Ein Heißer Sommer Tag 7, Teil 3

Story by Niwo on SoFurry

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#9 of Ein heißer Sommer

"Ein Heißer Sommer" begann als einteilige Kurzgeschichte, zu Anfang war es nur die Idee, über den ersten ereignisreichen Ferientag eines jungen Fuchses namens Marc zu schreiben. Aber nachdem dieser Tag erzählt war, gab es noch so Vieles mehr, das ich Marc erleben lassen wollte, unzählige Ideen schrien mich an und baten darum sortiert und herrausgelassen zu werden, deshalb schrieb ich einfach weiter. Nach Teil eins habe ich auch eine übergreifende Storyline mit eingeführt, ihr dürft also mitfiebern. Aber mein eigener Anspruch an die Storys ist eindeutig: Es sind Kurzgeschichten, kein Roman! Ich bin kein Schriftsteller. Diese Kurzgeschichten sollen unterhalten und hust anregen. :P

In jeden Teil füge ich etwas Plot und Yiff ein und probiere etwas Neues aus.

Viel Spaß beim Lesen ;)


...und weiter geht's: Diesmal war Marc nicht der Erste, der erwachte. Eine Bewegung, die das einfallende Sonnenlicht für kurze Zeit abdunkelte und dann wieder freigab, riss ihn aus seinen Träumen.

Erschrocken hob er den Kopf. Der fühlte sich sehr schwer an und im ersten Moment drehte sich ihm alles. Sein Wangenfell knisterte, als er es von der erdrückenden Enge des Kissens löste. Er musste zwinkern, um gegen das Licht überhaupt etwas zu erkennen.

Jeff lag neben ihm, daher war für den Fuchs recht schnell klar, dass es Kevin sein musste, der dort in der Mitte des Raumes hockte. Als dieser sich wieder erhob, verdeckte er erneut das Fenster mit seiner großen Statur. Jetzt erkannte Marc ihn besser. Das von hinten sonnenbeschienene Fell glänzte an den Umrissen. Das Orange glühte wie eine gelblich-weiße Aura und die schwarzen Streifen leuchteten hellgrau bis weiß.

Etwas irritiert war Marc, als er trotz seines schlaftrunkenen Zustandes sah, wie Kevin - eben noch in der Hocke - nun eine Pfote mit zwei fettig glänzenden Fingern von hinten aus seiner Boxershorts zog. In der anderen hielt er eine Tube Bepanten. Marc war im Augenblick jedoch zu müde, um groß darüber nachzudenken. Der Kopf war ihm schwer, seine Zunge pelzig. Er fühlte sich allgemein sehr ausgetrocknet. Trinken! Das brauchte er jetzt. Aber er war zu träge, um aufzustehen. Auch Kevin legte sich hastig wieder hin, nachdem er die Tube hatte in seinem Rucksack verschwinden lassen. Der Fuchs packte eine Pfote über die Augen, aber es war zu spät.

Der grelle Sonnenschein hatte die letzten Reste seines Schlafes wie Seifenblasen zerplatzen lassen,

sodass ihm schon nach einer halben Minute klar war, dass er - bliebe er auch noch so lange liegen - nicht mehr einschlafen würde. Aber auch zum Aufstehen fehlte ihm der Antrieb. Es war einer dieser Momente, in denen jede Entscheidung die falsche war. Im Grunde musste er alles auf einmal: trinken, pinkeln, sich anders hinlegen und doch einfach nur liegen bleiben und weiterschlafen. Aber egal, für was er sich am Ende auch entscheiden würde, etwas Anderes würde dadurch auf der Strecke bleiben. Wie lange er diesen Dämmerzustand ertrug, wusste er nicht, er wusste nur, dass er sich irgendwann doch überwand und aufstand. Jeff blinzelte ihn mit einem verschlafenen Auge an, aber Marc bezweifelte, dass sein Freund ihn wirklich wahrnahm, so schnell, wie es sich wieder schloss. Vorsichtig kletterte er über den Mäuserich, nicht jedoch, ohne die sanfte Berührung zu genießen, als seine Unterhosenbeule dabei Jeffs Becken streifte. Einen krassen Gegensatz zu diesem guten Gefühl bot sein Kopf, der ihm - bedingt durch wenig Schlaf und ungewohnt viel Alkohol - unangenehm schmerzte. Auf dem Weg zum Bad waren die lautesten Geräusche im Haus das Klicken der Krallen auf dem Holzboden und das Knarzen der Treppenstufen. Wie spät es wohl war? Sehr viel mehr ging dem verschlafenen Fuchs nicht durch den Sinn. Für irgendwelche hochtragenden Themen war er bei weitem nicht fit genug. Als er zu seiner Erleichterung fertiggepinkelt hatte (es hatte beinahe eine Minute lang durchgeplätschert), riskierte er einen Blick auf die Uhr am Küchenherd. „Bawwww," grummelte er, als er die 9:18 blinken sah. Viel zu früh! Hoffentlich war Kevinwieder eingedöst,

dann würde auch er sich noch zwei, drei oder besser gleich fünf Stunden an Jeff kuscheln und ausschlafen.

Beim Umdrehen schlurften seine Pfotenballen missmutig auf dem Fliesenboden. Die anschließende Treppe erschien ihm wie ein nicht enden wollender Anstieg, das Obergeschoss wie der ferne Olymp der wartenden Federkernmatratzen und kuscheligen Daunendecken. Vor seiner Zimmertür hörte er gedämpfte Stimmen. Seine Hoffnung darauf, den Rest des Vormittags einfach nur verschlafen zu können, schwand. An ihre Stelle traten Besorgnis und Mitgefühl für seinen Freund, der zu Hause rausgeworfen worden war. Genau dieses Thema schien Jeff mit Kevin zu besprechen. Marc öffnete die Tür und trat ein. „... wollte ich grad noch was erwidern, aber das hat er gar nicht erst zugelassen. Er hat nur nach draußen gezeigt und gemeint, er will, ... also ... so einen wie mich halt ... nicht unter seinem Dach haben." Das Wort ‚Schwuchtel' schaffte er nicht, wiederzugeben. Kevin hatte sich seitlich aufgestützt und hörte den Ausführungen des kleinen Nagers zu. Marcs Freund saß im Schneidersitz auf dem Bett. Auch sein Gesicht war ganz schön zerknittert.

Wenigstens schien er nicht erneut geweint zu haben. „Er ist manchmal ein echter Penner," sagte er. „Ich weiß nicht, was meine Mutter an ihm findet. Allerdings, wenn sie da ist, benimmt er sich ganz anders. Er mag mich nicht, für ihn bin ich immer nur ein Weichei, ein Versager. So nennt er mich. Er versteht einfach nicht, dass mein Leben anders verläuft als seines." Es entstand eine kurze Schweigepause, als Jeff aufsah. Sogar jetzt, mit dem Kissen noch im Gesicht, dem Vorabend in den Knochen und durchzogen von Sorgen war er echt niedlich. Umso mehr tat er Marc leid, er wollte seinem Freund unbedingt helfen, die Situation geradezubiegen. Und das nicht nur, weil er sich noch immer schuldig fühlte, dass sie bei David erwischt worden waren. Er ließ die Tür offen stehen, denn der ganze Raum roch gewaltig wie ein überfüllter Schlafsaal. Vermutlich war er selber der Hauptschuldige, nicht umsonst musste er bei manchen Klassenreisen zusammen mit anderen Füchsen,

Skunks und einschlägig bekennten Spezies in extra dafür abgetrennten Bereichen zubringen.

Und nach DEM Abend gestern ... Er warf einen Blick auf sein Armfell: Es kräuselte sich in alle Richtungen.

Er musste dringend duschen.‚Später!' urteilte er. Zuallererst ging er zum Bett hinüber, setzte sich neben Jeff und drückte ihn.

Es tat ihm sehr gut und auch sein Freund atmete hörbar durch. Marc gab ihm noch einen vorsichtigen Kuss auf die Wange. Das weiche Mäusefell kitzelte seine Lippen und es reichte sogar, um Jeff ein kleines Lächeln zu entringen. „Guten Morgen ... mein Schatz," begrüßte Marc ihn. „Morgen!" Ein deprimierter Unterton war nicht zu überhören, ebenso wie eine belegte Stimme, vermutlich ebenfalls ausgelöst durch Flüssigkeitsmangel. „Mor'n," grüßte auch Kevin. „Marc, ich ... ich hab echt Panik, was ich jetzt machen soll." In der Ruhe des Morgens waren seine Sorgen wieder mit aller Gewalt in den Vordergrund getreten. Zwischen ihm und der Konfrontation mit seinem Stiefvater oder einem Telefonat mit seiner Mutter schien nun nichts mehr zu stehen, was ihn beschützt oder wenigstens auf andere Gedanken gebracht hätte. Er senkte den Blick und spielte mit der Kralle an einem Fuchsfell-Büschel auf der Matratze.

Marc sah ihm dabei zu. Zum Glück war sein Winterfellwechsel bereits vor ein paar Mona-ten beendet gewesen,

sonst sähe es hier wesentlich schlimmer aus.

Als Fuchs war man zwar eh alle zwei Tage am Fellsaugen/-fegen/-rollen oder - ganz neu aus der Werbung - ‚swiffern', aber gegen Ende der kalten Jahreszeit war es - egal mit welchen hochtragenden Hilfsmitteln -

stets um ein Vielfaches schlimmer. Marc hatte dann regelmäßig das Gefühl, als könne man es bei fast jeder Bewegung hinter ihm rascheln hören. Trotz dieses kurzen gedanklichen Exkurses fand der Vulpine zurück zum eigentlichen Thema. Er hatte jedoch keine Idee, wie er Jeff helfen und sie an die ganze Sache herangehen sollten.

Sein Kopf war wie vollgestopft mit lauter Watte. Drückender, schmerzhafter Watte! Seine Gedanken waren schwammig und die Schläfen taten ihm weh.

Daher verdrängte er sämtliche Versuche, in diesem Zustand einen brauchbaren Beitrag zu Jeffs Problem zu bringen und machte stattdessen einen ganz anderen Vorschlag: „Was wär' denn, wenn ich uns erstmal einen Kaffe mache ..." Er schaute erst Jeff, dann Kevin an und korrigierte dann: „... einen STARKEN Kaffee ..." Der Tiger rieb sich die Pfoten durchs Gesicht und kommentierte ein erleichtertes ‚Oh ja!' in seine Finger. „... und wir uns, wenn der fertig ist, zusammensetzen und erst dann besprechen, was wir machen." „Kaffee klingt gut," stimme Kevin erneut zu. Jeff antwortete nicht. Erst als sein Freund ihn direkt adressierte und ein ‚Hmh?' hinterher schob, kam ein zaghaftes Nicken, gefolgt von einem gleichgültigen ‚Jop!' Etwa zehn Minuten später brodelte die Kaffeemaschine in der Küche in den letzten Zügen. Marc füllte drei große Becher mit der dunklen Flüssigkeit und stellte sie auf ein kleines Holztablett, dass er als Elfjähriger im Kunstunterricht hatte basteln müssen. Seine Mutter war damals begeistert, als er es mitbrachte und hatte darauf bestanden es mit Klarlack zu behandeln und dann dauerhaft zu Hause einzusetzen. „Das hast du so toll gebastelt, wär doch schade, wenn das nur im Regal rumsteht und verstaubt," hatte sie immer argumentiert. In der ersten Zeit hatte er sich dafür geschämt, weil sie es jedem verdammten Besucher hingestellt und ihnen erzählt hatte, dass ‚unser kleiner Marc hier' das selber gebaut hatte. Diese Phase hatte er zum Glück überstanden. Inzwischen war der Klarlack rissig und die Farbe darunter blass. Er war der Einzige, der das Tablett überhaupt noch verwendete. Es war aber kleiner als die Übrigen und somit bestens geeignet, um es die Treppen in sein Zimmer hochzutragen. Als er oben ankam, hatte Kevin seinen Schlafsack eingerollt. Jeff faltete mit langsamen und sorgfältigen Bewegungen die Wolldecke. Vermutlich hatte der Tiger ihn angewiesen, Platz zum Sitzen zu schaffen, denn der Mäuserich wirkte noch immer so, als hätte er sich von alleine nicht unbedingt dazu durchgerungen, aufzustehen. „So, Wachmacher!" verkündete Marc,

als er den Raum betrat und hielt auffordernd das Tablett hoch. „Jau, super!" Kevin bediente sich als Erster und nahm sogleich einen großen Schluck. Sofort verzog er das Gesicht und machte große Augen. „Alter, was' das denn?" Marc schmunzelte. Er wusste, was los war. Seine Eltern kauften seit einiger Zeit nicht mehr den speziesneutralen Kaffee, sondern die herbe Vulpinenmischung „Fox_X" der neumodischen Marke "K9K". Genau wie bei den Biersorten,

die inzwischen für jeden Geschmack und jede Spezies mit allen möglichen Zusätzen vermischt wurden und dann fancy-neue Namen bekamen (stand vor 100 Jahren in diesem Land nicht noch die Todesstrafe auf Bierpanschen?),

experimentierten auch andere Hersteller mit der Individualisierung ihrer Produkte.

