Wechselwirkung - Teil 2 - Gefühlschaos

Story by Niwo on SoFurry

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#3 of Wechselwirkung

Teil 2 der Kerngeschichte.

Wollte Euch nicht bis zum Wochenanfang warten lassen ;)

Viel Spaß bein Lesen!


Das Wort lag schwer wie Blei zwischen ihnen. Der Collie hatte seinen Kopf gesenkt und starrte zu Boden. Vor lauter Verlegenheit schob er eine Pfote über den Teppich. Die schwarzen Ballen rieben widerspenstig über die Fasern. Sein Katerfreund fand als

Erster seine Sprache wieder. „Wie ... wieso ...?"

Flo schaute ihn kurz an, ließ den Kopf dann gleich wieder hängen. „Ich mein ... wieso erzählst du mir das?" „Du hast gefragt." Eine tonlose Antwort.

„Ja, ich weiß, aber ... sonst weiß das keiner?!"

Der Kanide schüttelte den Kopf. „Nee, nur ..." Er stockte. „... nur du."

Nick wusste nicht so recht, ob er sich über diese Auskunft freuen sollte oder nicht. Sein eigenes Verhalten hatte er längst vergessen. Wie kam Flo nur dazu ihm so etwas zu erzählen, sie kannten sich doch gerade erst zwei Tage? Warum sollte er der Erste und Einzige sein, dem er das erzählt ...?

Dann wurde es ihm mit einem mal klar. Sein Verdacht - genau der, den er zu widerlegen versucht hatte - was, wenn der stimmte? „Also erzählst du das jedem, der einfach so fragt?" wollte er wissen.

Florian rutschte unangenehm auf seinem Stuhl herum. Er hatte deutlich Mühe zu antworten. Nick hatte beinahe Angst vor dem was nun kommen würde, aber gleichzeitig faszinierte es ihn auch ungemein.

Die Sekunden verstrichen quälend langsam. „Nicht jedem." Er knibbelte an seinen Krallen herum. „Hat keiner sonst gefragt."

„Ja, aber ich mein` ... wenn einer fragt, hast du keine Angst, das zu sagen?"

Die Antworten kamen jetzt flüssiger, das gröbste Eis war gebrochen. „Angst? Nee."

Flo schien mehr sagen zu wollen, aber der Kater unterbrach ihn grob: „‚Nee'? Okay, aber locker hausier`n gehst du damit ja nicht?!"

Es war schon komisch, nur vor Minuten hätte ihm die pure Vorstellung eines solchen Geprächs einen tennisballgroßen Kloß im Hals wachsen lassen, aber der Sprung ins kalte Wasser, die direkte Antwort seines Freundes, das hatte alles verändert. Flo war schwul.

„Gehich nicht. Ich erzähl das ja auch nicht jedem, sag` ich ja. Nur Dan - mein Bruder - hat da so eine Ahnung, aber wir reden da nicht mehr ´rüber ..." Er beendete den Satz nicht, es schien, als folgte noch etwas, ein weiteres ‚Aber', das jedoch nicht kam. Und dann stand es für Nick fest, er erkannte mit nüchterner Klarheit was los war:

ER war es! Seine Beweisführung war kolossal gescheitert, sie hatte soeben das glatte Gegenteil dessen ans Licht gebracht, was er widerlegen wolte: Florian stand auf IHN - er war das ‚Aber'.

Und genau zeitgleich, während der Kater dies erkannte, setzte sein Freund den Satz fort.

„Aber du ... ich hab`s dir erzählt, weil ... ich ... du bist ..."

Nick beobachtete, wie der Collie sich in seinen eigenen Worten verzettelte, gegen eine Wand aus Angst und Unsicherheit rannte. Ohne nachzudenken sprang er einfach ein:

„Ich bin was ... süß? Du stehst auf mich?" fragte er barsch.

Flo`s Schnauze schloss sich, er presste die Lippen fest aufeinander. „Ja," gab er zu. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. „Hasst du mich jetzt?"

Nick war viel zu durcheinander, um zu hassen. Überhaupt, was für einen Grund sollte er haben, um den eingeschüchterten Collie zu hassen? Der Kanide sah sehr geschafft aus, hängende Ohren, zusammengekauerte Haltung, gekringelter Tail, er tat ihm einfach nur leid. „Nein, tu` ich nicht."

„Flo`s Lauscher stellten sich auf. Auch die Zeit beschleunigte, bis sie wieder normal lief. In den Collieaugen sammelte sich ein feuchtes Glitzern. „Nicht?" fragte er, als könne er es nicht glauben.

Nick lächelte. „Keine Sorge." Er wollte seine Pfote erneut an die Schulter seines kanidischen Freundes legen, zögerte aber. Dann tat er es dennoch. Weiter wusste er aber nicht. Wie sollte er sich verhalten? Flo war noch immer der Gleiche, aber dieses Geständnis, es hatte etwas verändert.

„Danke."

„Dafür nicht," lächelte Nick. Dann fiel ihm etwas total Abgedroschenes ein. „Dafür sind Freunde doch da, oder?"

Jetzt lächelte auch der Border Collie wieder. Verlegen, aber er lächelte. „Ja."

Sie sahen sich in die Augen. Flo blickte als erster zu Boden, dann folgte Nick, fast so als gäbe es dort etwas Interessantes zu sehen. Die Sache war noch nicht ausgestanden. Er fühlte das Bedürfnis, sich zu erklären. „Aber ich ... du weißt, schon - das mit dem Aufmich-stehen, also, ich mag's eher so ..." Er formte Büstenhalter mit seinen Pfoten und hielt sie sich vor die Brust. Dort wackelte er sie hoch und runter.

Flo lachte.

Nick blickte an sich hinab und bemerkte, wie lächerlich er aussah. Sie brachen beide in Gelächter aus. Flo wischte sich durch`s Gesicht und so schnell wie er gekommen war, war auch dieser unangenehme Moment vorbei. Der Kater nahm die Pfoten runter.

„Okay."

„Titten halt," bestätigte Nick.

„Titten," wiederholte Flo.

„Sorry."

Der Collie zuckte mit den Schultern, lächelte aber noch immer verlegen, als wolle er sagen ‚Tja, kann man nichts machen'.

