Basilisk
~Neulich fasste ich wieder den Gedanken eines weiblichen und obendrein menschlichen Charakters als Hauptfigur in einer neuen Kurzgeschichte. Irgendwie reizte mich dieser Gedanke schon eine Weile lang, deswegen kommt hier jetzt der erste Part einer mehrteiligen Serie. Mit diesem Teil wird vor allem die Story aufgebaut, damit eine Grundlage existiert für das, was da noch kommt. In den folgenden Parts könnt ihr euch dann also neben der Story auch auf mehr 'sinnliche Momente' gefasst machen.
Eine junge Abenteurerin begibt sich auf eine beschwerliche Reise quer durchs Land. Das Ziel, das sie mit vollem Ehrgeiz verfolgt, scheint genauso mysteriös wie gefährlich. Ihr erster Anhaltspunkt ist eine alte und verlassene Grabstätte. Dort soll sich eine fürchterliche Kreatur aufhalten, die bislang das Schicksal jedes Eindringlings besiegelte. Schon bald ist sie gezwungen sich genau dieser Kreatur gegenüberzustellen. Während ihr die Zeit davonläuft begreift sie das Ziel ihrer Reise noch nicht vor Augen zu haben und sieht sich gezwungen die Hilfe dieses Geschöpfes anzunehmen.
BASILISK
Teil 1 - Das Labyrinth
Der Schleier über dem heißen Wüstensand offenbarte allmählich was hinter ihm lag. Unregelmäßige Formen und Umrisse bildeten sich am Horizont mit jedem weiteren Schritt und jedem mühselig vorangekommenen Meter in der sengend heißen Hitze zu einer Stadt. Das Wasser war schon lange aufgebraucht, nichts war mehr da. Die Wege der vergangenen Tage fühlten sich noch erheblich einfacher zu bezwingen an. Zu leichtsinnig und überstürzt hatte sie sich auf den Weg gemacht. Schon längst hätte sie ankommen müssen. War es möglich, dass sie vom Weg abgekommen war? Nein, das war nicht möglich! Sie wusste die ganze Zeit über stets genau wo sie war. Die Hand an ihrer Stirn schottete ihren starren Blick in die Ferne ab. Kräftige Windstöße ließen den Sand um sie herum und ihre langen schwarzen Haare in der Luft tanzen, nahmen ihr zugleich den Atem aus den Lungen, hinterließen ein trockenes Kratzen in ihrem Hals. Sie hoffte es wäre keine Einbildung, ein Hirngespinst ihrer Erschöpfung. Langsam senkte sie ihr Haupt und ging weiter. Von der plötzlichen Überzeugung ihr vorläufiges Ziel endlich erreicht zu haben angetrieben, tat sie ein Schritt nach dem anderen. So ging sie weiter, ohne auch nur ein einziges Mal aufzuschauen. Irgendwann würde sie schon angekommen. Irgendwo würde sie Wasser finden. Und dann, wenn sie erst einmal wieder bei Kräften wäre, würde ihr eigentliches Abenteuer beginnen.
Eine ganze Weile beobachtete sie heute schon den jungen Mann vorne am Tresen. Er hatte kurze braune Haare, war überraschend stilvoll und sauber gekleidet und unterhielt sich ausschließlich mit einem unverschämt falschen Lächeln. Ihre Aufmerksamkeit gehörte ihm schon seit sie vor drei Tagen den ersten Fuß in diese heruntergekommene Spelunke gesetzt hatte. Drei aufeinanderfolgende Tage tauchte er immer zur selben Zeit dort auf. Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze saß sie alleine an einem Tisch, ihre Hände um einen großen Krug geschlungen, und beobachtete abermals das merkwürdige Verhalten des jungen Burschen aus der Ferne. Er hatte sich beim Hereintreten genauestens umgesehen, so wie er es auch die letzten Male tat. Doch anders als die letzten Male, war die Kneipe an diesem Abend kaum besucht. Vier ältere Männer, die sich offensichtlich jeden Abend trafen und zusammen an einem Tisch weit entfernt vom Tresen saßen, musterten den Burschen kurz und widmeten sich rasch wieder ihren Gesprächen in der Runde. Sein umherschweifender Blick war kurz bei ihr stehengeblieben, doch dann ging er schon weiter. Ein älterer Herr, der eine Stunde zuvor den Raum betreten hatte, schien seine Aufmerksamkeit geweckt zu haben. Er ging zum Tresen, setzte sich neben den Mann und deutete dem Kellner eine Zwei mit seinen Fingern. Und wieder unterhielt er sich mit einem scheinbar Wildfremden. Sie konnte nur darüber spekulieren was die genauen Inhalte der Gespräche waren, aber es ging eindeutig um ein Geschäft. Ein Geschäft, welches bislang jeder am Ende des Gespräches abgeschlagen hatte. Mehr brauchte sie wohl gar nicht mehr zu wissen. Das war genau der Mann nachdem sie gesucht hatte. Der Barhocker schlitterte nach kurzer Zeit nach hinten. Die ältere Person war aufgestanden, bezahlte eilig sein Bier und ging schnurstracks durch den Raum hindurch zur Tür. Seit dem vergingen einige Momente, in denen der allein am Tresen zurückgelassene Mann einen trüben Blick in seinen Krug hegte. Das war der ideale Zeitpunkt für sie die Sache endlich anzugehen.
Ohne Worte setzte sie sich neben ihn auf einen Hocker am Tresen, nahm ihre Kapuze ab und strich sich mit der Hand durch ihre langen schwarzen Haare. Der junge Bursche neben ihr musterte sie, was ihm zugleich wieder sein verlogenes Lächeln zurückbrachte.
„Ihr seht nicht nach einem gewöhnlichen Tourist aus.", sprach er schließlich.
„Hier gibt es Touristen?", antwortete sie mit einem leeren Blick nach vorne.
„Natürlich! Diese Stadt ist voll mit ihnen. Ständig sieht man hier neue Gesichter."
„Ihr redet wohl eher von übermütigen Abenteurern."
„Wo ist der Unterschied?", sagte der Mann und zuckte mit den Schultern. Dann trank er den Rest aus seinem Krug. „Die nächste Runde geht übrigens auf mich."
„Danke, aber ich habe noch."
„Na schön, dann verratet mir doch mal was Euch hierherführt. Versteht mich nicht falsch, aber Frauen sind hier selten zu sehen. Zumindest die Art von Frauen denen es nach Abenteuer beliebt. Das seid ihr doch, oder? Ihr seid eine Abenteurerin." Das schmierige Gerede dieses Kerles war bereits jetzt schon Grund genug für sie ihn nicht ausstehen zu können. Jedes einzelne weitere Wort aus seinem Mund war unausstehlicher als das vorherige.
„Mir ist die Bezeichnung professionelle Reliktkundschafterin lieber."
„Ich verstehe. Dann seid ihr also eine Dame vom Fach, das ist ja interessant! Auch wenn ich so etwas wie eine Reliktkundschafterin beim besten Willen noch nie gehört habe. Für wen kundschaftet Ihr denn?"
„Wer mich schickt, sollte nicht von Belangen sein.", entgegnete sie ihm mit einem kurzen ernsten Blick. „Die letzten Tage bin ich durch die Wüste gewandert, nur um hierher zu kommen. Meinem Auftraggeber ist das was ich hier mache sehr wichtig und er verlangt äußerste Diskretion von mir."
„Ich glaube...", begann er, bevor sein aufgefüllter Krug vor ihm platziert wurde und er hastig einen Schluck nahm. „Ich glaube, ich weiß warum Ihr hier seid." Er strich sich durch seinen kümmerlichen Bart. „Die Grabstätte von Jalameel!" Seine Aussage unterstrich er mit einem Schnipsen, als wäre er auf die Lösung eines schwierigen Rätsels gekommen. „Was sonst sollte Euch hierherführen? Was sonst sollte so wichtig sein, dass ihr eine so beschwerliche Reise auf Euch nehmt?"
„Wer weiß?", antwortete sie nur.