Der Fuchskaffee war strenger als der für Feliden oder gar Nager. Nur ein Mal hatte Marc die „Körnerpampe", wie er den Nagerkaffee nannte, probiert. Es schmeckte ihm damals, als trinke er püriertes Müsli mit Kaffeearoma. „Fox_X - heb' dich ab!" zitierte er den weithin bekannten Werbespruch. „Da müssen sich doch sogar dir die Krallen einziehen," entgegnete Kevin. Dennoch nahm er einen weiteren Schluck. „Das is' dies K9K Zeugs, oder?" Marc nickte. „Ja, was Anderes ist nicht da. Und - nein - mir schmeckt's." „Gruselig, Köterplörre!" urteilte Kevin, genehmigte sich aber seinen dritten Schluck.

Offenbar wollte er zwar meckern, aber den Kaffee trotzdem trinken. Auch Jeff griff zu. Er nippte nur, kommentierte aber den Geschmack nicht weiter. Sein Schweigen war für Marc nicht leicht zu ertragen. Er wollte seinem Freund helfen, ihm Mut zusprechen und ihn aufmuntern, wusste aber nicht, wie. In seiner Hilflosigkeit fiel ihm nichts Intelligentes ein, also begann er mit Small Talk über das Getränk. „Geht's?" Dabei deutete er auf die Tasse. „M-hm, 's okay," entgegnete Jeff. „Soll ich Milch ... oder Zucker?" „Streusalz," provozierte Kevin. „Schlimmer kann's nicht werden." „Nee, lass." Wie, um seine Aussage zu unterstützen, nippte er erneut an der dampfenden Tasse. Eine Weile schwiegen sie sich an, sogar Kevin hatte Ruhe gegeben. Marc rang weiter mit sich, das schwierige Thema anzusprechen. Er wollte vermeiden, dass er Jeff in eine neue Trauer- und Depressionsphase stürzte. Auf der anderen Seite war er da anscheinend eh schon drin. Schließlich entschied er sich, mutig zu sein und die Initiative zu ergreifen. „Jeff ..." Der Mäuserich blickte auf und schaute ihn erwartungsvoll mit seinen dunklen Augen an. ‚Warum zum Geier fange ich immer wieder Sätze an, ohne mir vorher deren Inhalt zu überlegen?' fragte sich Marc innerlich. „Wir schaffen das, gemeinsam!" war das Beste was ihm so spontan einfiel. „Jo Alter! Mach dir kein' Kopf!" Kevin war taktvoll wie immer. Wenigstens hatte er seine nachdenkliche und schweigsame Phase vom Vorabend überwunden. Er war wieder ganz der Alte. „Ihr kennt meinen Stiefvater nicht. Der's altbacken, stur und voll engstirnig." „Was war denn mit deiner Mutter, hast du ihre Nummer dabei?" fragte Marc. „Ja, hab ich gespeichert. Mussten wir alle, bevor sie weggefahren ist. Für Notfälle meinte sie." „Ich glaube das qualifiziert sich als Notfall," warf Kevin ein. „Streifenkatzi hier hat Recht." „Hey!" Marc ignorierte den Feliden, der ihm ein ‚Hinternschnüffler' entgegnete.

Er schenkte Kevin nur ein schelmisches Grinsen und fuhr unbeirrt fort. „Du solltest sie anrufen, vielleicht kann sie mit ihm reden." Jeff schwieg. Er hielt den Kaffeebecher mit beiden Pfoten umklammert, als bräuchte er dessen Wärme zum Überleben. Ein absurder Gedanke, wo sich doch der Tag draußen erst so richtig aufzuheizen begann. Für heute Abend hatte der Wetterfrosch von Chris' favorisiertem Autoradiosender sogar Wärmegewitter vorausgesagt. „Meinst du nicht auch?" fragte Marc, als er die Ruhe nicht länger ertragen konnte. „Ich kann sie nicht anrufen. Nicht jetzt," erwiderte Jeff. „Warum nicht?" „Sie hat Anwendungen. Irgendwelche Relaxing-Bäder in so 'nem tollen Heilschlamm, der nur da vorkommt. Angeblich gut für den Fellglanz und so." An Kevins Reaktion erkannte Marc, dass der Tiger drauf und dran war, einen blöden Spruch zu bringen, vermutlich irgendetwas wie ‚marinierte Rennmaus' oder so, daher warf er ihm einen scharfen Blick zu, der ihn stumm blieben ließ. „Und frag nicht nach SMS oder Mailbox, die is' froh, dass sie mit dem Handy telefonieren kann." „Also? Wann geht's denn dann?" „Nachmittag, ab Eins sagte sie, dann ist die nächste Anwendung von Zwei bis kurz vor Vier und die letzte geht bis halb Sechs." „Wao, volles Programm," kommentierte Kevin. „Na, dann rufen wir sie um Eins an." Er hielt inne. Der Kaffee brannte sich heiß in seinen Magen. „Bis dahin sollten wir nur dringend was essen." „Jau, Golden Bows FTW!" Kevin war mit einem Mal Feuer und Flamme. „Golden Wa?" fragte Marc. „Golden Bows - Na, die goldenen Bögen?!" Als keine Reaktion kam, weder von Marc noch Jeff, malte Kevin mit zwei Fingern aus der Mitte heraus ein großes, geschwungenes „M". Jetzt klingelte es bei Marc. „McD?" „Guck nicht so, ich mag Whopperland auch lieber, aber ich hab Gutscheine dabei.

Richtige, mit Gratisburger - die aus der Tigerwoche noch." Marc erinnerte sich, vor nicht allzu langer Zeit verteilte McDonald's an alle Tiger die ein Maxi Menü kauften einen Gutschein für einen Gratisburger. Noch so ein Marketing-Gag, alle paar Monate war eine andere Spezies dran mit solch einer Sonderaktion. Aber so wie er sich heute fühlte, wenn er so drüber nachdachte ... war ein fettiges Burgerfrühstück vielleicht genau das Richtige. Derlei Aktionen waren auch für Jeff ein Grund mehr, den Laden zu meiden, denn wann immer er während einer solchen speziesbezogenen Aktion in der Schlange gestanden hatte, war zwei oder drei Plätze vor ihm eine Diskussion entbrannt. Etwa darüber, ob einer (erschreckend agilen) Schildkröte die Boni aus der Reptilienaktion zustanden oder nicht. Entweder war die Kröte einfach nur dämlich, oder sie stellte sich absichtlich dumm, um vielleicht so einen Gutschein abzugreifen. Sie hatte dennoch keinen Erfolg gehabt, der Verkäufer war nämlich sehr genau darüber informiert, dass Schildkröten zu den Amphibien gehörten und daher nicht teilnahmen.

Aber auch für Jeff klang die Idee, sich zu McD zu setzen eigentlich ganz gut.

Sie waren aus dem Haus, er würde auf andere Gedanken kommen und sein Bauch grummelte eh gehörig genug,

um ihm die Entscheidung zu erleichtern. Sie tranken ihren Kaffee aus (zumindest Marc tat dies, Jeff ließ die Hälfte stehen),

verzichteten trotz Kevins Protest auf die dringend benötigte Dusche und schritten so nur wenige Minuten später durch die Tür des dichtesten Schnellrestaurants in Marcs Stadtteil. Der alte Duft vom Vortag nach gebratenem Fleisch, Fett und frisch getoasteten Brötchen vermischte sich mit dem morgendlich-typischen Rührei- und Kaffeearoma zu einer unaussprechlichen Mixtur aus Appetitanregung und Ekel.

‚Gutes, durchschnittliches McDAroma', dachte Marc. Das Trio war alleine, keine weiteren Gäste waren zu sehen, lediglich am Drive-Schalter wurde jemand bedient. Kevin stürzte sich sogleich an den Bestelltresen und diskutierte mit dem jungen, tasmanischen Tiger mit starkem Akzent darüber, dass er seine Burgergutscheine auch zu Frühstückszeiten benutzen konnte.

Marc suchte einen der hinteren Tische aus und ließ sich nieder. Jeff kam mit einer Ausgabe der Kino-News hinterher.

Er setzte sich behutsam. „Tut's noch weh?" fragte der Fuchs, dem die Schuldgefühle hochkamen. „Geht. Und wenn, ist's 'n guter Schmerz," lächelte Jeff verhalten. Marc war erleichtert, auf der kurzen Busfahrt hier her war sein Freund aufgetaut. Seine Stimmung war zwar merklich gedämpft, aber das war immer noch besser als die Katerstimmung vom Morgen,

direkt nach dem Aufwachen. Dennoch ließ er die Ohren sinken, als er Jeff seinetwegen leiden sah. „Tut mir leid wegen gestern Abend." „Hör auf dich zu entschuldigen," lächelte Jeff ihn an. „Ich hatte doch meinen Spaß.

Außerdem hast du doch gehört, was das Zeug mit uns gemacht hat." Er legte eine Pfote auf die des Fuchses. Die Berührung tat richtig gut. „Weiß ich doch, aber trotzdem, ich ..." „VORSICHT, heiß und vor allem: trinkbar!" unterbrach Kevin ihn. Der Tiger stellte zwei Kaffeebecher auf den Tisch und behielt den Dritten für sich. „Essen folgt. Dem Filzköter hab ich dann grad mal klar gemacht, dass wir die Frühstücksburger trotzdem bekommen. Sind ja eh billiger, also was soll die Diskutiererei?!" Er blähte sich förmlich auf, als er prahlte.

„Und er bringt sie uns gleich." Was auch immer Kevin gestern Abend so schweigsam und nachdenklich hatte wirken lassen, es war anscheinend überwunden. Marc und Jeff rutschten durch und er setzte sich neben den Vulpinen. Zu seinem eigenen Unglück war der Tiger aber noch so sehr mit seinem Sieg über den Kassierer beschäftigt, dass er vergaß, sich vorsichtig niederzulassen.

