein. Balutins Vorgesetzte hatten sein Team sorgfältig aus vielen Bewerbern zusammengestellt.
Svetlana und Heino Schmidt, zwei Exobiologen, waren die ersten die eintrafen. Beide hatten sich während ihres Studiums in Berlin kennengelernt und waren seitdem unzertrennlich.
Stanley Peach und Bob Cardigan waren ausgezeichnete Geologen, und sollten eigentlich auf Karda Prime den Rohstoffabbau koordinieren.
Stephanie Biggles, eine weitere Biologin spezialisiert auf Mikrobiologie und Genetik.
Tjure Karlson Ingenieur und selbsternannter Bastelkönig. Er hatte seinen Abschluss am altehrwürdigen MIT in Cambridge, in den früheren USA, gemacht.
Jolanda van Trunk als nächste war Balutins Polizeichefin. Sie war zugleich die militärische Befehlshaberin der künftigen kolonialen Verteidigungsmiliz.
Dr. Frederic Busch war der leitende Mediziner der Kolonisten.
Etwas aus dem Rahmen fiel Jaffu Mwebele, der kleine, drahtige Afrikaner war Buschmann und er sollte der Chef-Fährtensucher sein. Die Buschleute lebten selbst in den modernen Zeiten noch immer fast genau so wie Ihre Vorfahren und waren echte Überlebenskünstler. Nicht viele seines Volkes zog es in die weiten des Raumes, doch jene, die es zu fremden Welten wagten, waren ausgezeichnete Kolonisten. Der kleine Mann trug eine einfache Robe und Ordin wusste aus zuverlässiger Quelle, das es das einzige Kleidungsstück war, das er an Bord trug.
Einige weitere Wissenschaftler und Verwaltungsbeamte waren auch noch mit von der Partie.
Von Ordins Mannschaft war ihr erster Offizier und Ober-Steuermann Martin von Hauser eingetroffen. Der deutschstämmige hatte neben seinem Astronautikstudium auch je einen Abschluss in Astronomie und dem Ingenieurwesen gemacht.
Chief Miyaguchi hatte seinen Abschluss an einer Tokioter Universität gemacht und war danach jahrzehntelang im Dienst der Flotte gewesen. Diese erste lange Reise der Sakura Maru sollte eigentlich seine letzte Fahrt sein und er war von der Flotte freigestellt worden, wo er zuletzt im Rang eines Commodore stand.
Als dritte Teilnehmerin von Ordins Leuten war Dr. Hanna Kong mit von der Partie, die leitende medizinische Offizierin der Sakura.
Die beiden Teams der Kolonisten und der Raumfahrer setzten sich ungezwungen zusammen. Die Lage war ernst und üblichen Animositäten zwischen den beiden Gruppen hatten keinen Platz, darauf hatten sich Ordin und Balutin unmissverständlich geeinigt und hatten es auch an ihre Leute weitergegeben. Man murmelte Begrüßungen, schenkte sich Kaffee ein, doch dann erstarben die Gespräche und alle Blicke waren auf Balutin gerichtet. Der Russe nahm noch einen kräftigen Schluck, dann erhob er sich ächzend, als ob er eine große Last tragen musste. Und das obwohl Leila die Schwerkraftgeneratoren nur noch minimal laufen ließ und eigentlich nur die Schwerkraft des Mondes, auf dem die Sakura gelandet war, wirkte.
„Schön dass sie alle gekommen sind. Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden, aber wir stecken bis zum Hals in der Scheiße."
Die Teilnehmer der Sitzung murmelten zustimmend. Das war allen klar.
„Doch wie tief wir drin sitzen, Ladies and Gentleman, das wurde mir erst heute Morgen wirklich bewusst. Aber eigentlich hätte es mir von vornherein klar sein müssen. Dr. Schmidt, wenn sie bitte übernehmen würden und uns alles erzählen, was sie mir berichtet haben."