„Soll ich vielleicht weiter ...?" fragte Nick und deutete mit der Fernbedienung auf den Bildschirm.

Sein Freund nickte.

Zwei Stunden später war der Abspann durchgelaufen. Keiner von Beiden hatte sich getraut, noch ein weiteres Wort zu sprechen. Irgendwann stand Flo auf, ergriff seine Jacke und bedankte sich ein letztes Mal. Wofür, erwähnte er nicht und Nick fragte nicht nach. „Bis dann," verabschiedeten sie sich gegenseitig und noch bevor seine Mutter es mitbekommen hatte, war Nicks Freund auf dem Heimweg.

„Na, hattet ihr Spaß mit eurem Film?" Nick bejahte ohne großartig darüber nachzudenken. Sie hakte nicht weiter nach, denn der Küchenwecker verkündete bereits lautstark das Ende der Backzeit ihres Abendessens. Der Kater aß nur wenig und begründete das damit, den Rest Pizza als Frühstück aufzubewahren. In Wirklichkeit war sein Magen ihm wie zugeschnürt. Kaum, dass er durfte, verzog er sich auf sein Zimmer. Das Polster des Bürostuhls, auf dem Flo gesessen hatte, verströmte noch immer die Duftnote des Collies. Es roch nur etwas streng, männlich aber nicht unangenehm. Was für ein seltsamer Besuch. Hatte das alles wirklich stattgefunden, hatten sie tatsächlich über Florians sexuelle Ausrichtung geredet? Wie waren sie nur dazu gekommen, und stand sein Freund wirklich auf ihn? Jetzt, in der ruhigen Einsamkeit des Zimmers schien all das absurd weit weg.

An diesem Abend lag der Kater lange wach. Er grübelte, musste aber feststellen, dass er viele Fragen hatte, auf die er keine Antworten fand. Oder - wenn er eine fand - diese nicht zuließ. Wie kam Flo dazu, sich ihm so intim anzuvertrauen? Wieso hatte er nicht einfach nur gelogen? Warum nahm er selber das so locker; schwul sein - das war ein Dauerrenner in den Beleidigungen untereinander, ein Schimpfwort, mehr nicht, aber jetzt, so direkt und ehrlich damit konfrontiert, was sollte daran so negativ sein? Flo blieb Flo.

Nick versuchte sich vorzustellen, wieso der Collie so sicher war, dass er schwul war. Hatte er einem anderen Jungen geküsst? ... oder angefasst, an den Penis? Hatte er etwa schonmal Sex gehabt? Wenn man schwul war, was machte man da?

Zugegeben, er selber hatte sich nie wirklich für Mädchen interessiert, meist waren sie ihm zu schrill und zu zickig. Er hatte sich auf Gesten beschränkt, eine Bemerkung hier, ein Spruch da, um in die Masse zu passen, alle Anderen machten das doch auch so, aber mehr war das für ihn auch nicht. Hieß das im Umkehrschluss, dass, wenn er mit Mädchen nichts anfangen konnte, ebenfalls auf Jungs stand? Sicher; Flo war ihm sympathisch, fast noch mehr, aber würde das bedeuten dass er mit einem anderen Jungen ...? Er stellte sich Florian nackt vor, stellte sich vor, wie er seine Felltasche packte, aber der Gedanke an den roten Schaft ließ ihn schaudern. Das wäre doch bestimmt ekelhaft, der würde stinken, oder nicht? Und wenn er ihn trotzdem anfassen würde? Kaniden waren so anders, sie hatten ... Oder Flo seinen?

Er wurde hart, verdammt hart bei der Vorstellung davon, pfotete sich aber aus Protest nicht.

Am Ende war einfach alles zu viel und er schlief ein mit dem Entschluss, das Ganze zu ignorieren. Er würde das Thema nicht mehr ansprechen, dann würde es schon von alleine im Sande verlaufen. Sollte Flo doch machen was er wollte, das war ihm egal. Nick würde weiter sein Freund sein, er genoss die Gesellschaft des sympathischen Kaniden einfach viel zu sehr.

Den Sonntag verbrachte Nick damit, auszuschlafen, im Bett liegen zu bleiben, im Bett fernzusehen, gegen Mittag sich CornFlakes zu holen, die er - sehr zum Unmut seiner Mutter - im Bett aß und schließlich ausgiebig zu pfoten (ebenfalls im Bett), bis der ganze Raum nach männlich-felider Anstrengung roch. Als er sich anschließend trockengetupft hatte, erfasste ihn ein Bewegungsdrang. Er schnallte sich seine Skates um, packte den Schimmelreiter ein, einen Collegeblock, Stifte, etwas zu Trinken und zwei Sandwiches. „Mama, ich bin eiern," rief er durch den Flur.

Seine Mutter war wenig begeistert zu hören, dass er in einer fremden Stadt ‚Eiern' ging. Nick hatte diesen Begriff vor Jahren selber erfunden. Er beschrieb das ziellose Umherfahren auf Inlinern. In ihrer alten Stadt gab es keinen Skateplatz und ohne Schoner wäre ihm etwaiges Rampenfahren zu gefährlich gewesen.

„Ich habGPS im Handy und außerdem fahr ich nicht weit, nur bis zu irgend´ner Wiese, da lese ich dann für Deutsch."

Das wirkte, gegen das Argument, dass er sich bewegen und etwas für die Schule tun wollte, fiel ihr nichts mehr ein, außer: „Na gut, aber fahr vorsichtig!"

Dem kam Nick nur stellenweise nach, meist fuhr er so schnell es ging, sprang über Kantsteine und wich anderen Leuten aus. Er blieb den gesamten Nachmittag über weg, las tatsächlich nicht nur zwei, sondern gleich drei Kapitel des Schimmelreiters, kritzelte einige Notizen in seinen Block und genoss ansonsten den chilligen Sonntag.

Nur ein Mal dachte er an Florian, nämlich als er auf dem Rückweg war und ihm klar wurde, dass morgen schon wieder Schule sein würde. Diesmal lagen jedoch nicht nur zwei Tage, sondern eine ganze Woche vor ihm. Wenigstens würde er seinen Freund dort wiedersehen. Oder würde der Nicks Gesellschaft vielleicht meiden; hatte der gestrige Abend ihre junge Freundschaft zerstört?