„Ay," schimpfte er über den Schmerz, der ihm blitzschnell vom Hintern aus durch den Bauch zog. Er konnte auf die Schnelle nicht vermeiden, dass er zusammenzuckte. Sein Tail kräuselte sich und sein Gesicht verzerrte sich zu einer gepeinigten Grimasse. „U-huh," kommentierte Marc. Dessen Anfangsverdacht, dass auch Kevin sich gestern Abend (oder vielmehr heute Morgen) offenbar sehr gut amüsiert hatte, bestätigte sich zunehmend. Er musste einfach eine Spitze ablassen, denn so, wie Kevin immer austeilte, hatte er das ab und an verdient: „Na, hilft die Creme denn?" „Weiß nicht, was du meinst," brummelte der Tiger, als er sich erneut niederließ,

diesmal langsam und mit deutlich angespannten Unterarmen. Die Muskeln zeichneten sich unter dem Fell ab, als er sich am Tisch abstützte. Marc entschied, dass sein Freund ruhig sein Geheimnis hüten sollte, vermutlich wusste Alex eh, was er getrieben hatte. Der Fuchs hatte den Verdacht, als sei sein neuer Arbeitskollege nicht ganz unschuldig an Kevins Zustand. Spätestens morgen würde er den Wolf wiedersehen, dann könnte er ihn fragen. Erstmal gab es aber Wichtigeres zu bereden. „Schatz?" Sowohl Jeff, als auch Marc selber zuckten zusammen, für beide war diese Form der Anrede noch immer ungewohnt. Es war falsch und richtig zugleich. Zumindest ein Ziel war erfüllt, er hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit des Mäuserichs. Eigentlich wollte Marc seinem Freund anbieten, dass er bei ihm bleiben könnte, falls sein Stiefvater sich nicht gesprächsbereit zeigte, entschied dann aber, dass solch ein Gesprächsanfang eher kontraproduktiv wäre. Daher entstand erneut einer dieser unangenehmen Schweigemomente,

bis er seine Gedanken sortiert und einen besseren Einstieg gefunden hatte. „Brauchst die Ohren nicht so hängen lassen, ich helfe dir da durch, heute." „Ich bin eine Rennmaus, ich kann die Ohren nicht hängen lassen." Marc war baff, er wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte. Dafür war das für Kevin eine Bemerkung auf dem richtigen Niveau. „Bäm - owned! Maus: Eins, Fuchs: Null," verkündete er. Als weder Jeff noch sein Freund darauf eingingen, schwieg er. „Ich mein ja nur," setzte Marc fort. „Das wird schon, auch der kommt wieder runter. Nichts wird so frisch gefressen, wie es gejagt wird." „Du kennst ihn nicht," antwortete Jeff. Dann entsann er sich jedoch, dass Marc ihn das ein oder andere Mal bereits erlebt hatte und fügte hinzu: „... nicht richtig zumindest." „Genug, um zu wissen, dass die Bezeichnung ‚fiese Ratte' gar nicht so unangebracht ist. Was findet deine Mutter nur an ihm? Ich meine, eine Rennmaus und eine ordinäre Farbratte? Hallo?" Jeffs Blick wanderte an Marc vorbei, geradewegs über dessen Schulter ins Nichts hinein. „Anfangs war er anders. Netter, freundlicher, irgendwie. Zumindest zu uns. Zu meiner Mutter ist er immer gut, er ist fleißig, er hat uns in sein Haus aufgenommen, es fehlt uns an nichts. Vor Jahren hat er sein gesamtes Leben umgekrempelt, um mit ihr zusammen zu sein." Marc schwieg. Kevin tat es ihm gleich, schaute sich aber gleichzeitig nach dem Essen um. „Aber zu uns, mir und Daniel, ist er streng, manchmal laut, sogar ungerecht. Wenn sie aus dem Haus ist, wird er für uns unausstehlich. Hauptsache er hat seine Skatrunde und sein Bier am Abend. Das einzige, was sie weiß ist, dass er abends, wenn sie nach Hause kommt keinen Finger mehr krümmt." „Habt ihr mal mit eurer Mutter darüber gesprochen?" wollte Kevin wissen, als er sich zurückdrehte. Das Essen war noch nirgends zu sehen. Marc war drauf und dran eine ähnliche Frage zu stellen. Er war erleichtert, dass auch Kevin sich auf das Thema einließ. Gerade, weil er sonst mehr der Blöde-Sprüche-Macho war, mit dem man sich nur schwer ernsthaft unterhalten konnte. „Ja, Daniel, also mein Bruder, hat das mal versucht. Erst hat sie ihn gar nicht ernst genommen,

da hab ich ihr gesagt, dass er recht hat." Ein regelmäßiges Piepen ertönte vonhinter dem Tresen.

Jeff ignorierte es so gut er konnte und fuhr fort: „Sie hat aber gemeint, dass wir übertreiben und wollte ihn nicht ansprechen. Dann, ein paar Tage später hab ich ihr das noch mal alleine gesagt und sie meinte, sie redet mit ihm." „Und?" fragte Marc. Derweil tat sich etwas hinter Jeff. Zwar machte niemand Anstalten, das nervige Piepen abzustellen, aber verschiedene, papierverpackte Frühstücksburger lagen schon auf dem für sie bestimmten Tablett. „Ich war nicht dabei, aber am Ende meinte sie, dass wir tatsächlich übertrieben haben. Er hat alles abgestritten, gemeint, warum er denn anders sein sollte, nur weil sie außer Haus ist." „Und dass er abends so faul ist, stört sie auch nicht?" „Nee, ja. Manchmal streiten sie sich darum. Sie macht ihm Vorwürfe. Aber wegkommen von ihm kann sich auch nicht. Einmal hat sie mir nach einem Streit gesagt, dass er das alles nicht so meint, er arbeitet halt hart und da erwartet er nun mal, dass er am Abend Hause seine Ruhe hat. Und ihm gehört das Haus, also wären wir diejenigen, die ausziehen müssten." „Klingt nicht so prall," kommentierte Kevin. „Ach, wisst ihr, wenn er mich einfach nicht so sehr auf dem Kieker haben würde, oder mich und Daniel, dann wär' alles andere egal. Aber ich weiß nicht,

er macht mich zwischendurch immer wieder so runter, er glaubt ich kann nichts und werde auch nichts im Leben. Wenn ... wenn das nicht wär, dann hätte ich auch kein Problem mit ihm. Aber jetzt, wie soll ich ihm denn JETZT noch klarmachen, dass ich ernst zu nehmen bin, er hält mich doch für eine ..." er schluckte. „Wart mal ab," beruhigte Kevin. „Blut ist dicker als Wasser. Und diesmal muss sie dir ja glauben. Du hast ja nichts angestellt, sondern bist nur rausgeflogen, weil du ..." Der Tasmanier kam zum Tisch, in den Pfoten ein Tablett voller Burger. Er stellte es ab, wünschte einen guten Appetit und verschwand wieder. Jeff beugte sich vor und senkte seine Stimme. Jetzt klang er wieder ähnlich resigniert wie noch nach dem Aufstehen. „Aber genau das ist doch das Problem, ich weiß nicht, wie ich ihr das sagen soll ... das mit mir ..." Er sah Marc an. „... uns. Was, wenn sie es schon weiß? Vielleicht hat er sie ja auch schon angerufen?" „Darum sollten wir uns so früh wie möglich bei ihr melden. Punkt Eins." Marc wollte irgendetwas unternehmen,

um seinem Mäusefreund bis dahin eine möglichst sorgenfreie Zeit zu bescheren. „Komm, Pfote drauf, wir packen das!" Er hielt ihm seine Faust hin. Jeff zögerte kurz, dann checkte er sie mit seiner. „Digger, du packst das!" stimmte auch Kevin ein und checkte ebenfalls, erst mit ihm und dann mit Marc. „So, und jetzt wird erstmal gegessen." Er deutete auf das Tablett. Marc zählte die Verpackungen. „Neun? Ich dachte du hättest nur sechs Gutscheine." Kevin grinste. „Ja, der Rest geht auf mich. Hab ja gestern Abend doch keinen dritten Cocktail getrunken." Er stockte. Getrunken hatte er ihn schon, aber gezahlt hatten Adrian, Viktor oder Alex mit seinen Gutscheinen. „Aber geiler Service, mit an den Tisch bringen, oder? Wenn er's jetzt noch IRGENDWANN mal schafft, das verfuchste Piepen abzustellen,

dann ist er hier FAST schon qualifiziert für den Mitarbeiter des Monats." Der Tiger sprach für Marcs Verhältnisse unangenehm laut. Offenbar beabsichtigte er, dass die gesamte Belegschaft ihn hörte.

Auch der Sarkasmus war unüberhörbar. „Trotteltölen alles!" „He he, Katzo, keine Speziesjokes, sonst frag' ich dich, was ein Tiger im Knast anziehen muss." „Hä-Hä! Gar nix, er ist ja schon gestreift, der's alt!" löste Kevin selber auf. Dennoch verstand Marc seine Verärgerung. Das Geräusch stach ihm förmlich in seine empfindlichen Ohren. „Kommt zu McD, Audiospam inklusive." Jeff prustete, das war genau sein Humor. „Na, danke dann." Der Fuchs griff sich den ersten Burger. Er roch nach Ahornsirup und Ei, alles Andere als appetitlich. „Ja, danke," stimmte auch Jeff ein. Sie fielen förmlich über die Burger her. Kevin hatte von jedem drei bestellt, denn sonderlich groß war die Auswahl an genießbarem Essen während der Frühstückszeiten nicht. Und spezielle speziesangepasste Burger gab es auch nicht vor 11:30 Uhr. Dennoch tat das Essen verdammt gut. Nach der langen Nacht und den Cocktails wirkten sogar das weiche Sesambrötchen und das lieblos dazwischengeklatschte Fleischpatty wie eine Wohltat. Als das Tablett nur noch aus einem Wust zerknüllter Umverpackungen bestand, lehnten sie sich zurück und schlürften ihren Kaffee. Jeff hielt sich nachdenklich zurück, verfiel aber wenigstens nicht mehr in seine absolute Antriebslosigkeit. Stattdessen blätterte er in der Kino-News, nahm aber nichts von den bunten Informationen in sich auf. Viel zu sehr war er mit den bevorstehenden Gesprächen mit seiner Mutter und Stiefvater beschäftigt. Marc und Kevin nippten an ihren Bechern und unterhielten sich über die Unterschiede zwischen McD und ‚Whopperland', wie der Tiger Burger King nur noch nannte. Dann, so plötzlich, wie es angefangen hatte, hörte das Piepen auf. Eben noch war es markdurchdringend zu hören gewesen und jetzt war es weg. Als hätte es nie existiert. Marc kam es so vor, als fehle nun etwas. Sein Kopf, der sich allmählich von den Strapazen des Vorabends erholte, summte noch immer die Tonlage. Kevin machte eine Danke-großer-Leo-Geste zum Himmel. „Hat er's endlich geschafft." Nach einem weiteren Schluck Kaffee ankündigte er an, dass er am Nachmittag für ein paar Stunden weg müsse, aber einem gemeinsamen Abend nichts entgegensprechen würde. „Dann kannst du uns ja gar nicht beistehen, wenn wir zu Jeff fahren sollten, oder?" „Naja, doch. Ich bin flexibel. Ich mache Haushüten bei mein' Nachbarn, weißt schon, Briefkasten füttern, Blumen leeren, Fische gießen." Er grinste zufrieden. Marc rollte mit den Augen und fragte sich, seit wie vielen Minuten der Felide sich wohl diesen lahmen Spruch zurechtgelegt hatte. „Gibt Kohle und die Zeit kann ich mir einteilen, aber irgendwann vor heute Abend muss ich hin.