Balutin setzte sich und wischte sich den Schweiß von der Stirn, dann schnappte er sich seine Tasse und nahm einen Schluck zu sich. Wenn er doch nur an den Wodka herankommen würde, der in seinem Container lagerte, den hätte er nun wirklich nötig. Ordin und die anderen sahen neugierig zu den Schmidts herüber. Svetlana Schmidt stand auf und begab sich wortlos zu einem Bildschirm. Sie tippte eine Kommandofolge ein und ein Bild von Sakura 4 erschien in all seiner Pracht. Sie blickte kurz auf den Monitor und drehte sich dann zu den anderen um.
„Ich habe zwei Nachrichten eine Gute und eine Schlechte."
Sie machte eine kurze Pause und sammelte sich. Als ihr Schweigen unerträglich wurde und die versammelten Menschen unruhig wurden, fuhr sie fort.
„Wie der Gouverneur es schon so treffend formulierte stecken wir bis zum Hals in Problemen. Wir sind gestrandet und das dort", sie deutete auf den Monitor, „ist vermutlich einzige Planet in unserer Reichweite, auf dem ein Leben wie wir es kennen möglich ist. Auf den ersten Blick ist Sakura eine fast perfekte Kopie der Erde. Sogar noch besser als Karda Prime. Der Planet liegt in der habitablen Zone um eine stabile Sonne. Er hat einen Mond der für eine stabile Rotation sorgt. Wasser, Kontinente und er hat Leben hervorgebracht. Vielfältiges Leben, wie es noch kein anderer Planet der von der Konföderation gefunden wurde, hervorgebracht hat. Im Wasser, an Land und auch in der Luft, der Artenreichtum ist geradezu atemberaubend."
Sie pausierte und einer der Verwaltungsfachleute, Brian Manlon, stieß ein „Hört, hört!" hervor, bevor die ernsten Blicke der Biologen ihn wieder verstummen ließen.
„Sie sollten nicht voreilig sein. Der Planet wimmelt vor Leben, zugegeben, doch es ist zu schön um wahr zu sein! Denn nach den ersten Scans durch unsere beiden Sonden, mussten mein Mann und ich feststellen, dass es leider nur fast eine Kopie ist. Und da ist das Problem vor dem wir stehen."
„Wie meinen Sie das?" fragte Ordin neugierig.
Sie hatte als Kapitän natürlich auch die Daten der Drohnen gesehen. Doch außer der Tatsache, dass auf diesem Planeten eine Evolution des Lebens stattgefunden hatte und von vielen Spezies und Arten besiedelt war, fehlte ihr das Fachwissen der Wissenschaftler, die diese Daten auch interpretieren konnten.
„Da muss ich etwas weiter ausholen. Wie sie sicher wissen unterscheidet sich jede bewohnbare Welt signifikant von unserer guten alten Erde. Weniger von der Geologie, oder dem Klima, nichts gegen Ihre Fachgebiete", fast entschuldigend hatte sich dabei Schmidt an Dr. Dylan Vavard, dem Meteorologen und Stanley Peach, dem leitenden Geologen gewandt. „Sondern die Biologie macht bei einer Besiedelung die größte Herausforderung aus. Nach den ersten Kolonisierungen kam es schnell zu unkontrollierbaren Seuchen und Erkrankungen. Das menschliche und auch tierische Immunsystem wurde immer wieder herausgefordert und die ersten Kolonisten wurden regelrecht dezimiert."
„Sie meinen Harpers-Seuche?"
„Genau! Jede Kolonie hatte ihren eigenen Typ von H-S entwickelt. Und ich muss hier niemanden erklären was H-S ist. Dann kamen endlich die Genetiker auf die richtige Spur. Das Erbgut musste angepasst werden. Jeder Kolonist wurde mit der Hilfe von Viren verändert, um mit seiner neuen Heimatwelt kompatibel zu werden. Danach war H-S Geschichte."
„Das ist eine bekannte Tatsache, dass die Kolonisten verändert werden müssen um dauerhaft zu überleben."
„Tja und hier ist nun unser Problem. Alle Kolonisten, das schließt auch die Anwesenden unseres Stabes mit ein, ist für Karda Prime vorbereitet. Diese Impfung erhielten alle an Bord, Tiere und Menschen, ausgenommen natürlich Ihre Mannschaft. Das dort unten ist aber nicht Karda Prime, sondern eine vollkommen neue Welt! Verstehen Sie worauf ich hinaus will? Ist ihnen das Klar?"