„Ich glaube zu wissen." Er nahm einen weiteren Schluck und rückte dann ein unangenehmes Stück zu ihr herüber. „Und ich glaube auch, dass ich helfen kann.", flüsterte er. „Denn zufälligerweise kennt sich hier keiner besser mit diesem Ort aus. Das heißt, wenn Ihr zur Grabstätte wollte, dann bin ich Euer Mann." Genau auf diese Worte hatte sie gehofft. Möglicherweise würde das Ganze sogar noch einfacher werden, als sie es sich vorgestellt hatte. Das schwierigste stand ihr jedoch noch bevor.
„Nun, ich brauche keinen Touristenführer. Ich mache das lieber auf meine Art."
Der Mann lachte kurz auf. „Gut. Das heißt dann also Ihr wisst von dem Labyrinth im Inneren der Grabstätte. Und natürlich kennt Ihr auch den schnellsten Weg da hindurch, ohne Euch dabei zu verlaufen. Und Ihr wisst wie man die Kammer am Ende des Weges öffnet. Ganz zu schweigen von den vielen versteckten Fallen." Als er dann weitersprach, bemühte er sich seinen Tonfall wieder etwas zu senken. „Wenn Ihr Kundschafterin seid, was springt für Euch dabei raus? Ihr geht da hin und ebnet den Weg für irgendjemanden, der sich dann über den Schatz hermacht? Aber wenn Ihr gerne für eine kümmerliche Provision in Lebensgefahr schwebt, tut Euch keinen Zwang an."
„Meine Aufgabe ist es herauszufinden ob sich die Bergung eines Schatzes lohnt. Und oftmals kam es vor, dass der eine oder andere Schatz dann gar nicht, oder gar nicht mehr, existiert hat. Darum setzt man mich ein."
„Glaubt mir, er existiert!" Er schaute sich kurz nach beiden Seiten um, als befürchtete er, sie würden belauscht werden. Dann flüsterte er: „Der Reichtum der dort wartet, ist unvorstellbar! Würdet Ihr diesen Schatz finden, würdet Ihr niemals wieder Kundschafter für irgendjemanden spielen müssen." Es folgte eine lange Pause, bis er ein zusammengefaltete Karte aus einer Seitentasche hervorholte. Er legte die noch gefaltete Karte auf den Tresen und schob sie vor ihr Gesicht.
„Sagt mir endlich worauf Ihr hinaus wollt.", entgegnete sie angespannt.
„Ich weiß von dem Schatz, wo er liegt und wie man dort hingelangt. Das einzige was ich noch brauche, das ist ein Partner. Ich brauche jemanden, der mir den Rücken freihält. Ich brauche jemanden der mich auf meinem Weg unterstützen kann. Und ich glaube dieser Jemand könntet Ihr sein."
Seine Worte entlockten ihr ein müdes Lächeln. „Ein verlockendes Angebot."
„Und ob!" Wieder musterte er die weitentfernt sitzenden Leute, die sich überhaupt nicht für ihr Gespräch interessierten. Allmählich schien ihn Paranoia zu überkommen. Sein verlogenes Lächeln blieb ihm jedoch nach wie vor im Gesicht. „Ich habe Karten.", flüsterte er nun wieder. „Karten für die Grabstätte und welche für das Labyrinth. Drei Karten zeigen den direkten Weg durch das Labyrinth. Eine davon hab Ihr gerade vor Euch liegen."
Behutsam entfaltete sie das alte Pergament und offenbarte eine unübersichtliche Ansammlung an verblassten schwarzen Strichen, welche die Gänge des Labyrinthes darstellten. Unzählige Kreuzungen und Überschneidungen endeten abrupt am oberen Ende der Karte, dem offensichtlichen Anfang der nächsten Karte. Eine ungleichmäßige und kaum zu erkennende rote Linie führte durch die aufgezeichneten Gänge hindurch. Es sah fast so aus, als wäre der richtige Weg mit Blut markiert worden.
„Woher stammt das?", wollte sie sogleich wissen.
„Entschuldigt, aber die Namen meiner Quellen verrate ich generell nicht."
„Kann mir auch egal sein von wem Ihr das habt, solange diese Aufzeichnungen verlässlich sind." Daraufhin faltete sie die Karte wieder zusammen und gab sie zurück.
„Aber selbstverständlich sind das zuverlässige und präzise Dokumente! Ihr müsst wissen, ich habe die ganze Sache ja schon selbst sehr lange geplant. Die ganzen Wege, Gefahren und Hindernisse, bin ich unzählige Male immer und immer wieder durchgegangen. Alles was mir bislang gefehlt hat, war ein Begleiter. Doch jetzt wo Ihr hier seid, bin ich vielleicht endlich am Ende meiner Suche angelangt."
Sie nahm sich eine Weile bevor sie antwortete. „Nehmen wir mal an, wir überleben das alles und der Schatz ist unser. Wie ist die Aufteilung?"
„Achtzig, Zwanzig.", antwortete er rasch und mit einer Selbstsicherheit in seiner Stimme, als könne man sein Angebot gar nicht ausschlagen. „Ihr versteht doch sicherlich, dass mir durchaus etwas mehr zusteht. Immerhin steure ich das Wissen und die Dokumente aus zuverlässigen Quellen bei.", fügte er dann noch hinzu.
Sie antwortete lediglich mit einem kühlen Blick, den er kaum einen Moment standhalten konnte.
„Nein?" Er nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Krug. „Siebzig, Drei... Wisst Ihr was?", meinte er mit zwanghaft erheitertem Unterton. „Die Hälfte für jeden! Was haltet Ihr davon?"
Ihr war klar, dass dieser Idiot offensichtlich niemals zuvor größere Geschäfte getätigt hatte, doch das war ihr auch egal. Sie hätte zu so ziemlich jedem Geschäft eingewilligt, wäre er hartnäckig geblieben.
„Ich habe mich in den letzten Tagen hier ein wenig umgehört, was die Einheimischen über die Grabstätte wissen. So ziemlich jeder sagte mir das Gleiche. Es sei ein gefährlicher und unheiliger Ort geworden, voller Tod und Heimtücke. Das höre ich jedoch ständig. Was mich allerdings mehr beunruhigt hat, war dieses Monster das sie alle erwähnten. Muss wohl vor nicht ganz allzu langer Zeit dort eingezogen sein."
Der Mann hielt sich den Zeigefinger vor die Lippen und musterte sogleich den Barkeeper, der aber weit genug entfernt war, um nichts gehört zu haben. „Ich würde niemanden raten das hier so laut auszusprechen."
„Das haben mir die Leute die ich befragt habe auch gesagt.", stimmte sie zu.
„Ich weiß auch von diesen Geschichten, aber mehr sind sie auch nicht. Es sind bloß Geschichten, die man seinen Kindern erzählt, damit sie nicht auf die Idee kommen an diesen Ort zu gehen. Das ganze spricht sich eben herum und wird von Mund zu Mund immer dramatischer, das ist alles. Wenn nun jemand dort reingeht und nicht wieder herauskommt... dann denken alle sofort es wäre dieses Tier gewesen." Seine Fingerspitzen begannen nervös auf den Tresen zu klopfen.
„Tier?", wiederholte sie.
„Oder Monster. Tier oder Monster, Geist, wer weiß das schon?"
„Und das kommt öfters vor?"
„Das jemand zu Schaden kommt? Nein." Er nahm einen großzügigen Schluck, der sein bereits zweiten Krug wieder zur Hälfte leerte. Allmählich begann er es mit der Trinkerei zu übertreiben. „Nein, der letzte Vorfall ist schon etwas länger her.", fügte er noch hinzu.
„Und was ist damals geschehen?"
„Ich weiß es nicht. Dieser Typ ging rein und kam nicht wieder. Wenn ihn nicht ein paar Leute hier aus der Stadt gekannt hätten, wäre es erst gar niemanden aufgefallen. Es gibt tausende Möglichkeiten was mit ihm geschehen ist. Dass er von einem,... einem Monster getötet wurde, halte ich aber für die unwahrscheinlichste."
„Und wie soll dieses Monster denn genau aussehen?" Ihre Fragen schienen ihn zunähmst nervöser zu machen.
„Warum fragt Ihr das alles?"
„Ich will nun mal eben ganz genau wissen worauf ich mich da einlasse."
