Unter Drachen 2 - Erste Schritte

Story by Lord_Eldingar on SoFurry

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#2 of Unter Drachen

Die ersten Schritte und Erlebnisse im neuen Körper - manches Schwierig, anderes überraschend einfach. Aber die Drachenfreunde unseres Protagonisten sind anpassungsfähig, wie er es auch sein muß. Die Fähigkeit erwacht und die erste Aufgabe als Hüter folgt bald.

Teil Zwei der Geschichte um einen Menschen, der als Lord Eldingar mit und bei den Drachen lebt.

Ich versuche in dieser Story die Gedanken und Empfindungen des Menschen, der in ein Leben als Drache gestoßen wurde, in den Vordergrund zu stellen. Daher sind besonders die ersten Teile eher gesprächslastig und bringen keine großen Actionhöhepunkte. ;)

Ich hoffe, es gefällt trotzdem.


Unter Drachen

2. Erste Schritte

Nachdem der Ruf verklungen ist, hole ich wieder tief Luft. Das hat gut getan. Die Geräusche der Natur schwellen wieder auf das normale Maß an - lässt der Ruf eines Drachen wirklich die Natur verstummen? Hoffentlich nehmen mir die anderen das jetzt nicht übel, ich habe ja keine Ahnung, was so unter Drachen üblich ist. Besorgt schaue ich zurück zu den drei - nein, keiner scheint verärgert zu sein.

Ich drehe mich um - sehr vorsichtig, möglichst alles im Blick behaltend. Schließlich ist es zumindest ungewohnt, plötzlich alles aus reichlich 11 m Höhe zu sehen - auch wenn ich alles besser erkenne, und schärfer sehe, als vorher aus 10 cm... oder einen Körper annähernd in der Größe eines Reisebusses zu bewegen - von einem noch längerem Schwanz mal ganz abgesehen.

Meine Arme und Beine finde ich ja ungefähr da, wo sie sein sollten, aber der Schwanz fehlt mir in meiner Sammlung irgendwie, dabei sehe ich ihn deutlich. Vor allem um Manvinkona mache ich mir Sorgen, die mir ja um mich herum wuselt. Aber die Kleine ist sich meiner Probleme anscheinend sehr bewusst und geht mir aus dem Weg.

So, erstmal die Beine unter den Körper bekommen, von vorhin knie ich ich ja noch. Muss merkwürdig aussehen. So, rechts, links - fühlt sich komisch an, ich stehe auf den Zehenspitzen, aber ein kurzer Blick zeigt mir, dass es richtig aussieht. An den langen Hals muss ich mich aber auch noch gewöhnen. Da Manvinkona nicht in meiner Nähe ist - sie hat sich zu ihrer Mutter zurückgezogen - kann ich mich ja umdrehen. Ich mache es einfach so, wie ich es sonst auch auf allen vieren machen würde, halt nur nicht auf den Knien. Sieht vielleicht komisch aus, aber so habe ich wenigstens einen bekannten Bewegungsablauf. Klappt auch ganz gut - so jetzt hinsetzen. Wie machen die anderen es? Füße auf dem Boden, Hintern runter - also hinhocken bis ich Bodenkontakt habe, dazu mit den Händen zurückgreifen bis meine Hände direkt vor den Füßen stehen. Jetzt noch Kopf hoch - geschafft. Denke ich jedenfalls. Wo ist mein Schwanz? - Ach egal, ich wüsste jetzt ohnehin nicht, wie ich den bewegen soll.

Kaum sitze ich, klettert Manvinkona schon auf den Handrücken meiner linken Hand und legt sich hin.

„Lass sie ruhig." beruhigt Fjörgyn mich, meine Verlegenheit bemerkend.

Ich wende mich an die drei Drachen.

Das heißt, ich will etwas sagen, aber es kommen nur merkwürdige Geräusche aus meinem Mund.

Eldflóð hilft mir.

„Ihr werdet Euch bald daran gewöhnen, dass ihr nicht mehr mit der gewohnten Stimme sprechen könnt. Die Stimmbänder und die Kehle der Drachen ist für die Sprache nicht sehr geeignet, wir nutzen eine Region in unserem Kehlkopf, mit dem wir die Sprache direkt zu den Empfängern ins Ohr senden. Wir erklären unseren Nestlingen, dass sie sich darauf konzentrieren müssen, zu jemand sprechen zu wollen und dann zu denken, was sie sagen wollen - das wird vermutlich auch bei Euch funktionieren."

Also stelle ich mir vor, zu den Drei zu sprechen und denke.

„Zuerst möchte ich mich für die Hilfe, die Ihr mir gewährt habt, bedanken."

Alle drei nicken, Fjörgyn erwidert kurz.

„Jetzt verstehen wir Dich gut."

Ich nicke ihr mit einem leichten Lächeln zu und konzentriere mich wieder.

„Gut - Ich begreife zwar nichts von dem, was passiert ist, noch wie es passiert ist und schon gar nicht, warum. Was ich verstehe ist, dass ich jetzt wirklich nie mehr in meine Welt zurückkehren kann - nicht mit diesem Körper. Ich möchte wirklich nicht undankbar klingen, Ihr habt schließlich mein Leben gerettet - ich bin mir aber im Moment nicht sicher, ob ich mit den Dingen jetzt wirklich glücklich sein soll."

Eldflóð wirft trocken ein:

„Ihr wart einverstanden..."

Ich blicke an mir herunter.

„Ja, das war ich - aber da war hiervon nicht die Rede." -

„Ist etwas am Körper eines Großen Drachen schlecht?" -

„Nein, sicher nicht, aber..."

Eldflóð kommt näher und legt mir eine Hand auf die Schulter.

„Ich will Euch nicht unter Druck setzen und ich weiß, dass Ihr uns auch nicht beleidigen wollt.

Mir ist klar, dass es für Euch nicht einfach ist, mit einem für Euch so fremden Körper zurechtzukommen. Gewöhnt Euch an diesen Körper, dann wird schon vieles einfacher aussehen. Und Ihr werdet dann auch bald die Vorteile eines Lebens als Großer Drache erkennen. - Löst Euch von der menschlichen Sichtweise, dass Ihr jetzt ein schreckliches, todbringendes Monster seid. Seht doch nur die Vorteile: Ihr habt Sinne, die Eure bisherigen um ein vielfaches übertreffen. Ihr verfügt über immense Kraft, könnt fliegen, habt noch schlafende Fähigkeiten, lebt länger als jeder Mensch. Und Ihr steht mit den anderen Großen Drachen an der Spitze dieser Welt. Niemand - außer vielleicht einer von uns - wird es wagen, Euch zu widersprechen."

Ich seufze.

„Das beinhaltet aber auch eine große Verantwortung und einen starken Willen, um nicht verführt zu werden von soviel Macht. -

Aber Ihr habt wohl recht - es ist geschehen, ich werde mich daran gewöhnen müssen, nun die Dinge aus einer anderen Sicht zu sehen. Ich hoffe, ich werde eines Tages vor den Drachen bestehen können. - Heute bin ich schon dankbar, dass Ihr nicht über meine Unbeholfenheit lacht."

Eldflóð legt den Kopf schief.

„Ich verstehe nicht - lachen? Weil Ihr Euren Körper erst kennenlernt? Wir lernen unseren Körper kennen, sobald wir aus dem Ei schlüpfen - Ihr seid eben gerade geschlüpft, der Unterschied ist nur die Größe Eures Körpers und das macht es nicht einfacher."

Ich senke mit leiser Verzweiflung den Kopf.

„Verzeiht, Ihr habt sicher recht. Ich werde also zuerst meinen Körper beherrschen lernen und dann mein neues Leben hier angehen. Eine andere Möglichkeit habe ich ja auch nicht. Vielleicht kann ich es eines Tages sogar als neue Chance ansehen."

Das ist ernst gemeint. In meinem Leben in der alten Welt drüben, haben sich die Dinge nicht so besonders gut entwickelt, ich steckte in einem tiefen Loch - auch deshalb war ich dort im Kaukasus gewesen um im Urlaub mal Abstand zu gewinnen. Und hier jetzt habe ich plötzlich die Gelegenheit ein völlig neues Leben anzufangen - im reinen Sinn des Wortes. Nur muss ich damit erstmal zurechtkommen.

Fjörgyn mischt sich ein.

„Dein Leben zu retten, benötigt keinen Dank. Aber was, oder warum es passiert ist - dafür habe ich auch keine Antworten."

Eldflóð hat anscheinend eine Vermutung.

„Ich denke, Erce hat etwas mit Euch vor. Ich habe einen starken Kraftstrom gespürt, der in Euch strömte. Ebenso, dass Euer Körper Euer gesamtes Blut abgestoßen hat, so dass Fjörgyn gezwungen war, Euch sehr viel mehr Blut zu geben, als geplant war, kann nur auf Erces Einfluss zurückzuführen sein. Es wird interessant sein, zu sehen, welche Kraft euch gegeben wird und welchen Weg Ihr gehen werdet." -

Græðarinn ist fast emotional.

„Ja, auch ich habe diese starke Lebenskraft gespürt. Ein sehr eindrucksvolles Erlebnis. Aber das so eine Wandlung möglich ist - Ich sehe, höre, rieche, und spüre hier einen reinen Großen Drachen vor mir, der noch vor wenigen Minuten ein fremder Mensch einer anderen Welt war und dessen Seele ich jetzt auch noch in diesem Drachen spüre. Große Erce, was haben wir hier gerade erlebt?"

Er sieht mich an.

„Entschuldige Ralf, darf ich Dich 'fühlen'?"

Ich nicke zustimmend - er rückt näher an mich heran, und legt seine Hände auf meinen Kopf und die Brust. Er konzentriert sich und ich spüre wieder das Kribbeln, wie vor einigen Stunden, als er erstmals versuchte, mich zu heilen. Ich verstehe jetzt, dass er in der Lage ist, ein Lebewesen zu 'scannen', seine Struktur zu erfassen um es für die Heilung zu nutzen. Eine interessante Fähigkeit. Kurz darauf öffnet er überrascht die Augen und nimmt seine Hände wieder weg.

„Da ist nichts mehr - Seine Seele, ja... wenn sie auch irgendwie gespalten scheint - körperlich ist da aber nichts mehr von dem Menschen der er war. Nur noch ein Großer Drache, und reiner, als die meisten von uns anderen... - und es ist doch noch etwas vertrautes da in ihm..."

Græðarinn wirkt verwirrt. Insbesondere seine Feststellung, ich sei 'reiner' hatte er so merkwürdig betont.

Aber Eldflóð beruhigt ihn.

„Denke bitte daran: wir anderen hier sind aus dem Ei unserer Eltern geschlüpft - da wird im Laufe der Jahrtausende ein wenig passiert sein. Er jedoch wurde heute offensichtlich von Erce nach ihrem ursprünglichen Plan geschaffen. Ist es da verwunderlich, dass er reinen Blutes ist? Aber ich sehe ihn nur deswegen noch nicht als etwas besonderes an. - Ihr versteht?"

Das letzte ist an mich gerichtet.

„Natürlich - und ich mag auch nicht glauben, dass ich wirklich so außergewöhnlich bin - als Drache."

Aber zur Aussage von Græðarinn, er würde in mir auch vertrautes spüren - da denke ich an das Blut. Fjörgyn hat mir ja ihr Blut gegeben, hat er das gespürt? Ich sehe Fjörgyn an und spüre, dass sie den gleichen Gedanken hat. Leise sagt sie:

„Du bist Blut, von meinem Blut..."

Ich nicke und Græðarinns Miene hellt sich auf.

„Stimmt, da habe ich nicht mehr dran gedacht - dann bist Du ja jetzt mein Bruder..."

So ganz kann ich mich da zwar nicht mit identifizieren, aber irgendwie hat er ja auch ein wenig recht.

„Naja, so etwas ähnliches wohl schon." gebe ich mit leichtem Grinsen zur Antwort. Dann wende ich mich an Fjörgyn und Eldflóð:

„Ich möchte mich noch für meinen Ruf vorhin entschuldigen - Ich weiß nicht, ob ich damit gegen Regeln verstoßen habe, was ich nicht wollte. - Aber das Gefühl musste einfach heraus."

