Máella Twins - Kapitel 7: Ruhelos
Ruhelos
(Jackel)
Ich hasste mich selbst dafür, nicht zwischen Tea und Lion gegangen zu sein. Ich hätte sie beschützen müssen und dem Löwen ordentlich eins auf die Mütze geben sollen, doch leider hatten mich die Ketten davon abgehalten. Abgesehen davon hätte ich vermutlich sowieso keine Chance gegen den Riesen gehabt.
Es war zum verzweifeln. Wer weiß, was Lion mit Tea anstellte? Wenn sie Glück hatte, würde sie nur wie ich vergewaltigt werden, doch nach dem, was Loup vorhin erzählt hatte, machte ich mir ernsthafte Sorgen, ob wir Tea je lebend wiedersehen würden.
„Was glaubt ihr machen sie mit ihr?", fragte ich meine Zellengenossen.
„Noch ist es still", bemerkte Loup.
Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Andererseits könnte es sein, dass Tea die Qual schweigend über sich ergehen ließ oder sie war lediglich noch bewusstlos.
„Ich habe angst um sie", gestand ich. „Sie war eigentlich recht nett zu mir und sie hat es nicht verdient, verletzt zu werden, auf welche Weise auch immer."
„Liebst du sie?", fragte Panther leise.
Ich war verwundert darüber, dass er mich das fragte und mir fiel auf, dass ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht hatte. Vielleicht liebte ich sie, aber in der momentanen Lage konnte ich mir keine Klarheit über meine Gefühle verschaffen.
„Nein, ich glaube nicht, dennoch fand ich sie sehr anziehend und toll und ich weiß nicht", stotterte ich unsicher. Ich blickte zu Boden, da mich die Blicke der anderen beiden einschüchterten.
„Ich verstehe nicht, wie dieser Löwe das tun kann. Er ist doch auch ein Furry, warum arbeitet er gegen uns?", fragte Panther sich.
Loup rümpfte die Nase und meinte: „Er kann nicht schlecht sein. Als er damals in meinem Studio war, sah man ihm nichts böses an. Ich hab mit ihm geredet, wie mit jedem anderen Kunden auch. Er war sehr nett und offen. Zum Beispiel hat er mir erzählt, dass er Handwerker in einer Holzwerkstatt ist und heimlich eine Vorliebe fürs Reiten hat."
„Ich kann mir schon vorstellen, welche Art des Reitens er bevorzugt", fauchte Panther wütend. Man sah ihm an, dass er Abscheu gegenüber dem Löwen zeigte, doch Loup schien noch etwas Gutes in Lion zu sehen. Ich allerdings musste Panther zustimmen. Dieser Löwe war einfach falsch und widerlich. Er sollte derjenige sein, der jetzt an Teas Stelle war.
Plötzlich zuckten wir alle Drei kräftig zusammen, da ein lautes Geräusch an unsere Ohren drang. Es war ein schrilles und panisches Kreischen.
„Sie töten sie!", brüllte ich verzweifelt. Es war ein so markerschütterndes Kreischen, dass mir jedes einzelne Haar abstand und mir ein kalter Schauer durch den Körper gejagt wurde.
„Hilfe! Ist das jemand?! Ich will nicht mehr!", rief Panther, der nur von Teas Schreien übertönt wurde.
Loup blieb seltsamerweise ruhig. Er musste das Ganze bereits einmal durchgemacht haben und ich sah ihm an, dass es ihm schmerzte. Es schmerzte uns allen und wir wussten, dass wir die nächsten waren.
„Was tun sie mit ihr?! Tea! Halte durch!" Ich riss an den Ketten, bis meine Handgelenke bluteten. Der Stahl gab nicht nach und meine Arme fühlten sich zu taub an.
Das Kreischen hielt an, doch ich wusste, dass Tea etwas so schreckliches erlebte, dass sie nicht mehr lange ihre Stimme erhoben halten können würde. Das Gefühl, nichts tun zu können, um ihr zu helfen, war unerträglich für mich. Tea hatte es nicht verdient, ermordet zu werden und niemand hatte das Recht, ihr zu schaden. Es musste einen Weg geben, sie zu retten!
Ich brüllte mir die Seele aus dem Leib und riss mir die Haut an den Ketten auf, doch selbst mit Blut als Schmiermittel kam ich nicht frei. Kraftlos ließ ich mich hängen und senkte die Ohren, in der Hoffnung, wenn ich wieder aufblickte, würde ich zurück in der Stadt sein und von Passanten bejubelt werden. Dieses Gefühl würde ich vermutlich nie wieder erfahren. Ebenso wie das Gefühl, wenn man eine junge Dame kennenlernte und den Abend mit ihr verbrachte. Es gab gar kein schönes Gefühl, dass ich jetzt noch erleben würde. Alles schien nur noch schlimmer zu werden und es gab kein Licht am Ende dieses qualvollen Tunnels.
Als das Kreischen verebbte, lief eine Träne meine Wange herab. Ich hörte zwar, dass die anderen beiden zu mir sprachen, doch ich konnte nichts mehr verstehen und wollte es auch nicht. Mein Kopf war leer. Tea war tot und wir würden ihr bald folgen. Wie sollten wir es schon schaffen, aus diesem Gefängnis lebend heraus zu kommen? Selbst wenn wir uns von den Ketten lösen könnten, wäre da noch die Gittertür und gesamte Gebäudekomplex, durch den wir finden müssten. Vermutlich gab es viele Wachen, die einen Fluchtversuch vereiteln würden.