" Er überlegte. „Ich kann auch jetzt gleich los, dann bin ich bis Drei, halb Vier wieder da." Marc fand die Idee gar nicht so verkehrt. Beim Telefonat mit Jeffs Mutter wäre Kevin somit nicht da, das passte. Später, wenn er die Rennmaus zu sich nach Hause begleiteten sollte,

schien es ihm nach wie vor eine gute Idee, den Tiger dabeizuhaben. Wenn sie zu Dritt auftauchten, was sollte sein Stiefvater dann tun? Vielleicht, so überlegte er weiter, wäre es gar keine so schlechte Idee, wenn Jeff so oder so die nächsten Tage bei ihm schlief, zumindest solange seine Mutter noch unterwegs war. Er stimmte Kevins Idee zu. Der Tiger würde anrufen,

sobald er auf dem Rückweg war. Als der Kaffee zur Neige ging und sie aufbrachen, hatte sich der Laden nur mäßig gefüllt, aber sie waren bei weitem nicht mehr die einzigen Gäste. Marc warf kurze Zeit später die Frage in den Raum (vielmehr in den Bus), was die Anderen denn davon hielten,

Alex erneut um Rat zu fragen, aber Kevin gefiel die Idee nicht, das Ruder aus der Pfote und einem ihm kaum bekannten Wolf zu geben. Der Fuchs rollte mit den Augen. „Wenn du mal nicht die 100%ige Kontrolle hast, drehst du auch gleich durch, oder?" Der Tiger wurde kreidebleich unter seinen Streifen. Jetzt war er es, der meinte, wenn das Gespräch noch eine Minute weiter ging, würde Marc ihm aus dem Gesicht ablesen können,

dass er gestern (beziehungsweise immer noch heute Morgen) genau dies getan hatte,

und zwar auf eine recht radikale Weise. Aber auch er irrte sich, Marc war lediglich verwundert darüber,

dass er auf seinen Satz keine forsche Gegenreaktion bekommen hatte. Jeff lehnte Alex' Intervention jedoch ebenfalls ab und somit war das Thema vom Tisch. Kevin stieg gar nicht erst aus. Er versprach Eile und fuhr gleich weiter. Somit hatten Jeff und Marc etwas Zeit für sich. Es war inzwischen weit nach 11 Uhr und draußen stieg die Mittagshitze zu neuen Höhenflügen. Die Kühle des Backsteinhauses von Marcs Eltern tat beiden gut. Marc hechelte, als er durch die Tür trat. Neidisch fiel ihm auf, dass Jeff die Hitze besser zu vertragen schien. ‚Klar, Wüstenrennmaus', dachte er bei sich, als sie beide die Treppen hochstiegen. Der sexy Mäusehintern wackelte ihm direkt vor der Nase, Jeffs maskuliner Nagerduft verführte seine Sinne.

Weder er noch sein Freund hatten sich seit ihrem Besuch im Orange geduscht und somit

nahm Marcs feine Kanidennase jedes Details des vorherigen Tages in sich auf.

Einzig und allein der chemische Geruch nach ... wie hieß das Zeugs noch gleich ...? Na, der war jedenfalls weg. Bei den Eindrücken und Erinnerungsfetzen spannte sich Marcs Felltasche, er zwang sich aber zur Ruhe. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. In seinem Zimmer nahm er Jeff erst ein Mal in den Arm. Er redete seinem Freund erneut gut zu, dass sie das Problem mit seinem Stiefvater schon klären würden und versprach alle Hilfe, die er geben konnte. „Danke, sehr lieb von dir," sagte Jeff mit leiser Stimme. So hielten sie sich weiter fest und kamen allmählich zur Ruhe. Kein Radio war an, kein Kevin warf Bemerkungen in den Raum, keine Fritteuse piepte und keine Boxen beschallten eine Poledance-Show. Alles war still, sogar die draußen vorbeifahrenden Autos waren kaum zu hören. Jeff hatte seinen Kopf an Marcs T-Shirt gekuschelt und hielt ihn mit den Pfoten um die Talje geschlungen fest. Das Rascheln vom Brustfell des Fuchses, das bei jedem Atemzug am Stoff rieb, erfüllte seine großen Ohren. Es wirkte sehr beruhigend. Aber irgendwann verlagerte Marc sein Gewicht auf sein anderes Bein und spannte sich an, als sei ihm etwas unangenehm. „Schatz, ich würde gerne ..." „Nein," jammerte Jeff gespielt theatralisch. „Nicht jetzt!" Marc verweilte ein paar Sekunden länger und versuchte es dann erneut. „Du, ich würd' lieber erst duschen, ich ..." Jeff klammerte sich fester an seinen Oberkörper. „M-mh, bleib hier." „Aber ich ..." Marc war sicher,

dass er - gerade als Fuchs - nach dem Sex am Vorabend und dem heute Morgen im Club einen für Außenstehende strengen, vulpinen Geruch entwickelt haben musste. Da er nicht viel von Fellpuder hielt (ja, es half, aber sich mit dem Zeug komplett durchkämmen war ihm stets zu aufwendig gewesen) sprang er lieber regelmäßig unter die Dusche oder gleich in die Wanne. Jeff konnte die Besorgnis seines Freundes nachvollziehen, aber sie war unbegründet. Sicher, Füchse waren bekannt für einen starken Eigengeruch, einige Taxiunternehmen hatten bis vor wenigen Jahren noch spezielle Fuchs- und Skunkwagen und verlangten bei der Bestellung die Spezies der Fahrgäste genannt zu bekommen, aber mit Aufkommen von Duftkillern,

den Neutra-Sprays, kurz NSpray genannt, die wirklich gut funktionierten, war diese Diskriminierung immer weiter zurückgegangen.

Zu guter Letzt hatte die Politik dann auch noch eingegriffen und per Gesetz gleiche Behandlung für alle Anthros, egal welcher Spezies, festgesetzt. Jahr für Jahr glichen sich die Artenverhältnisse etwas besser aus, die Führungspositionen waren schon lange nicht mehr einzig und allein von Löwen und Wölfen, Drachen und Bären besetzt, auch die schwächeren Mitglieder der Gesellschaft

emanzipierten sich und eroberten seit nunmehr fast 100 Jahren alle Ämter und Positionen. In den modernen Zeiten fand man inzwischen Füchse, Hauskatzen, Wiesel, Nager und sogar Skunks in allen Bereichen der Wirtschaft, des Sports, der Wissenschaft und der Politik. Für ein heute geborenes Junges wäre es unvorstellbar, dass es noch 60 Jahre zuvor spezielle Skunkbusse gab. Für Jeff war alles in Ordnung. „Bleib, bitte!" Er schob seinem Freund das T-Shirt hoch und kuschelte seine Nase tief in sein Brustfell. Es roch tatsächlich streng vulpin, stark und männlich, nach Marc, nach Liebe, nach Glück und Geborgenheit. Das war alles, was er in diesem Moment brauchte. Er drückte seinen Freund sanft in Richtung Bett. Marc zögerte, aber Jeff hatte die Initiative ergriffen. Gemeinsam ließen sie sich auf die kühle Sommerdecke fallen.

Der Mäuserich kuschelte sich wieder an die warme Brust und schloss die Augen. Es roch so gut und so vertraut, aber er lauschte auch dem Herzklopfen, spürte das Kitzeln des Fuchsfells in seinen Ohren und nahm die angenehme Wärme dankbar auf. Seine Sorgen verflogen. Am liebsten würde er für immer hier bleiben. Dann forderte die lange Nacht ihren Tribut, trotz des Kaffees wurde er müde. Weil er sich so wohl fühlte auf Marcs Brust, bekämpfte er sie nicht, sondern gab sich ihr hin. Minuten später war er eingeschlafen. Der Fuchs war noch immer unsicher, ob er nicht zuerst ins Bad sollte, aber Jeffs Anhänglichkeit beruhigte ihn.

Es fühlte sich gut an, den kleinen Mäuserich so verkuschelt zu sehen, er lächelte und schnaubte zufrieden. Mit jedem Atemzug hob und senkte sich dessen Kopf auf Marcs Brust. Er faltete die Arme um seinen Freund. Auch ihm waren die negativen Gedanken wie weggeblasen, es gab nur ihn und Jeff. Alles war gut. Schon bald döste auch er ein. -„Wie spät ist es?" Jeffs Stimme holte ihn aus dem Reich der Träume zurück in die Wirklichkeit. Der Schlaf hatte Wunder gewirkt, er fühlte sich wesentlich fitter, als den gesamten Vormittag über. Als er die Augen öffnete, schaute er seinem Freund direkt ins Gesicht. „Hmh?" „Ob du weißt, wie spät es ist," wiederholte Jeff die Frage. Er hatte, ähnlich wie heute Morgen,

eine plattgelegene und leicht feuchte linke Seite. Marc schmunzelte. Wahrscheinlich hatte er so entspannt geschlafen, dass er in sein Brustfell gesabbert hatte. Der Fuchs gähnte zufrieden, sodass sich seine Zunge kringelte. „h ..." Er rieb sich die Augen, um klar sehen zu können. Dann blinzelte er in Richtung Stereoanlage und erschrak. „Damn, Zwanzig nach Eins." Auch Jeff schrak hoch. Mit einer Pfote wischte sich durchs Gesicht, was alles nur noch schlimmer machte. Marc gluckste. Sein Freund sah aus, als sei er eine tollwütige Straßenmaus.

Eine exotische und enorm gut aussehende, aber dennoch tollwütige Straßenmaus. „Ich muss anrufen. Bevor ..." Jeff war aufgesprungen, setzte sich aber noch ein Mal, weil sein Kreislauf so schnell nicht hinterherkam. Marc erhob sich ebenfalls. „Klar." Seine Brust war tatsächlich feucht. „Wohnzimmer." Sie gingen runter. Auf die Frage,

ob er dabei sein sollte, wenn Jeff seine Mutter anrief, druckste dieser rum. Er schien die Idee nicht als allzu beruhigend zu empfinden. Sicher, vermutlich war es das Beste, wenn Marc seinen Freund dabei allein ließ. „Ich geh so lange ins Bad. Du schaffst das." Er gab ihm einen Kuss auf die struppige Wange. „Ich liebe dich." „Ich liebe dich auch," sagte Jeff gerade noch rechtzeitig, bevor der Fuchs die Wohnzimmertür hinter sich schloss.

Marc verlor keine Zeit, er würde nicht lauschen, das wäre ein Vertrauensbruch, also verschwand er umgehend im Bad. Die Dusche tat sehr gut. Er konnte förmlich spüren, wie die Mattheit aus seinem Fell gespült wurde.

Gleich zwei Mal nahm er Fellshampoo nach und wusch sich sehr ausgiebig. Außerdem wollte er vermeiden, dass er womöglich fertig war, noch bevor Jeff aufgelegt hatte. Je mehr Überbleibsel des Vorabends er sich aus dem Pelz schrubbte, umso mehr Kraft kehrte zu ihm zurück. Als er irgendwann unter seiner Tailbase den Schaum verteilte und die Pfotenballen auch über sein Tailhole gleiten ließ, schauderte ihm wohlig.

Er drückte mit einem Finger gegen die zarte Haut. Das Shampoo ließ ihn einfach so drüber und sogar ein Stück hineingleiten. Die zarte ffnung gab mit schwachem Widerstand nach. Marc murrte entspannt. In seiner Felltasche bahnte sich eine leichte Schwellung an. Er zog den Finger zurück. Sein Tailhole zuckte sehnsüchtig, jedoch war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt,

es gab Wichtigeres zu tun. Er nahm sich vor, sich das nächste Mal genau dort verwöhnen zu lassen und beließ es dabei. Als er kurz darauf aus der Dusche gestiegen und gerade dabei war, seinen Tail so gut es geht abzutrocknen, hörte er die Wohnzimmertür. Er schwang sich sein Badetuch um die Hüfte und kam aus dem Bad. „Ich hab sie erreicht." Der Renner wirkte besorgt, strahlte aber auch eine entschlossene Stärke aus. Zumindest kam es Marc so vor. „Und?" Jeff ignorierte den feuchten Pelz und umarmte seinen Fuchsfreund. „Sie weiß es." Er drückte fest zu. Marc gab ihm den Halt, den er brauchte. Er erwiderte die Umarmung und streichelte seinen Rücken.