Eldflóð nickt mit einem freundlichem Blick

„Ihr braucht Euch dafür nicht entschuldigen. Hätte ich Eure Wandlung nicht miterlebt, hätte ich daraufhin sicher nach Euch gesucht. Aber Ihr habt mein volles Verständnis dafür. Und der erste Ruf eines Großen Drachen ist auch für uns eindrucksvoll - selbst Erce lauschte Euch." -

Also war mein Eindruck richtig? Hatte die Natur den Atem angehalten?

Fjörgyn lächelt, mit ein klein wenig Traurigkeit im Blick:

„Mach Dir bitte keine Gedanken deswegen. Und die Berge hier haben, seit mein Partner ging, den Revierruf eines Drachen nicht mehr gehört."

Oh, Revierruf? Und dann - sie hat ihren Partner verloren. Au weh.

„Fjörgyn, bitte entschuldige. Ich habe nicht vor..."

Sie unterbricht mich, indem sie ihre Hand auf meine Schulter legt.

„Ich weiß."

Eldflóð schaut hoch und reckt sich.

„Ich denke, es wird heute noch ein langer Abend werden, denn Ihr habt sicher viele Fragen und könnt einige Informationen sicher brauchen. Zudem möchte ich Euch die erste Nacht auch ungern alleine lassen. Verzeiht meine Direktheit, aber wer weiß, was Euch durch den Kopf gehen mag, wenn Ihr zur Ruhe kommt. - Eure Seele ist die eines Menschen, der heute zum ersten Mal einen Drachen gesehen hat... Nun seid Ihr ein Drache - Ich möchte einen der unseren nicht gleich wieder verlieren."

Wer ihn, wie ich heute, das erste Mal sieht, würde nie darauf kommen, dass er sich um mich sorgen würde - auch wenn es wohl mehr dem Drachen, als seiner menschlichen Seele gilt. Ich neige meinen Kopf.

„Ich danke Euch, mein Lord Eldflóð, für Eure Fürsorge. Ich nehme gerne an und freue mich auf die Gespräche." -

„Gerne. Die Sonne geht bald unter, wir sollten noch Beute machen, Lady Fjörgyn."

Sie nickt."

„Sir Græðarinn, besorgt doch ein wenig Holz für ein Feuer, ich denke Sir ... - Verzeiht, wie darf ich Euch nennen?" fragt er mich.

„Eldingar." antworte ich sofort.

Fjörgyn sieht mich fragend an. Ich zucke mit den Schultern:

„Während der ...Wandlung begrüßte mich die Stimme Erces hier in ihrer Welt und sprach mich mit diesem Namen an. Also wird es wohl mein Name sein." -

Eldflóð blickt mich überrascht an.

„Erce sprach zu Euch? - viele Hüter werden Euch um diese Gnade beneiden. Euer Name von Erce gegeben - ... Eldingar... - Sir Eldingar, ich beginne zu ahnen, was Eure Kraft sein wird, noch ist diese ja nicht erwacht... - Ich vermute, Eure menschliche Seele wird ein kleines Feuer sicher als angenehm empfinden. Ihr würdet in dieser Zeit sicher gerne Euren Körper ein wenig besser kennenlernen wollen. Eure Freundin, die kleine Dame Manvinkona wird euch dabei sicher gerne Gesellschaft leisten." -

Ich nicke und unsere Gruppe löst sich auf. Fjörgyn und Eldflóð heben nach ein paar Schritten ab und verschwinden über die Bäume, um im Tal zu jagen. Græðarinn holt aus dem Wald oberhalb ein paar tote Bäume. Und ich übe mit der kleinen Manvinkona, die während des Gespräches ein kleines Nickerchen auf meiner Hand gehalten hatte, wie ich mit meiner Größe klarkomme und vor allem, wie ich die für mich ungewohnten Extremitäten, die Flugarme und den Schwanz, vor allem auch meine Steuerfinnen am Schwanz und hinter der Hüfte am unteren Ansatz der Flughaut, am besten bewege.

Dabei fällt mir auf, dass ich instinktiv zwar gut damit klarkomme, sobald ich mich aber bewusst und gezielt bewegen will, oft Probleme bekomme. Aber meine kleine Freundin kann mir gut erklären, wie ich z.B. meine Schwingen zusammenfalten muss. Dafür, dass Sie das nie lernen musste und das meiste seit ihrem Schlüpfen beherrscht, kann sie sich gut in mich hineinversetzen.

„Dafür zeigst Du mir dann das Fliegen."

Damit hatte sie mich festgenagelt. Fliegen - ich habe noch Null Ahnung davon und ich soll ihr das dann zeigen? Naja, ein paar Monate hätte ich ja noch Zeit, beruhigt sie mich. Ja, dann ist ja alles in Ordnung... - oh Hilfe...

Nach einiger Zeit helfe ich Græðarinn und beginne schon mal die Bäume, die er heranholt, zu zerkleinern. Das sind eher einfache Bewegungsabläufe, die auch nicht viel anders sind, als gewohnt. Und die sind schon gut trocken, so geht es schnell, die Äste abzubrechen und sogar die Stämme sind für meine jetzige Kraft kein Problem. Große Erce, was hast Du mir da mitgegeben...

Als ich überlege, wie ich die Stämme spalten kann, erinnert mich Manvinkona:

„Nimm doch die Krallen." -

Richtig, die habe ich ja auch noch. Kaum gedacht, sind die auch schon ausgefahren - ich übe ein wenig und schaffe es sogar, die einzeln ein- und auszufahren. Merkwürdig, damit habe ich kaum Probleme.

Manvinkona staunt:

„Ooh, das würde ich auch gerne können."

Aber neiden tut sie mir diese Fähigkeit nicht - sie freut sich vielmehr, dass ich etwas besonderes kann. - Mit den Krallen ist das Spalten der Stämme tatsächlich schnell erledigt.

Als Græðarinn einen weiteren Baum heranschleppt, meine ich:

„Super, Danke Græðarinn. Ich denke, es wird jetzt reichen - wir werden es ja sicher nicht brauchen um uns zu wärmen." -

„Richtig. Lord Eldflóð hat Dich ja darauf angesprochen, dass Menschen nachts gerne an einem Feuer sitzen. - Warum ist das eigentlich so? Ein großes Feuer fürchten Sie, wie fast nichts anderes - nur ein Drachenfeuer vielleicht noch - aber ein kleines machen Sie zu jeder Gelegenheit." -

Mir fällt spontan Schiller ein:

„Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht. - so sagte ein Dichter bei uns. Sogar in meiner Welt, in der wir das Feuer nicht mehr so direkt zum wärmen, oder kochen benötigen, können wir uns dem Reiz eines Lagerfeuers nicht entziehen. - Ich vermute, dass es eine Uralte Erfahrung ist, die vielleicht schon über eine Million Jahre besteht und in uns festgelegt ist, wie das Laufen bei Nestflüchtern. Damals bedeutete ein Lagerfeuer vor allem Schutz vor Feinden. - Aber ein Feuer, dass wir nicht kontrollieren können weckt in uns Furcht. Und welcher Mensch kann schon das Feuer eines Drachens kontrollieren - dazu fürchtet ein Drache, als einziger unserer Feinde, das Feuer nicht." -

Græðarinn sieht mich erstaunt an:

„Wieso Feind - wir Drachen sind keine Feinde der Menschen." -

Au stimmt ja, sollte man einem Drachen vielleicht nicht so sagen.

„Ja, richtig. Aber die Menschen in meiner Welt kennen ja keine Drachen. Dann haben vermutlich mal einige von uns vor hunderten von Jahren einen Besucher von euch gesehen und sich gefürchtet, weil sie nicht verstanden, wen oder was sie gesehen haben.

Und wir Menschen erklären gerne als gefährlich, was wir nicht kennen oder verstehen und lassen uns dann nur schwer vom Gegenteil überzeugen. Ein Löwe oder Tiger ist ein alter Feind der Menschen, aber er lässt sich mit Feuer vertreiben - ein Drache, von dem man glaubte, er sei auch ein Feind, nutzt selber das Feuer als Waffe. Also fürchtete man die Drachen umso mehr.

Und nur wenige Menschen waren bereit, den Drachen so zu sehen, wie er wirklich ist. Selbst heute, wo bei uns der Drache als Märchen gilt, weil man nie einen Nachweis gefunden hat.

Wir kennen 100 Millionen Jahre alte Echsen, aber einen Drachen haben wir nie gefunden."

Nun ist das schon fast eine psychologische Betrachtung der Beziehung Menschen und Drachen geworden. Währenddessen war Eldflóð wieder zurückgekommen und hatte einen Großteil meiner Erklärungen mitgehört.

„Eure Erklärungen, Sir Eldingar, machen mir so manches Verhalten der Menschen ein wenig verständlicher. So das ambivalente Verhältnis zum Feuer, oder die uns oft unerklärliche Furcht vor unserem Volk." -

„Oh, mein Lord, es gibt noch weitere Gründe, warum wir Menschen Furcht vor euch Drachen haben - zumindest wenn wir nur wenig, oder zu ersten Mal Kontakt mit einem Drachen haben.

So zum Beispiel eure immense Größe, das für uns - verzeiht bitte - grimmige, gefährliche Aussehen eines Drachen, die für uns nicht, oder nur sehr schwer erkennbare Mimik eines Drachen - wenn mir ein Drache seine Zähne zeigt, erkenne ich nicht, ob er mich freundlich anlächelt, oder mich gleich verspeisen will - oder die..." -

Eldflóð stoppt mich.

„Genug, genug. Denkt aber an Euren neuen Standpunkt." Er wirft mir einen eindringliche, aber doch freundliche Blick zu. -

Stimmt ja, ich rede hier immer von 'wir' wenn ich über die Menschen spreche, dabei...

„Ihr werdet Euch bald daran gewöhnen, und ich verstehe, was Ihr meint." beruhigt Eldflóð mich, der meinen Ausdruck richtig interpretiert hat. Ich hoffe, er hat recht mit dem 'dran gewöhnen'.

Eldflóð wendet sich an Græðarinn und meine kleine Manvinkona, die interessiert zugehört hat.

„Würdet Ihr uns bitte einen Moment entschuldigen."

Er bedeutet mir, ihn ein Stück zu begleiten.

„Sir Eldingar, ich sehe, dass Eure Kenntnisse der Menschen unserem Volk ein besseres Verständnis bringen wird. Und das wird in Zukunft wichtig werden, da die Menschen auch in dieser Welt langsam beginnen, die Technik zu entdecken. Ich hoffe, dass wir Hüter Erces dann mit Eurem Wissen der Menschen, diese besser leiten können um die Folgen zu vermeiden, die in Eurer alten Welt so vieles schon zerstört haben."

Er kennt also meine Welt anscheinend. - Ist mein Wissen also der Grund meines Hierseins? Da hätte es doch sicher bessere gegeben, als gerade ich.

Ich erinnere mich an die Worte, die ich bei meiner Wandlung hörte.

„'Wir brauchen Dich, Dein Wissen, aber auch Deine Macht, Deine Kraft.'"

Eldflóð sieht mich fragend an.

„Das war es im Wesentlichen, was Erce mir bei meiner Wandlung sagte." -

„Das klingt so, als hätte Erce euch tatsächlich auch deswegen gerufen. Aber es sagt noch etwas anderes, es stehen uns möglicherweise noch unbekannte Gefahren bevor, für die wir Eure zukünftigen Fähigkeiten brauchen werden. -

Aber macht Euch keine Sorgen. Erce ist weise, sie wird Euch nicht vor unbezwingbare Aufgaben stellen. Und wir anderen Hüter werden stets auf Eurer Seite kämpfen, wenn ein Kampf unvermeidlich ist."

Na danke, da denke ich, ich komme in eine friedliche Welt und die sprechen gleich davon, dass ich hier der Vorkämpfer werden soll? - Egal, kommt Zeit, kommt Kampf. Erstmal muss ich mein neues Leben ein wenig erkunden, bevor ich mir darüber Gedanken mache, das wird Erce mir hoffentlich gewähren, wenn ich hier schon ungefragt bruchlande.