Daraufhin strich er sich mit einem Seufzer durch seine kurzen Haare. „Jeder sagt da etwas anderes zu seinem Aussehen. Ich persönlich halte es jedoch sowieso für völligen Unsinn."
„Dann denkt offensichtlich nur Ihr so. Ansonsten hättet Ihr doch mit Sicherheit schon längst einen Partner gefunden."
Der Mann verschränkte seine Arme. „Ihr solltet Euch nicht zu sehr auf ein Ammenmärchen wie dieses versteifen. Die Meisten tun es eben doch und fürchten sich. Das ist der einzige Grund, warum mich niemand begleiten will. Man erreicht nur etwas, in dem man etwas riskiert. Und für diesen Schatz würdet Ihr bis ans Ende der Welt gehen, glaubt mir."
Ohne ein weiteres Wort stand sie auf, holte Ihren Geldbeutel hervor und legte das Geld für ihr Getränk auf den Tresen. „Die Beute, egal wie viel, wird genau auf uns beide aufgeteilt. Wir gehen den schnellsten Weg bis zur Kammer und wieder zurück, das heißt keine Umwege. Irgendwelche faulen Tricks und ich bin die einzige Person die diesen Ort wieder verlassen wird. Und wenn uns da wirklich irgendein Ungeheuer erwarten sollte, und wir das ganze überleben, werde ich Euch die Zähne ausschlagen."
Der Mann stand auf und streckte seine Hand aus. „Dann sind wir also im Geschäft?"
Sie entgegnete seiner Geste und nach einem Händedruck nahm er seinen Krug und trank alles sich noch darin befindliche in einem Zug.
„Morgen bei Sonnenaufgang treffen wir uns an der südlichen Stadtgrenze, und zwar nüchtern."
Er entgegnete auf Ihre Aufforderung nur mit einem dreckigen Grinsen. „Mein Name ist übrigens Carvest. Verratet Ihr mir auch Euren?"
„Meinen Namen braucht Ihr nicht zu kennen. Seid morgen einfach pünktlich und vorbereitet. Ich will keine Zeit verschwenden!" Noch ehe Carvest antworten konnte, hatte sie ihm auch schon den Rücken zugedreht und war auf dem Weg nach draußen, verfolgt von den Blicken der vier merkwürdigen Männer an ihrem Tisch.
Am darauffolgenden Tag war es tatsächlich Carvest, der als Erster an den südlichen Eingangstoren der Stadt wartete, noch ehe die Sonne anfing aufzugehen. Selbst für eine Reise die nur ein paar Tage dauern würde, fiel sein Gepäck äußerst spärlich aus. Ein offensichtlich kaum bepackter Rucksack, unter dem eine zusammengerollte Decke festgeschnallt war und ein kleiner Trinkschlauch an der Seite, mehr nicht.
„Und ich dachte schon Ihr kommt nicht.", entgegnete er ihr mit einem Lachen, als sie sich ihm näherte. Sofort stieg ihr der üble Geruch einer Alkoholfahne in die Nase. Sicherlich hatte er sein Geschäft vergangenen Abend noch gebührend gefeiert. Aber immerhin schien er auf seinen Beinen stehen zu können und ansprechbar war er ja auch.
Dann musterte er den goldenen Griff des langen Krummschwertes an der Seite der Frau. „Na was habt Ihr denn da ?" Er scheute sich nicht seine Neugier zu zeigen und strecke seine Hand nach der Waffe aus.
„Das dient nur zur Selbstverteidigung.", antwortete sie mit einem Schritt nach hinten.
„Und Ihr könnt damit umgehen?" Er grinste spöttisch.
„Besser als Ihr vielleicht glaubt."
Er deutete auf den Verband an ihrem rechten Arm. „Diese Verletzung da sagt mir aber was anderes.", argumentierte er.
„Das hat einen anderen Ursprung." Dann verdeckte sie mit ihrem langen Gewand den Griff des Schwertes und deutete durch das Tor hindurch auf den Horizont, der sich allmählich zu verfärben begann. „Es dürfte nicht zu weit bis zur Grabstätte sein. Wahrscheinlich ein halber Tagesmarsch, vielleicht etwas mehr."
„Ihr seid ja bestens informiert. Also dann, gehen wir los!"
„Sicher dass Ihr alles bei Euch habt?" Sie drehte sich zur Seite, um den vollgepackten Beutel auf ihrem Rücken zu zeigen. „Auch wenn es keine lange Reise werden sollte, bin ich doch gerne vorbereitet."
„Weniger ist mehr.", meinte Carvest darauf. „Ich verlasse mich lieber auf meinen Verstand und meine bevorzugten Waffen,... sind die hier." Daraufhin hob er stolz seine beiden Fäuste nach oben und ging los.
„Betrunkener Idiot!", murmelte sie.
Als die Sonne etwa zur Mittagsstunde über ihnen stand, konnte man bereits die Umrisse eines großen Steinbogens in der Ferne ausfindig machen.
„Da vorne ist es.", meinte Carvest nach einem Schluck aus seinem Trinkschlauch. „Ist wirklich nahe an die Stadt gebaut worden."
„Die Stadt wurde nahe an das Grabmal gebaut.", korrigierte sie ihn.
„Was?"
„Das Grabmal existierte vor der Stadt. Jalameel war ein großer König, mit tiefer Verbundenheit zu seinem Volk. Als seine Grabstätte hier errichtet wurde, pilgerten die Bewohner der umliegenden Dörfer alle in die Nähe ihres verstorbenen Königs. So entstand dann mit der Zeit eine neue Stadt, nicht weit vom Grabmal entfernt."
Carvest runzelte die Stirn. „Davon habe ich ja noch nie gehört. Klingt ziemlich umständlich."
„Glaubt mir, so ist es aber. Auch ich habe zuverlässige Quellen."
Von nun an wurde das Vorankommen stätig kräftezehrender. Die Verlockungen nach den Wasserreserven wurden größer und größer. Doch sie mussten noch an den Rückweg denken, der den sparsamen Umgang mit dem Wasser voraussetzte. Sie wollte sich kein zweites Mal halbverdurstet durch den heißen Wüstensand quälen.
Sie war froh darüber, dass sie den ganzen bisherigen Weg ohne Gespräch hinter sich gebracht hatten. Ein weiterer Machospruch aus Carvests Mund, und sie hätte ihn unter der nächsten Düne lebendig begraben. Die Umrisse der Grabstätte rückten näher, die Beunruhigung der Ungewissheit stieg in ihr. Dabei hatte sie das doch schon so oft getan, auch wenn es dieses Mal etwas herausfordernder werden könnte. Liebte sie nicht eigentlich genau das? Sich etwas völlig Neuem zu stellen, die Herausforderung zu bezwingen, genau das alles trieb sie doch an hierher zu kommen. Ansonsten hätte sie den Kampf schon längst aufgegeben. Trotzdem war da dieses merkwürdige Gefühl, das sie bereits seit Antritt ihrer Reise verspürte. Doch niemals hätte sie sich selbst eingestanden, dass es Angst sein könnte. Angst, nach all dem was sie gesehen und erlebt hatte? Nein, und da war sie sich absolut sicher. Vielleicht war es bloß ein unwahres Bauchgefühl, nicht mehr und nicht weniger. Letztendlich gab es so kurz vor ihrem Ziel sowieso kein Zurück mehr.
Als sie dann am frühen Nachmittag unter dem hohen Torbogen standen, der die Treppe zum Eingang zierte, glich der Ort auf dem ersten Blick einer geplünderten Ruine. Am Ende der breiten und halb im Sand versunkenen Treppe führte ein überraschend kleiner Durchgang in die Felswand hinein. Offensichtlich wollte man nicht, dass das, was auch immer sich darin befand, entkommen konnte. Der Torbogen selbst und die Steine, die den Weg pflasterten, waren mit seltsamen Symbolen versehen. Die meisten jedoch schon sehr verwittert und ohnehin nicht zu entschlüsseln. Eine Fassade aus geschliffenem Stein, einst musste sie den Eingang geschmückt haben, lag fast gänzlich zerstört auf den Boden. Hier, umringt von Felsen, wehte kaum Wind, flog kein Sand umher. Es war plötzlich noch Stiller als zuvor schon.