Ordin dämmerte es und nun verstand sie Balutins gedrückte Laune.
„Mist!" fluchte Dr. Kong.
„Wir haben da 2500 Kolonisten in Stasis, die alle für eine ganz andere Welt geimpft sind und nun muss ich und meine Leute die Arbeit eines 200 Mann starken Expertenteams machen, die für Karda Prime sich 10 Jahre Zeit ließen. Und wie lange habe ich um diesen neuen, absolut neuen Impfstoff zu kreieren?"
Sie blickte in die Runde. Kapitän Ordin fühlte sich angesprochen und nahm sich das Wort „Leila!"
„Ja Kapitän Ordin, ich bin bereit."
„Wie viel Zeit haben wir noch mit den Stasekapseln?"
„Der aktuelle Status der Stasekapseln. Systeme bei 95 %, Fehlerquote 0,2 %, diese Fehlerquote kann von meinen Systemen voll kompensiert werden. Energiereserven bei 100 %, voraussichtlicher Ausfall der Systeme bei den ersten Kapseln aufgrund des Fehlers 404 erfolgt in 3 Standardjahren 5 Monaten und 12 Tagen. Mit einer Toleranz von 2 Tagen"
„Also grob drei Jahre? Leila hattest du nicht bislang etwa zwei Jahre prognostiziert?"
„Korrekt Kapitän Ordin. Ich konnte meine Berechnungen korrigieren, da ich nun einen Teil meiner Prozessorleistung von der Navigation abziehen konnte und diese auf die Fehlerkorrektur der Kapseln übertragen habe. Durch Änderung dieses Parameters ist es mir möglich die Fehlerkorrektur zu optimieren."
„Danke Leila. Das hast du gut gemacht."
„Ich stehe gerne zu Diensten."
Leilas Stimme schien Zufriedenheit auszudrücken. Das Lob des Kapitäns schien ihrem elektronischem Ego gut zu tun.
„Sie haben es gehört. 3 Jahre, Dr. Schmidt, Sie haben 3 Jahre."
„Gott!" stöhnte Dr. Busch. Er hatte eine Vorstellung von der Mammutaufgabe und schalt sich innerlich nicht an H-S gedacht zu haben. Es wurmte ihn, dass ausgerechnet ein Exobiologe die Lage besser eingeschätzt hatte als er.
„Haben wir überhaupt die nötige Ausrüstung für diese Aufgabe an Bord?" fragte Peach der Geologe.
„Das ist eine gute Frage." Ordin wandte sich zu ihrem ersten Offizier. Van Hauser brauchte nicht erst gebeten zu werden um in der Frachtliste nachzusehen. Er klapperte auf seinem Pad herum, stutzte plötzlich, tippte neu ein und stutzte wieder.
„Das kann doch gar nicht sein!"
„Von Hauser?" fragte Ordin.
„Kapitän, ich weiß nicht ob hier der Zufall in unsere Hände spielt oder ob es Vorsehung gewesen ist."
„Was ist denn?"
„Also, wir haben tatsächlich nicht nur ein Genetiklabor samt Computereinheit an Bord, sondern sogar zwei! Anscheinend hatte die Aquarius einen ihrer Container zurückgelassen, warum auch immer, und die Sakura sollte ihn stattdessen nach Karda Prime bringen. Und in dem Container ist ein Genetik-Labor eingebaut."
„Welch ein Zufall!"
„Es kommt noch besser Kapitän. Diese Art Fracht ist eigentlich nur ein Zusatz bei einer Besiedelung und deswegen im Normalfall die erste Fracht die eingeladen wird."
„Und wird als letzte entladen, wenn überhaupt." ergänzte Ordin geknickt. Es würde Monate dauern an das Labor zu gelangen. Monate die sie nicht hatten, die fehlen würden. Es würde den Tod hunderter bedeuten.
„Eben nicht!"
„Wie bitte?"
„Zu dem Zeitpunkt, als der Fehler der Aquarius entdeckt worden war, da war die Sakura fast schon fertig beladen. Der Container war einer der letzten der geladen worden ist."