Eldflóð möchte aber noch was von mir wissen:

„Verzeiht Sir Eldingar, ich möchte Euch etwas privates fragen und bitte Euch, es mir ehrlich zu beantworten: Ihr sagtet, dass Drachen auf Menschen grimmig und gefährlich wirken. - wie wirke ich auf einen Menschen...?"

Das klingt ja schon fast emotional. Offenbar hat er schon erschreckte Reaktionen erlebt. Sage ich es ihm? Ich habe den Eindruck, er möchte es wirklich wissen, keine Beschönigungen.

„Mein Lord. Wenn ich mich an unsere Begegnung zurückerinnere, als ich noch ein Mensch war und Eure Mimik nur sehr ansatzweise verstehen konnte - dann... nun, da war Eure Erscheinung sehr erschreckend - für einen Menschen entspricht Euer Anblick schon fast dem, wie er sich - verzeiht - das Böse vorstellt, das nur darauf aus ist die Menschen zu töten und ihre Welt zu verheeren. -

Mir war bei unserer Begegnung schon klar, dass dieser Eindruck Euch nicht im geringsten entspricht - aber die Menschen sind leider sehr schnell mit Vorurteilen nur Aufgrund eines unzureichenden Eindrucks."

Eldflóð nickt ernst.

„Ich habe ähnliches bereits vermutet, es erklärt manche Reaktion. Leider etwas, das ich nicht ändern kann. Ich nehme daher nur sehr selten Kontakt zu Menschen auf, meist nur zu denen, die ich bereits lange kenne und über andere Menschen kennenlerne. Und selbst die wirken oft verängstigt."

Er macht sich offenbar ernsthaft Gedanken darüber, wenn er allerdings die Menschen in Zukunft zu einer nachhaltigen Technik steuern möchte, dann ergibt ein gutes Verhältnis zu den Menschen durchaus Sinn.

„Die Menschen, mein Lord, haben sich in ihrer Entwicklung mit ihrer höheren Intelligenz gegen Feinde durchgesetzt, die größer und stärker als sie waren. Dadurch sehen sie sich heute in der Lage, einige in bestimmten Umfang zu tolerieren.

Treffen sie jetzt aber auf einen möglichen Feind, der größer, stärker und zudem mindestens ebenso intelligent ist, wie sie selber - wie die Drachen - bekommen sie leicht eine Furcht, die sie nur schwer kontrollieren können. Ich hoffe, wir finden da irgendwann einen Weg - allerdings scheint mir, dass ein wenig Furcht vor der Macht der Drachen immer erhalten werden sollte, will man sie auf lange Sicht auf dem Weg Erces halten.

Die Hüter dürfen gerne als Freunde und Helfer erscheinen, aber es sollte immer der Gedanke im Hintergrund bleiben, was wohl die Hüter mit den Menschen machen würden, wenn sie vom Weg zu weit abweichen. Und das sage ich als Mensch - so merkwürdig das auch klingen mag."

Meine weiteren Gedanken zur Kriegslust der Menschen und ihrem Drang, sich selber zu ihrem einzigen Feind zu machen und alles andere auszulöschen, schlucke ich lieber herunter. Ich denke doch immer noch als Mensch - und ich sehe als letzte Möglichkeit, uns aufzuhalten nur unsere gnadenlose Bekämpfung und Unterdrückung... sind wir wirklich so schlimm? -

Ich hoffe nur, mich wird die weise Abgeklärtheit der Hüter noch erreichen, mit meiner jetzigen Mischung aus Drache mit der entsprechenden Macht und menschlichem Denken, würde ich in einer Welt wie der meinen wohl zum Schreckensherrscher werden. Und gleichzeitig verstehen, warum die Menschen mich bekämpfen werden.

Eldflóð bemerkt meine Stimmung.

„Verzeiht Sir Eldingar, ich bringe Euch auf düstere Gedanken. Lasst uns zu den anderen zurückkehren und über andere Dinge sprechen. Euch stehen noch viele neue Dinge bevor. -

Wie ich sehe, bewegt ihr Euch schon besser - aber..."

Kaum dass ich sein 'Aber' registriert habe, sehe ich schon eine Feuerwolke auf mich zurasen. Ohne Nachzudenken reagiere ich und springe zur Seite, lande tief geduckt und sprungbereit - meine Krallen ausgefahren und schlagbereit. Ich habe zwar kein Feuer, aber einfach will ich es ihm nicht machen.

Eldflóð steht mir offen gegenüber, den Kopf leicht zur Seite gedreht. Er zeigt keine Anzeichen von Aggression oder Kampfbereitschaft. - Was sollte das?

„Verzeiht, Sir Eldingar. Es war nur ein kleiner Test, der Euch nicht gefährdet hätte. Aber Eure Reaktion auf den vermuteten Angriff hat es mir bestätigt. Euer Unterbewusstsein beherrscht Euren Körper perfekt. Ihr seid meinem Feuer geschmeidig und mit einer eleganten Schnelligkeit ausgewichen, für die ich Euch fast beneide. Doch jetzt, wo Euer Bewusstsein wieder die Kontrolle hat, wirkt ihr wieder unbeholfen und steif.

Sir Eldingar - Ihr müsst Euren Körper akzeptieren. Eure Seele muss das Leben hier, das Leben als Drachen annehmen, dann werdet Ihr Euren Körper beherrschen, als wäret Ihr mit ihm geschlüpft. Ich verstehe nicht, was Euch davon noch abhält - was ist es, das es Euch so unmöglich macht?"

Ich sehe ihn an - er kann es nicht verstehen, dass ich mich nicht freue ein Drache zu sein? Mit allem mir möglichen Ernst stelle ich ihm eine Alternative.

„Lord Eldflóð. Ich habe die Macht, Euch mit einer Berührung zu einem Menschen zu machen. Ihr seid in Eurer Seele weiter ein Drache, habt aber den Körper - aber auch die Fähigkeiten und das Können eines Menschen. Wie schnell werdet Ihr Euer neues Leben in der Welt drüben voll akzeptieren?"

Offenbar instinktiv tritt er einen Schritt vor mir zurück.

„Sicher schneller als Ihr Euer Leben als Drache. Aber der Gedanke macht mir verständlicher, was in Euch vorgehen mag. Ihr verspürt vermutlich Furcht, Ihr habt Euer gewohntes Leben mit einer Euch unbekannten Welt tauschen müssen und dazu noch den Körper. Alles ohne dass Ihr Euch darauf vorbereiten konntet. -

Ich kann Euch aber weiter nur raten, es so schnell wie es Euch möglich ist anzunehmen. Findet Euch damit ab, es ist nicht mehr zu ändern. -

Nur zur Sicherheit - Ihr habt diese Fähigkeit nicht, oder?"

Mit breitem Grinsen schüttele ich den Kopf. Es macht ihm also doch mehr Kopfschmerzen, als er vorgibt.

„Nein, es diente nur dazu, Euch die Vorstellung etwas deutlicher zu machen. Und seid Ihr sicher, dass ihr in - wie lange ist es her? Eine, zwei Stunden? - in zwei Stunden das Leben als Mensch in der technischen Welt drüben voll akzeptiert?"

Sein Blick hält meinem kurz nicht stand - ich habe doch tatsächlich einen Drachen etwas verunsichern können.

„Aber ich verstehe Euren Rat. Ich bin mir auch sicher, dass ich es so machen muss - ich bin nur noch nicht ganz so weit. Zwar erfüllt sich mir der eine oder andere Wunsch mit dem Leben als Drache - aber jetzt, wo es passiert ist und es keinen Ausweg gibt... Ja, ich habe Angst, weniger vor dem Körper, mehr vor dem, was die anderen über mich sagen. Ob ich akzeptiert werde, was ich machen soll..."

Eldflóð kommt wieder näher und legt seine Hand auf meine Schulter.

„Wenn Euch so Wünsche erfüllt wurden, freut Euch, nehmt es an. Vor den anderen hier braucht ihr keine Furcht zu haben, wir Drachen finden Menschen zwar eigenartig, aber Ihr seid jetzt ein Drache für uns, kein Monster - solches Denken ist uns fremd. Und alle anderen werden nie etwas erfahren und es nicht wagen, Euch anzuzweifeln.

Was Ihr hier machen sollt? Lasst es auf Euch zukommen, Ihr werdet es bewältigen - die Aufgaben eines Drachen sind nicht so, dass ein Mensch sie nicht auch machen könnte wenn er die Fähigkeiten und Einstellungen hätte."

Er hat Recht. Meine alte Welt ist für mich Vergangenheit und hier stehen mir Abenteuer bevor, allein schon beim kennenlernen meines neuen Lebens. Und dem sehe ich mittlerweile sogar mit Spannung entgegen.

Wir gehen zurück, bei den anderen wieder angekommen sehe ich, dass sie schon ein kleines Lagerfeuer vorbereitet haben - naja klein, als Mensch hätte ich es als schon ordentlich groß empfunden.

Fjörgyn liegt mit ihren beiden Kindern schon dort und lädt als Herrin des Platzes uns ein, es uns ebenfalls bequem zu machen. Ich ahme die anderen einfach mal nach, weil ich noch gar nicht weiß, was für einen Drachen eine bequeme Position ist. Ob es einfach Gewöhnung oder das Gespräch mit Eldflóð ist, etwas einfacher fallen mir die Bewegungsabläufe jetzt schon.

Die Sonne verschwindet gerade hinter den Bergen und Eldflóð entzündet das Feuer mit einem kleinen Feuerball, den er in das Holz bläst.

Die kleine Manvinkona kann sich nur mit sichtbarer Mühe zurückhalten, von ihrer Mutter weg, und wieder zu mir zu kommen. Eldflóð verteilt das erbeutete Wild. Einen Rothirsch und drei Elche.

„Ich hoffe, Ihr habt Hunger, Sir Eldingar?" -

Ich horche in mich hinein.

„Wirklich Hunger nicht, aber ich ahne, ich sollte doch etwas essen und irgendwann muss ich ja ohnehin damit anfangen."

Mir ist schon klar, dass Drachen ihr Fleisch nicht unbedingt grillen. -

„Lady Fjörgyn ahnte bereits, dass Ihr nicht viel Appetit haben werdet, sie hat Euch daher einen Hirsch erlegt, wenn es euch recht ist?"

Natürlich ist es mir recht und der kleinere Hirsch auch irgendwie angenehmer. Also liegt er vor mir.

Manvinkona setzt ihren Dackelblick auf. Na, was kommt jetzt?

„Mamaaa, kann ich bei Ralf essen? - Ich hab ja schon bei ihm gegessen!"

Fjörgyn sieht sie erstaunt an. - Ich erzähle kurz die Sache mit dem Trockenfleisch heute Vormittag und nicke auf ihren fragenden Blick. Kaum hat sie ihrer Tochter die Erlaubnis gegeben, ist diese schon bei mir.

„Was darf ich Dir geben?"

Sie strahlt mich an und zeigt auf die Hinterkeule. Kein Problem - die Kralle gezückt, zwei Schnitte, schon liegt das Hinterbein mitsamt dem Hüftstück vor ihr. Sie starrt es an und ihr Unterkiefer klappt runter.

„So... viel...?" -

Ich muss grinsen.

„Iss, soviel Du magst. Den Rest werden wir sicher irgendwo dann los."

Sie nickt, immer noch etwas fassungslos, haut dann aber ordentlich rein. Ganz offensichtlich sind Drachen Prädatoren, das kann sie nicht verleugnen.

Die anderen drei haben sich das mit angeschaut und fangen dann auch an. Ich schaue verstohlen, wie sie sich die Stücke abbeißen und mit Haut und Haaren schlucken und überlege mir, wie es wohl sein mag. Ich habe zwar immer schon Fleisch gerne gegessen und bin mir auch über jagen und das töten der Tiere im klaren, das ist nicht das Problem für mich - aber so ganze Stücke herausbeißen und herunterschlingen... -

Eldflóð schaut mich kurz an und sagt dann ganz leise und anscheinend nur zu mir:

„Denkt am besten nicht darüber nach."

Er hat Recht. Ich muss mich dran gewöhnen.