„Von dir, oder hat ...?" „Nein, nein, schon von mir." Er atmete tief durch. „Hat sie dir geglaubt?" „Dass ich schwul bin? Das, ja! Sie ... sie hat sogar mehrfach gefragt, ob ich mir wirklich sicher bin und ob ich nicht doch nur eine Phase durchmache und so." „Oh-kay ... und weiter?" „Naja, sie glaubt mir immer noch nicht, dass er sich immer anders verhält, sobald sie mal nicht da ist, aber dagegen, dass er mich rausgeschmissen hat, kann sie ja nun nichts sagen." „Außerdem wird er das ja auch ihr gegenüber zugeben, oder nicht? Ich meine, so sauer, wie er war?! Dann steht er doch hoffentlich auch dazu." „Ich hab keine Ahnung. Sie meinte, sie ruft ihn an und redet mit ihm. Ich hab gesagt, sie soll mir diesmal bitte glauben." Jeff erzählte, dass er in ein paar Minuten erneut durchrufen sollte. Um selber duschen zu gehen, war er zu aufgeregt, also leistete Marc ihm einfach Gesellschaft. Er zog sich eine Shorts über und lümmelte sich in einen der Beanbags. Jeff setzte sich ihm gegenüber. Der Vulpine hatte vorgeschlagen, ein neutrales Gesprächsthema zu wählen, damit sein Freund sich nicht minutenlang noch nervöser reden würde und so diskutierten sie, was sie die nächsten Tage alles unternehmen konnten. Das war auch keine so gute Idee, denn wie sich herausstellte erinnerte es Marc lediglich an die bevorstehende Arbeit und jeder dritte Satz von Jeff endete mit so etwas wie ‚... aber ich muss erstmal gucken, wo ich dann wohne' oder ‚... falls ich dann wieder zu Hause rein darf'. Marc wusste nicht recht, wie er ihm helfen konnte, also versuchte er einfach, ihm Mut zuzusprechen.

Um die unangenehmen Schweigeminuten zu kaschieren, schaltete der Fuchs die Stereoanlage ein und wählte Sunshine Live.

Mit seinem neuen Digitalradio-Receiver konnte er seinen Lieblingssender endlich auch bei sich zu Hause empfangen,

ohne dafür seinen Laptop in den umständlichen und qualitativ minderwertigen Online-Stream einzuklinken.

Sonntags auf SL, wie er es nur noch nannte, liefen um diese Zeit immer Dance-Charts und das war - in gedämpfter Lautstärke - genau die richtige Hintergrundbeschallung, die er jetzt brauchte. Jeff hielt das Gespräch jedoch nicht sehr lange durch. Es war nicht der spärlich bekleidete Fuchs, der ihn ablenkte, sondern vielmehr das Telefon. Es lockte ihn, es verlangte, es schrie förmlich nach ihm. Gegen seine Macht konnte er sich nicht dauerhaft wehren. „Ich ruf jetzt zurück," entschied er, als er die Ungewissheit nicht länger aushielt. Marc schaute auf die Uhr, es waren kaum zehn Minuten vergangen. „Willst du nicht noch warten? Wenn besetzt ist, rotierst du nur noch mehr." „Ich kann nicht mehr warten." Mit diesen Worten stand er auf und ging nach unten. Sein Freund blieb alleine im Zimmer zurück. Auch diesmal würde er Jeff das Telefonat alleine führen lassen, also drehte er die Musik lauter und erhob sich. Sein feuchtes Fell hatte auf dem Stoff eine Silhouette seines Rückens hinterlassen. Er sah sich im Zimmer um. Nachdem er eine Woche lang nicht sauber gemacht hatte, lag alles voller Fellfusseln und das nicht nur von ihm. Deswegen und um sich zu beschäftigen, schüttelte die Decken aus, was zur Folge hatte, dass Unmengen Haare durch de Luft wirbelten. Die Verbliebenen sammelte er mit einem Fellroller vom Laken. Er drehte sich um und rollte mit den Augen. Als Ergebnis seiner Aktion hatten sich die Haare über beide Beanbags sowie sämtliche Regale und den Schreibtisch verteilt. „Hmpf! Okay ..." kommentierte Marc sich selber. „Wo ist denn ...?" Er holte Staub- und Fellwedel und begann damit, die eben verteilten Büschel von den Oberflächen einfach auf den Boden zu wischen. Dort konnte er sie gleich problemlos aufsaugen.

Seit dem Winterfellwechsel stand der Staubsauger des Obergeschosses bei ihm im Zimmer.

Er war Tag für Tag, Woche für Woche und schließlich Monat für Monat zu faul gewesen, ihn wieder in die Kammer zu räumen. Sein Bruder hatte einen eigenen Tragbaren und da Marc und er so oder so verantwortlich waren, die Obergeschossflure zu saugen, hatten auch seine Eltern nicht wirklich eingegriffen. Jetzt kam es ihm gelegen, dass er das Gerät nicht erst holen musste. Just als er den Stecker einsteckte, kam Jeff die Treppen hoch. Marc lehnte den Stiel an den Schrank. „Na, was sagt sie?" „Sie hat ihn erreicht. Er hat wohl tatsächlich versucht, es runterzuspielen." „No way!" „Doch, aber sie sagt, sie hat mit ihm gesprochen und ich darf wieder rein." „Ja, aber hat sie auch gesagt, wie er drauf ist?" Hier stutzte Jeff sichtbar. Er wusste es nicht und genau das machte ihm Angst. „Nein," druckste er. Sein Hals schwoll ihm zu. Hinter Marc endete gerade der Song und der Sender wechselte in die Werbung. Gegen die laute Stimme, die aktuelle Angebote einer Supermarktkette verkündete, erhob er seine Stimme und wiederholte sein Versprechen: „Ich komme mit zu dir. Du bist da nicht alleine. Und Kevin wollte ja auch kommen." „M-hm." Jeff schaute eingeschüchtert, berappelte sich dann aber und umarmte seinen Freund. Diesmal war es der Mäuserich, der Küsse verteilte. Er drückte Marc erst einen auf die Wange und dann noch einen seitlich auf die Lefzen. „Danke." Marc erwiderte den Kuss. „Nicht nötig. Ich hab dich doch lieb." „Ich hab dich auch lieb," bestätigte Jeff. Sie hielten sich in den Armen, bis dem Fuchs die Felltasche zu eng wurde, was nicht lange dauerte. Der warme Mäusekörper und der heiße Atem, der ihm durch das Nackenfell wehte, erregten ihn, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Er zwang sich zur Ruhe, dies war noch immer nicht der richtige Augenblick. Schließlich war es aber sein Freund, der die Umarmung auflöste. „Ich werd' dann mal duschen," verkündete er. Das tat er dann auch. Marc spielte den Hausfuchs und saugte währenddessen alle Räume,

die es seiner Meinung nach nötig hatten sowie den Flur. Da Jeff nichts Eigenes zum Wechseln dabei hatte, legte er ihm frische Kleidung hin, Teile,

die ihm schon seit Längerem zu eng oder zu kurz waren. Nachdem der Mäuserich wieder angezogen war, aßen sie gemeinsam Müsli. Die Burger hatten bei beiden nicht lange vorgehalten, irgendwie - so fand Marc - taten sie das nie, egal wie groß sie waren. Den frühen Nachmittag über räumten sie gemeinsam das Haus auf. Während der Fuchs das Bett neu bezog, wusch Jeff unten in der Küche das benutzte Geschirr ab. Er hatte sich freiwillig angeboten, denn seine Pfoten waren wesentlich dünner behaart als die seines Freundes.

Und Marc hasste Latexüberzieher, die ziepten immer so am Fell. Während der ganzen Zeit redeten sie nicht viel miteinander. Der Fuchs hatte noch immer kein Patentrezept gefunden, wie er seinem Schatz, wie er Jeff mittlerweile auch in seinen Gedanken nannte,

helfen konnte, also beließen sie es dabei. Der Wüstenrenner fegte gerade durch den Flur im Erdgeschoss, als das Telefon klingelte. *Rumms, Rumms, Polter, Bumm, bumm, bumm!* war Marc die Treppe runtergerannt. Wenn seine Mutter jetzt zu Hause wäre, hätte sie ihm vermutlich eine Standpauke gehalten,

wie alt die Holztreppe sei und dass sie nicht gedacht war, für solch ein wildes Draufrumgetrampel und bla bla bla ... Aber das war sie ja nun mal nicht, also hielt er sich an der Zierleiste über seinem Kopf fest, schwang sich mit ihrer Hilfe um die Kurve ins Wohnzimmer, dass sein Tail nur so an den Türrahmen knallte. Er unterdrückte den daraus resultierenden Aufschrei und griff stattdessen das Telefon.

Warum stellte er das auch jedes Mal wieder zurück auf die Station, wenn es doch tragbar war? Auf dem Display leuchtete Kevins Handynummer. Er zog die Verlängerung für lange Schnauzen heraus und drückte die ‚Abnehmen'-Taste. „Hey!" „Yo! Schlechte Nachrichten." Während Marc den Hörer zwischen Schnauze und Schulter einklemmte, um sich die schmerzende Tailmitte zu reiben, erklärte Kevin, dass er heute nicht mehr zu ihnen fahren könne. „Meine Eltern wollen zum Hafen, da's wohl heute so'n Felidenfest und ich soll auf mein' klein' Bruder aufpassen." „M-hm, ‚Feli-Days, alles für die Katz', ich weiß," stimmte Marc zu. „Hängen überall Plakate von rum. Is 'nen anderes Wort für ‚ein Anlass zum Saufen', mehr nicht." „Scheiße, müsst ihr wohl alleine da hin." „Ja, kann man nicht ändern. Viel Spaß mit dei'm Bruder." Kevins Stimmlage zeugte von wenig Begeisterung. „Joah, mal sehen. Viel Glück Euch." „Danke. Cya!" „Cya." Er schob die Verlängerung ins Gehäuse und stellte das Telefon zurück auf die Basisstation. „Kevin kann nicht." „Hab's gehört. Und nu'?" Marc brauchte einige Sekunden, bis er eine Antwort gefunden hatte. Das kam zwar unerwartet,

aber je länger er darüber nachdachte, umso klarer wurde ihm, dass sie auch ohne den Tiger auskämen. „Ganz einfach - wir fahren zu zweit." „Hmmkay." Jeff spannte sich die folgenden Minuten sichtbar an. Seine Bewegungen wurden steif und mechanisch. Die Vorstellung, dass es nun so weit sei und sie seinem Stiefvater gegenübertreten würden, machte ihn nervös.

Auch während er seine Sachen zusammenräumte und sie kurz darauf das Haus verließen, änderte sich daran nichts.

Im Gegenteil. Zusätzlich schwieg er jetzt auch noch. Marc fühlte sich hilflos, gerne hätte er seinen Freund zur Aufmunterung gedrückt oder ihm einen Knutscher verpasst, aber beides war nicht mehr möglich, seit sie aus der Kühle des Flurs hinaus in die Mittagshitze getreten waren. Nicht nur, dass Jeff solcherlei Gesten in der ffentlichkeit unangenehm waren, nein, schon auf den ersten Metern hatte Marc zudem mit seinen ganz eigenen Problemen zu kämpfen:

Die Sonne brannte erbarmungslos, sodass er bereits nach kurzer Zeit stark hechelte.