Der Kater machte einen Schlenker eine Garagenausfahrt hinunter, umfuhr damit ein Stück Kopfsteinpflaster und stieg direkt dahinter wieder den Bordstein hinauf.

Die Ablenkung kam ihm gerade recht. Er entschied, Florian ganz normal anzusprechen und dann zu schauen, wie der sich darauf verhielt. ‚Wao, was gehtn bei mir, werd ich erwachsen oder was?' Bisher war er immer locker durch`s Leben gekommen, nur seit er den Collie kannte, war irgendetwas anders.

Am nächsten Morgen hatte er andere Sorgen. Die Schule mochte eine Neue sein, aber das Wiedererkennen von Klassenkameraden und Räumlichkeiten half, darüber hinwegzutäuschen. Es war wie bei ihrem Haus, wann war etwas Neues eigentlich neu - und wann nicht mehr?

Korky erschien Nick heute gar nicht mehr so isoliert vom Rest der Klasse, wie er nach seinen ersten Beobachtungen gedacht hatte. Er verwickelte den Kater in ein Gespräch über eine in diesem Jahr geplante Klassenreise und bezog gleich zwei weitere Mitschüler, Corina, eine Berglöwin mit einem ihm unbekannten Akzent und Kay-Vincent, einen Otter, mit ein. Kay ließ sich von allen nur Lollo rufen, warum, schien keiner zu wissen. Sogar die Lehrer nannten ihn so. Nick vermutete einfach, dass sein Doppelname ihm nicht gefiel und adaptierte den Spitznamen ohne nachzufragen. Erst als es zur ersten Pause läutete ging ihm Flo durch den Kopf, aber der Kater konnte ihn nirgends finden. Als er auch die große Pause über verschwunden blieb, erkundigte Nick sich nach dessen Verbleib bei Schülern der 8B. Auch dort wusste niemand, warum der Kanide nicht zur Schule erschienen war, nur, dass er fehlte.

Nick war sehr enttäuscht und zugleich besorgt. Er wollte Flo gerne anrufen, ihm gute Besserung wünschen, falls er krank war, aber im Grunde wusste er ja gar nicht, was die Ursache dafür war, dass er nicht zur Schule kam. Was hätte er daher schon Großartiges sagen sollen?

Am Dienstag war er immer noch nicht da. In Nick nahmen die Gedanken an Florian immer größere Teile ein. Sogar während des Unterrichts grübelte er, was seinem Freund wohl fehlte, wie und ob er ihm helfen könnte aber es half alles nichts. So einfach anrufen, mit dem Gespräch vom Sonntag noch im Hinterkopf, das alles währe ihm zu künstlich, und nicht zuletzt zu unangenehm gewesen.

Hätte Nick sich keine Notiz auf seinem Schreibtisch gemacht, er hätte das Rasenmähen total vergessen. Er startete eine Navi-App, tippte die Adresse ein und schlüpfte in seine Skates. Der Kleingartenverein war gar nicht so weit weg, weitaus schwieriger war es, die richtige Parzelle zu finden, von denen es laut Nummerierung mindestens 263 geben musste. Sein Ziel war die 89, ein Grundstück mit einem Pflaumenbaum, kleinen Blumenbeeten und einer dunkelbraunen Hütte mit einer kleinen Terrasse davor. Eine alte Bisamratte wässerte mit trüben Augen die Blumen.

„Hallo," begrüßte Nick ihn.

„Hallo, bist du für den Rasen hier?" „Ja, wir haben telefoniert."

Der Alte winkte ihn zu sich. Das Gartentor ließ sich von außen wie von innen öffnen. Sie schüttelten die Pfoten und stellten sich gegenseitig vor. Sein Name war Herr Fichter. Er erklärte Nick, dass er alleine für die Pflege des Kleingartens verantwortlich war, seine Frau sei vor Kurzem gestorben.

„Ich will die Hütte nicht hergeben, noch nicht, verstehst du das? Zu viele Erinnerungen. Bei der Hecke helfen die Nachbarn, das muss nur ein Mal Jahr gemacht werden, aber den Rasen muss man monatlich mähen, sonst werde ich abgemahnt. Und alleine bekomme ich die Maschine nicht mehr geschoben."

Er zeigte Nick wo der Elektromäher stand. Der Kater fummelte ungeschickt mit dem scheinbar endlosem Kabel. Es war sehr schwer und verheddert.

„Hast du schon mal Rasen gemäht?" Erkundigte Herr Fichter sich. Nick bejahte, verschwieg aber, dass diese Rasenfläche etwa vier mal so groß war wie alles was er bisher gemäht hatte.

Es dauerte länger als erwartet. Insgesamt musste er den Grasauffangbehälter vier mal leeren, am Rand des Blumenbeetes flogen ihm Erdklumpen und kleine Steine gegen die Füße und im besonders tiefen Gras musste er die Höhe des Mähers korrigieren und ein zweites Mal rüberfahren. Er war zwei Stunden beschäftigt, bis er auch die letzten Überreste zusammengehakt hatte. Herr Fichter lud ihn noch auf eine Limo ein, was Nick gerne annahm. Sie setzten sich auf eine Holzbank vor die Hütte und tranken aus Gläsern mit Goldrand.

Nick war ganz schön fertig, fühlte sich aber gut.

Der Alte kramte in seiner Tasche und holte ein mit einem Klipp zusammengehaltenes Bündel Geldscheine hervor, zog zwei Zehner ab und übergab sie. „Hier, haste dir verdient. Hast du eine Freundin die du einladen kannst?"

„Hm-nein, hab` ich nicht." Erneut musste er an Florian denken. Er hatte nur einen Freund.

Nein hatte er nicht - also nicht so. Wieso rechtfertigte er sich eigentlich vor sich selber?

„Mmmh, ist vielleicht auch noch`n Bisschen früh dafür," grinste die Ratte.

Nick trank aus und bedankte sich. Herr Fichter winkte ab und sagte, er habe sich zu bedanken, alleine hätte er das nie geschafft. Sie machten einen Termin für Mitte September aus, dann schnallte der Kater seine Skates um und machte sich auf den Heimweg.