„Da wären wir.", meinte Carvest, als wäre es nötig gewesen dies zu erwähnen. Dann brachte er eine Holzfackel und ein rundes verschlossenes Gefäß aus seinem geöffneten Rucksack hervor. Er öffnete das Gefäß und tauchte das in Leinen eingewickelte Ende der Fackel ein paar Mal hinein.
„Wart Ihr schon einmal hier?", fragte sie ihn, auch wenn sie die Antwort längst kannte.
„Schon oft, ja.", antwortete er und versuchte unterdessen die Fackel mit Feuersteinen zu entzünden. „Ich bin aber niemals reingegangen."
„Wieso seid Ihr denn dann so oft hierhergekommen?"
„Die Symbole." Er deutete auf die kryptischen Zeichen auf den Boden. „Sie beschäftigen mich schon die ganze Zeit."
„Ach, ist das so?", entgegnete sie skeptisch.
„Ich liebe Rätsel." Ein Funke traf auf die Substanz, mit der das Leinentuch getränkt war und sofort entfaltete sich eine große Flamme. Anders, als jede andere Flamme die sie zuvor gesehen hatte, tanzte diese auf der Fackel im Duett mit dunklen und hellen Blautönen. Es knisterte kurz. Die Flamme beruhigte sich, pendelte sich in ein gleichmäßiges und helles Dasein ein. Deutlich erkennbar war die Faszination in ihrem Blick.
„Was ist das?", wollte sie erstaunt wissen.
„Etwas ganz Besonderes." Carvest lächelte durch das blaue Feuer hindurch. „Ist von einem Händler aus der Stadt. Es brennt besser und länger als alles andere."
So recht wollte sie ihm das allerdings nicht glauben. Ihre Neugierde war geweckt und vielleicht würde sie sich ja das Gefäß zu gegebener Zeit einfach von ihm nehmen. Sie machte eine an sich vorbeiführende Geste um Carvest mit der Fackel vorgehen zu lassen. Die steinigen Wände des schmalen Durchganges wurden von der blauen Flamme erhellt, die Unebenheiten warfen lange Schatten. Mit jedem weiteren Schritt wurde es spürbar kühler. Dann, nach einigen Metern, die sie sich seitlich durch den Durchgang quetschen mussten, kamen sie in einen großen Raum. Alle vier Wände waren überzogen mit Schriftzeichen und Bildern, die mühsam in den Stein gemeißelt wurden. Es existierte ein einziger Weg, der sie weiterführte, direkt vor ihnen. Über diesen Durchgang war eine Sonne in den Stein eingearbeitet. Mit gewecktem Interesse an der Gestaltung des Raumes, nahm sie Carvest die Fackel aus der Hand und hielt sie nach oben. Auf der linken Seite der Sonne war ein Mensch zu sehen. Er saß auf einem Thron und hielt in der einen Hand so etwas wie ein Zepter. Auf der rechten Seite stand das Abbild einer Kreatur, die an eine Schlange erinnerte. Ihr Körper war lang und gewunden, ihr Kopf jedoch unterschied sich von dem einer Schlange. Unter der Sonne befanden sich die Silhouetten vieler Menschen. Sie sollten offensichtlich ein Volk darstellen.
„Na los, weiter!", befahl Carvest ungeduldig.
Als sie den Raum verließen taten sich vor ihnen einige Treppenstufen auf. Sie stiegen sie empor und fanden sich in einer Art Eingangshalle wieder. Massive Steinsäulen reihten sich links und rechts von ihnen in einen langen und hohen Durchgang in Richtung eine Saales ein. Die blaue Flamme der Fackel ließ ein in den Boden gemeißeltes Bild erkennbar werden, das zwei Köpfe der selben schlangenartigen Kreatur darstellte. Der eine Kopf zeigte nach links, der andere nach rechts. Gerne hätte sie es sich genauer angesehen, doch da war Carvest mit der einzigen Lichtquelle an diesem finsteren Ort auch schon weitergegangen.
Sie standen in der Mitte des Saales, der abgesehen von dem Weg den sie gerade gegangen waren drei Torbögen in je eine andere Richtung offenbarte. Hier und dort standen alte verstaubte Vasen in Ecken herum, doch größtenteils war er leer. Dort hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, dass sie und Carvest nicht alleine waren. Aus ihrem Augenwinkel konnte sie etwas Sand an einer der hohen Wände herunterrieseln sehen. Ihrem Partner schien es jedoch weniger Sorgen zu machen als ihr. Sie blickte nach oben, doch sah nichts als Schwärze. Wie hoch musste diese Decke sein, dass nicht einmal die helle blaue Fackel sie erleuchten konnte?
„Und jetzt? Wo müssen wir lang?", fragte sie Carvest.
Dieser drehte sich kurz um seine eigene Achse und deutete fast willkürlich wirkend auf den Torbogen links von ihnen. „Da entlang!"
„Ihr seid Euch da sicher?"
„Die Karten kenne ich nahezu auswendig.", argumentierte er und schritt voran in die seiner Meinung nach richtige Richtung.
Der Gang hinter dem Torbogen wurde schmäler, behielt aber letztendlich eine Breite bei, die vier oder fünf Mann mühelos nebeneinander hätten passieren können. Erst als sie von dort aus den ersten Zwischenraum erreichten, beschloss Carvest doch die Karte für ihr weiteres Vorankommen zu benutzen. Sie bogen ab in einen weiteren Gang, passierten wieder einen kleinen Raum und folgten nun erneut einem anderen Weg. Dass Carvest keine Ahnung davon hatte was er da tat, war ihr zu diesem Zeitpunkt natürlich längst bewusst. Immer wieder hörte sie Geräusche und schon bald war sie sich in ihrer Annahme sicher. Irgendetwas schien sie bereits zu verfolgen. Die Fackel ließ die Wände des Ganges vor dem vierten Raum in einem dunklen Blau erkennbar werden. Zuerst schenkte sie der merkwürdigen Spur an einer der Wänden keine Aufmerksamkeit, bis sie näher heranschritt. Es war Blut. Eine ungleichmäßige Blutspur zog sich an der Wand entlang bis zu ihrem Ende. Sie verlangsamte ihre Schritte unbemerkt, während Carvest weiter voranging. Er blieb in der Mitte des nächsten Raumes stehen. Dieser war wieder bedeutend größer als die letzten.
„Wie wäre es, wenn wir hier eine kurze Pause machen?", schlug er vor. „Ich habe Durst, mein Hals ist auch schon ganz..." Carvest hielt inne als er das Fehlen einer Begleiterin bemerkte. „Hallo?", rief er während er seine Fackel in alle Richtungen lenkte. „Wo seid Ihr?" Er ging zurück in den Gang von dem sie kamen, doch auch dort war keine Spur der jungen Frau. Gerade wollte er sich wieder herumdrehen, als er von hinten gepackt wurde und kalten Stahl an seiner Kehle spürte. Die Fackel fiel ihm aus der Hand. „Miststück!", zischte er, ehe er husten und nach Luft ringend zu Boden fiel. Eine Blutlache tat sich vor ihr auf, nur wenige Momente später, und in Mitten lag Carvest.
Sie nahm seinen Rucksack und durchsuchte auch seine Taschen, fand jedoch nichts von Belangen. Dann kniete sie sich neben der Fackel hin, holte die Karte hervor und markierte aus dem Gedächtnis heraus den Weg den sie bislang gegangen waren. Ein letztes Mal blickte sie noch zu Carvest leblosen Körper bevor sie die Fackel nahm und ihren Weg weiter durch den nächsten Raum hindurch fortsetzte. Dabei zeichnete sie stets ihr Vorankommen auf der Karte ein. Zumindest hatte er in diesem Punkt die Wahrheit gesagt, denn die Karten schienen tatsächlich mit dem alten Gemäuer übereinzustimmen.