„Habe ich richtig gehört?"
Van Hauser nickte.
„Welch ein glücklicher Zufall!" freute sich Stephanie Biggles. Sie würde mit Sicherheit viel zu tun haben und sie liebte Herausforderungen, und um solch eine handelte es sich mit Sicherheit.
Ordin dachte sich ihren Teil, für ihren Geschmack waren das jetzt schon zu viele Zufälle. Sie würde mit Balutin nach der Sitzung ein paar Worte wechseln, vielleicht wusste der Russe doch mehr über diese Zufälle oder hatte zumindest einen Verdacht.
„Das Labor kann also problemlos entladen werden. Gut, das werden wir erledigen. Dr. Schmidt, wo soll es hin? Soll es hier auf diesem Mond aufgestellt oder auf den Planeten gebracht werden."
Dieses mal meldete sich Dr. Heino Schmidt zu Wort.
„Es muss auf dem Planeten aufgestellt werden! Nur dort können wir frisches Material sammeln und verarbeiten."
Major von Trunk schnaubte.
„Ich kann dann nicht für die Sicherheit des Teams garantieren. Meine Leute sind noch in Stase, die müssen erst wieder fit gemacht werden, bevor Sie Herr Doktor sich in das Abenteuer dort unten stürzen können." warf sie in die Runde.
„Wir müssen aber schnellstmöglich mit der Arbeit anfangen." protestierte Schmidt, „Wir können nicht zwei oder drei Wochen auf ihre Leute warten! Ich muss zwar auch noch den einen oder anderen Kollegen wecken lassen, aber die würden sich dann um die Kolonisten hier oben kümmern. Die Leute, die ich für die Feldforschung auf Sakura brauche, sind bereit und das Labor kann sicher in einer Woche den Betrieb aufnehmen, oder irre ich mich?"
„Trotzdem brauchen Sie Schutz! Keiner von uns weiß wirklich genau, was dort unten so alles kreucht und fleucht." gab von Trunk zu bedenken.
„Ich stimme Dr. Schmidt zu. Das Labor muss so schnell wie nur möglich den Betrieb aufnehmen. Wie ich schon sagte, werden meine Leute alles notwendige in die Wege leiten, um es zu einem geeigneten Standort Ihrer Wahl zu transferieren. So das Sie ihre Arbeit ohne Verzögerung aufnehmen können."
Ordin wandte sich zu von Trunk.
„Und wegen der Sicherheitsbedenken, da kann ich mit ein paar Männern aushelfen. Wie sie wissen sollten, haben wir Raumfahrer alle eine militärische Ausbildung und bei jedem Heimataufenthalt wird die aufgefrischt. Wenn Ihre Leute soweit sind, übernehmen die dann die ..."
„Aber ich habe das Kommando über ihre Leute! Damit das Klar ist." unterbrach die deutschstämmige Offizierin die Kapitänin.
Ordins Augen blitzten.
„Auf dem Planeten haben Sie vielleicht das Sagen. Aber auf diesem Schiff tanzen auch Sie, Frau Major, nach meiner Pfeife und fallen mir nicht ins Wort!" donnerte sie.
Sie war noch immer der Kapitän der Sakura Maru und stand damit über allen anderen, auch über Balutin. Selbst ein Admiral der Flotte hatte als Passagier keine Befehlsgewalt über einen Kapitän, der ihm nicht direkt unterstellt war. Und ein Major der Streitkräfte hatte da noch viel weniger zu bestimmen. Und besonders nicht in diesem Ton.
Auch Balutin blitzte von Trunk wütend an, schwieg aber. In der aktuellen Situation konnte er sich Kompetenzgerangel nicht leisten. Kapitän Ordin hatte in der Beziehung das Recht auf ihrer Seite.
Von Trunk schluckte. Wieder mal war ihr Mundwerk zu schnell gewesen. Ihr wurde heiß und kalt und ihr Gesicht brannte. Einem Kapitän der Flotte auf seinem eigenen Schiff so übers Maul zu fahren war ganz bestimmt nicht ihre Absicht gewesen. Das könnte als Insubordination aufgefasst werden und würde 2 oder 3 Wochen Aufenthalt in der Brig bedeuten. Steif erhob sie sich von ihrem Platz und nahm Haltung an.