Ich hebe den Hirsch an und beiße erstmal den Kopf mit dem halben Hals ab. Das Geweih ist zwar noch nicht sehr groß und im vollen Bast aber so bin ich das schon mal los - und der Hirsch sieht dann auch schon mehr wie ein Stück Fleisch aus. Schnell ist es heruntergeschluckt - das ging ja ganz gut.

Dann beiße ich in die vollen, meine Zähne gehen wie durch Butter. Eine kurz Kopfbewegung und das Stück liegt mitten auf meiner Zunge. - Eine wahre Geschmacksexplosion durchläuft mich: ich schmecke jedes einzelne Teil - Fell, Haut, Fleisch, Knochen, Teile der Organe - ein wunderbarer Geschmack nach Wild. Und dazu das Blut, zwar nicht mehr ganz frisch, aber auch noch nicht geronnen. Einfach herrlich! So kann Wild schmecken? Was ist mir in all den Jahren bisher nur entgangen...

Genüsslich schlucke ich das Stück herunter und beiße wieder zu. Und irgendwo tief in mir drinnen wächst der Wunsch selber zu jagen, diesen Geschmack ganz frisch zu erleben, meine Zähne in das noch schlagende Herz meiner Beute zu bohren...

Etwas schuldbewusst verdränge ich diesen Wunsch - ist das eines Hüters würdig? Aber Fjörgyn und Eldflóð haben ja auch gejagt...

Ich versuche ruhig zu essen und den Geschmack richtig zu genießen, auch wenn ich den Drang verspüre, es zu schnell wie möglich zu verschlingen. So bin ich dann als letzter fertig. Die Kleine liegt da vor ihrer Keule, alle viere von sich gestreckt.

Sie stöhnt glücklich.

„Puh, bin ich voll..."

Ein gutes Stück der Hüfte hat sie verputzt, aber es ist natürlich noch reichlich übrig, früher hätte ich da leicht eine Woche zu essen gehabt.

„Der Rest kann dann weg?"

Sie nickt, rappelt sich hoch und stemmt die Keule an einem Ende in die Luft. Ich fasse das Ende vorsichtig mit den Schneidezähnen - einfühlsam dirigiert sie mich mit kleinen Kopfbewegungen, so einfach ist es nicht, da ich so direkt vor meiner Nase ja nichts sehe und darauf, mit der Zunge zu tasten, komme ich blöderweise nicht. Ich schließe dann meine Lippen und sauge die Keule wie eine Nudel in den Mund. Manvinkona kichert sich fast weg.

Ich schaue mich um und sehe mich drei Augenpaaren gegenüber, zwei neugierigen, die von Eldflóð zurückhaltend interessiert.

Grinsend gebe ich Auskunft:

„Ja, es war besser als gedacht. Nein - es war lecker! Auch wenn ich anfangs doch etwas Hemmungen hatte, ich werde mich sicher schnell dran gewöhnen." -

„Damit wäre ja eine erste Frage beantwortet..." sagt Eldflóð, „...wie wollen wir weiter vorgehen? Wir erzählen einfach, oder wollt Ihr lieber fragen, Sir Eldingar?" -

„Mmmh, ich denke, am besten ist es, Ihr erzählt, und ich frage eventuell nach." antworte ich.

Eldflóð nickt bestätigend und beginnt. Auch Fjörgyn beteiligt sich und Græðarinn wirft hin und wieder ein paar Ergänzungen ein. Manchmal frage ich zum besseren Verständnis etwas nach.

Und so bekomme ich Informationen über die Geschichte der Hüter, das Leben der Drachen, auch mehr über die kleineren, und vor allem auch über die Menschen hier. Über ihre Entwicklung, ihre Strukturen, zum Teil auch, welche Technik sie bereits haben - fast nur einfache, ohne Maschineneinsatz. Es scheint so, dass es allererste Entwicklungen in Richtung Dampfmaschinen zu geben scheint. Aber das ist für mich jetzt schwierig zu erkennen, wie weit es ist.

Die Drachen haben so wenig Verständnis für technische Dinge, dass sie mir alles nur umständlich beschreiben können. Sie wundern sich dann, wenn ich auf 'Haus am Bach mit einem sich drehenden Ding aus Holz über dass Wasser läuft' dann sage: Ah ja, eine Wassermühle. Wobei für mich auch nicht alles immer sofort klar ist, weil die Technik so aus dem 12. bis 17. Jahrhundert, oder teilweise gar der Antike mir auch nicht immer gleich geläufig ist.

Manvinkona hört anfangs noch interessiert zu, aber nach einiger Zeit zeigt mir ein immer öfter weit aufgerissener, kleiner Drachenmund, dass sie doch langsam müde wird. Ich liege jetzt bequem und stütze mich auf den Ellenbogen. Dadurch kommt sie gut auf meine Hand und rollt sich in meiner Handfläche bequem zusammen und schon fallen ihre Augen zu. Fjörgyn deutet an, sie zu nehmen, aber ich wehre ab. Manvinkona hat heute viel getan, vor allem für mich und ich mag einfach das Gefühl ihres kleinen, ruhig atmenden Körpers in meiner Hand. -

Kaum war sie richtig eingeschlafen, fühle ich ich ganz hinten in einer Ecke meines Bewusstseins, etwas loslassen, als ob mich eine kleine Hand, die Kontakt gehalten hat, zögernd loslässt. Ich muss schmunzeln: dieser kleine Teufelskerl von einem Drachenmädchen hat mich nie losgelassen. Zwar musste sie mich seit meiner Wandlung nicht mehr festhalten, aber den Kontakt hat sie weiter gehalten. Erst jetzt im Schlaf lässt sie weiter los - wer weiß ob wirklich ganz. Bei Gelegenheit muss ich sie fragen, was sie von meiner Wandlung mitbekommen hat.

Ich entschließe mich, niemandem etwas von unserem ständigen Kontakt zu verraten - vorerst jedenfalls, das bleibt ein Geheimnis zwischen meiner kleinen Freundin und mir.

Aber ich bekomme im weiteren Verlauf auch weitere Information, über die Art zu sprechen. Drachen kommunizieren miteinander und auch mit den Menschen mit einer Art direkter Schallübertragung, ihre Anatomie ist für die Erzeugung von Sprache nur wenig geeignet. Das ist aber keine Form der Telepathie, es hat schon mit Schall zu tun, entsteht aber nicht mit den Stimmbändern. Sie können auch nicht die Gedanken anderer lesen. Insofern ist es also nicht anders, als bei einem Gespräch unter Menschen. Interessant finde ich, dass die Menschen dabei aber immer glauben, die Drachen sprächen ganz normal akustisch zu ihnen, es fällt ihnen nicht auf, dass die Drachen den Mund dabei nicht bewegen.

In diesem Zusammenhang fällt mir auch auf, dass ich schon länger nicht mehr an 'Maul, Schnauze, fressen' und so etwas denke bei uns, sondern die mir gewohnten menschlichen Begriffe nutze. Es erscheint mir einfach richtiger, ich mag nicht daran denken, dass ich 'fresse' oder 'saufe' - schließlich sehe ich die Drachen nicht als Tiere. Andererseits erscheinen mir die Krallen oder - 'Tatzen' für meine Füße - dann doch wieder logisch.

Nach vielen weiteren Dingen, wie die Namen anderer Großer Drachen und ihrer Wohnorte und Reviere - wobei mir Eldflóð später noch eine Karte zeigen möchte, die ihm ein Weiser der Menschen erstellt hat - merke ich, dass Fjörgyn und vor allem Græðarinn auch müde werden und beende den Informationsabend.

„Ich denke, für heute habe ich bereits mehr als genug Informationen von Euch erhalten. Wir sollten dieses für jetzt beenden, damit ich das ganze für mich ein wenig sortieren kann. Ich bedanke mich für Eure Bemühungen, Lord Eldflóð, Fjörgyn, Græðarinn."

Ich deute Verneigungen an. Fjörgyn antwortet:

„Ja, ich denke, wir sollten für heute Schluss machen. Bitte sei so nett Ralf, entschuldige, Eldingar, und bringe unsere Kleine in die Höhle. Græðarinn wird Dir ihr Lager zeigen. - Lord Eldflóð, was plant Ihr?"

Ich rappele mich vorsichtig hoch, um Manvinkona nicht zu wecken und gehe langsam und ein wenig umständlich zu der Höhle hoch. Græðarinn begleitet mich. Auf dem Weg bemerke ich, dass sich meine Augen praktisch sofort an die Dunkelheit gewöhnen und ich zudem keine Probleme habe, im Dunklen zu sehen. Natürlich nicht taghell, aber es wirkt auf mich, als ob ich auch im Infrarotbereich sehen kann. Tatsächlich: wenn ich mich darauf konzentriere, sehe ich Græðarinn deutlich heller als die Umgebung.

In der Höhle zeigt mir Græðarinn den Schlafbereich der Familie und dort in einer Ecke das kleine Nest von Manvinkona. Vorsichtig bekomme ich es hin, sie dort abzulegen, ohne sie ganz wach zu machen. Sie rollt sich neu zusammen und schläft weiter.

Ich wünsche Græðarinn eine gute Nacht und verlasse die Höhle wieder wo mir Fjörgyn begegnet.

„Lord Eldflóð ist noch aufgebrochen, er wird morgen noch einmal vorbeischauen. Du kannst gerne mit uns in der Höhle schlafen, Ra... äh Eldingar." bietet sie mir an.

„Danke, ich bin mir nicht sicher, ob ich heute schlafen kann, es ist so viel passiert heute, ich fühle mich noch gar nicht müde. Ohnehin bin ich eine 'Eule'. Ich bleibe einfach hier draußen und genieße die warme Nacht. Zudem ist die Nachtsichtigkeit für mich auch etwas neues, da schaue ich mich gerne noch ein wenig um. - Und: ihr dürft gerne bei meinem menschlichen Namen bleiben." -

„Nun, da Dir der Name von Erce gegeben wurde, ist es uns eine Ehre, Dich so anzureden. Aber im privaten gerne... - Und ich kann verstehen, dass Du gerne ein wenig Ruhe haben möchtest. Mache Dir nur bitte keine schweren Gedanken. Du kannst immer zu mir kommen, wenn Du Unterstützung brauchst. Und fühle Dich frei, hier bei uns zu schlafen, dort rechts ist ein guter Platz."

Ich lege meinen Kopf an ihre Schulter, die heute Mittag noch so unendlich hoch über mich ragte, sie macht mir die Geste nach.

„Danke Fjörgyn, ich werde sicher klarkommen. Eine ruhige Nacht wünsche ich Dir."

Wir trennen uns, sie geht in die Höhle und ich lege mich erstmal wieder an das Lagerfeuer, in das ich noch den Rest vom Brennholz lege. Ich schaue in das Feuer und überdenke die Informationen, die ich heute Abend erhalten habe. Da wird eine interessante Zeit auf mich zukommen, kein Zweifel.

Nachdem das Feuer heruntergebrannt ist, gehe ich ein Stück die Wiese herunter um mich in der späten Nacht, oder eigentlich schon fast frühen Morgen, ein wenig umzuschauen. Die Sinne öffnen und die Umgebung mit meinen neuen, fast unglaublichen Fähigkeiten erfassen.

Ich sehe auf der anderen Talseite eine Wildkatze, die noch vor der Dämmerung auf Jagd geht, höre die Fledermäuse über dem Wald vor mir rufen und die Nachtfalter, die sie jagen. Ich rieche, schmecke, fühle... Wenn ich die Augen schließe, erkenne ich die Umgebung mit den anderen Sinnen fast so, als würde ich sie am hellen Tag sehen. Ich bewege mich so leise, dass ich einen Fuchs, der am Waldrand entlang schnürt, überrasche - er sieht mich völlig erschreckt lange an, ehe er fast panisch im Wald verschwindet, wo ich ihn noch lange höre, ich rieche Wild das im Tal in Deckung ruht und spüre den Jagdtrieb erwachen. Ich schlucke den besser jetzt runter - ohne Hunger jagen entspricht nicht meinem Empfinden.