Gerade gelangte sie an eine weitere Wegkreuzung an und warf einen Blick auf die Karte, als sie ein tiefes Grollen hören konnte und dann ein Kratzen auf Stein. Sie wurde allmählich nervös. Es waren jedoch nicht unbedingt die Geräusche, oder das was sie verursachten, sondern viel mehr die engen Gänge und winzigen Räume um die sie sich sorgte. Hier hatte sie nicht genügend Platz um zu kämpfen, saß praktisch wie auf einem Serviertablett. Was hier lebte, hatte keine andere Wahl als zu lernen wie man sich unbemerkt in der Dunkelheit versteckt. Abermals schaute sie auf die Karte um zu wissen welchen der Wege sie als nächstes gehen musste um ihr vorläufiges Ziel zu erreichen. Nicht mehr weit von ihr gab es laut Karte wieder so etwas wie einen Saal oder einen langen breiten Gang. Genau konnte sie die größtenteils verblassten Symbole nicht erkennen, die sich auf diesem Teil der Karte befanden. Zunächst musste sie jedoch dem unangenehmen Kratzen in ihrem Hals Abhilfe schaffen. Die Fackel stecke sie in eine leere Halterung an einer der Wände und räumte davor Carvests Rucksack aus. Er brauchte das Wasser bestimmt nicht mehr. Es überraschte sie nicht, als zwei der drei Flaschen mit Hochprozentigem gefüllt waren, während seine einzig Wasserflasche bereits zur Hälfte geleert wurde und sein Trinkschlauch bereits leer war. Offensichtlich hatte er fest damit gerechnet ihr den Proviant entledigen zu können. Sie trank und hoffte dabei es sich nicht für mehrere Tage einteilen zu müssen sondern die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
„Wen haben wir denn da?"
In einer einzigen schnellen Bewegung riss sie Fackel von der Wand und zog ihr Schwert. Doch es war niemand zu sehen. Sie ging aufmerksam von einer Ecke des Raumes in die nächste. Dort war niemand.
„Eine Abenteurerin wie mir scheint.", sagte die unbekannte tiefe Stimme. „Ja, eine Abenteurerin vielleicht. Eine Halunkin? Sehr gut möglich." Das Echo war aus jeder Richtung zu hören, unmöglich hätte sie sagen können woher die Worte kamen. „Eine Mörderin? Ja, gewiss!", zischte die Stimme.
„Wer spricht da?", rief sie in die Dunkelheit hinein. Auch Minuten später folgte keine Antwort. Sie packte ihre Sachen wieder zusammen und ging behutsam weiter. Ihre aufmerksamen Blicke wechselten stets den Winkel. Sie drehte sich um, dann wieder nach vorne, schaute auf zur Decke und blickte zu den Mauern links und rechts von ihr.
„Wonach sucht Ihr?", hörte sie die Stimme fragen. Dieses Mal klang es so als sie weit vor ihr am Ende des Ganges.
„Wer will das wissen?", antwortete sie nach einer Weile. Nun wurde sie sich der wahrlichen Herausforderung bewusst, als sie in den großen Saal trat. Als sie das in Finsternis gehüllte Bauwerk aus Säulen im schwachen Schein ihrer Fackel größtenteils nur erahnen konnte, wurde ihr ganz mulmig. Dieses Wesen konnte sich dort unbemerkt frei bewegen, sie angreifen aus jeder erdenklichen Richtung.
„Ich schätze Ihr sucht nach dem Schatz, wie schon so viele. Offensichtlich scheint Ihr jedoch nicht teilen zu wollen.", bemerkte die Stimme.
„Wieso?"
Sie konnte hören dass er nahe war, irgendwo in der Dunkelheit auf sie lauerte. „Wegen Eurem Partner. Ihr scheint Euch nicht sehr nahe gestanden zu haben."
„Das war nicht mein Partner." In diesem Moment kam Ihr ein Idee. „Ich sollte Ihn töten. Auf seinem Kopf war eine hohe Geldsumme ausgelegt. Er hatte noch einige Rechnungen bei Leuten offen, die sehr unangenehm werden können."
Sie konnte das Echo eines leisen und bitteren Lachens hören. „Ganz wie Ihr meint."
„Und nun habe ich mich verlaufen.", fügte sie noch hinzu.
„Verlaufen? Trotz einer Karte verlaufen?"
Wie konnte er von den Karten wissen? Ihr wurde klar, dass er sie besser im Auge hatte, als sie zuerst glaubte.
„Die Karten? Die sind alle falsch!", log sie das unsichtbare Wesen in der Dunkelheit an. „Das sind nur irgendwelche Attrappen, mit denen er mich hierher locken wollte."
„Und Ihr habt kein Interesse an dem Schatz?", wollte die Stimme wissen.
Erneut überschlugen sich ihre Gedanken, sie musste sich schnell etwas einfallen lassen. „Ich habe von dem Schatz gehört, doch ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass er noch existiert."
„Aber nein, natürlich existiert er noch! Keiner hat es bisher geschafft, ich bin Zeuge."
„Und wahrscheinlich auch der Grund dafür.", entgegnete sie.
„Nein, wo denkt Ihr denn hin? Sie haben sich alle stets selbst zu Tode gehungert, in tiefe Abgründe gestürzt oder von Giftpfeilen dahinraffen lassen. Aber bei Euch..."
Sie war froh darüber die Stimme weiterhin nur aus der Ferne zu hören. Langsam ging sie in der Mitte des Saales entlang. Zu ihrer Linken und Rechten standen mannshohe Urnen zwischen riesigen Steinsäulen. Das blaue Leuchten der Fackel reflektierte sich im Marmor und verlor sich auf dem dunklen Weg vor ihr. „Was? Was ist mit mir?"
„Eine Frau, das ist mir neu. Es hat sich wirklich noch nie eine Frau hier hineingewagt, und ganz alleine noch dazu. Ihr scheint entweder unglaublich lebensmüde oder mutig zu sein."
„Letzteres.", vergewisserte sie der Stimme.
„Ich möchte auf den Punkt kommen.", zischte es aus der Dunkelheit. „Ich weiß wo der Schatz ist. Es wäre eine Leichtigkeit für mich Euch dort hinzubringen. Was meint Ihr? Wollt Ihr Euch etwas dazuverdienen?"
Unter normalen Umständen wäre sie natürlich niemals auf so ein Angebot eingegangen, doch in diesem Fall war es genau das, worauf sie gehoffte hatte. „Und im Gegenzug?"
„Ihr meint was ich davon habe? Nun, ich vermute heute bin ich sehr wohltätig. Ich habe doch sonst nichts zu tun hier unten. Lasst mich Euch helfen. Ihr seid hier schneller wieder draußen und obendrein reicher, als Ihr es Euch vorstellen könnt.", lauteten seine heimtückischen Worte.
„Also, dann zeigt mir mal den Weg zu diesem Schatz."
Selbstverständlich wusste sie, dass er sie niemals zu diesem Schatz führen würde. Eifrig notierte sie weiterhin die Wege die sie ging auf der Karte. Auch nach längerer Zeit war dieses Versteckspiel noch immer nicht beendet. Er ließ nur von sich hören, wenn er an einer Kreuzung oder Weggabelung einen neuen Kurs dirigierte. Irgendwie musste sie ihn zum Sprechen bekommen, sodass sie sich zumindest eine ungefähre Ahnung zu seiner Distanz machen konnte. Sie hoffte nur er würde sich bald zeigen. Doch bis dahin, ließ sie ihr Schwert stets gezogen, ihre Blicke wachsam jeden Winkel um sie herum absuchen.
„Ich weiß immer noch nicht mit wem ich das Vergnügen habe.", sagte sie schließlich nach einer langen kommunikativen Pause.
„Sicher, dass eine so hübsche junge Dame wie Ihr es seid erfahren möchte auf wen sie hier unten, in den Ruinen eines Grabmales, gestoßen ist?" Seine Stimme klang beachtlich nahe.
Sie verlangsamte Ihre Schritte. „Ich bin eben neugierig."
Als die Stimme nichts darauf antwortete sprach sie weiter: „Ist ja ziemlich irreführend, diese ganzen Wege hier. Ich hoffe Ihr kennt den Weg heraus aus dem Labyrinth, das mir noch bevorsteht." In Wirklichkeit hofft sie jedoch erst gar nicht so weit gehen zu müssen.
„Bevorstehen? Ihr seid bereits mittendrin."