Am Abend verstaute er die Battlestar Galactica-DVD wieder in der Box. Er hatte nicht Mal Gelegenheit gehabt, Flo zu fragen, wie ihm der Pilotfilm gefallen hatte. Wie ironisch, Nick hatte gehofft, dass er mit dem Collie zusammen die Serie hätte gucken können, es

wäre schön, endlich jemanden gefunden zu haben, der sein Hobby teilte. Aber was dann passiert war, hatte einen faden Beigeschmack hinterlassen. Erneut kamen ihm Zweifel; würden sie sich überhaupt noch sehen? Wie sollte Nick sich verhalten, wenn Flo wirklich auf ihn stand? Verdammt, warum war das nur so kompliziert, er wollte doch nur einen Freund?

Es dauerte noch weitere zwei Tage, erst am Donnerstag war Flo wieder in der Schule. Nick sah ihn, wie er sich von seinem Bruder verabschiedete, als der in Richtung Oberstufengelände abbog, zumindest glaubte er das. Alles was er erkennen konnte, war eine weiße Tailspitze, die vor ihm in der Menge verschwand, aber er war sich sicher, dass es der Collie gewesen war, sein Collie.

Erst in der großen Pause hatte er Sicherheit. Er fand Florian im Gespräch mit einigen Schülern der 8B. „Seh` euch nachher," verabschiedete er sich, als er Nick auf sich zukommen sah. Er wirkte angespannt und stand hastig auf, um ihn abzufangen. „Hey Flo."

„Hey."

„Wie geht`s? Warst du krank?"

„M-ja, geht besser."

Die Luft schien zäh zwischen ihnen. „Was hattest du denn?"

„Ach, nicht so wichtig, nur so Kopfschmerz und so."

„Drei Tage? Hast du Migräne?"

„Nee!" Flo blickte sich um. „Lass uns hier weg, okay?"

„Okay, geh vor."

Der Border Collie führte ihn quer über den Schulhof hin zu einem Übergang zwischen Oberstufenhaus und Schülerparkplatz. Hier waren sie ungestört und niemand hörte ihnen zu. „Ich wusste nicht, was ich machen sollte," begann er. „Nach unserm Gespräch, weißt du, ich hab mich beschissen gefühlt."

„Hmmmh war schon komisch."

„Ich wusste nicht, wie ich dir unter die Augen treten soll und da habich meiner Mutter vorgespielt, ich hätte richtig dolle Kopfschmerzen, da durfte ich Montag zu Hause bleiben. Dienstag hat sies mir dann nicht abgekauft und ich hab` auf Magenschmerzen gemacht. Mittwoch hat sie mich zum Arzt geschleppt, der konnte nichts feststellen, also hat sie vermutet, dass ich Angst vor Schlägern habe, hat Dan ausgequetscht, meine Lehrerin angerufen und voll die Welle gemacht." Nick hörte mit großen Augen zu.

„Naja, und da habich gepeilt, dass ich nicht ewig zu Hause bleiben kann, hab ihr gesagt, dass ich mich besser fühle und sie hat nicht mehr weitergefragt." „Und jetzt?"

„Jetzt? Schule hat nix gesagt, ich hab` bestimmt 20 Seiten Hausaufgaben nachzuholen, aber das war absehbar. Nur ..." Er legte seinen Tail an den Oberschenkel.

„... nur ich?" schlug Nick vor.

„Ich hätte das nie, ich meine, ich hätte dir das nie erzählen dürfen ... beides."

Der Kater war gerührt. Flo tat ihm leid, so verunsichert, in ihm wuchs die Zuneigung und der Wunsch, es ihm besser gehen zu lassen. „Also mich stört`s nicht, dass du ..." Seine Augen bewegten sich von links nach rechts und zurück. Die Luft war rein, aber er schaff te es dennoch nicht, das Wort über die Lippen zu bringen.

Ein kleines Lächeln huschte über die Collieschnauze. „Du bist lieb ... NETT, meinte ich, nett," korrigierte er und sah beschämt zu Boden. „Sorry, ich kann das nicht. Wie gut, dass ich meine Mutter noch nicht gefragt habe." Noch bevor Nick reagieren konnte, wandte er sich um, zu gehen. Seine Schultern hingen und sein Tail kam beinahe wieder vorne zwischen seinen Beinen hinaus.

‚Der Arme, NEIN!' dachte Nick. Er hatte viel zu viele Fragen, so einfach durfte es nicht enden. In einer Kurzschlussreaktion fasste er Florians Schulter, drehte ihn zu sich und nahm ihn in den Arm. „Geh nicht!"

Es war seine erste Umarmung mit einem Gleichaltrigen, sonst umarmte ihn nur seine Mutter und das war etwas völlig Anderes. Flo`s Fell war weich und roch nach Hund. Der Körper darunter war verkrampft, fast alles an dem Border Collie war total angespannt. Nicks Arme trafen sich auf dem Rücken und er hielt inne. Zuerst atmete Flo nicht einmal, dann, nur ganz langsam, holte er Luft, zittrig, unsicher, fast so als könne er es nicht glauben. Dann Bewegte er sich, legte die Arme seinerseits um Nicks Flanken und drückte dankbar. Dennoch war er es, der sich als Erster aus der Umarmung befreite.

Nick ließ ihn los und schob mit einer Pfote seine Felltasche zurecht, durch die intime, warme Berührung war er hart geworden. What the fuck?

Wieder bedankte der Collie sich bei ihm.

„Flo, du brauchst dich nicht ständig bedanken bei mir."

„Doch, du bist so nett zu mir und ich ..."

„... bist auch nett. Für alles Andere kannst du doch nichts."

Flo schwieg eine Weile. „Dann dafür, dass du noch mein Freund bist."

Nick lächelte. „Klaro. Und den Rest kriegen wir auf die Reihe."

„M-hmh," stimmte Flo zu. „Also, würdest du mit mir tatsächlich nochmal skaten?"

„M-ja klar, aber waren wir nicht eh zum Wochenende verabredet?"

„Wochenende?"

„Ja, du wolltest mir Magic zeigen und ich könnte BSG mitbringen - also Battlestar Galactica ... falls es dir gefallen hat, heißt das."

„Du meinst, du würdest immer noch bei mir übernachten wollen, trotz, dass ich ... dich ..."