Er tat das einzig Mögliche und band sich sein T-Shirt um die Hüfte.

Viele Furs, die sie auf der Straße sahen, trugen ähnlich wenig Kleidung. In den Sommermonaten war dieses Bild nichts Ungewöhnliches. Der Bus dagegen war so kühl runterklimatisiert, dass sich ihm der Pelz aufplusterte, was das anschließende Aussteigen noch unangenehmer werden ließ. Jeff schien die hohe Temperatur nichts auszumachen. Da sie jedoch bis zu ihrer Ankunft noch immer kein Wort gewechselt hatten, gab es auch keinen Schlachtplan, als er mit zitternder Pfote den Schlüssel ins Schloss steckte und die Haustür öffnete. Als sie eintraten,

roch es schlagartig nach Nager. Marc fühlte sich sofort wie ein Fremdkörper in einer unbekannten Umgebung. Das machte es ihm nicht gerade leicht, seine Stärke und Entschlossenheit beizubehalten. Das Haus war kühl, die Backsteinmauern boten offenbar guten Schutz gegen die Hitze, nur vom Wohnzimmer aus drang Wärme hinein. Dort hörten sie auch die Stimmen. Jeff ging voran. Die Tür zur Terrasse stand ein Stück weit auf und unter dem Baldachin saßen zwei Ratten und unterhielten sich. Sie bemerkten die Besucher nicht,

einer mischte beiläufig Spielkarten und der andere kritzelte etwas auf einen Notizblock.

Von Jeffs Stiefvater war allerdings keine Spur zu sehen. Jeff erkannte die beiden. „Das ist die Skatrunde, mit der ..." Weiter kam er nicht. „Du!" bollerte es hinter ihnen. Sie drehten sich schlagartig herum. „H-Hallo Roland," begrüßte Jeff seinen Stiefvater. Die Ratte, die ihnen gegenüberstand, war fast so groß wie Marc, nur wesentlich kräftiger gebaut. Ihre Arme waren ohne Fell genauso dick wie die des Fuchses mit Fell. An seiner linken Schulter guckte das Tattoo seiner ehemaligen Bikergang, den Harley Rats unter seinem Shirt hervor. Es war die Zahl 818, verziert mit einer Rose und umrandet von einem Rattentail. Rolands Fell war gleichmäßig dunkelbraun. An seinem linken Ohr fehlte ihm ein Stück und unter dem linken Auge zeugte eine Unebenheit im Fell von einer Narbe in der Haut darunter, die, seinen Erzählungen zufolge, von einem Kampf mit einem Polizisten herrührte. Zwar waren die Zeiten seiner wilden Jugend seit Jahren vorbei, aber sein Erscheinungsbild war dennoch Furcht einflößend. „Und das, ist das dein Schwuchtelfreund?" Marc zuckte unwillkürlich zusammen. Jeff holte tief Luft, als sammle er allein dadurch Kraft. „Du kennst ja Marc." Er musterte den Fuchs widerwillig und grunzte dabei. Der war clever und hatte sich sein T-Shirt vor Betreten des Hauses wieder angezogen. Dennoch kam eine abschätzige Bemerkung:

„Für dich kann deine Mutter sprechen, aber ich will keine fremde Schwuchtel in meinem Haus haben." „Mit Verlaub, Herr ..." fing Marc an, aber weiter kam er nicht. „DICH hat niemand gefragt. Das ist immer noch mein Haus, da mache ich die Regeln." Marc legte die Ohren an. Zum Glück sprang Jeff ein. „Zieh ihn da nicht mit rein, du bist sauer auf mich." „Ich bin nicht sauer auf dich." Er lachte herablassend und machte ein abwertende Geste. „Schau dich an. Füchse als Freund, hörst den ganzen Tag nur Techno,

hüpfst auf der Rollschuhbahn herum wie so' ne Ballerina ..." „Ich skate mit Inlinern, das ist etwas ganz An ..." „... und ansonsten kannst ja auch nur daddeln. Hilflos bist du. Musst deine Mutter anrufen, damit sie dich verteidigt. Kannst du das nicht alleine? Kein Wunder, dass aus dir so ein Weichei geworden ist!" Jeff schwieg. Marc konnte zusehen, wie sein Freund immer eingeschüchterter wurde.

„Häh? Muss Mami ihrem Schwuchtelsohn jetzt beistehen? Du hängst doch mit 27 noch planlos zu Hause rum." Marc hatte keine Ahnung, wo dieser haltlose Vorwurf jetzt herkam. Jeff schon.

Schon immer hatte er als zierliche Wüstenrennmaus den Erwartungen der alteingesessenen,

kräftigen Ratte nicht entsprochen. In Rolands Welt, in der sich ein Kerl nur dann ein Kerl war, wenn er kräftig zupacken, saufen, Harley fahren und laut rumgrölen konnte, war Jeff nicht ernst zu nehmen. Diese Ansicht hatte dieser sich bereits über Jahre anhören müssen. „Nein, werde ich nicht, ich ..." Jeffs Stimme klang brüchig. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. „Oh, das wirst du." Roland tat einen Schritt auf Jeff zu. Marc trat umgehend dichter an seinen Freund. In ihm wuchs die Wut darüber, wie dieser fiese Kerl den Mäuserich fertigmachte.

„Alleine kannst du doch nichts. Sogar die Brote muss dir jeden Morgen deine Mutter schmier'n und du hast nix besseres zu tun, als dich derweil gemütlich in den Arsch ficken zu lassen von ..." „UND WAS GEHT DICH DAS AN?" Jeff baute sich auf. Offenbar hatte Marc seine Körpersprache falsch gedeutet.

Sein Freund hatte sich gesammelt, er hatte seine Wut aufflammen lassen,

bis sie sich zu einem Lauffeuer entzündet hatte, weiter gewachsen war und sich nun in seinem ganzen Körper ausbreitete, wie ein lodernder Flächenbrand, so groß, dass sie jetzt mit aller Macht aus ihm rausplatzte. Sogar Roland trat den Schritt wieder zurück, den er eben noch nach vorne gekommen war. Jeff war entfesselt. Es war ganz plötzlich gekommen, er hatte es nicht kommen gesehen, aber irgendetwas, vielleicht Marcs Anwesenheit oder die Tatsache, dass Roland seinen Freund beleidigt hatte, löste etwas aus in ihm. Er war lange genug schlechtgemacht worden! Heute würde er einen Schlussstrich ziehen! Genug war genug! „Das ist mein Haus, natürlich geht ..." „DANN KLEMM DIR DEIN VERSCHISSENES HAUS DOCH SONST WO HIN," schrie Jeff förmlich. Dann griff er nach seinem Handy, senkte die Stimme und zischte, „Hier, und sag es ihr selber. Sag ihr, dass du mich rausschmeißt! Und sie gleich mit! Aber das traust du dich nicht. Dann sind wir nämlich beide weg. Und dann sitzt du in deinem KACK - Haus alleine." „Wie redest du mit mir?" Wut blitzte in den Rattenaugen auf. Marcs Bauch kribbelte. Es konnte nicht abschätzen, wie der alte Nager reagieren würde. Jeff blieb davon unbeeindruckt. Sein Schutzwall war gebrochen, er ließ seinen Gefühlen freien Lauf. „So wie es mir passt. Falls es dir entgangen ist, ich bin 18 und DU nicht mein Vat e r." „Und du meinst, ich werde mich von einem dahergelaufenen Jugendlichen, einer Schwuchtel noch dazu, anmachen lassen? Wie kommst du dazu?" Marc überlegte, ob das Gespräch mit Kevin im Raum wohl ruhiger abgelaufen wäre,

immerhin war er eine Großkatze, womöglich hätte er den Nager eingeschüchtert,

kam dann aber zu dem Schluss, dass seine Präsenz den alten Exbiker noch mehr provoziert hätte. „Weil ich die Schnauze voll habe." Jeff wirkte jetzt ruhiger, seine Worte waren überlegter. Entsprechend schärfer trafen sie. „Ich bin weder dein Sohn, noch dein Sündenbock, noch dein Druckventil für schlechte Laune! Ob ich INLINE-skate oder was für Musik ich höre, ist allein meine Sache!" „Du wirst ..." „ICH," unterbrach Jeff. „werde machen, was ICH für richtig halte.

Und alles, was ich erwarte, ist, dass du dich da raus hältst. Lass mich mein Leben leben!

Ohne Kommentare und dein ewiges Schlechtgerede. ICH ..." Er pochte wütend auf seine Brust. „... bin erwachsen und gehe meinen Weg." „Erwachsen," lachte Roland. „Lächerlich. Dich kann man nicht ernst nehmen. Ich sag dir, was du bist, du bist 'n Weichei, eine verdammte Schwuchtel, ein Tailanheber, ein ..." „Rollo?" Alle drei drehten sich um. In der Schiebetür zur Terrasse standen die beiden Ratten, die eben noch am Tisch gesessen haben. „Das geht euch nichts an, is' ne Familienangelegenheit," verkündete Roland. Er machte eine Geste, dass sie das Trio wieder alleine lassen sollten. „Ich komm' gleich." „Vielleicht geht mich das aber doch was an," verkündete der Erste.

Er war einige Zentimeter kleiner als Jeffs Stiefvater, hatte hellbraun-weiß geflecktes Fell, trug darüber eine robuste Anglerhose mit vielen Taschen und ein verwaschenes Metallica Shirt. Körperlich war er nicht ganz so kräftig wie Roland, dafür hatte er aber auch nicht den Bauch wie er. „Das glaube ich nicht, das hier ist eine Sache zwischen mir und diesem ..." Marc holte Luft. Er hatte lange genug danebengestanden und sich mit beleidigen lassen. Seine Wut war größer als seine Angst. ‚Bitte', dachte er, ‚bitte beleidige uns noch ein Mal und ich schrei dir ins Gesicht, was für ein primitives, zurückgebliebenes Aas du bist. Marc bereitete sich auf seine Intervention vor, aber dazu kam es nicht. „Diesem was?" unterbrach ihn der Neuankömmling erneut. Rollo behielt angesichts seines Kumpels die Fassung. „... diesem Versager."

Er winkte abschätzend in Richtung Jeff. Der wollte etwas erwidern, aber auch er kam nicht zwischen das Gespräch der beiden Älteren. „Hattest du nicht eben noch etwas ..." er ließ seine Pfote rotieren. „... etwas anderes gesagt?" „Hör zu, das ist nicht euer Bier. Dieser Taugenichts ist von seiner Mutter so verhätschelt worden, dass er jetzt mit ... mit ..." Er wedelte in Richtung Marc. „... mit Typen fickt!" „Ich bin kein Taugenichts, nur weil ..." „Schau dich doch an, du bist 18 und hängt noch immer zu Hause rum. Ich in deinem Alter hatte schon einen Job, ich habe ganze Fischladungen ..." „ICH BIN SCHÜLER!" schrie Jeff. „Es ist NOR-MA-HAL, dass ich mit 18 noch nicht arbeite,

ich mache ABI. Aber das kennst du nicht, du hast ja keine Schulbildung genossen."

Es blitzte kampfesmutig in Jeffs Augen. „Rollo!" „Ich brauche kein Stück Papier, das mir zeigen soll, wie viel besser ich mit eurem tollen ‚Abi' bin." Er spuckte das Wort förmlich heraus.