Verwirrt über diese Aussage legte sie die Fackel vor sich und entfaltete die Karte. Nun viel es ihr auf, der nächste Raum war einer der ersten bei ihrer Ankunft gewesen. Egal welchen Weg sie bei der nächsten Gabelung nahm, sie würde unweigerlich an dem selben Ort erscheinen, dem Anfang.
„Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg.", warf sie ihm vor.
„Was genau sagt Euch das?".
„Ich glaube schon einmal hier vorbeigelaufen zu sein.", antwortete sie und verschwieg den Blick auf die angeblich falsche Karte.
„Glaubt mir, das ist der richtige Weg.", entgegnete die Stimme selbstsicher.
Auch wenn ihre Schritte nun schneller wurden blieb ihre Aufmerksamkeit noch immer auf die Dunkelheit gerichtet, die sie umgab. Sie erreichte die Gabelung.
„Rechts.", ließ die Stimme verlauten.
Da es laut Karte egal war welchen Weg sie an diesem Punkt nahm, entschied sie sich auch für den rechten Torbogen. Der folgende Gang war nur kurz, weshalb sie sich sehr schnell wieder an einer Kreuzung fand. Doch etwas stimmte hier nicht. Das war nicht einer der Räume vom Anfang. In der Mitte wurde der Boden von einer Art Rune geziert, die einen Halbmond zeigte. Verdutzt warf sie erneut einen Blick auf die Karte. Dort hatte sie eine Linie eingezeichnet, die direkt durch diesen Raum führte. Sie musste sich etwas falsch notiert haben. Ernüchterung machte sich in ihr breit. Die ganze Zeit über konnte sie sich in Sicherheit fühlen den Ausweg aus dieser Ruine zu kennen, doch jetzt hatte sich das alles in Luft aufgelöst.
„Verdammt! Dieser Idiot und seine zuverlässigen Quellen!", fluchte sie.
„Hier entlang." Die Stimme kam eindeutig aus dem Gang rechts von ihr. Sie musste später einen Weg heraus aus dieser dunklen Ruine finden, denn zu allererst war da noch diese Kreatur. Sie faltete die Karte zusammen, nahm die Fackel und ging mit gezogenem Schwert in die Richtung aus der die Stimme schallte.
„Ihr wirkt etwas nervös.", bemerkte die unmenschliche Stimme nach einer Weile. „Habt Ihr es mittlerweile selbst erraten?"
„Was erraten?" Nach einer kurzen Überlegungen dämmerte es ihr, was die Kreatur meinen könnte. „Ja, ich weiß was Ihr seid.", antwortete sie schließlich. „Meine Frage von vorhin bezog sich aber viel mehr auf Euren Namen."
Ein erheitertes tiefes Lachen schallte durch die engen Gänge der Ruinen. „Ihr seid wirklich die Erste, die mich so etwas fragen würde."
„Mein Name ist Naomi.", kam sie ihm entgegen.
Daraufhin folgte für eine ganze Weile Stille. Selbst als sie die nächste Wegkreuzung erreichte, konnte sie ihn nicht die Richtung weisen hören.
„Links.", zischte es aus einer undefinierbaren Richtung.
Müdigkeit überkam sie mit jeder weiteren Minuten. Wie lange war sie nun bereits dort unten unterwegs? Es wurde zunehmend kälter, trotz der brennenden Fackel in ihrer Hand. Doch erst als auch ihre Beine steif wurden, sie diese kaum noch spürte, bemerkte sie dass etwas nicht stimmte. Ihr Schwert fiel mit einem schallenden Klirren zu Boden. Ein Schwindelgefühl setzte ein und plötzlich fühlte sie sich ganz benommen. Sie presste ihren Rücken gegen die Wand, versuchte verzweifelt wieder zu Sinnen zu kommen, doch vergeblich rutschte sie zu Boden. Das letzte was sie sah, waren blaue verschwommene Flammen.
Es war ein merkwürdiges Gefühl aus einem Traum zu erwachen, die Augen zu öffnen und nichts als Dunkelheit zu sehen. Noch immer war Naomi ganz benommen. Sogleich tastete sie aber schon nach ihrem Schwert. Sie fand es nicht. War sie noch immer am gleichen Ort? Bemüht darum sich weiter in der tiefen Schwärze voran zu arbeiten, stieß sie auf ihr Gepäck und auch das von Carvest. Sogar die Fackel konnte sie nach einer Weile wiederfinden. Sie war zwar aus, doch sie konnte sich daran erinnern, dass Carvest in seinem Rucksack noch etwas von dieser brennbaren Flüssigkeit und Feuersteine aufbewahrt hatte.
„Wie ich sehe, bist du wieder auf den Beinen." Die Nähe seiner Stimme ließ ihr Herz schneller schlagen. „Ich bitte vielmals um Verzeihung! Wohlmöglich war es doch der Weg zu Eurer Rechten." Ein gehässiges Gelächter gesellte sich zu seiner Aussage.
„Das war pure Absicht. Ihr habt mich angelogen!"
„Jetzt tut bloß nicht so, als hättet Ihr es besser gemacht! Naomi, die Reliktkundschafterin. Naomi, die Kopfgeldjägerin. Naomi, die Diebin und Mörderin. Dummes unbeholfenes Mädchen!", zischte die Kreatur vor Wut. „Jedes einzelne Eurer Worte war gelogen. Und sicherlich sucht Ihr auch keinen Schatz!" Verwundert darüber, wie sie durchschaut werden konnte, wollte sie ihn doch noch vom Gegenteil überzeugen, doch ihr vielen einfach keine glaubhaften Worte ein. Lieber tastete sie weiter nach den Feuersteinen um endlich das Feuer wieder entfachen zu können und so hoffentlich auch ihr Schwert zu finden. „Aber was hat Euch dann hier an diesen Ort geführt? Hier gibt es sonst nichts, außer..." Die nun verwundert klingende Stimme hielt inne. „Ihr habt nach mir gesucht? Wieso?"
Naomi schmetterte die Steine aneinander und helle Funken erhellten kurz die Fackel, die vor ihr auf dem Boden lag.
„Wieso sucht ihr nach mir?!" Etwas packte sie an ihren Füßen. Gerade war es ihr gelungen mit einem weiteren Versuch die Fackel zu entzünden, da wurde sie auch schon aus dem hellen Schein der blauen Flamme herausgezogen. Sie schrie auf, schlug mit ihren Händen und Füßen umher, doch all ihre Bemühungen blieben vergebens. Etwas hatte sich um sie geschlungen, hielt sie fest an Ort und Stelle. Im blauen Schein der Fackel war ein Teil eines schuppigen Körper zu erkennen. „Keine Lügen mehr!" Zum ersten Mal konnte sie die tiefe Stimme klar und deutlich hören. „Was wollt Ihr von mir?", fragte die Kreatur, größtenteils noch immer in Dunkelheit gehüllt.
Naomi starrte die Schuppen an, die im blauen Licht zu erkennen. Ihre Farbe schien eine Mischung aus hellen und dunklen Brauntönen zu sein. „I-ihr seid nicht derjenige, nach dem ich gesucht habe."
„Erklärt mir das und hört auf in Rätseln zu sprechen!", befahl die Stimme ihr.
„Ich suche eine ganz bestimmte Kreatur, einen weißen Basilisken. Es ist zwar nur eine Legende, aber wenn es ihn wirklich gibt, dann muss ich ihn finden.", erklärte sie sich. „Als ich mich nach dieser Kreatur umhörte und keine Anhaltspunkte bekam erfuhr ich, dass nur noch sehr wenige von euch existieren. Deswegen wollte ich einfach jeder Spur nachgehen, in der Hoffnung irgendwann auf diesen Einen zu stoßen."
„Wie viele habt Ihr schon getötet?", wollte er wissen.
„Ihr seid der Erste auf den ich bislang gestoßen bin. Ich hörte von Gerüchten über die naheliegende Stadt und des Grabmales hier, dass sich dort ein Basilisk aufhalten soll. Der Sache bin ich nachgegangen und jetzt bin ich hier. Aber offensichtlich war das ein Reinfall. Ich brauche nur eine einzige Schuppe dieses Basilisken, mehr nicht. Ich will nicht töten, wenn ich nicht muss."