Nick rollte mit den Augen. „Wir müssen an unserer Kommunikation arbeiten, das mit den unfertigen Sätzen reißt langsam ein." Flo lachte zaghaft. Der Kater dachte nach. Wieso sollte etwas dagegen sprechen, dass er bei ihm übernachtete, der Collie würde ja schon nicht über ihn herfallen? Sie würden nicht nackt schlafen oder sich ein Bett teilen?! Wieder reagierte seine Felltasche eher mit Zuspruch als etwas Anderem. Er ignorierte den sanften Druck so gut er konnte. „Ja, sicher, wenn du deine Eltern gefragt kriegst, heißt das."

Jetzt war Flo`s Lächeln breit und unbekümmert. „Oh, das klappt schon, mach dir mal da keine Sorgen."

Es klingelte. Sie hatten die Zeit völlig vergessen. Im Laufen verabredeten sie sich für den morgigen Freitag. Nick schaffte es noch gerade eben so, vor dem Lehrer durch die Tür zu huschen. Seine Laune war unerschütterlich, selbst die Ankündigung einer großen Hausaufgabe ließ ihn kalt. Wäre er ein Otter, würde er sich fühlen, als reite er auf der perfekten Welle. Er blickte hinüber zu Lollo, der gelangweilt kleine Panzer und Ottersol daten auf den Tisch zeichnete. Okay, ein anderer Otter vielleicht.

Geistig bereitete Nick sich bereits auf die Nachhilfestunde vor, die er zu geben hätte, als Sandra ihn direkt nach der Schule im Flur abfing und scherzhaft fragte, ob er irgendwelche Drogen nehmen würde. Als er gegenfragte wieso, sagte sie, weil er so scheel grinsen würde.

„Du guckst genauso, wenn du Schuhe shoppen gehst," konterte er. Beide lachten.

„Aber ma` ernsthaft, guck ich wirklich so schräg?"

„Irgendwie schon. Wollen wir mal wieder quatschen? Wie damals, du weißt schon ... mit

Peter."

Früher hatten die Geschwister sich oft getroffen, meist, wenn ihr verhasster Stiefvater in spe aus dem Haus war, und hatten ihre Sorgen miteinander geteilt.

„Peter`s weg," antwortete Flo aggressiv.

„Ich weiß, aber irgendwas ist doch, oder? Alles in Ordnung bei dir? Du warst die letzten

Tage so ruhig. Mama isses nicht aufgefallen, mir schon. Hab` ich Recht?"

Nick wich ihrem Blick aus, er hatte zu viele Fragen an sich selber gesammelt, die unbeantwortet waren, auch wenn er und Sandra sich stets über ihre Sorgen unterhalten hatten (so ein Stiefvater schweißt Geschwister zusammen), stand ihm jetzt wenig der Sinn danach. „Sandra, ich ..." Er musste Zeit gewinnen. „Sonntag, okay?"

„Sonntag?"

„Sonntag!" bestätigte er, du, ich, und ein großer Eisbottich." Der durfte nicht fehlen, wenn sie sich zum Quatschen verabredeten. Ging es ihr wirklich um ihn oder wollte sie nur jemandem von ihrem neuen Schwarm erzählen? Nur eine der Fragen, die er dieser Tage auf die lange Bank schob. Im Gegensatz zu vielen Anderen hatte diese jedoch einen Zeitpunkt, an dem sie beantwortet sein würde, nämlich Sonntag.

In den nächsten zehn Minuten änderte sich seine Nachmittagsplanung gleich zwei Mal. Zuerst rief seine Mutter an und teilte ihnen mit, dass sie eine Doppelschicht einlegen würde. „Hier ist SchlaDo und wir können das Geld gut gebrauchen," tönte es aus dem Freisprecher.

„Schla-was?" Erkundigte Sandra sich, die das Gespräch entgegengenommen hatte.

Nick stand daneben und lauschte.

Eine kurze Pause und ein Rascheln zeugten davon, dass sie dichter an den Hörer rückte. „Scheiß-langer-Donnerstag," heißt das. Die Geschwister lachten.

„Macht euch heute mal Brote und morgen gibt`s wieder was Anständiges," versprach sie. Nick nutzte die Gelegenheit und erkundigte sich, ob er am Samstag bei Flo übernachten dürfe. „Ja, das sollte schon gehen. Kann ich mit seinen Eltern vorher sprechen? Dann ist das bestimmt kein Problem. Nicolas, wir besprechen das heute Abend, in Ordnung? Meine Pause ist vorbei." Und schon hatte sie aufgelegt.

Keine fünf Minuten später klingelte es erneut. Nick war direkt am Apparat, als ihm Frau Sumani mitteilte, dass die erste Nachhilfestunde ausfallen müsste. Sie begründete es mit einem familiären Zwischenfall und versprach, dass es in der nächsten Woche losgehen würde.

Das bedeutete, der Nachmittag wäre frei. Nick wollte sich erst in sein Zimmer verkriechen, aber dort würden ihn nur die Fragen aus seinem Kopf überfallen, also bettelte er Sandra so lange an, bis sie sich bereit erklärte, überbackene Tomatentoasts zuzuberei ten und er selber schleppte den schweren Werkzeugkoffer in die Auffahrt und fing an, an seinem Fahrrad rumzuschrauben. Leider waren seine Finger nicht mit Talent und seine Bemühungen dadurch nicht von Erfolg gesegnet. Zwar hatte er die Kette geölt und das Klackern der Schaltung eingestellt, aber die wackelnde Pedale konnte er mit keinem der Werkzeuge anziehen. Sowohl Maul- und Ringschlüssel als auch Knarre passten nicht zwischen Mutter und die ringförmige Ausfräsung an der Pedale.

Irgendwann rief seine Schwester ihm zum Essen. Bevor es ihm zu spät wurde schaffte er es danach noch, die klappernden Schutzbleche festzuziehen und gab schließlich auf. Falls er Samstag mit dem Rad zu Florian fahren müsste, dann würde er sich mit der wackelnden Pedale arrangieren müssen.