Ich blickte wieder auf, als mich Panther mit dem Schweif anstubste. Er deutete mit der Schnauze zu der Gittertür und ich richtete die Ohren auf. Irgendjemand näherte sich uns. Wenn es wieder dieser Löwe war, würde ich ihm an die Kehle springen und ihm das Herz aus der Brust reißen! Wenn ich es könnte...
Tatsächlich war es der Löwe, der aus dem Schatten trat. Hinter ihm folgten drei Männer in weißen Anzügen. Lion trug etwas in den Händen, doch ich konnte aus der Entfernung nicht erkennen, was es war.
„Ah, die tägliche Viehfütterung", sagte Loup verächtlich.
Lion schien ihm einen bösen Blick zuzuwerfen, als er die Gittertür öffnete. Die drei Männer hielten draußen Wache, während der Löwe auf mich zustapfte und mich mit seinem Blick zu durchbohren schien. Es war ein seltsamer Blick und ich konnte ihn nicht recht zuordnen.
„Iss!", befahl er und hielt mir ein Stück Brot vor die Schnauze. Eher wollte ich verrecken, statt Essen von diesem Löwen anzunehmen, daher drehte ich den Kopf zur Seite.
Lion schien nicht geduldig zu sein. Er packte meine Schnauze und riss mir schmerzhaft den Kiefer auf. Ich fühlte mich gedemütigt, doch ich konnte dem Löwen nichts entgegensetzen. In meiner Lage war ich machtlos. Er stopfte mir einige Brotstücke in den Rachen und spülte mit einer Kanne Wasser nach. Als er mich losließ, röchelte ich, kaute die aufgeweichten Stücke und schluckte. Es schmeckte nicht schlechter als das billige Brot, das ich mir immer kaufte, doch allein die Tatsache, dass ich zum Essen gezwungen wurde, widerte mich derart an, dass ich aufstoßen musste. Die Insassen sollten nicht verhungern oder verdursten, sie sollten auf andere Weise getötet werden, deshalb achtete man wohl darauf, dass man zu Essen bekam. Dabei machte mir ein ganz anderes Bedürfnis zu schaffen. Irgendwo musste das Wasser, das wir zu uns nahmen, ja hin und es gab hier drinnen keine Toilette, nichtmal einen Baum, an dem man sein Wasser ablassen konnte. Allerdings wäre ein Baum im Kerker auch etwas unüblich. Am Boden befanden sich Abflüsse, doch ich würde den Teufel tun und vor den anderen beiden einfach so pinkeln, ohne dabei die Hände zu benutzen. Das würde nicht gut enden. Mein Fell war auch so schon in einem unguten Zustand.
Der Löwe wandte sich von mir ab und ging zu Panther, der sich mit weniger Gegenwehr füttern ließ. Vermutlich kannten sie diese Prozedur bereits und wussten, dass Widerstand zwecklos war. Aber es verletzte unseren Stolz, so gedemütigt zu werden, doch in solch einer Situation sollte man darüber hinweg sehen und froh sein, dass man uns nicht verhungern ließ. Verhungern war immerhin schlimmer wie die meisten anderen Foltermethoden. Wie auch immer die hier in dieser Organisation aussahen.
Nachdem Lion die Fütterung bei Loup beendet hatte, packte es mich und ich brüllte: „Was habt ihr mit Tea angestellt?!"
Der Löwe würdigte mich keines Blickes. Er nahm seine Sachen, nickte den Männern zu und verließ unsere Zelle.
„Hey! Hast du mich nicht gehört?! Was habt ihr Tea angetan?!", wiederholte ich.
„Es hat keinen Zweck", flüsterte Loup.
Lion schloss den Kerker ab und verschwand gemeinsam mit den Männern. Stille kehrte ein und mir wurde klar, dass es hoffnungslos war. Wir würden Tea nicht mehr wieder sehen und eine Chance zur Flucht gab es auch nicht. Alles was wir tun konnten, war unseren Tod abzuwarten.
So hatte ich mir den Tag absolut nicht vorgestellt. Wenigstens musste ich mir keine Sorgen mehr darum machen, ob mein Einkommen für den Tag ausreichen würde.
„Glaubt ihr, Lion hat sie getötet?", fragte Panther nach einer Minute des Schweigens.
„Natürlich, wer sonst?", knurrte ich.
„Nein. Als Zerna getötet wurde, hatte er sie nur weg gebracht, anschließend ist er in die entgegensetzte Richtung gegangen. Ich glaube, er war dabei, euch zu fangen, als Zerna getötet wurde", erklärte Loup ruhig.
Ich verstand nicht, wie Loup und Panther die ganze Zeit über so ruhig bleiben konnten, wenn vor wenigen Minuten unsere Zellengenossin um ihr Leben gekämpft hatte.Vermutlich waren sie einfach nur so sehr verzweifelt, wie ich es war. Meine Handgelenke schmerzten. Mein ganzer Körper fühlte sich steif und taub an. Ich schloss die Augen, unterdrückte ein Schluchzen und hoffte, dass die anderen meine Tränen nicht sahen.