Und dann blicke ich in den Himmel. Was für ein Sternenhimmel... Die Kombination der klareren, dunkleren Atmosphäre hier und meiner Nachtsichtigkeit ergibt eine Sicht auf die Sterne, die ich noch nie so erlebt habe. Der Andromedanebel steht klar vor meinen Augen, als wäre er bereits kurz vor der Kollision mit der Milchstraße. Und das Band der Milchstraße steht hell leuchtend am Himmel und ich meine jeden einzelnen Stern erkennen zu können. Noch gut eine Stunde beobachte ich den Himmel hier und erforsche gleichzeitig mit den anderen Sinnen die Umgebung, erst als das Zodiakallicht im Osten erscheint, gehe ich zurück zum Lagerfeuer, nehme einen großen Schluck Wasser aus dem See und lege mich neben die noch warme Glut, um noch ein wenig zu ruhen.

Die Sonne weckt mich, ich bin doch noch ein wenig eingeschlafen. Zwar friere ich nicht, aber die warmen Strahlen der Sonne auf meinen Schuppen sind doch sehr angenehm. Ich rolle mich auf die Seite und strecke alle viere, nein sechse in alle Richtungen. Dabei gähne ich nach Herzenslust, soweit ich die Kiefer auseinanderreißen kann.

Offenbar sieht das so lustig aus, wenn sich ein, von Nasen- bis Schwanzspitze über 30 m langer Drache da so reckt wie eine Katze, dass sogar Fjörgyn die gerade aus der Höhle tritt, lachen muss. Sie wünscht mir einen guten Morgen, da kommt auch schon Manvinkona aus dem Eingang gestürmt, sucht und findet mich da noch liegend. Sofort spüre ich wieder die leichte Berührung da ganz hinten in mir drin. Ich konzentriere mich darauf und denke ein 'Guten Morgen'. Manvinkona stutzt sichtlich, sieht mich erstaunt an, sie konzentriert sich auch und ich fühle ein helles 'Guten Morgen'-Gefühl in meinen Gedanken aufleuchten. So fühlt sich also eine telepathische Verbindung an...

Lächelnd zwinkere ich ihr zu, um ihr zu zeigen, dass ich sie empfangen habe - und das es nicht jeder gleich wissen muss - und sage dann nochmal 'öffentlich'

„Guten Morgen Manvinkona." -

„Guten Morgen, Ralf" ruft sie fröhlich zurück.

Fjörgyn hat eine Bitte an mich:

„Eldingar, könntest Du Dich vielleicht ein paar Stunden um meine Tochter kümmern? Græðarinn muss nach dem gestrigen Tag seine Speicher wieder auffüllen, es hat ihn doch einiges gekostet und er ist kein Elemental, muss also seine Energien von außen auffüllen. Und ich würde ihn gerne begleiten." -

„Natürlich Fjörgyn." antworte ich ihr. „wir werden uns sicher gut beschäftigen können."

Græðarinn kommt bald auch heraus, wir begrüßen uns, und die beiden brechen dann auch bald auf.

Nachdem wir alleine sind, lege ich mich neben Manvinkona und nutze die Gelegenheit,

„Na du kleiner Schlingel - bist Du immer noch bei mir?" frage ich sie mit Augenzwinkern.

Sie grinst ein wenig verlegen,

„mmhmm, ich mag Dich eben so und es fühlt sich so gut an, wenn ich bei Dir bin." -

„Ich bin Dir auch nicht böse, deswegen. Und jetzt, seitdem ich es weiß, finde ich Deine sanfte Berührung auch sehr angenehm."

Sie ist beruhigt.

„Hast Du zu Deiner Mutter und Deinem Bruder auch so einen Kontakt?" -

„Nein, bisher nicht. Ich kann das erst seit gestern mit Dir. Und getraut habe ich mich auch nicht."

Ich lächele sie ermunternd an.

„Wenn Du meinst, Du schaffst das mit dem Kontakt, dann traue Dich ruhig. Deine Mutter und Dein Bruder werden sich sicher sehr darüber freuen. Soweit ich weiß, ist das eine Fähigkeit, die bisher noch kein Drache hatte." -

Sie überlegt.

„Meinst Du? - Dann übe ich ordentlich, darf ich das mit Dir?" -

„Ja, klar. - Eines möchte ich gerne noch wissen, Du hast mich ja auch während meiner Wandlung durch Erce die ganze Zeit gehalten, oder? Magst Du mir sagen, was Du in der Zeit gesehen oder gefühlt hast?"

Manvinkona nickt heftig.

„Zuerst war das so komisch, als Mama Dir ihre Kralle in die Brust gesteckt hat." -

Ich nicke.

„Ja, das war auch für mich merkwürdig, in der Zeit war mein Körper gestorben und meine Seele schwebte über allen, ich wusste nicht mehr wo ich war und was passiert war. Ich sah da drei Drachen, die ich nicht mehr erkannt habe und von denen ich glaubte, sie wollen mich fressen." -

„Oh, das ist aber komisch - da hast Du sicher Angst gehabt?" -

Ich schüttele den Kopf.

„Nein, eigentlich nicht mehr - ich wusste, dass ich schon tot war, ich war nur da und habe beobachtet. Als Dein Bruder dann mit der Heilung begonnen hatte - was ich auch nicht mehr begriffen habe in dem Moment - sah ich da plötzlich einen hellen Lichtstrahl durch mich hindurch aus der Erde kommen. Ab dem Moment war ich wieder 'in mir' und sah das helle Licht um mich herum und spürte Energie durch mich strömen. Am Ende begrüßte mich die Stimme Erces als ihren Hüter." -

Manvinkona staunte,

„Aha, so war das bei Dir - Du fühltest Dich so komisch an in der ersten Zeit, dann war es wieder wie vorher und dann habe ich auch das Licht gesehen. Und ein bisschen ein komisches Gefühl hatte ich auch in mir. Und dann hörte ich sagen: 'Danke Manvinkona, das hast Du sehr Gut gemacht' - und dann war alles wieder normal und Du warst ein Drache. - war die Stimme von Erce?" -

„Ja, ich glaube, das war Erce. Und ich glaube, Du hast von ihr da das Geschenk bekommen, das uns jetzt verbindet." -

Die Kleine ist jetzt sehr nachdenklich.

„Oh, so ist das..."

Ich stupse sie aufmunternd an.

„Und überhaupt teilen wir ja noch was besonderes: wir beide sind Hüter, zu denen Erce gesprochen hat."

Ein wenig Stolz huscht über ihr Gesicht.

„Stimmt." -

„So, weißt Du was? Irgendwie habe ich das Gefühl, meinen Körper jetzt viel besser zu verstehen. Ich habe jetzt Lust meine Schwingen ein bisschen auszuprobieren. Nicht fliegen, aber ein wenig die Luft unter ihnen spüren, irgendwann muss ich ja anfangen. - Was meinst Du?"

Manvinkona ist gleich dabei.

„Weiter oben ist eine Stelle, bei der guter Aufwind ist. Da übe ich immer mit Mama das Gleiten. Das wäre doch auch was für Dich."

„Ja, das können wir ja mal ausprobieren."

Ich schaue mich um, ob alles in Ordnung ist und dann machen wir uns auf den Weg. Ich setze sie auf meinen Rücken, auf der Schulter hat sie zwischen meinen Schwingen einen guten Platz. Tatsächlich habe ich jetzt auch bewusst keine Probleme mehr, meine Bewegungen zu koordinieren, die Erfahrungen der Nacht haben wohl auch noch sehr geholfen und mich mit meinem Körper geerdet.

So kommen wir schnell ein gutes Ende die Bergwiese hoch, bis zu einer Stelle, an der ein Hügel einen Buckel macht. Hier oben weht eine beständige leichte Brise, die tatsächlich einen leichten Aufwind erzeugt. Manvinkona zeigt mir ihre kleinen Gleitflüge, die sie schon gut beherrscht - ich breite zuerst einfach nur meine Schwingen aus, um mit dem Wind zu spielen und so ein Gefühl für den Wind, die Luft und meine Schwingen zu bekommen. Es dauert nicht lange, und ich hebe schon nur auf dem Aufwind leicht ab.

Überrascht stelle ich fest, dass ich offenbar ein guter Segelflieger bin, aber bei gut 60 m Spannweite eigentlich auch kein Wunder. Dadurch ermutigt, mache ich Manvinkonas Gleitflüge nach und komme schnell auch damit klar. Offenbar habe ich das Wissen, wie das mit dem Fliegen geht, auch irgendwie mitbekommen. Jetzt nur noch das bewusste Wollen abschalten und das unbewusste Können abrufen, damit das Fliegen intuitiv geht - dazu dann die Hemmungen abzulegen, die ich als bodengebundener Mensch gegenüber der Höhe habe.

Aber ich lerne zum Glück schnell dazu und ich bin hier ja immer nur wenige Meter über dem Boden. Nach drei Stunden etwa schaffe ich es, in der Aufwindwelle vor dem Buckel beständig zu segeln und zu manövrieren. Ich fliege! Zwar nur Segelflug und auch dicht über dem Boden - aber ich fliege!

Manvinkona sitzt zuletzt nur noch auf dem Buckel und schaut mir zu. Sie freut sich richtig für mich. Am Ende, als ich mich langsam sicher fühle, lasse ich sie auf meinem Rücken sitzen und nehme sie mit in die Welle vor dem Buckel. Sie hält sich gut fest, und genießt den Flug. Zuletzt liegt sie mit ihren ausgebreiteten Schwingen zwischen meinen auf meinem Rücken und erlebt den Flug, fast, als ob sie selber fliegen würde.

Ich sehe zwei Drachen unten über dem Tal näherkommen und weiß, das Fjörgyn und Græðarinn wieder zurück sind.

„Halte Dich bitte gut fest."

Manvinkona legt ihre Schwingen an und hält sich fest, sie passt noch gut zwischen meine Finnen und kann sich da auch gut festhalten. Besonders große Manöver habe ich ja auch nicht vor. Direkt aus der Welle tauche ich durch den Aufwind und gleite knapp über der Bergwiese hangabwärts Richtung Höhle.

Fjörgyn und ihr Sohn stehen auf der Fläche beim Teich und sehen sich um. Schnell bemerken sie mich, wie ich mit langen, eleganten Kurven nur knapp über dem Boden und mit mäßiger Geschwindigkeit auf sie zu gleite. Ich kann ihr Erstaunen sehen, als ich auf den letzten Metern einen letzten Bogen fliege, die Schwingen leicht anstelle um die Geschwindigkeit abzubauen und eine saubere Vierpunktlandung setze. - Landungen hatte ich natürlich da oben auch geübt.

Manvinkona jubelt von meinem Rücken.

„Hallo Mama, hallo Græðarinn! Ralf kann fliegen!"

Græðarinn ist immer noch erstaunt, aber in seiner Stimme klingt auch etwas bitteres mit.

„Ich glaub es nicht... wie kann man so dicht über dem Boden noch solche Kurven fliegen..."

Fjörgyn freut sich für mich, wird aber auch gleich ernst.

„Toll, ich freue mich, dass Du so gut zurechtkommst. - Aber, Eldingar, musstest Du bei Deinem ersten Flug gleich Manvinkona mitnehmen?"

Sie hat ja recht, so unerfahren, wie ich bin, hätte alles mögliche passieren können.

„Na ja, fliegen mag ich das noch nicht nennen, aber ich sehe ein, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich habe mich einfach hinreißen lassen und nicht bedacht, dass mir noch jede Erfahrung fehlt."

Währenddessen rutscht Manvinkona meine Schwinge, die ich gesenkt habe, hinunter.

„Ach Mama, Ralf ist ganz sicher geflogen, ganz ruhig und mit tollen Kurven - und er war ja auch ganz langsam." versucht sie mich zu verteidigen. -

„Trotzdem hat Deine Mutter recht, ich habe noch zu wenig Erfahrung und kann schnell Fehler machen."-

„Und hätte ich auf Mama gehört, wärst Du jetzt nicht hier und könntest fliegen!"

Ich muss lachen, selbst Fjörgyn grinst - das Argument ist nicht zu schlagen. Nur Græðarinn macht weiter einen irgendwie niedergeschlagenen Eindruck.