„Entschuldigen Sie Kapitän Ordin, es lag gewiss nicht in meiner Absicht Ihre Autorität irgendwie in Zweifel zu ziehen."
Von Trunk wirkte auf Ordin ehrlich mit der Entschuldigung. Sie hatte die Akte der Majorin gelesen und wusste deshalb, dass die Frau ein guter Offizier war, aber auch als aufbrausend galt und ein Heißsporn sein konnte. Ein Charakterzug, der ihr die eigentlich überfällige Beförderung zum Oberstleutnant verdorben haben dürfte. Trotzdem warte sie einen Augenblick länger als unbedingt notwendig. Die Kolonialen-Beamten sollten begreifen, wer hier an Bord das Sagen hatte. Endlich brach sie ihr Schweigen.
„Ich akzeptiere Ihre Entschuldigung Frau Major." Ordin betonte besonders den Rang der Deutschen. „Meine Männer werden auf dem Planeten natürlich Ihnen vorübergehend unterstellt sein, bis ihre Leute dazu bereit sind, den Schutz der Forscher zu übernehmen."
Von Trunk verharrte noch einen Augenblick in Hab-Acht-Stellung, bis die Kapitänin ihr bedeute sich wieder zu setzen. Für Ordin war damit das Thema erledigt. Ihre Autorität würde nicht mehr in Frage gestellt werden.
Balutin war erleichtert darüber, dass es nicht zu einem Eklat gekommen war. Seitdem er für die Kolonialbehörde tätig war hatte er immer wieder von den Rangeleien zwischen den Besatzungen der Schiffe und den kolonialen Truppen gehört. Und einige Male war es zu regelrechten Meutereien gekommen. Doch waren in der Regel die Rädelsführer immer überwältigt worden und die Exempel waren drastisch gewesen. Von Degradierung, Gefängnis, Versetzung auf eine Asteroiden-Mine in der Oort'schen Wolke und in wenigen Fällen der heiße Abgang. Besorgt blickte der Gouverneur in die Runde. Diese unschöne Szene hatte zur Folge gehabt, dass die einzelnen Gruppen untereinander zu diskutieren begannen und das eigentliche Thema Gefahr lief ins Hintertreffen zu geraten. Er erhob sich von seinem Platz und räusperte sich. Nur vereinzelte Augenpaare richteten sich auf den dicken Russen.
„Meine Damen und Herren, ich bitte sie wieder zum Thema zurückzukehren."
Das Murmeln ebbte nicht ab, die meisten Anwesenden beachteten ihn nicht mal. Ordin fixierte den Kolonialbeamten und fragte sich wie der Mann wohl darauf reagieren würde. Das war nun sein Kampf, um seine Autorität als oberster Kolonialbeamter unter Beweis zu stellen. Und Ordin würde sich hüten Balutin beizustehen, das könnte sonst falsch interpretiert werden.
„RUHE!" brüllte er.
Na Bitte, dachte Ordin. Aufgeschreckt von dem heftigen Ausbruch des Russen verstummten die letzten Gespräche fast augenblicklich. Nun da er wieder die Aufmerksamkeit aller hatte sprach Balutin mit gesenkter Stimme.
„Streitereien und sinnlose Diskussionen helfen uns in dieser Lage nicht weiter. Meine Damen und Herren, wir müssen nun Zusammenhalten, jeder von uns muss sein bestes tun, so das unser aller Überleben gesichert wird. Ich wünschte wir wären nicht in diese Lage gekommen und ich bin vor allem dafür dankbar, dass der Kapitän uns hierher gebracht hat. Wir sind hier gestrandet. Doch wir haben alles um hier eine Kolonie aufzubauen. Niemand von uns weiß wie lange es dauert, bis die Konföderation uns findet. Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte. Diese Welt muss also unsere Heimat werden, auf Teufel komm raus. Drei Jahre haben wir Zeit um die Kolonisten zu retten, drei Jahre. Die Doktoren Schmidt, Biggles, Busch und Kong. Sie fünf tragen für uns alle zur Zeit die größte Verantwortung. Finden Sie einen Weg uns zu retten! Wir anderen werden Sie in allem Unterstützen. ..."
