Máella Twins - Kapitel 10: Schutzlos
Schutzlos
(Loup)
„Wach auf. Komm schon. Du musst aufwachen", hörte ich jemanden sagen. Es erinnerte mich an meine Zeit als Welpe, in der mich mein Bruder jeden Morgen geweckt hatte. Allerdings klang dieser nicht so verzweifelt.
Ich öffnete die Augen und blickte in die gelben Augen von Panther, der mich aufgebracht ansah.
„Was ist denn los?", wollte ich wissen.
Ich blinzelte und mir fiel auf, dass ich meine Arme bewegen konnte. Wir waren nicht mehr im Kerker. Ich roch die reine Luft der Freiheit und konnte es kaum glauben. Doch wo waren Jackel und Tea? Und wie waren wir an diesen Ort gelangt?
Als ob Panther meine Gedanken gelesen hätte, sagte er: „Lion hat uns gerettet. Er ist kein Bösewicht. Er ist gerade dabei, Jackel zu befreien. Allerdings ist Tea wirklich tot. Sie haben sie umgebracht."
„Wirklich? Lion hat uns da raus geschafft? Ich wusste doch, dass er nicht schlecht sein konnte. Ich hatte mich also nicht getäuscht!"
Plötzlich erklang ein unerträglich lauter Krach. Es hörte sich wie eine Sirene an und schien von dem Gebäude vor uns zu kommen.
„Was ist das?", wollte ich wissen.
„Keine Ahnung, aber es kommt von dort, wo wir gefangen waren", klärte mich Panther auf.
Ich verstand sofort, wo wir waren. Es war der Wald hinter dem Gelände der Organisation Trustburgh und irgendetwas hatte den Alarm ausgelöst.
„Was machen wir jetzt?", fragte Panther nervös.
Das Geräusch von Schusssalven drang an meine Ohren, dicht gefolgt von einem schmerzerfülltem Schreien. Ich erkannte Jackels Stimme in dem Schreien und wusste sofort, was Sache war. „Ich habe mich doch getäuscht. Lion hat gerade Jackel getötet."
Panther schüttelte den Kopf und erwiderte: „Das glaube ich nicht. Jackel ist sicher nicht tot. Lion bringt ihn sicher nach draußen. Warum sollte er uns umbringen?"
Wir hatten keine Zeit, länger darüber zu diskutieren, da Lion aus dem Gebäude gerannt kam und über den Zaun kletterte. Sein sonst sehr helles Fell war mit roten Spritzern übersät. Es war eindeutig Blut. Zwar wäre es schlau gewesen, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, doch aufgrund dessen, dass Panther Lion glaubte und der Wunde in meinem Bein, hätte sich das als schwierig erwiesen.
Hinter dem Löwen rannten Menschen aus dem Gebäude. Ich erkannte aus der Ferne, dass sie bewaffnet waren.
„Lion? Was ist passiert? Wo ist Jackel?", fragte Panther, während der Löwe auf uns zugerannt kam.
„Keine Zeit dafür!", rief er, packte Panther am Arm und rannte los. Ich hinterher.
Scheinbar schien man vergessen zu haben, dass man mir in Bein gebissen hatte und ich dadurch nicht schnell rennen konnte, aber es ging ja auch nur um mein unwichtiges Leben. Den Panther zu retten war wichtiger.
Ich humpelte hinter den beiden her, während sich hinter uns die Menschen näherten. Teilweise mit kleinen Fahrzeugen, mit denen sie selbst im dichten Wald schnell voran kamen.
Das Adrenalin stieg in mein Blut und ich versuchte meinen Schmerz zu ignorieren. Lion und Panther waren bereits weit vor mir. Ich spürte, wie die Wunde wieder aufriss und mir das Blut über den Schenkel lief. Trotz meiner Verletzung war ich schnell, doch die Fahrzeuge waren schneller.
Ich hörte Schüsse.
Sie begannen auf uns zu schießen!
Ich versuchte einen Zahn zuzulegen und mich schnell durch den Wald zu kämpfen, doch schließlich traf mich der Schuss ins verletzte Bein und ich krachte auf den Boden.
Das war es dann also...
Ich hatte keine Chance gehabt. Sie waren nur wenige Meter hinter mir und würden mich gleich schnappen. Damit wäre meine Flucht beendet.
Plötzlich griffen zwei kraftvolle Pranken um mich und hoben mich hoch.
„Lion?!"
Der Löwe war zurückgekehrt und trug mich auf den Armen. Schnell rannte er los, schnappte sich Panther mit dem anderen Arm und schlug Haken auf dem Sprint durch den Wald, um den Schüssen zu entkommen.
Lion hatte eine menge Kraft und war unglaublich flink und wendig. Wir waren schneller wie die Fahrzeuge und die Menschen. Mit etwas Glück würden wir sie abhängen.
Mein Bein schmerzte höllisch und ich hinterließ eine Blutspur. Wenn wir unsere Verfolger tatsächlich abhängen würden, könnten sie uns mit der Blutspur finden, daher tat ich, was mir möglich war, um die Blutung zu stoppen.
Während des holprigen Sprint presste ich die Pfoten auf meine Wunde und biss die Zähne zusammen. Der Schmerz war intensiv und ich drohte mein Bewusstsein zu verlieren, doch ich versuchte wach zu bleiben.
Nach einigen Minuten intensiven Laufens war meine Wunde geronnen und Lion hatte einen kleinen Unterschlupf entdeckt.
Im Schutz unter Büschen und Sträuchern ließ Lion Panther und mich nieder. Vermutlich hatten wir die Menschen fürs Erste abgehängt, doch sicher war ich mir nicht.
Lion hechelte erschöpft und nahm sich einen Schluck Wasser aus einer Pfütze, während Panther schweigend gegen den Stamm des Strauchs lehnte und ebenfalls wieder zu Atem kam. Ich dagegen lag unter dem Blätterdach, rang nach Luft und konnte nicht länger gegen die Müdigkeit ankämpfen. Die Strapazen hatten mir zu sehr zugesetzt, sodass mir die Augenlider zufielen und ich einschlief.