Fjörgyn legt sich in die Sonne und spielt mit ihrer Tochter. Græðarinn sitzt etwas abseits und wälzt irgendwelche Gedanken. Ich gehe zum Teich um einen Schluck zu nehmen. In der Ecke ist es windstill und so liegt das Wasser wie ein Spiegel vor mir. Da fällt mir ein, dass ich mich ja noch gar nicht selber gesehen habe bisher, da war irgendwie gar nicht die Zeit dazu.

Aus dem Wasser schaut mir ein schlanker, eleganter Drachenkopf entgegen. Eine Mischung aus Gazelle und Raptor würde ich sagen. Schlanke, schwarze Hörner ragen in leichtem Schwung nach hinten, bestimmt an die 2 m in die Höhe zwischen ihnen beginnt meine Kopffinne, die den Nacken entlangläuft und die aufgerichtet einen eindrucksvollen Kamm bildet. So hoch aufgerichtet, Kopf gesenkt, auf der S-Line des Halses, macht das einen eleganten, fast stolzen Eindruck. Zwar ist das einfach meine natürliche Haltung, aber ich werde aufpassen, nicht zu stolz zu erscheinen, muss ja nicht sein. Dann näher am Wasserspiegel erkenne ich tiefgründige, kobaltblaue Augen, die mich anschauen. Der schmale Schlitz meiner Pupille ist fast nicht zu sehen in dem dunklen Blau der Iris.

Ich blecke die Zähne - die sind anders, als bei meinen Freunden hier. Ihre sind mehr Echsen-, Dinosaurierartig in der Form, meine sehen mehr aus wie die eines Löwen oder Tiger mit den breiteren Schneidezähnen, den geschwungenen Fangzähnen und der langen Reihe scharfer Reißzähne.

Die Reißzähne werden mir eine etwas andere Art des Essen ermöglichen, damit kann ich das Fleisch feiner zerbeißen. Eine Art, die mir tief im Inneren doch irgendwie sympathischer ist, als das Schlucken unzerkauter Brocken - auch wenn das für mich problemlos ist. Was die anderen wohl sagen, wenn ich wie eine Katze an der Beute nage?

Die Fähigkeit, meine Lippen nicht nur komplett zu bewegen, sondern auch gezielt z.B. nur die Schneidezähne zu zeigen, ermöglicht es mir, das Wasser beim Trinken so einzusaugen und zu schlucken, wie ich es als Mensch gewohnt war. Ich nehme ein paar Schluck.

Dann fällt mir ein: ich habe doch einen Fotoapparat im Rucksack, vielleicht könnte...

Erst gehe ich aber zu Græðarinn, mal sehen ob ich ihn in die Gänge bekomme.

„Du, Græðarinn, hast Du Lust, mir nachher das Fliegen zu zeigen? Das richtige Fliegen, meine ich."

Er sieht mich an.

„Meinst Du denn, ich könnte Dir noch was beibringen?"

Das klingt bitter. Ist er sauer auf mich?

„Ganz bestimmt kannst Du mir was beibringen. Selbst wenn Erce mir das Wissen schon mitgegeben haben sollte, dann hat sie es tief in mir versteckt. Ich muss es erst finden, ausgraben, mich daran gewöhnen - und allein das richtige Bewegen der Schwingen bedeutet ja noch nicht, dass ich an nächsten Baum auch vorbeifliege und nicht mitten rein rausche."

Er überlegt kurz und nickt dann, zumindest habe ich ihn überredet.

„Gut. Am besten kurz nach Mittag, dann trägt die Luft besser."

Ich nicke ihm lächelnd zu und gehe dann weiter zu Fjörgyn und Manvinkona.

„Hallo ihr beiden. Ich habe mich gerade im Teich betrachtet und da ist mir eingefallen, dass ich eine Kamera im Rucksack habe. Damit könnte ich mich viel besser mal betrachten - ihr müsst verstehen, dass es mich einfach interessiert, wie mich ein Mensch jetzt sehen würde."

Fjörgyn nickt und Manvinkona galoppiert schon los, um den Rucksack zu holen. Die Dinge da drin interessieren sie ja immer noch.

„Du brauchst Dich nicht rechtfertigen, Eldingar. Wenn ich jetzt zum Mensch geworden wäre, würde ich mich sicher auch gerne betrachten wollen."

Nicht lange und Manvinkona kommt mit dem Rucksack bei uns an und legt ihn vor mir ab.

„Bitte, hier ist er." strahlt sie mich - schon neugierig - an. -

„Würdest Du die Kamera bitte herausholen? Du hast die bessere Größe für die Menschendinge."-

„Huch! Ja, stimmt."

Aufgeregt nestelt sie an dem Rucksack herum. Ich gebe ihr die nötigen Tipps, um die Schnallen zu lösen und die Reißverschlüsse zu öffnen. Dann steckt sie wieder ihren Kopf in den Rucksack und schnuppert.

„Das riecht immer noch so interessant hier drin."

hören wir aus dem inneren. Jetzt kann ich mir auch vorstellen, was sie da alles riechen kann.

„Ah, hier ist ja auch noch das Trockenfleisch..." -

„Ach ja. Die volle Tüte hält sich so noch ein paar Wochen, aber die offene sollte spätestens morgen aufgegessen werden."

Es raschelt etwas und ihr Kopf erscheint wieder, mit einer Tüte zwischen den Lippen. Manvinkona schielt zu ihrer Mutter, die etwas die Augenbraue hebt.

„Wenn es weg muss..."

Ein Blick zu mir, ich nicke und die Kleine macht sich über die restlichen Stücke her.

Solange nutze ich die Gelegenheit und schnuppere selber an meinem Rucksack, ist doch mal interessant, was ein Drache da so riecht.

Fjörgyn sieht mir zu.

„Na? Wie riechen Deine Sachen denn jetzt so?" -

„Interessant." antworte ich. „... ein Mensch riecht ja vergleichsweise wenig und ich hätte da vermutlich nichts definierbares wahrgenommen, aber jetzt: natürlich das Trockenfleisch, sogar das in der Tüte - die Energieriegel - oh, da sind ja noch Brote, die sollten besser weg bevor die schlecht werden. - Das Wasser in den Flaschen - Baumwolle, Wolle, Waschmittel und - was ist das - oh, das ist Mensch, das sind meine Klamotten - so habe ich also gerochen... - mmmh, irgendwas chemisches... ah, vermutlich die Regenjacke und der Rucksack selber, die sind aus Kunstfasern. - Und dann noch was... merkwürdiger Geruch... mehrere Teile... Das kann nur der Fotoapparat und das Handy sein. Ja sonst hatte ich da nichts auch nichts drin."

Am meisten wundert mich ja, dass ich selbst durch die Plastiktüten noch die Nahrungsmittel riechen kann.

„Irgendwie bedauere ich jetzt die Menschen, wie viel ihnen eigentlich entgeht um sie herum. Sicher würden wir dann die Umwelt auch anders behandeln..." -

„Ja, ich hoffe, die Menschen hier werden nie auf solche Dinge kommen..." antwortet Fjörgyn mir.

Manvinkona hat die Tüte leer und überlegt, was sie damit machen soll.

„Am besten, wir bewahren die im Rucksack solange auf, bis jemand mal nach drüben geht. Notfalls müssten wir es in einem sehr heißen Feuer verbrennen, damit es hier nicht ewig liegt, oder gar Giftstoffe entstehen beim verbrennen in einem Lagerfeuer. Die Menschen haben das Zeug leider sehr, sehr haltbar gemacht." erkläre ich. „... aber lasse uns doch mal die Kamera rausholen."

Sie fängt begeistert an, meinen Rucksack auszupacken und entdeckt jetzt, was da wie gerochen hat.

Ganz zum Schluss hat sie erst das Handy in der Hand. Da fällt mir ein, dass ich ja irgendwie meine Familie benachrichtigen sollte. Fjörgyn beruhigt mich.

„Ich denke, in ein paar Tagen können wir ihnen eine Nachricht zukommen lassen, dass es Dir gut geht. Da fällt mir sicher was ein."

Da ich ahne, dass sie Drüben jemanden kennt, den sie ab und zu mal besucht, sollte das wohl tatsächlich klappen. Ich erkläre Manvinkona, wie man das Handy abschaltet, dann kann ich es irgendwann vielleicht mal nutzen.

Und dann kommt der Fotoapparat, so eine robuste Kompakte, die Batterie von dem Ding hält sehr lange und ich habe noch Ersatz dabei. Die Funktionsweise habe ich in Grundzügen schnell erklärt und Manvinkona hat die Bedienung schnell verstanden. Ich darf posieren, dann ihre Mutter und sogar Græðarinn macht mit. Und dann schauen wir uns auf dem kleinen Monitor die Bilder an, für unsere Augen ist das kein Problem.

Ich sehe einen großen, schlanken Drachen, der eine stolze, elegante, fast königliche Haltung zeigt. Für einen Menschen eine beeindruckende Erscheinung. Meine Bedenken, ich könne womöglich zu stolz wirken, zerstreuen die anderen rasch. Einem Drachen erscheint meine Haltung zwar nobel, aber nicht stolz oder gar eingebildet. Und gegenüber Menschen, meint Fjörgyn, sei das sogar vorteilhaft, so einen königlichen Stolz auszustrahlen.

Aber auch die anderen entdecken sich auf den Bildern neu. Gerade Græðarinn scheint neues Selbstbewusstsein daraus zu schöpfen.

Er erinnert mich an unsere Verabredung.

„Die Thermik wird jetzt gut sein, für Dein Flugtraining. Da unten ist eine Klippe, da können wir erstmal im Gleitflug gut starten, damit Du Dich an die Höhe gewöhnst."

Wir machen uns auf, Fjörgyn flüstert mir schnell noch ein „Danke." zu, auch sie hatte bemerkt das Græðarinn sich vorher etwas zurückgezogen hatte.

Auf dem Weg zu der Klippe spricht Græðarinn mich an.

„Ralf, entschuldige, dass ich so... abwehrend zu Dir war. Es ging nicht wirklich gegen Dich persönlich, aber in mir wuchs so ein nagendes Gefühl, was Dir alles zufällt, was ich mir wohl nie erarbeiten kann. Ich kann beispielsweise nicht so gleiten, wie Du - meine Schwingen sind zu kurz dafür. Und ich spüre, da ist noch viel mehr, was ich nie so können werde, wie Du. Aber als Du vorhin Deine Familie erwähnt hast, wurde mir plötzlich klar, was Du auf der anderen Seite auch alles verloren hast. Was Du durchgemacht hast, auf dem Weg hierher. Hier, in einer Welt voller Fremder, untergekommen bei denen, die Dich beinahe umgebracht haben, Dich hierher verschleppt haben... „ -

Holla, Græðarinn zeigt mir hier seine Gefühle.

„Græðarinn, gerade Dir würde ich nie irgendeine Schuld zuweisen. Aber auch Fjörgyn nicht, nicht mehr. Wir sind doch alle die Geschöpfe Erces und dienen ihr. - So und jetzt verrate mir doch mal, wie ich die Angst vor dem Sprung in die Tiefe loswerde..."

Ich grinse - etwas verkrampft. Fliegen, einfach nur fliegen. Eigentlich ein alter Traum von mir. Wenn ich irgendwo in der Höhe stand und über die Täler und in die Weite geblickt hatte, wäre ich liebend gerne einfach abgehoben um darüber hinwegzugleiten. Klar ging das nicht und ich hätte mich im Leben auch nicht getraut da runter zuspringen. Bungee? Never ever! Und jetzt stehe ich an der Kante der Klippe, sehe hinunter, über das Tal, in die Ferne und spüre wieder das alte vertraute Gefühl, fliegen zu wollen, es zieht mich förmlich hinaus - und jetzt habe ich auch die Möglichkeit dazu, brauche nur die Schwingen ausbreiten und... ja: und... - beim Blick in die Tiefe ist da auch wieder die alte Angst zu springen. Ein Bodenstart und dann die Höhe ist auch kein Problem, aber von da oben springen? Es ist keine Höhenangst in dem Sinn, schon ein Sprung vom Einmeterbrett im Schwimmbad war Horror für mich, ein Sportlehrer hatte mir das eingebrockt, mir die Beine beim Startsprung weggerissen, seitdem war es vorbei - nur noch Angst vor dem Springen, unlogische Angst. - Zweifelnd blicke ich herunter.