Balutin sprach so noch eine gute halbe Stunde weiter. Ordin, die Anfangs noch ihre Zweifel gehabt hatte, dass ein Beamter des mittleren Dienstes einen guten Gouverneur abgeben könnte, war beeindruckt. Balutin zog sich nicht nur einfach aus der Affäre, er machte keinen Hehl aus der Lage, und er beschwor den Geist der Pioniere, der in den Menschen steckte und überzeugte die anderen dass, dass man vor einer lösbaren Aufgabe stand. Er war ein geborener Politiker.
Nachdem Balutin seine Ansprache beendet hatte, konferierten die Offiziere, Wissenschaftler und Kolonial-Beamten zwei weitere Stunden über das Vorgehen. Die Steward brachten frischen Kaffee und Tee und einen kleinen Imbiss. Die Versammlung endete so in relativ entspannter Form.
Die Aufgaben waren verteilt, nun konnte man nur noch hoffen, dass die Wissenschaftler ihren Job machten und die Kolonisten vor einem schlimmen Schicksal bewahren würden. Die Schmidts würden ein Forschungscamp auf dem kleinsten der Kontinente aufschlagen, der über ein gemäßigtes Klima verfügte und am ehesten Karda Prime nahekam. Dort würden sie umfangreiche Feldforschung betreiben und sich mit dem Mikrobiologischen Leben befassen, dass für die Kolonisten die größte Gefahr darstellte. Sie konnten dafür insgesamt 10 Forscher freistellen. 10 weitere Fachkräfte wurden aus den Kolonisten ausgewählt, die die Forscher direkt unterstützen sollten und Ordin sagte 10 freiwillige ihrer Mannschaft als Sicherheitspersonal zu.
Der Chief würde die Shuttles startklar machen und von Hauser sollte den Transport der Container überwachen. Dazu musste neben der Sakura ein Landeplatz eingerichtet werden und zudem eine Lagerfäche für die Container planiert werden.
Ordin und Balutin waren die letzten im Raum. Happy schlief zu Füßen seiner Herrin und hatte sich bis auf den kurzen Zwischenfall mit von Trunk nicht mehr gerührt. Balutin sehnte sich nun noch mehr nach dem guten Wodka in seinem privaten Container und nach der Gesellschaft seiner Frau und der Kinder.
„Das haben Sie gut gemacht!"
„Habe ich das? Ich weiß es nicht Kapitän. Ich sollte nur einen Verwaltungsjob in der Kolonie haben und nun muss ich den Chef spielen."
„Das machen Sie aber gut!"
„Glauben Sie das wirklich?"
„Sie sind der beste den die Konföderation hier hat!"
Balutin lachte. „Der Beste? Wussten Sie, dass ich der Ersatzmann gewesen bin. Charles Mannings, war eigentlich für den Job vorgesehen. Kannten Sie ihn?"
Ordin war der Name geläufig, sie hatte nur ein, zwei Gespräche mit dem Mann geführt. Doch ein Unfall war ein halbes Jahr vor dem Start im Trainingscenter auf dem Mars geschehen und Mannings lag zum Zeitpunkt der Abreise noch immer im Koma. Jetzt mochte der Mann schon seit Jahren tot sein, sie würde es nie erfahren. Das war der Grund dafür, das Raumfahrer immer ihre Familien an Bord hatten. Das Wissen, das man nach dreißig oder einhundert Jahren Flug ohne Familie dastand hatte am Anfang der interstellaren Raumfahrt zu gewaltigen psychischen Problemen geführt.
„Ich kannte ihn nur vom Namen her, hatte nur kurz Kontakt mit ihm, vor seinem Unfall."
„Charles war der bessere Mann!"
„Er ist aber nicht hier. Oleg, Sie sind hier."
„Danke Kapitän Ordin."
Dafür nicht, aber ich wollte sie noch etwas fragen und der Hinweis auf Mannings hat diese Frage nur dringlicher gemacht."
„Was denn?"
„Glauben Sie nicht auch, dass es hier zu viele Zufälle gibt?"