Spezieskunde - oder SK - am Freitagmorgen war gar nicht so uninteressant, das Halbjahr beschäftigte sich mit Fledermäusen und später mit Vögeln. Nick lernte viel über die unterschiedlichen Anatomien. Valeria, die einzige Fledermaus der Klasse hatte sich bereit erklärt, noch vorne zu kommen, um ihre Flügel zu präsentieren, aber einige Mitschüler nutzten dies aus und grölten ‚Ausziehen, Ausziehen', als sie ihnen den Rücken zudrehte, sodass der Lehrer den Unruhestiftern einen Eintrag ins Klassenbuch verpasste und das Ganze abbrach. „Schlagt eure Bücher auf, Seite 124, das habt ihr euch selber zuzuschreiben. Ich hätte den Unterricht locker gemacht, aber so - nicht! Dann arbeiten wir halt mit den Fotos."

„Von der hätt` ich auch gern ‚Fotos'," flüsterte einer der Nager und machte Anführungsstriche in die Luft beim Wort Fotos. Es blieb bei diesem einen Zwischenfall.

Wie schon letzten Freitag kam Florian erst zum Klingeln der nächsten Stunde angerannt, ihre Ausrüstung über die Schulter geworfen.

Nicks Herz schlug schneller, als er den Collie mit wehendem Fell und schlackernden Ohren sah. Hätte er es sich eingestanden, hätte er ihn süß gefunden, aber seit einer Woche ignorierte er solcherlei Gedanken - zumindest an der Oberfläche. Darunter hatte sich jedoch ein gewaltiger Haufen davon angesammelt, die er zur Kenntnis genommen und dann unbehandelt eingelagert hatte. Dort warteten sie nur auf eine Gelegenheit, herauszubrechen, aber noch nicht jetzt. So begrüßte er ihn lediglich und schnallte seine Skates um.

„Übrigens, meine Mutter hat ‚ja' gesagt," verkündete Flo, als sie den Berg hinabrollerten.

„Geil, meine auch. Sie will nur vorher mit deiner quatschen."

„Jo, lass sie anrufen, Handynummer von mir haste ja."

Und so einfach stand ihre Verabredung. Aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit hatte Nick keine Chance, weiter darüber nachzudenken.

Auf dem Skateplatz herrschte, wie schon eine Woche zuvor, Hochbetrieb, anscheinend wollten viele Jugendliche noch das gute Wetter nutzen, so lange es hielt. Heute gelang Nick schon wesentlich mehr als zuvor, die Schrägen und Stangen hatten etwas von ihrem Schrecken verloren. Als Florian ihm jedoch zuzwinkerte, sich wie beiläufig den Hügel hinab stieß und von einer Rampe diagonal auf eine Zweite sprang und diese runterrollte, sank seine Zuversicht. Wie lange würde er wohl üben müssen, um ein derartiges Manöver fahren zu können?

Aber seine Lernkurve war hoch, als Felide hatte er eine natürliche Begabung für al

les was mit Koordination und Gleichgewicht zu tun hatte. Am selben Nachmittag noch schaffte er es die Schräge hoch, dann eine Sprungdrehung und die Abfahrt. Es ging doch, er konnte förmlich spüren wie er besser wurde. Ollie, 180? Wie nannte man das? Egal, Hauptsache er konnte es. Einher mit dem Gefühl, mehr Kontrolle über die Skates zu erlangen, ging das Gefühl, Kontrolle über seine Freundschaft zu Florian zurückzugewinnen. Sie waren locker, beinahe so flüssig wie das Skaten im Umgang miteinander. Nichts kollidierte, alles glitt geschmeidig aneinander vorbei.

Gegen 16 Uhr fuhr ein Rotfuchs durch das kleine Einlasstor, drehte eine Runde um den Verkehrsübungsplatz und schoss mit gewaltigem Tempo die betonierte Schräge hinunter. Er schien hoch motiviert, beinahe exstatisch zu sein. Flo hatte sein Fahren komplett eingestellt. Er stand regungslos auf dem Grünstreifen und guckte den Fuchs mit glasigen Augen an. Er schien ihn zu kennen, sie grüßten sich aber nicht. Wenige Minuten später, der Fuchs hatte sich inzwischen beruhigt und ging in der Masse der anderen Inline-Fahrer mühelos unter, kam ein Wüstenrenner durch den Hintereingang, einer Art Feldweg durch das Gebüsch, und begrüßte ebendiesen Fuchs mit einer kurzen, aber innigen Umarmung. Der Körper des Nagers schien angespannt, als fühlte er sich beobachtet. Florian machte noch immer keine Anstalten, sich zu bewegen. Nick rollte zu ihm rüber und sprach ihn an, aber vergeblich.

„Flo?" Er stupste ihn mit dem Ellenbogen an.

„Hm-was? Ja. Sorry hab` nur geträumt." Er setzte sich wieder in Bewegung, aber der Drive, der den Collie sonst über den Platz getrieben hatte, war weg. Er schien abgelenkt, als hätte das Erscheinen des Vulpinen ihn aus der Bahn geworfen. Flo beobachtete ihn auch weiterhin unentwegt. Er fuhr mit seinem Freund mal hier und mal dort, es gab kein Anzeichen, dass er Florian überhaupt kannte. Was war los?

Die Rennmaus schoss mit Schwung auf den Hügel und der Fuchs folgte ihr nur Sekunden später. Er hatte zu wenig Anlauf genommen und musste auf dem letzten halben Meter einen Schritt machen. Da reichte der Renner ihm eine Pfote zur Hilfe und plötzlich erkannte Nick, was los war. Die Berührung zwischen den beiden, der Blick, den sie sich zuwarfen, das zaghafte Lächeln, das beiläufige Streifen ihrer Tails, er wusste es einfach. Die beiden liebten sich, sie waren ein Paar. Es gab keine weiteren Anzeichen, kein Kuss, keine Gesten, aber dennoch, Nick wusste die Hinweise zu deuten. Florian musste davon wissen, vermutlich war es das, was ihn so irritierte.

Lange blieben sie nicht mehr, Nicks Freund war für kein gescheites Manöver mehr zu gebrauchen. Er schlug vor, dass sie Jenny noch einen Besuch abstatteten, was sie auch taten. Mit zwei großen Eisbechern vor der Nase, die jeder für sich bezahlt hatte, unterhielten sie sich eine Zeit lang über die Schule, BSG und das Skaten. Zuerst wollte der Kater das Thema nicht erneut anschneiden, aber es ließ ihm einfach keine Ruhe, irgendetwas hatte Florian mit diesem Fuchs zu tun. Vielleicht hatten die beiden etwas miteinander? Der Gedanke rief einen Anflug Eifersucht auf den Plan: Wenn das stimmte, was war dann mit ihm, hatte der Collie nicht auf ihn ... gestanden ... oder tat es noch immer? Aber, wenn, warum hatten die beiden Kaniden sich nicht begrüßt? Nein, da steckte etwas Anderes dahinter.