Græðarinn schaut mich an und bemerkt, dass ich ihn nicht veralbere, dass ich wirklich seine Hilfe brauche, um hier losfliegen zu können.

„Ich habe keine Angst vor dem Fliegen an sich, ich möchte es sogar sehr gerne, es zieht mich geradezu - schon immer. Aber der Absprung..." erkläre ich leise.

Er versucht mich zu beruhigen, abzulenken. Die Angst ausreden kann er mir nicht, das weiß er - er versucht mich auf das Fliegen zu konzentrieren. Das konnte ich ja, habe ich heute schon gemacht, ich will es auch. Ich breite meine Schwingen aus, fühle den Hangaufwind, gewinne Auftrieb - und sehe mich in die Tiefe stürzen. Fest stehe ich wieder auf dem Boden. Heute morgen auf dem Buckel, ja - da war der Boden direkt unter mir, vor mir. Ich brauchte nur die Beine ausstrecken und hätte fast gestanden. Aber hier sind es ein paar hundert Meter. Eigentlich genug um zwei Fallschirme zu öffnen oder sogar drei - kein Problem für einen Drachen, selbst Manvinkona würde heil unten ankommen, aber der Gedanke...

Græðarinn beginnt mich ausschließlich auf die Ferne, die Weite, die Freiheit des Fliegens einzustimmen. Und ganz langsam vergesse ich alles andere um mich herum, will da hinausfliegen, fühle die Weite, spüre die Luft unter meinen Schwingen, mich umströmen. Græðarinn kommt in mein Blickfeld, mit seinen Schwingen schlagend und neben mir fliegend.

„Ralf, bitte konzentriere Dich jetzt auf mich. Du weißt wo Du bist?"

Ja, ich weiß es. Ich fliege über das Tal, gleite in den Aufwinden, die mich tragen und genieße das Gefühl von Freiheit. Ich blicke nach unten, sehe die Wälder und Wiesen tief unter mir, die Hirschrudel, die auf den Weiden äsen, jetzt ist die Tiefe kein Problem mehr für mich, ich fliege ja, springe nicht.

„Ja Græðarinn, ich weiß es. - Danke dafür."

Eine Thermik trifft mich - oder ich sie - ich kreise mich schnell höher, bin in Sekunden weit über Græðarinn. Mir fällt ein, dass er das so nicht kann, schnell verlasse ich den Thermikschlauch wieder, verkürze meine Schwingen ein wenig und kreisele mich schnell wieder zu ihm runter.

„Entschuldige, bitte." -

„Macht nichts. Ich weiß ja, dass Du ein wesentlich besserer Segler bist, als ich. Ich vermute, selbst Lord Kyrin würde Dir kaum etwas vormachen können. Wollen wir ein paar Starts und Landungen machen, damit Du da sicherer wirst?" -

„Ja, bitte. - Auch wenn es mir gerade schwerfällt, nicht weiter meinem alten Traum nachzugeben..."

antworte ich - mit einem glücklichen Gefühl in mir.

Ich mache mehrere Starts und Landungen, bis mein Unterbewusstsein verstanden hat, dass ich fliege, nicht springe. Dann gehen wir über zum aktiven Flug. Græðarinn erklärt mir die notwendigen Bewegungen, die ich zwar instinktiv kenne, aber ich lasse mir alles erklären und mache die Übungen mit. Er ist jetzt richtig in die Lehrerrolle geschlüpft und ich möchte ihn da nicht rausreißen. Beim aktiven Flug lerne ich die Geschwindigkeit lieben, die wir erreichen. Ich spüre, da geht noch mehr, aber ich verzichte darauf, das jetzt auszuprobieren.

In der Zwischenzeit ist Lord Eldflóð wieder eingetroffen, Nach einem Gespräch mit Fjörgyn kommt er zu uns herauf und beobachtet meine Ausbildung.

Zum Schluss übe ich noch die verschiedenen Starts und Landungen auf ebenen Boden. So ein Start vom Boden aus - vor allem ohne Anlauf - bedarf kräftiger Schwingenschläge und einer besonderen Schlagtechnik. Auch das ist irgendwie in mir drin, aber ich bin doch froh, dass Græðarinn mir mit seinen Ratschlägen hilft, alles richtig einzusetzen.

Ganz zuletzt möchte ich etwas ausprobieren. Ich stelle mich wieder an die Kante des Kliffs. Wenn ich nach vorne sehe, habe ich kein Problem mehr, ich könnte sofort abfliegen, aktiv oder gleitend - aber ich möchte etwas anderes versuchen.

Hinter mir erklärt Græðarinn Lord Eldflóð kurz meine Anfangsprobleme, mit meinem Einverständnis natürlich. Und ich konzentriere mich - ja ich will es jetzt probieren. Ich lasse mich mit angelegten Schwingen einfach nach vorne fallen, über die Kante des Kliffs in die Tiefe.

Kopfüber stürze ich dem Boden entgegen - ruhig jetzt, die Schwingen ausgebreitet, ich spüre den Auftrieb - und fange den Fall ab, gleite über das Tal. Den kurzen Jubelschrei kann ich mir nicht verkneifen. Ich finde schnell einen Thermikbart und bin schnell wieder auf der Höhe des Kliffs. Lord Eldflóð und Græðarinn heben ab und gemeinsam sind wir schnell wieder bei der Höhle, wo wir wieder neben dem Teich landen, an dem Fjörgyn auf uns wartet. Wo die beiden einige kräftige Schwingenschläge brauchen um weich zu landen, reicht mir nach einem Gleitflug und einem Anstellen der Schwingen ein einziger Schlag um eine Punktlandung zu machen. Offenbar ist mein Körperbau wirklich für das Fliegen optimiert.

Eldflóð wendet sich an uns.

„Ich bin erstaunt, über Eure guten Fortschritte in der Kunst des Fliegens Sir Eldingar. Ich sehe, dass Sir Græðarinn Euch ein guter Lehrer ist. Und ihr habt endlich Euren Körper angenommen." -

„Ich habe nur geweckt und geleitet, was an Wissen bereits in Sir Eldingar angelegt ist." wehrt Græðarinn ab, aber doch sichtlich geschmeichelt.

„Oh, nein. - ohne Eure Ruhe und Ausdauer wäre ich lange nicht soweit. Und nur Eure Hilfe hat meine Sperre gelöst, Sir Græðarinn, mein Freund." bestätige ich - offiziell. Er ist jetzt sichtlich verlegen. Fjörgyn ist stolz und froh, dass er wieder aus seinem mentalen Loch heraus ist.

„Und ja, mir ist es wohl gelungen, meinen neuen Körper anzunehmen, mein Lord - auch wenn es für einen Drachen vielleicht lange gedauert hat."

Er hat die kleine Spitze deutlich verstanden.

„Entschuldigt, ich wollte Euch nicht verletzen mit meinen Worten."

Ich deute eine Verneigung, als Dank für seine Entschuldigung an.

Manvinkona hatte unsere Landung vom Höhleneingang aus beobachtet und ist inzwischen bei uns angekommen. Sie stupst mich an.

„Ich möchte, dass Du mir das Fliegen beibringst. So will ich auch landen können."

Sie stutzt kurz, dreht sich um, sieht ihre Mutter und ihren Bruder an.

„Entschuldigung..."

Beide nicken und Fjörgyn antwortet.

„Schon in Ordnung, ich habe nichts dagegen."

Irgendein Sinn springt in mir an, etwas ist da, baut sich auf, wird stärker und kommt näher. Ich verstehe nur nicht was...

Eldflóð bemerkt meinen verwirrten Blick.

„Sir Eldingar, was ist mit Euch? Ihr wirkt, als hättet Ihr einen Geist gesehen." -

„Ich weiß es nicht, mein Lord Eldflóð. Ich spüre etwas kommen, nur weiß ich nicht was es ist."

Er horcht in sich, konzentriert sich dann auf mich.

„Ich spüre nichts kommen, aber das bedeutet nichts. Denn ich glaube, Eure Kraft beginnt zu erwachen. - Wenn Ihr wünscht, werde ich mich dann zurückziehen."

Ich bin verwirrt, warum will er weg?

„Verzeiht mein Lord, ich verstehe nicht..." -

„Nun, das Erwachen der Kraft ist eine sehr private Angelegenheit die in der Runde der Familie erfolgt. Ich möchte Euch da nicht zu nahetreten, Sir Eldingar."

Eine private Angelegenheit, familiäre Sache. Wer ist hier meine Familie? Wird Erce bei mir sein - ja vermutlich, nur eben nicht greifbar. Hier bin ich allein - oder vielleicht doch nicht.

„Eine private, familiäre Angelegenheit. - Lady Fjörgyn, Lord Eldflóð, Sir Græðarinn und meine kleine Dame Manvinkona - Ihr wart Zeugen, ja Beteiligte bei meiner Wandlung durch Erces Kraft - wer, wenn nicht Ihr, ist meine Familie hier in dieser Welt. Ich bitte Euch mich beim Erwachen meiner Kraft zu begleiten, zu leiten."

Ich verneige mich.

Fjörgyn antwortet sofort.

„Eldingar, Ralf. Blut von meinem Blut. Natürlich begleite ich Dich."

und Manvinkona ruft

„Du glaubst doch nicht, dass ich Dich alleine lasse!" -

auch Græðarinn antwortet

„Natürlich bin ich bei Dir."

Eldflóð verneigt sich.

„Es ist mir eine Ehre, Euer Erweckungspate zu sein, Sir Eldingar."

„Ich danke Euch, allen."

Ich bin etwas besorgt, was da nun wieder auf mich zukommt. Fjörgyn beruhigt mich aber schnell, vermutlich wird zwar meine Kraft recht plötzlich erwachen - mir zur Verfügung stehen - aber es geht eigentlich nur darum, Begleitung zu haben um leichter den Umgang mit der Kraft zu erlernen.

Aber in der ganzen Zeit fühle ich, dass da etwas langsam wächst und näher kommt.

Eldflóð lenkt mich ab.

„Sir Eldingar, nun da ihr eine gewisse Fertigkeit im Fliegen erlangt habt, wollt Ihr vielleicht mit mir auf Jagd gehen?"

Tatsächlich spüre ich ein leichtes Hungergefühl. Aber der Hirsch gestern hat erstaunlich lange vorgehalten für einen solch großen Körper muss ich sagen. Auf meine Nachfrage bestätigt mir Eldflóð, dass die Drachen tatsächlich nicht mehr benötigen. Wenn sie ruhen, können sie damit auch mehrere Tage auskommen. Dass sie gestern Elche gejagt hatten, lag an dem höheren Kraftverbrauch durch die Ereignisse gestern.

Bevor wir starten, frage ich Græðarinn leise.

„Entschuldige, ist vielleicht eine dumme Frage, aber die Nahrung wird sicher auch bei Drachen irgendwann mal wieder entsorgt werden müssen..." -

Eine leichte Belustigung liegt in seinen Augen.

„Natürlich. Aber wir verwerten die Nahrung sehr gut. Und was aus der Natur kommt, geht wieder dorthin, der Himmel ist hoch und die Wälder sind weit. Die Umgebung unserer Wohnhöhlen halten wir natürlich sauber - da neben der Höhle ist ein Steig, der zu einer kleinen Schlucht führt."

Wir brechen auf, Eldflóð, Græðarinn und ich. Es geht zu einem Tal in etwa 20 km Entfernung, die beiden voraus, Græðarinn weist die Richtung, ich folge ein paar Meter höher überwiegend im Segelflug, verzichte aber darauf mir Thermik zu suchen, sondern halte mit ein paar schnellen Schwingenschlägen die Höhe. Im Tal angekommen machen wir uns auf die Suche. Wir haben uns verständigt, dass heute nur Hirsche gejagt werden, also fliege ich mit schnellen Schlägen ein Stück das Tal hoch und suche dort kreisend. Eldflóð bleibt im unteren Talbereich, Græðarinn zwischen uns. Ich suche eine zeitlang, bin mir aber nicht sicher. Zwar finde ich Hirsche, aber es erscheint mir nicht das richtige zu sein. Ich weiß nicht recht, was ich tun soll, wie ich jagen, wie töten soll. Insbesondere über das Töten mache ich mir doch so meine Gedanken. Schon klar das es sein muss, ich bin ein Drache, der Spitzenprädator hier und ich war auch als Mensch grundsätzlich bereit, für mein Essen zu jagen - aber nie in der Situation es machen zu müssen.