Der Griff der Kreatur um ihre Taille lockerte sich. Sie bemerkte, dass dies der Schweif der Kreatur war, der sie festhielt. „Und Carvest?"
„Er hätte mich getötet, das weiß ich. Und ich weiß auch, dass ihr ein gemeinsames Spielt gespielt habt. Woher hättet ihr sonst erfahren, dass ich mich Carvest als Kundschafterin ausgab? Er hat den Leuten zuerst unermesslichen Reichtum versprochen, um sie dann hier irgendwo zu töten und ihre Leichen dann auszubeuten. Ich habe das Blut in einem der Korridore gesehen, wahrscheinlich noch von seinem letzten Opfer. Ich weiß nur noch nicht ganz was Eure Funktion dabei war."
„Jetzt habt Ihr es aber geschafft mich zu überraschen.", bemerkte der Basilisk mit Verwunderung in seinen Worten. „Meine Funktion? Ich ließ es zu, dass er seine Taten weiterhin durchführen konnte, sonst hätte ich ihn schon vor langer Zeit selbst getötet. Doch er versprach mir zu helfen von diesem Ort zu entkommen."
„Und das habt Ihr ihm geglaubt?", warf Naomi skeptisch ein.
„Nein, nicht wirklich. Vielleicht glaubt Ihr es mir ja nicht, doch als ich Euch hier ankommen sah, war ich entschlossen es zu beenden. Niemals hätte ich zugelassen, dass dieser Rüpel einer so hübschen jungen Frau wie Euch schadet."
„Wie war das denn dann als Ihr mich betäubt habt?", wiedersprach sie ihm erneut.
„Wie Ihr schon sagtet, war das nur eine Betäubung... zumindest in dieser Dosierung. Und davon abgesehen, war das nicht meine Schuld." Seine starken Muskeln entspannten sich und gaben sie frei. „Dein rechtes Bein."
Auf seine Worte hin untersuchte sie ihr Bein und fand tatsächlich etwas. Ein winziger Dorn steckte kaum zu spüren oder zu sehen unterhalb ihrer Wade. Erst als sie das spitze Geschoss herauszog, stach es kurz. Das Projektil musste irgendein narkotisierendes Mittel enthalten haben. „Trotzdem war es Eure Wegweisung, ansonsten wäre ich vielleicht nicht in diese Falle getappt!", erwiderte sie.
„Ihr habt ja Recht. Anders hätte ich allerdings nicht sichergehen können, dass ihr nicht sofort auf mich einstechen würdet, hätte ich mich Euch genähert. Ihr seid raffiniert, ohne Frage, aber auch etwas naiv und voreilig." Der Basilisk trat aus der Dunkelheit hervor. Kurz sah Naomi seine grünen Augen aufblitzen, ehe sie sich mit geschlossenen Augen wegdrehte. „Was wisst Ihr über uns?", lautete seine Frage.
„Das was man über Eure Art wissen sollte."
Der Basilisk äußerte so etwas wie ein Seufzen. „Er überstreckt die Dünen der Wüste. Sein Körper ist stark wie ein Sturm und doch so elegant wie der einer Schlange. Er hat ein Maul, groß genug einen Mann zu verschlingen. Sein Antlitz, Schuppen, trügerisch schön und eins mit dem Sand. Er überlebt 7 Monate ohne Nahrung, doch ist immer auf der Jagd, hat 16 Klauen die dich töten, hunderte zähne die dich zerfleischen, gar tausend Jahre zu leben und unzählige Seelen verdammt, doch keinen einzigen Grund dich am Leben zu lassen. Sein Blick lässt dich zu Stein werden. Er sättigt sich an deiner Hilflosigkeit und seiner Unbarmherzigkeit, mit Begier nach mehr, die ihm innewohnt." Das Ende seines Schweifes umschlang sanft ihren Körper. „Diese Worte sind alt und falsch. Meine Blicke können niemanden in Stein verwandeln. Oder glaubt Ihr, dass ich das im Moment nötig hätte, Euch in Stein zu verwandeln?"
Sie öffnete ihre Augen und sah sich dieser mächtigen Kreatur gegenüber. Smaragdgrüne Augen waren auf sie fixiert. Der Kopf des Basilisken ähnelte mehr einer Echse als einer Schlange, aber mit unverkennbaren Details beider Kreaturen. Seinen echsenartigen Körper stemmten seine starken Arme und Beine über den Boden. Er begab sich dichter ans Feuer und sie konnte den hellen Farbton der Schuppen auf seinem Rücken erkennen, sowie die viel dunkleren an seiner Unterseite und die Übergänge der beiden Kontraste, die durch helle und dunkle Farbschemen unterbrochen waren.
„Früher, vor meiner Zeit, da betete man uns noch an.", meinte er. „Doch das ist heute alles verrufen und in Vergessenheit geraten." Sie konnte fühlen, dass sein Schweif sie erneut festzuhalten begann.
„Was werdet Ihr jetzt mit mir machen?" Trübsal begleitete ihre Frage.
„Ich weiß von diesem weißen Basilisken.", flüsterte er. „Doch kaum hätte ich gedacht, dass sich auch noch ein Mensch daran erinnern würde." Sein Haupt kam näher, sein Blick schien sie regelrecht zu durchbohren. Und irgendwie fühlt sie sich dann doch erstarrt, als sie sich in diesen wunderschönen Augen verlor. „Darum nehme ich Eure Angelegenheit ernst und möchte Euch ein Angebot machen." Ihr Herz begann zu rasen, als das kalte Ende seines Schweifes sich langsam den Weg unter ihre Kleidung bahnte. „Ich führe Euch zu diesem weißen Basilisken."
„W-wie kann ich sicher sein, dass Ihr mich auch wirklich dort hinbringt?"
„Keine Lügen mehr!", antworte er nur leise.
Das unbehagliche Gefühl seiner kalten Schuppen auf ihrem Körper staute sich in ihr. „Und was verlangst Ihr im Gegenzug von mir? Soll ich Euch hier herausholen?"
„Das ist die Voraussetzung dafür, dass ich Euch begleiten kann, meine Schöne." Es lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken, als seine Zunge ihren Hals berührte. Sie war feucht, glatt und gar nicht gespalten wie die einer Schlange. „Nein, ich möchte etwas anderes. Ich möchte dich.", flüsterte er.
„Was?! Nein!" Sie bemühte sich einen Moment lang aus seinem Griff zu entfliehen, doch es half alles nichts.
„Es ist so unglaublich langweilig hier unten. Seit dem ich hier bin gab es niemanden mit dem ich ein geistreiches Gespräch hätte führen können."
„Und was war mit Carvest?", entgegnete Naomi.
„Ich sagte geistreiches Gespräch. Davon abgesehen ist er jetzt tot. Ich glaube dafür sollte ich dir nochmals danken.", sagte der Basilisk und seufzte erneut. „Ich habe eine kleine Schwäche für dich, Naomi. Und du scheinst mir nicht ganz abgeneigt. Du wärst nicht die Erste, die sich mir hingeben würde. Ich hoffe, es ist nicht unangenehm wenn ich so persönlich und direkt zu dir spreche." Daraufhin löste sich sein Griff und der Schweif verschwand zügig in der Dunkelheit. Die Augen der Kreatur funkelten im Schein der Fackel und ließen noch immer nicht von ihr ab. „Nun, es ist ganz allein dein Entscheidung."
Es verging ein grässlicher Moment des Schweigens ehe sich Naomi leise zu Wort meldete. „Einverstanden." Sie konnte es sich nicht leisten auch nur einen Tag länger am falschen Ort zu suchen. Wenn er wusste wo sich dieser Basilisk befand, dann könnte sie es noch rechtzeitig schaffen. „Aber wir brechen so bald wie möglich auf."
„Ich werde dir den Weg zeigen.", versicherte er ihr erneut, während seine neugierigen Blicke sie ausgiebig musterten. „Fühl dich nicht schlecht dabei. Ich wette, es wird dir sogar gefallen!"