„Ich habe gearbeitet und mich nicht den ganzen Tag vor den Bildschirm gesetzt oder auf der Rollschuhbahn vergnügt und mich dann abends unter den Tail grapschen lassen." „Rollo!" Sowohl Jeff als auch sein Stiefvater ignorierten den erneuten Einwurf von dessen Skatkumpel.

In Marcs Freund wuchs der Mut der Verzweiflung. „Für dich ist nur ein Kerl, wer stark und primitiv ist, oder? Hal-loo-hoo, 21stes Jahrhundert?

Ja, fahr schonmal vor, ich komm später nach. Das ist armselig und dumm!" „Ich zeig dir gleich, wer hier dumm ist, dann kann dich dein kleiner Tuckenköter hier dich mal 'ne Weile lang nicht in den Arsch ficken." „Du hättest ja nichtmal die Eier, dich ficken zu lassen." „Du wagst es ..." Er ballte die Faust und ging einen Schritt auf Jeff zu. „ROLLO! Alter!" „Halt dich da raus, Jaro!" „Rollo, reiß dich zusammen. Lass sie doch machen was sie wollen und halt du stattdessen dich da raus! Is' doch ihre Sache." „Sach ma', bissu jetz' auf ihrer Seite, oder was? Das ist mein Haus, und wenn ich kein Bock hab, eine Schwuchtel reinzulassen, dann ist das VERDAMMTNOCHMAL meine Entscheidung!" bollerte Rollo. Er hatte eindeutig die Faxen dicke, waren denn heute alle gegen ihn? „Dann sollte ich vielleicht auch gehen," schlug Jaro vor. „Was? Wieso das? Ich schmeiß die beiden raus und gut ist. Wieso solltest du ...?" „Weil ich auch schwul bin!" Das saß. Der Raum war schlagartig ruhig. Von draußen hörte Marc das Tschack - Tschack - Tschack - Tschack - tztztztztztztztztztztztztztztztz - Tschack - Tschack eines Rasensprengers und in der Ferne mähte jemand,

ungeachtet der Tatsache, dass heute Sonntag war, den Rasen. All das nahm er war, nur die Situation direkt vor seiner Nase konnte er nicht verarbeiten. Eben noch hatte er mit angespannten Unterarmen, die Krallen tief in die eigenen Pfotenballen gegraben,

dagestanden und eine Eskalation gefürchtet, und jetzt war der eigentliche Streit völlig in den Hintergrund gerutscht.

In Rolands Augen konnten sowohl Jeff als auch Marc die Fassungslosigkeit ablesen, die von ihm Besitz ergriffen hatte. „Und das seit meiner Scheidung!" „Du verarscht mich!" „Nein, ganz bestimmt nicht." „Tut er nicht, Ro," stimmte der Dritte ein, der noch fast draußen stand. Jeffs Stiefvater war sichtlich sprachlos, er brauchte einige Sekunden und fokussierte dann den Letzten, der gesprochen hatte mit wütenden Augen. „KD, du wusstest das?" „Seit dem ersten Tag." „Aber wieso ..." Roland rang mit sich, das konnten alle Beteiligten sehen. „WIESO?" warf Jaro ein. „Das fragst du noch? Hast du dich eben mal selbst beobachtet?"

Bevor der Alte antworten konnte, setzte er unvermindert fort: „Weil du genau SO reagiert hättest, wenn ich dir das erzählt hätte. Wir haben befürchtet, dass du unfähig bist, unsere bestehende Freundschaft danach auf die gleiche Weise fortzuführen.

Aber ich konnte nicht ruhig bleiben und einfach zusehen, wie du den armen Jungen hier beleidigst,

das war zu viel. Guck ihn dir an! Er hat bestimmt genug Probleme mit Schule und Freunden und Geld, aber er hat seinen Platz im Leben gefunden und jemanden, mit dem er es zusammen begehen möchte. Das ist gut, das ist selten und wertvoll!" Er machte ein vorwurfsvolle Geste in Rollos Richtung „... und alles, was du tust, ist es ihm zur Hölle zu machen. Tut mir leid, aber nicht mit mir!" Roland verlor mit jedem Wort etwas mehr an Halt. Einer seiner besten Kumpels hatte ihm soeben mitgeteilt, dass er schwul ist. Und KD hatte es auch gewusst. Er verstand die Welt nicht mehr. Sie hatten so viel miteinander erlebt, waren gemeinsam durch dick und dünn gegangen, waren vor dreißig Jahren gemeinsam beim Militär gewesen, hatten sich gegenseitig beim Ausstieg aus der Gang geholfen,

ihre Freundschaft hatte alles überstanden, Heirat, Umzug, Scheidung,

sogar das Verfahren wegen Körperverletzung, das vor einigen Jahren verspätet aber gerechtfertigt im Raum stand hatten er und KD Jaro durch eine einheitliche Falschaussage ersparen können und jetzt das ... Ein unangenehmes Schweigen füllte erneut den Raum. Marc und Jeff starrten Roland an, unfähig selber ihrerseits etwas zu dem unerwarteten Gesprächsverlauf beizutragen. KD und Jaro starrten ebenfalls, die Arme verschränkt, bzw. in Fall von Letzterem - die Pfoten locker in die Hosentaschen gesteckt, wartend, eine Reaktion fordernd. Roland wischte sich verlegen mit der Pfote über die Barthaare. „Jaro, ich ..." Er stockte. Jeff hatte ihn noch nie so gesehen. Er wirkte verletzlich, schuldbewusst. Er war verlegen, auch wenn er es nicht zugeben würde, die ganze Situation war ihm sichtlich ... unangenehm?

Nein, mehr noch - sie war ihm richtiggehend peinlich. Jeff schöpfte neue Kraft. Seinen Stiefvater so zu sehen, machte ihn sympathischer, beinahe umgänglich. „Ich hatte keine Ahnung ..." stammelte dieser. Wieder schwiegen alle. Die Rennmaus hatte eine Idee. Ihre Wut war verflogen, das Gesagte gesagt.

Roland wirkte gefasst und gesprächsbereit. Jetzt schien die Chance da zu sein, um die Wogen zu glätten und - so hoffte Jeff - eine neue Basis zu finden. Vielleicht waren seine Skatkumpels, so flüchtig er sie selber auch nur kannte, die Richtigen, um dabei zu sein. Gar nicht Marc oder Kevin, auch nicht seine Mutter. Es waren diese harten Burschen, die seine Position stärkten. Der Wüstenrenner holte tief Luft: „Vielleicht sollten wir uns einfach hinsetzen und uns mal aussprechen." Roland drehte seinen Kopf ruckartig in Jeffs Richtung. Für einen winzigen Moment meinte dieser, noch immer den anfänglichen Zorn aufblitzen zu sehen, aber in den Sekunden, in denen die Ratte ihn anblickte, brach ihre Härte auseinander, sie wich einer Mischung aus Einsicht und Resignation. „Kleiner, ich glaube das ist eine richtig gute Idee," lächelte KD. Er holte die Bierflaschen von der Terrasse und stellte sie auf den Wohnzimmertisch. „Aber das tun wir wohl besser hier drinnen." Marc schaute durch die große Glasfront hinaus, der Himmel begann sich zu bedecken und die Luft stand. Vermutlich würde es in Kürze die angekündigten Wärmegewitter geben.

Er blieb noch ein paar Minuten, während die vier Nager sich zu einer lockeren Runde auf die Couch setzten, wagte aber nicht, zu Jeff zu gehen, oder gar dessen Pfote zu halten.

Er hätte damit vermutlich die Situation für Jeffs Stiefvater nur unnötig erschwert.

Als Jaro dann anfing, Rollo zu erzählen, wieso er nach der Scheidung von seiner Frau ausgerechnet mit einem männlichen Ozelot zusammengekommen war,

fühlte er sich endgültig fehl am Platz. Rollo stellte schon recht früh Gegenfragen. Einige wirkten logisch, wie ‚Wie ist das überhaupt gekommen, dass du dich nach einem Typen umgeguckt hast?' Andere wiederum waren derselben Natur, wie auch schon Davids Kumpel sie gestellt hatten, zeugten von Unverständnis und dennoch Neugier: „Aber das ist doch nix zum Geilwerden, ein anderer Kerl. Es geht doch nichts über eine feuchte Möse, oder nicht?" Jaro blieb ruhig und beantwortete die Fragen sachlich. Die Tatsache, dass die drei Ratten sich schon seit Langem kannten, ermöglichte ein lockeres Gesprächsklima. Marc hatte schlucken müssen, als das Wort ‚Möse' so ungeniert in den Raum geworfen wurde. Er wartete, bis sein Mäusefreund ihn ansah, und winkte ihn dann zu sich. Bisher hatte Jeff noch keine Gelegenheit gehabt, selber an der Gesprächsrunde teilzunehmen, aber es schien, als wäre das nur eine Frage der Zeit. Jaro war anscheinend auf seiner Seite zu sein und auch KD machte einen freundlichen Eindruck. „Du, ich hau besser ab." „Hmh," Jeff wirkte anfänglich nicht begeistert, als er sich dann aber über die Schulter umblickte,

verstand er die Entscheidung des Fuchses. „Okay. Wir telen morgen? Oder musst du arbeiten?" „Ja, leider, nur Freitag ist frei. Aber auch erst nachmittags " „Gut! Ich ruf an. Danke für's Herkommen." Er umarmte Marc flüchtig und drückte ihm einen hastigen Kuss auf die Lefzen. „Hab dich lieb," flüsterte Marc. „Hab dich auch lieb. Beeil dich, bevor's regnet." Marc schaffte es plötzlich doch nicht, seinen Freund alleine zu lassen. Jeff half nach. Er wuschelte ihm über den Nacken und die Ohren. „Schlaf gut." „Du auch. Und lass dich nicht ärgern." Er nickte in Richtung der Gesprächsrunde. „Ich doch nicht. Nicht mehr, keine Angst." Sie gaben sich im Flur noch einen richtigen Kuss und gingen dann auseinander. Marc beeilte sich, sobald er aus der Haustür war. Der Himmel hatte sich bedrohlich zugezogen. Noch immer stand die Hitze drückend in den Straßen. Er dachte über Jeff nach,

hoffentlich würde sein Freund die richtigen Worte finden und das Verhältnis zu seinem Stiefvater grade rücken können. Auch wenn dieser sich kurz vor Marcs Weggang gesprächsbereit gezeigt hatte, so würde es vermutlich nicht einfach werden für ihn. Roland war alte Schule,

Typ Hafenratte, ein ganzer Kerl. Aber dieser Jaro und KD waren ja auch noch da. Sie schienen anders mit ihm reden zu können, als er und Jeff - auf einer ganz anderen Ebene. Als er im Bus saß, kam Marc schnell auf andere Gedanken, nicht zuletzt, da es schon nach der ersten Station heftig zu regnen begann. Der Fahrer schaltete die Scheibenwischer ein und durch die Lüftung wehte der typische Duft nach feuchter Fahrbahn hinein. Draußen spannten einige vorbereitete Furs ihre Schirme auf, eine alte Geckodame lief unbeirrt weiter, ihre schuppige Haut glänzte durch die Nässe. Ohne einen bestimmten Gedanken zu greifen, starrte Marc den Rest der Fahrt über nach draußen. Vor seiner schwarzen Nase liefen Regentropfen die Scheibe hinab, mal bewegten sie sich dabei nach hinten, mal nach vorne, je nachdem, ob der Bus gerade beschleunigte oder abbremste.