Ich spüre dann, dass Eldflóð einen Beuteschlag hat und das weckt plötzlich den Jagdtrieb in mir - gleich finde ich ein lohnendes Opfer. Ein älterer Hirsch, noch gesund, aber bereits über seine Zeit hinaus. Ich kreise um ihn, beobachte ihn, gleite langsam immer näher heran, warte auf den richtigen Moment. Er hört mich nicht, so leise gleite ich durch die Luft, sieht mich nicht, ich vermeide jeden Schattenwurf in seiner Nähe - jetzt steht er richtig, ich setze an, fertig zum Sturz, zum Zugriff...

'Nimm mich bitte'.

Verwirrt sehe ich mich um - was war das? Ein Stück höher spüre ich einen jungen, starken, aber jetzt schwer verletzten Hirsch auf. Ich bin mit wenigen Schwingenschlägen bei ihm, lande direkt vor ihm. Er bleibt ruhig stehen, kann auch kaum noch laufen. Er ist offenbar vor kurzem von einer Klippe gestürzt, hat es überlebt, wird aber nicht mehr lange leben. Dieser Hirsch hat mich gesehen, hat den Großen Hüter Erces gesehen und bittet mich nun, ihn zu erlösen von den Schmerzen. Nicht mit Worten, aber ich fühle es.

Ich halte meine Hand vor ihn, er legt seinen Kopf auf meine Handfläche und wird ruhig, Seine Schmerzen scheinen zu verfliegen. „Gehe ein in Frieden in Erces Kraft." sage ich und die Kralle meines Zeigefinger zuckt heraus und durchtrennt sein Genick. Er ist gegangen, ich sehe auf seinen jetzt leblosen Körper herab.

Kurz darauf sagt eine Stimme.

„Wie war es?"

Ich erschrecke, Græðarinn steht etwas höher auf dem Hang und sieht mich ernst an.

„I-Ich weiß nicht - irgendwie - richtig - und ein gutes Gefühl, dass ich ihm helfen konnte."

Jetzt fühle ich eine tiefe Ruhe in mir. Græðarinn nickt.

„Ja, als Hüter gerufen zu werden um ein Lebewesen von seinem Leid zu erlösen und in die Kraft zu führen, ist immer ein besonderes Erlebnis. Ich habe seinen Ruf vorher vernommen und bin deswegen gekommen. Bevor ich ihn erreichte, sah ich Dich, spürte Deinen voll erwachten Jagdtrieb - aber dann war Dein Jagdtrieb einfach weg, weil er Dich gerufen hatte. Eine seltene Gabe, dieses schnelle Umschalten fällt auch mir schwer - und ich jage nicht gerne. - Du hast Deine Aufgabe sehr gut erfüllt, es ist mir eine Ehre, Zeuge gewesen sein zu dürfen."

Ich nicke einfach. Græðarinn hebt den Kopf.

„Ich spüre, dass Lord Eldingar einen weiteren erfolgreichen Beuteschlag hatte. Dazu Dein Geführter. Brauchen wir also noch einen." Er seufzt.

Ich spüre etwas.

„Wärest Du böse, wenn ich..." -

„Nein, natürlich nicht."

Noch bevor er zu ende gesprochen hatte, mache ich einen kurzen Satz, ein schneller Schlag mit gezückter Kralle und das Genick des Hirsches ist durchtrennt. Meine zuerst angesprochene Beute war zu neugierig gewesen. Græðarinn zuckt kurz zusammen, ich spüre aber auch seine Dankbarkeit, dass er nicht selber töten musste.

„Auch Du gehe in Frieden ein" sagte ich zu dem Hirsch, ich bin noch nicht wieder in Jagdlaune, wollte nur Græðarinn helfen.

„Spürst Du jeden Tod so intensiv?" frage ich ihn

„Ja, darum ist das Jagen für mich auch immer schwierig, aber es ist notwendig und gehört auch dazu. Danke für Deine Unterstützung, ich weiß das es im Moment auch für Dich nicht ganz einfach war"

Ich nicke. Wir nehmen jeder einen der Hirsche und fliegen zum Talende, wo wir Eldflóð treffen. Er bemerkt unsere Stimmung, fragt jetzt aber nicht weiter. Einen seiner Beutestücke nehme ich zusätzlich auf, da ich als bester Flieger unserer Gruppe mit zwei Hirschen besser zurecht komme und in wenigen Minuten sind wir wieder zurück an Fjörgyns Höhle.

Etwas später beim Essen - Manvinkona holt sich auch heute wieder ihren Anteil bei mir ab, zeigt mir diesmal aber genau, wie viel sie haben möchte - erzählt Græðarinn mein Erlebnis, mir selber ist nicht danach, aber ich stoppe ihn nicht. Fjörgyn sieht mich nur ruhig an, in ihrem Blick meine ich Mitgefühl und ein wenig Stolz zu erkennen.

Eldflóð nickt nachdenklich.

„Den Beuteschlag abbrechen und dem Ruf folgen - ich kenne sonst nur unseren jungen Freund Sir Græðarinn hier, der dieses kann. Und er ist nur selten im Jagdfieber. Ihr seid der Hüter Erces, mein Freund."

Ich beiße mich entsprechend der heute erkannten Art meines Gebisses mit den Reißzähnen durch meine Beute und finde es angenehmer, da ich so das Gefühl habe, zu kauen. Zudem ist der Geschmack dadurch noch intensiver. Die anderen reagieren nicht weiter darauf, da sie mein Gebiss ja kennen und meine Art zu essen diesem entspricht. Ich spüle anschließend meine Zähne mit einem Schluck Wasser durch, als ich plötzlich weiß was ich die ganze Zeit im Hintergrund näher kommen gespürt habe.

„Ein Gewitter zieht auf." -

Eldflóð schaut hoch und konzentriert sich.

„Tatsächlich, ich kann es auch ganz schwach spüren. War es das, was ihr die ganze Zeit schon gespürt habt?" -

„Ja, ich weiß es jetzt. - Es wird nicht sehr stark werden, kommt aber hierher."

Ich erkenne es, wie auf einer Wetterkarte.

Eldflóð nickt nachdenklich. Wir unterhalten uns noch eine Zeitlang über die Aufgaben als Hüter, bis Eldflóð sagt

„Es zieht auf."

er meint das Gewitter.

„Ja, in fünf Minuten ist es hier." antworte ich.

Verwundert fühle ich ein leicht prickelndes Gefühl durch meinen Körper ziehen.

„Dann sollten wir uns in die Höhle zurückziehen. Komm bitte Manvinkona." fordert Fjörgyn ihre Tochter auf, die wieder bei mir liegt. Ich überlege, irgendwie habe ich keine Lust in die Höhle zu gehen.

Eldflóð bemerkt mein Zögern.

„Für uns Drachen sind Blitze zwar nicht sehr gefährlich, doch wir mögen sie nicht. Gut, für die Kleine Dame ist es schon sicherer in der Höhle. Aber Ihr, Sir Eldingar macht einen zögernden Eindruck. Bisher war ich der Ansicht, dass auch die Menschen Blitze eher scheuen oder gar fürchten." -

„Richtig, es ist auch nicht der Mensch in mir, der mich zögern lässt - vielmehr eine mir unerklärliche Erregung, eine erfrischende Energie, die mich durchströmt."

Eldflóð legt seine Hand auf meine Schulter.

„Ich werde bei Euch sein, als Euer Pate."

Was meinte er damit? Erwacht meine Kraft jetzt - und was ist meine Kraft nun?

Der wachsende Energiestrom den ich fühle, der mich durchströmt und erfrischt, wischt die Fragen weg. Das Gewitter ist fast über uns, in den Wolken zucken schon die Blitze und das Donnern klingt bedrohlich. Aber das höre ich kaum. Ich fühle nur die Kraft, die in mich strömt, die mich erfrischt, auflädt, stärker werden lässt. Ich gehe zu einem kleinen Hügel in der Nähe aus dem eine Felsplatte herausragt und stelle mich darauf.

Ich genieße die mich durchströmende Energie, das angenehme Prickeln, die erfrischende Spannung. Die Energie steigt. Ich entfalte meine Flugarme, recke sie parallel in die Höhe - der erste Blitz schlägt in den hochgereckten Finger meiner rechten Flughand, durchzuckt mich.

JA! Das ist es. Ich fühle mich wunderbar. Ein weiterer Blitz trifft meine linke Schwinge, lädt mich weiter mit Energie auf. JA! MEHR!

Ich stütze mich auf meinen Schwanz, richte meinen Körper hoch auf, die Schwingen noch höher zur Gewitterwolke gerichtet, breite die Arme aus und richte meinen Blick nach oben. Jetzt sauge ich die Blitze aktiv in mich auf - immer mehr Blitze zucken, schlagen in die Schwingen, in die Hände, die Hörner - laden mich mit herrlicher, erfrischender, wunderbarer Energie auf. Immer schneller schlagen die Blitze in mich ein - nehme ich in mich auf. Ich sauge die Wolke leer.

Ein letzter Blitz, Die Wolke hat keine Energie mehr.

Aber ich habe Energie! Herrliche, wundervolle Energie! Ich fixiere einen Felsblock in 50 m Entfernung, öffne den Mund und spalte den Block mit einem kurzen, starken Blitz, den ich abschieße. Ich schließe die Augen, konzentriere mich, verschließe die Energie in meinen Speichern. Wieder auf alle Viere sinkend, lege ich die Schwingen wieder an, hole tief Luft und öffne meine Augen wieder.

Vor mir steht Lord Eldflóð.

„Sir Eldingar, Herr der Blitze. Ich freue mich, bei Eurem Erwachen dabei gewesen sein zu dürfen. - Einem sehr eindrucksvollem Erwachen übrigens."

Ich schaue hoch, die ehemalige Gewitterwolke zieht ab, beginnt über dem Tal abzuregnen.

Langsam kommen Fjörgyn und Græðarinn näher. Auf halben Weg hält Manvinkona es nicht mehr aus und kommt auf mich zugestürmt. Kurz vor mir hält sie plötzlich an, überlegt und streckt vorsichtig einen Finger zu mir aus. Ich muss laut loslachen.

„Keine Angst, kleine Freundin. Die Energie ist sicher gespeichert. Du kannst mich gefahrlos anfassen."

Sie fasst Mut, fasst mich mit der ganzen Hand an, nichts passiert. Dann strahlt sie mich an.

„Hey Ralf, war das toll. - Willst Du mal gucken?"

Sie hat die Kamera dabei. Alle haben mich angestarrt während der ganzen Zeit, dieser kleine Teufelskerl von einem Drachenmädchen aber hat meine Kamera hervorgekramt und Fotos gemacht, weil sie sich erinnert hat, dass ich mich so dann auch sehen kann.

Und so sehe ich also mich, die Mitternachtblauen Schuppen und die Schwingenhaut jetzt mit einem Blitzmuster verziert. Ein Blitz scheint beidseitig vom Kopf entlang des Körpers bis zur Spitze des Schwanzes zu verlaufen. Ebenso an den Armen und Beinen hinunter bis zu den Fingern, Auf den Flughäuten scheinen Blitze aus einer 'Energiewolke' an der Vorderseite zu zucken und auch alle Finnen wirken, wie unter Strom stehend mit dem Blitzmuster. Am Kopf wirkt es, als ob ein Blitz von Hörnern ausgehend unter den Augen vorbei verläuft und auch die Schuppenplatten auf dem Nasenrücken leuchten jetzt in der Farbe des Blitzmusters. Leuchtete das Muster während des Gewitters noch hellblau, hat es jetzt ein leuchtendes Königsblau angenommen.

Fjörgyn und Græðarinn sind nun bei uns angekommen und Eldflóð erklärt fast feierlich:

„Ich begrüße Euch, Sir Eldingar, Blitzdrache und Herr der Gewitter, als Mitglied der Großen Hüter."