Trotz Eis glühten seine Wangen heftig, als er sich überwand und fragte: „Kennst du eigentlich alle auf den Skateplatz?"

„Nee, nur Wenige," antwortete Flo beiläufig.

„Den Fuchs, der da war?"

Das gesamte Wesen seines Freundes spannte sich schlagartig an. Sein Blick wich dem seines Freundes aus. ‚Vorbei mit Beiläufigkeit, ich hatte Recht', dachte Nick.

„Fuchs? Ähm ... ich weiß, dass er Marc heißt, da hört`s aber auch schon auf. Kennen, nicht wirklich."

Nick war unschlüssig. Florian sagte offensichtlich die Wahrheit, aber etwas fehlte, er ließ etwas aus. „Nur von hier vom Skaten?"

Der Collie nickte mit der Schnauze voller Eis. Vielleicht hoffte er, dass Nick Ruhe gab, wenn er sah, dass er aß und eh nicht antworten konnte. Falls er das tat, hatte er sich geirrt.

„Er`s auch schwul, oder?"

Jetzt war es Flo, dem die Röte unter der weißen Wange anzusehen war. „Was, woher

...?"

„Ich hab`s gesehen."

„Wo?"

„Wo? Na, hier ... da ... vorhin."

„Das hast du gesehen?"

„Ja, der Wüstenrenner ist sein Freund, nicht?" „Ich ... ich weiß nicht, vielleicht," gab Flo zu.

„Vielleicht?" Nick musterte seinen Freund. „Du weißt es wirklich nicht, stimmts?"

Florian druckste. Er wusste schon etwas, aber er wand sich ganz offensichtlich, das zuzugeben.

„Nein, ich dachte, er hat keinen. Aber jetzt wo du`s sagst ... möglich."

Nick entschied einen Schritt weiter zu gehen. „Du stehst auf ihn, oder?"

„Was?" Flo zuckte merklich zusammen. „Nein?!"

Der Kater erklärte, wieso. Flo wurde immer ruhiger als ihm klar wurde, wie deutlich sein Freund seine Handlungen lesen konnte. Schließlich schien er zu resignieren. Er atmete genervt aus und blickte stur in seinen Eisbecher. „Du liegst nicht ganz richtig." Nick stellte die Ohren auf.

„Ich kenne ihn wirklich nicht. Und ich weiß auch nicht, ob er mit dem Renner zusammen ist." Er berührte einen Tropfen Schwitzwasser mit seiner Kralle, der sich daraufhin löste, mit anderen verband und nach unten ablief. „Aber ich weiß, dass er schwul ist." Er machte eine Pause. „Ich ... hab` ihn gesehen."

„Wie ... gesehen? Hat er wen geküsst? ... oder rumgemacht?"

Flo schüttelte den Kopf und Nick bereute die Frage, als aus dem Kopfschütteln dann

doch eine Nein-naja-nicht-so-wirklich-aber-irgendwie-schon-Bewegung wurde. Der Collie resignierte. Er schnaufte aus. „Willst dus wirklich wissen?" „M-hmh, wenns dir nichts ausmacht," gab Nick ehrlich zu.

Wieder spielte Flo mit den Tropfen. Er ließ sich Zeit. „Samstag!" sagte er schließlich. Zwei Atemzüge später fügte er hinzu: „Wenn dus dann noch wissen willst, erzähl' ichs dir dann. Vielleicht. Ich überleg`s mir und du dir auch, okay?"

„M`kay."

Sie beendeten den Rest ihrer Eisbecher schweigend.

Als er abends vom Zähneputzen auf sein Zimmer ging, drehten sich seine Gedanken noch immer um Flo und Marc, den Fuchs. Was verband die beiden? Als er kurz darauf in sein Bett krabbelte, wuchs ihm schon nach wenigen Minuten des Grübelns eine Latte. Sie wurde härter und fordernder, je länger er sich mögliche Szenarien ausmalte, was die beiden zusammen erlebt haben mochten. Wie konnte das sein, wieso erregte ihn die Vorstellung eines anderen Jungen? Das war nicht das erste Mal. Ein Teil seiner auf die lange Bank geschobenen offenen Fragen kam aus der Versenkung. Sehr zu Nicks Unbehagen hatten sie alle eine gemeinsame, mögliche Antwort.

Warum stellte er sich Florian nackt vor, wieso sah er ihm auf den Hintern, wieso konnte er mit Mädchen nichts anfangen, warum wurde er hart, wenn er den Collie umarmte?

... weil er selber schwul war!

Der Satz tat in seiner Brust weh. Er wollte ihn nicht wahr haben. Um sich abzulenken (und den quälenden Druck in seinem Schritt loszuwerden) pfotete Nick sich, war aber viel zu abgelenkt, um sich darauf zu konzentrieren. Er kam quer über sein Bauchfell und schlief irgendwann verklebt und unruhig ein.

‚Es ist Samstag', war das Erste was er am nächsten Morgen dachte. Obwohl er noch nicht mal richtig wach war, kam er vom Dauerthema Flo nicht weg. Seine Felltasche klebte und musste seinem Kopf mal eine Pause gönnen. Heute Vormittag lag jedoch nichts an, sehr zu seinem Unbehagen. Sandra und seine Mutter waren schon früh zu IKEA gestartet und hatten ihm lediglich einen kleinen Zettel da gelassen, der ihn eben darüber informierte. Nick duschte, ließ sich von ein paar Zeichentrickserien berieseln und verbrachte den restlichen Vormittag auf der Wohnzimmercouch. Gegen Mittag kamen die beiden Katzen gackernd und laut quasselnd zurück, in den Pfoten eine große, blaue Tüte mit allerlei Tinnef. Mit dabei waren Halter für Badetücher, zwei Klemmleuchten, diverse Aufbewahrungsboxen, eine ziemlich hässliche Topfpflanze und ein Bilderrahmen. Auf die Frage, wie sie sich das alles leisten konnten, erinnerte seine Mutter ihn an den Einkaufsgutschein, den ihr alter Chef ihr kurz vor ihrem Umzug geschenkt hatte. Nick fragte ein zweites Mal nach seinem Übernachtungsbesuch und noch während er kurz darauf seinen Schlafsack von alten Fellhaaren befreite, telefonierte sie mit Frau Ruth?n, Florians Mutter.