Als der Fahrer in der letzten Linkskurve nach längerer Wartezeit auf der Abbiegerspur stark einlenkte und sich das ganze Fahrzeug nach rechts neigte,

platschte eine beachtliche Menge Wasser auf die Straße und verwandelte Marcs Aussicht in eine verschwommene,

wabernde Masse aus Farben und dem reflektierenden Leuchten anderer Verkehrsteilnehmer. Der erste Blitz zuckte in der Ferne durch die Wolken und kurz darauf grummelte es bedrohlich. Bereits eine Sekunde, bevor er überhaupt ausgestiegen war, verzog er sein Gesicht zu einer Grimasse. Es für ihn war wenig überraschend, dass das überhaupt nichts brachte, dennoch konnte er den Reflex nicht unterdrücken, während er nach Hause rannte. Als hätte er nur auf Marc gewartet, legte der Regen jetzt erst richtig los. Der Fuchs hatte kaum die Straße überquert und rannte die seichte Steigung in Richtung des schützenden Hauses hinauf,

da war er bereits bis auf die Haut durchweicht. Die Klamotten klebten ihm auf dem nassen Pelz, der wiederum auf seiner Haut. Ein grässliches Gefühl!

Als Marc endlich tropfend den Schlüssel umdrehte und die Tür öffnete, krachte ein zweiter Blitz hinab. Dieses Mal war der Donner früher zu hören. Der Fuchs legte die empfindlichen Ohren an. Auch eher ein Reflex, als dass es half. Sein Weg führte ihn direkt ins Bad, wo er die nassen Klamotten auszog. Jetzt war ihm auch noch kalt. Warum hatte er eigentlich geduscht, wenn er sich jetzt wieder unter die warme Brause stellen müsste? Mit einem Mal schreckte er hoch. Er rubbelte fahrlässig über die oberste Fellschicht und rannte die Treppen hinauf. Die Fenster!

Über ihm trommelte der Regen wie Dauerfeuer auf die Dachschindeln. Das Fenster in seinem Zimmer hatte er wegen der Mittagshitze zwar geschlossen gehalten,

aber das bei seinem Bruder war geöffnet. Zum Glück waren nur einige Spritzer reingeregnet. Er schloss es und überließ die Tropfen sich selbst, sie würden von alleine trocknen. Gerade als er auf der Treppe auf dem Weg nach unten war, ging das Flurlicht aus. Kurz darauf hörte er einen weiteren Donner, gewaltiger als die vorherigen, der das ganze Haus unter seinen Pfoten vibrieren ließ. Es war unverkennbar,

dass der dazugehörige Blitz unweit eingeschlagen war.

Er warf einen Blick ins Wohnzimmer, auch das Leuchten an der Stereoanlage war erloschen. „Na großartig!" fluchte er vor sich hin. Kaum hatte er dies ausgesprochen, wurde ihm klar, dass er ohne Strom auch kein heiß Wasser haben würde. Im Keller stand nämlich ein Durchlauferhitzer. Er trocknete zwar genervt, aber sehr gründlich die Pfoten und Unterarme ab.

Dann kontrollierte er die Sicherungen im Keller, sie waren alle noch geschaltet. Also war tatsächlich der Strom ausgefallen.

Ein Blick über die Straße zur gegenüberliegenden Fahrschule bestätigte diesen Verdacht, denn die sonst 24 Stunden blinkende Ampel im Schaufenster, sowie die Neonanzeige darüber waren dunkel. Die Fahrschule - nächste Woche würde seine erste Fahrstunde beginnen. Das hatte er in den letzten Tagen ja völlig vergessen. Er zog die Stecker sämtlicher elektrischer Geräte raus und wickelte sich, da er durch die Feuchtigkeit im Fell jetzt doch fror, in seine Wolldecke ein.

Eine Zweite platzierte er unter sich auf dem Bett, bevor er sich hinlegte. Sein Zittern legte sich. Nur kurz schweifte er mit seinen Gedanken zu Jeff und den anderen Nagern,

seine restliche Aufmerksamkeit galt schon bald seiner eigenen Felltasche. Durch Feuchtigkeit und Kälte hatten seine Bällchen sich fest zusammengezogen.

Er streichelte, anfangs unbewusst, dann gezielt über das noch immer feuchte Fell und schauderte wohlig.

Auch die Felltasche war geschrumpft und lag eng an seinem Penis darin. Er mochte diesen Zustand, es fühlte sich toll an. Er massierte seinen Schaft durch die Felltasche hindurch.

Schon bald wurde ihm angenehm warm. Er winkelte die Beine an und steckte auch seinen Kopf unter die Decke. Es roch nach Resten von Fellschampoo, nassem Fuchs,

Jeff und Erregung. Er hielt die Felltasche geschlossen, um das angenehme Gefühl trotz wachsendem Schaft so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Als sich sein gesamter Unterleib wohlig anspannte und nach mehr verlangte, streckte er den Rücken durch. Immer wieder drückte er die Felltasche an den deutlich geschwollenen Schaft und rieb sie auf und ab. Mit der anderen Pfote drückte er knapp unterhalb des Knotens, was ihn zucken ließ. Er massierte sich schneller. Als er den Griff auch nur für einen Moment lockerte, kam ein kleiner Schwall Precum aus der ffnung und verteilte sich in seinem Bauchfell. Marc stellte sich vor, wie sein Schaft nass und flutschig durch die weiche Felltasche glitt.

Er vermisste Jeff; wie gerne würde er den Mäuserich jetzt festhalten, sich an ihn kuscheln. Dann wäre er es, der ihm diese Gefühle bereiten würde. Sie würden gemeinsam kuscheln, Marc würde in ihn eindringen, er stellte sich vor, wie warm und zart sich das anfühlen würde. Gemeinsam würden sie die Welt um sich herum vergessen. Es gäbe nur sie beide und ihre intime Verbindung. Marc zuckte erneut. Das Kribbeln wurde stärker. Absichtlich ließ er erneut los.

Seine Spitze trat hervor und sprühte Precum bis hinauf in sein Brustfell.

Der Rest tropfte auf seinen Bauch und lief seine Finger hinunter. Er rieb die Felltasche gezielt über seine empfindlichen Stellen, kitzelte die Gefühle förmlich aus sich heraus.

Erneut spannte er sich an, die Zunge hing ihm aus der Schnauze, als er vor Erregung anfing zu hecheln. Noch ein bisschen mehr! Seine Beine zuckten, sein Tailhole zog sich zusammen und der Tail kringelte sich so dicht es ging an seinen Oberschenkel. „Ich liebe dich mein Schatz," dachte er, als er seinen Höhepunkt erreichte. Marcs Linke massierte den Knoten, der die Felltasche jetzt bis zur Gänze ausfüllte. Der Fuchs stöhnte und murrte erleichtert, als sich sein Sperma im hohen Bogen über seine Brust verteilte. Hechelnd sank er zurück in sein Kissen. Jeff war eine gute Inspiration. Kalt war ihm inzwischen nicht mehr. Der Regen vor dem Fenster hatte nachgelassen. Marc überlegte, ob er seinen Freund heute noch anrufen sollte, entschied sich aber dagegen. Seine Entspannung nach dem Orgasmus währte nur kurz, mit einem Mal schreckte er hoch: Morgen war Montag! Er würde arbeiten müssen. Zwar schlief er wegen der meist geöffneten Jalousie eh nicht lange, aber so müde wie er war konnte man nie wissen. Um auf Nummer sicher zu gehen, stellte er den Wecker auf Elf Uhr. Etwas Gutes hatte die Aussicht auf Arbeit aber auch: Er würde Alex treffen und ihn auf den neuesten Stand bringen. Marc brannte drauf, seine Meinung zu Rollo und wie sie die Situation gemeistert hatten, zu erfahren. Es war ein komisches Gefühl, den Abend ganz alleine zu verbringen. Noch dazu ohne Strom. Die Wohnung war still, beinahe unheimlich. Nach dem Pfoten hatte Marc sich gründlich trocken gerubbelt und knusperte jetzt noch etwas Müsli, während er ziellos auf seinem Laptop herumklickte.

Es war sehr unzufriedenstellend, denn ohne Strom kam er nicht ins Internet. Ihm fiel ein, dass er noch gar nicht dazu gekommen war,

die Kommentare zu checken, die er möglicherweise auf seine Coming-out-Story bekommen hatte.

Das würde bis morgen warten müssen. Er schob sich einen weiteren Löffel in die Schnauze und knusperte vor sich hin, während er den Tag Revue passieren ließ. Wie merkwürdig sich doch alles entwickelt hatte. Heute Morgen sah die Welt noch düster aus, bedrohlich und hoffnungslos. All das Geplänkel nach dem Aufstehen, der Besuch bei McD, das gemeinsame Aufräumen, das alles war irgendwie nur geschehen, um die Zeit totzuschlagen. Es wirkte wie ein schlechter Lückenfüller. Verglichen mit den großen, den wirklich wichtigen Ereignissen, die das junge Paar dieser Tage bewegten, war so etwas unwichtig geworden. Was zählte war nur noch seine zeit mit Jeff. Morgen begann die zweite Woche seiner Ferien, nachdem die Erste so ereignisreich zu Ende ging. Marc fragte sich unwillkürlich, was wohl noch für Überraschungen auf sie warten würden.

Hatten sie nicht alles schon erlebt? Eigentlich kam es ihm so vor, aber er war bereits so oft eines Besseren belehrt worden, dass es diese Meinung ganz schnell wieder verwarf. Erst einmal würde er morgen dringend Jeff anrufen, falls dieser sich nicht von alleine meldete. Er musste einfach wissen, wie das Gespräch ausgegangen war. Sein Freund hatte gute Chancen, nicht nur sein Outing,

sondern auch ganz andere Aspekte seiner Beziehung zu seinem Stiefvater zu besprechen.

Die Runde, in der er sich befand, schien viel zuzulassen.

Ach ja, und er und Marc hatten eine neue Erfahrung gesammelt im Orange,

ihr wilder Sex in dem transparenten Raum schien so lange zurückzuliegen,

dabei war es nur knappe 18 Stunden her, seit das junge Paar sich so richtig hatte gehen lassen. Irgendwann stellte er die Schüssel in die Spüle und ging in sein Zimmer. Dort hing er die feuchten Wolldecken auf und ging einige Male zwischen den verschiedenen Regalen hin und her. Er wusste nichts mit sich anzufangen. Sein Freund fehlte ihm. Sie waren zwar erst seit ein paar Tagen zusammen, aber seine Liebe zu dem Mäuserich fühlte sich so stark an, als währte ihre Beziehung schon Jahre. Irgendwann putzte Marc seine Zähne und legte sich hin. Als er mehr und mehr zur Ruhe kam, merkte er, dass ihm doch eine erhebliche Menge an Schlaf fehlte. Die vergangene Nacht forderte ihren Tribut und den ganzen Tag über die Aufregung und Ungewissheit vor Augen zu haben taten ihr Übriges. Noch ein Mal spielte er mit dem Gedanken, sich bei Jeff zu melden, um sich selber zu beruhigen, seinem Kopf etwas Ruhe zu gönnen. Doch er schaffte es nicht, sich dazu durchzuringen. „Gute Nacht mein Mausi," flüsterte er und zog sich eines seiner alten Plüschtiere, einen Waschbären, heran. Er gab ihm stellvertretend einen Kuss. „Bis morgen." Als er sich auf die Seite drehte, pikste ihm etwas ins Bein. Er griff unter sich und holte eine kleine weiße Karte hervor: ‚Robby C' stand darauf, sowie eine ihm unbekannte Mobilfunknummer. ‚Kenn' ich nicht', dachte Marc und ließ sie neben das Bett auf den Boden fallen. Dann kringelte er sich um das Plüschi in seinem Arm herum ein und schloss die Augen.

-- Niwo Sapphire, 03.05.2013