Auch wenn sie dieser Aussage nicht wirklich Glauben schenkte, blieb ihr an dieser Stelle nichts anderes mehr übrig, als ihm die kalte Berührung seiner spitzen Klauen und glatten Schuppen auf ihrem Körper zu genehmigen. Zuerst fühlte sie wieder seine feuchte Zunge an ihrem Hals. Sein Atem wärmte ihren ganzen Oberkörper. Der Schweif des Basilisken war wie eine Ranke um ihre Beine gewunden, arbeitet sich Stück für Stück mit sanften Berührungen zu ihr hinauf. Eine seiner Klauen lastete auf ihrer Schulter und versuchte langsam die Bekleidung von ihrer Haut zu streifen. Sie entschloss sich zu helfen, noch ehe er den Stoff völlig zerfetzten würde. Er sah ihre Brüste und sofort wechselten die zärtlichen Umrundungen seiner Zunge zu ihnen. Es überraschte sie ein wenig, wie gut sich dieser starke Muskel auf ihrer nackten Haut anfühlte. Die spitze einer seiner Klauen streifte an ihrer Seite hinab, behutsam und langsam. Dieses Gefühl ließ sie einen wohligen Schauer verspüren. Die Klaue erreichte den Bund ihrer Hose und zog sie langsam herunter, bis sie nur noch Unterwäsche an dieser Stelle trug. Noch immer konnte sie die Situation nicht gänzlich in sich aufnehmen. War das wirklich die richtige Entscheidung? Die grünen Augen blickten sie an. Irgendwie wirkten sie beruhigend, fast schon hypnotisierend.
Seine Schnauze presste gegen ihren Oberkörper. Mühevoll wirkte sie der Kraft entgegen um nicht zu stürzen, doch dann fühlte sie den Halt einer seiner klauenbewehrten Hände. Sie übergab sich seinem starken Griff, fühlte sich dabei wie eine Puppe, wie ein Spielzeug. So behandelte er sie jedoch nicht. Sanft legte er sie auf ihren Klamotten nieder. Es überraschte sie wie behutsam und vorsichtig er mit ihr umging. Von einer Kreatur, die in einer dunklen Ruine hauste hätte sie ganz anderes erwartet. Ein Gefühl wuchs in ihr heran. Doch noch hätte sie sich niemals eingestanden, dass dieses Gefühl Lust war. Es wurde jedoch deutlich schwerer dagegen anzukämpfen, als sie seine Zunge erneut auf ihrer Haut spürte. Dieses Mal tastete sein Muskel über ihren Bauch, verteilte seine wohlige Wärme auf ihren ganzen Leib. Das blaue Licht der Fackel wurde schwächer, doch war es für sie noch ausreichend um das verführerische Lustspiel des Basilisken zu verfolgen. Seine Augen schlossen sich und er genoss die Wärme, die nun ihren Körper beflügelte. Es brauchte nichts als einen kleinen Ruck und er hatte das letzte spärliche Bekleidungsstück von ihrem Körper gelöst. Ein einziges Mal überquerte seine feuchte und sinnliche Zunge ihre entblößte Weiblichkeit, mehr brauchte es nicht um all ihre Hemmungen niederzustrecken, ihren Wiederstand gegen die Lust zu unterbinden. Sie stöhnte vor Wohltuen auf. Die Kreatur brachte ihren Körper näher in das Licht. Naomi konnte das anwachsende Glied zwischen seinen Beinen erkennen. Er unterbrach den sinnlichen Kontakt und platzierte sich über sie. Niemals hätte sie von sich selbst gedacht in so einem Moment nicht einmal einen einzigen kleinen Moment lang zu zögern, als sie sich sogleich auf ihre Knie begab und ihre Hände um seine Männlichkeit schlang. Ein tiefes Grollen war zu hören während sie versuchte mit seiner Größe zurecht zu kommen. Ihr Mund nahm sein Ende auf, ihre Hände griffen nach dem Rest. Sie war überwältigt von dem starken pulsierendem Gefühl das er aussonderte und geradewegs in ihren Körper überging. Er stöhnte, begann ihre zierlichen Hände mit Hüftstößen zu unterstützen. Naomi konnte die unbändige Lust in ihm spüren. Und allmählich begann diese Lust nicht nur seinen, sondern auch ihren Körper zu übernehmen. Eine Hand ließ von ihm ab um dem Ruf ihres eigenen Verlangens nachzukommen, dem feuchten Gefühl zwischen ihren Beinen. Er war nun so hart wie Stein und zuckte und bebte in ihrer Hand und ihrem Mund. Ein ausgelassenes und langes Stöhne begleitete die warme Flut seines Samens, eine durchströmende Hitze, die ihre Sinne kurz zu betäuben schien. Über ihren ganzen Oberkörper verteilte sich sein Sperma, floss ihren Körper herab und tropfte von ihrem Kinn.
Willig nach mehr, willig nach ihm, begab sie sich auf allen Vieren und ließ das noch immer harte und pulsierende Glied auf ihren Rücken lasten, fühlte dessen Wärme und seine pure Lust nach ihr. Mit einer Hand dirigierte sie ihn in Position und wartete nur noch darauf, dass er so schnell wie möglich beginnen würde. Sie wollte in noch ein weiteres Mal kommen sehen und vor allem fühlen. Das Licht flackerte und es wurde plötzlich wieder finster. Die Fackel war erloschen und einen Augenblick später spürte Naomi wie er in ihr eindrang und dabei erneut eine Flutwelle des Wohltuns durch ihren Körper schickte. Ihre Hand umschlang einen der starken und angespannten Arme des Basilisken zum Halt. Stöhnend und grollend gaben sie sich beide ihrer bizarren Lust zueinander hin. Er stieß sein strammes Glied ungehindert in sie hinein und brauchte nicht lange, bis sich Naomi einem berauschendem Orgasmus hingab, der ihre Körper zittern ließ und ihren Atem stockte. Ein letztes Mal preschte er nach vorne und entsandt mit zitternden Hüften erneut einen mächtigen Schwall seines Samens. Sie fühlte wie er sie ausfüllte, ihre Weiblichkeit und ihre Beine mit seiner Lust bedeckte und er gar nicht mehr aufhörte sie zu überfluten. Er verließ ihren Körper, presste seine Intimität auf ihren Rücken und stieß ein weiteres befriedigtes Grollen aus.
„Und... was habe ich gesagt?", kam es nach einem kräftigen Atemzug.
Doch Naomi antwortet nicht, diesem Gefallen wollte sie ihm nicht machen, wenn sie zugeben würde wie sehr sie es genossen hatte.
Sie versuchte so wenig wie möglich über das Geschehene nachzudenken, als sie irgendwann wieder weiterging. Erneut leiteten die Echos seiner Worte sie durch die kargen Mauern des Labyrinthes. Noch immer begleitete sie ein mehr als ungutes Gefühl.
„Ich bin übrigens Raiheel.", sagte er nach einer eindringlich langen Weile der Stille. „Ich dachte mir du solltest das wissen, jetzt wo wir zusammen reisen."
Sie sprach kein Wort bis sie schließlich das Ende der Ruine erreicht hatten. Der finstere Durchgang vor ihr war gerade groß genug für sie. Raiheel erklärte ihr was sie zu tun hätte um einen größeren Ausgang zu öffnen, doch währenddessen drifteten ihre Gedanken davon. Was wenn sie ihn einfach zurücklassen würde? Sie müsste alleine weitersuchen. Vielleicht hatte sie ja Glück, vielleicht aber auch nicht. Und wie konnte sie sich sicher sein, dass er sie nicht sofort töten würde sobald sie hier raus waren. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen? Und dann gesellte sich auch noch dieses bizarre Gefühl hinzu, das verbotene Lust in ihr weckte.
„Wie soll das nur ausgehen?", wisperte sie in Gedanken versunken.
„Wie war das?"
„Nichts.", antwortete sie. „Warte hier." Daraufhin beschritt sie geduckt den winzigen Durchgang. Die Fackel mit der blauen Flamme entgegen der Ungewissheit gerichtet, überschlugen sich ihre Gedanken weiterhin. Nun musste sie sich genau überlegen was sie tat. Ernüchternd blickte sie auf den Verband an ihrem rechten Arm. Sie hatte vielleicht nicht mehr viel Zeit.