Anima
Anima
Warm, unwirklich beängstigend wirkt der karge Raum, dessen Wandmuster eine hypnotische Wirkung auf mich ausübt. Im matten Licht einer einzelnen Glühbirne, die wieder und wieder von kleinen Aussetzern heimgesucht wird, versucht mein Kopf zu begreifen, was hier vor sich geht. Kalte Augen blicken mir entgegen. Worte, die ich nicht miteinander verbinden kann, erreichen meine Ohren. Verwirrung und Zweifel beherrschen meine Sinne. Es ist, als hätte man meine Hörkraft minimiert, so dass sie nicht mehr als ein Flüstern sind. Zwanghaft versuche ich, die Worte, die den Mund verlassen, zu deuten.. vergeblich. Schwäche, vermengt mit dem trüben Gefühl einer beklemmenden Unsicherheit, ergreift Besitz von meinem Geist, lässt mich schweigend und apathisch auf den Kopf starren, der zu schütteln beginnt. Ein dumpfes Grollen erschüttert die Stille. In seinem Gesicht zeichnet sich ein unwissendes Entsetzen ab und verleitet ihn dazu, den Raum zu verlassen.
Kühl, unwirklich still wirkt der dunkle Raum, dessen einzige Lichtquelle erloschen ist. Im Angesicht dieser Lage schließe ich meine Augen und fühle Müdigkeit in mir aufkeimen. Leere Augen blicken mich an. Worte, die ich niemals hörte, lassen mich erneut die Augen öffnen. Durch den Spalt unter der Tür kommt Licht herein, wird herzlich von meinen Augen empfangen, die sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnen. Wer ist da? frage ich, ohne mir sicher zu sein, überhaupt etwas gesagt zu haben. Ich bin mir sicher, ich habe nichts gesagt. Doch erneut vernehme ich die heilenden Worte. Worte, die mich aufhorchen, neue Kräfte schöpfen und in die dunkle Ecke blicken lassen.
Klamm, unwirklich wohlwollend wirkt die Gestalt, deren salzig erfrischender Geruch mir entgegen in die Nase steigt. Im derzeitigen Zustand überlege ich meine Worte sorgfältig. Neugierige Augen blicken zu dem Wesen, das ein seichtes Licht ausstrahlt. Worte die so rein sind, so unschuldig, dass sie von mir sein könnten. Hallo - Wie geht es Dir? es scheint banal, mich so etwas zu fragen, so muss der Habitus doch sehen, in welcher Lage ich mich befinde. Gut. schwindele ich Und Dir?
Schlecht, unwirklich stickig wirkt die Luft, deren Stickstoffgehalt rapide angestiegen sein muss. Im Moment scheint die Zeit still zu stehen. Müde Augen schweifen ziellos durch den Raum. Worte schneiden sich in meinen Kopf. Lügner - Verräter gegenüber Deiner Freimütigkeit! in meinen Gefühlen ertappt und gleichzeitig geschockt will ich dennoch protestieren. Doch kein Laut verlässt meinen Mund. Versuch aufzustehen - Um zu beweisen, dass ich lüge. Was soll das? Es ist doch nichts dabei sich hinzustellen.. oder etwa doch? Seltsam schwer bringe ich meine Gelenke dazu sich zu bewegen nur um kurz darauf festzustellen: Ich kann mich nicht rühren!
Heiß, unwirklich benebelt wirken die Sinne, deren ich mir gerade erst bewusst werde. Im Augenblick versuche ich, die feste Kraft, die mich an diesen Stuhl bindet, zu brechen. Panische Augen versuchen vergeblich, sich inmitten dieser Dunkelheit ein Bild zu machen. Worte, die nicht unpassender gewählt werden könnten. Du wirst sterben._so offen und ohne ein Anzeichen von Kummer oder Freude ausgesprochen. _Was?!, frage ich verwirrt und lasse nicht nach, gegen die Kraft, die mich bindet, anzukämpfen. Ich habe es gesehen - Du wirst sterben. warum sagt er das bloß? Nein!, rufe ich verzweifelt, ohne mich gehört zu haben. Er wird dich töten - Er wird es aus Verzweiflung tun. ich begreife nicht, will nicht begreifen. Ich verstehe das nicht! und ich weine.
Kalt, unwirklich grausam wirken die Stimmen, deren unheilvoller Klang mir in die Ohren rauscht. Im Angesicht meiner Angst fühle ich mich wie gelähmt. Verzweifelte Augen starren mich an. Unsicherheit erfüllt den Raum. Worte, die ich noch sagen will, werde ich nicht mehr aussprechen können. Hilf mir! rufe ich, doch in der Ecke, wo eben noch die Illusion vertreten war, ist nur noch Leere, dieselbe Tapete mit derselben hypnotischen Wirkung. Hastig wird an meinen Füßen rumhantiert, ich versuche noch zu begreifen als ich schon auf die Beine gestellt und hinter der Person hergezogen werde. Hilfe! rufe ich erneut und werde abermals von niemandem gehört. Grelles Licht beißt sich in meine Augen als ich nach draußen in die Sonne gestellt werde. Ich blinzele, versuche zu sehen, und ich sehe auch. Menschen. So viele Menschen blicken zu mir. Ich kann die Angst aus ihren Gesichtern lesen, kann sie flüstern hören und entsetzlich schreien sehen. Abrupt werde ich enger an die Person gedrückt, die mich aus der Dunkelheit befreite. Ich blicke nach oben, doch kann ich nichts erkennen. Mit starrem Blick, der Sonne entgegen, sehe ich nur einen ausgestreckten Arm. Die Hand umklammert zitternd etwas, das ich nicht erkennen kann. Das Getuschel wird immer lauter, zu viele schreien dazwischen, zu viele hören nicht zu. Der einzige Satz, den ich höre, ist: „Lasst mich in Ruhe! Sonst werde ich uns beide in die Luft jagen!" Verwirrt blicke ich umher. Wer hat das gesagt? Wer will töten, weil man ihn nicht alleine lässt? Warum blicken die ganzen Menschen so ängstlich zu mir?
Und erst jetzt begreife ich: Ich werde sterben.