„Ist in Ordnung, mein Schatz. Ich habe mit Malvina, also Frau Ruth?n gesprochen. Sie klingt ganz nett. Benimm dich nur anständig, bleibt nicht zu lange auf und putzt euch die Zähne."

„Werd` ich. Danke, Mama."

„Wie kommst du hin? Soll ich dich fahren?"

Nick wog ab, ob er sich lieber auf dem Rad mit wackeliger Pedale und einem dicken Schlafsack abrackern oder von seiner Mutter wie ein Junges im Auto gebracht werden wollte. Er wählte das Rad. Seine Entscheidung wurde gestärkt, als sie ihm eine zusätzliche gute Nachricht überbrachte: „Na gut. Ach, und du sollst den Schlafsack hierlassen, sie gibt Florian eine Gästematratze. Hast du gehört?"

Nick war bereits auf halber Höhe die Treppe rauf. „Ja, danke!" rief er.

Vergessen waren vorerst alle Zweifel, die pure Vorfreude auf einen langen Abend mit seinem neuen Freund hatte absolute Oberhand und duldete keine Nebenbuhler. Das blieb auch so. Die gesamte Hinfahrt über hatte er eh keine Zeit, über irgendetwas nachzudenken, zu sehr irritierte ihn das Wackeln der Pedale. Und es wurde schlimmer.

Auf sein Klingeln reagierte Dan. Er öffnete die Tür, begrüßte Nick und erkundigte sich, ob Tina ihm noch weiteren Ärger bereitet hatte. Nick verneinte und dann war Flo auch schon an der Tür. Sie checkten sich mit den Pfoten. „So cool, dass du darfst, hast du die DVDs mit?"

Der Kater nickte und klopfte gegen seinen Rucksack. „Klar."

Er wurde hineingebeten. Das Haus roch unmissverständlich nach Hund. Es war streng, aber nicht unangenehm. Viele Fenster waren geöffnet und alles sah sehr sauber aus. Der Flur war gefliest, eine große Garderobe begrüßte Neuankömmlinge mit ihrem Spiegelbild in voller Körpergröße und an den Wänden hingen Bilderrahmen mit Landschaften oder Scherenschnitten. Genau wie bei ihrem Haus führte eine Treppe ins Obergeschoss, geradeaus ging es ins elterliche Wohnzimmer und vom Flur aus glaubte er, die Küche durch das milchige Glas einer Tür zu erkennen. Es war größer als das Haus, was seine Mutter für sie gefunden hatte, aber das war auch nicht schwer.

Sein Freund führte ihn zuallererst in den Garten, wo Frau Ruth?n gerade dabei war, ausgetrocknete Blüten von einem Busch zu zupfen. Um sie herum verteilt lagen verschiedene Gartenwerkzeuge. Florians Mutter war mittelgroß, leicht rundlich und besaß die selben, halb hängenden, halb aufgestellten Ohren wie ihr Sohn. Ihre Fellzeichnung war von feinerer Struktur, die weißen Flecken darin waren zahlreicher und kleiner. „Guten Tag, Frau Ruth?n," begrüßte Nick sie. Es hatte steifer geklungen, als er beabsichtigt hatte.

„Oh, hallo," strahlte sie ihn an. „‚Nicolas', richtig?"

„Einfach ‚Nick'," sprang Flo ein, bevor er selber antworten konnte. „Nick?"

Der Kater lächelte erleichtert. „Ja, Nick ist gut."

„Freut mich. Ich bin Malvina." Sie schüttelten die Pfoten. „Deine Mutter hat mit mir gesprochen und soweit ist alles klar. Ich habe euch etwas Bettwäsche rausgelegt und zum Schlafen kannst du die Matratze aus dem Gästezimmer haben. Florian, Puschel, zeigst du ihm die? Zusammen schafft ihr das doch, oder?"

„M-ja, schon."

„Super. Essen gibt`s um halb Sieben."

Der Collie führte seinen Freund die Treppe hinauf ins Obergeschoss. Gleich die erste Tür war wild beklebt mit allen möglichen Rockband-Stickern. Passend dazu war laute Musik von dahinter zu hören. Nick erkannte Linkin Park. „Dan`s Zimmer," erklärte Flo.

„M-hmh, schon klar, Puschel."

„Baww ich mag`s nicht, wenn sie mich so vor meinen Freunden nennt."

Nick grinste breit. „Okay, Puschel."

„Hörauf jetzt." Flo lächelte geniert. Jetzt, genau in diesem Moment half kein Leugnen oder Verdrängen, Nick fand ihn niedlich, geradezu anziehend. Er sah auf den schwarzweißen Tail, der im Takt der Schritte hin- und herwedelte und erfreute sich an diesem Anblick. ‚Nur kurz is nicht schlimm', sagte er sich.

Gemeinsam schliffen sie besagte Matratze durch das Obergeschoss.

Das Zimmer des Collies war doppelt so groß wie Nicks. Es bestand aus zwei Hälften, gleichgroße Areale, die von zwei senkrechten Dachstuhlbalken und einem dazwischen angebautem Regal getrennt wurden. Auf der einen Seite befanden sich eine Couch, ein Schreibtisch und ein Flachbildfernseher und auf der anderen ein großes AnderthalbPersonen Bett mit einem eleganten, anthrazitfarbenen Metallrahmen, zwei Bücherregale voller Krams und ein alter Röhrenfernseher mit angeschlossener PS2. Die Matratze legten sie neben das Bett.

„Nice," kommentierte Nick den 32" Fernseher.

„Danke. Wollen wir BGS darauf gucken?"

Der Kater schmunzelte. „Es heißt BSG, aber, ja. Gerne. Vergiss aber nicht, mir dein ...

Dingsda ... Magic zu zeigen."

Sie einigten sich auf ein Abwechseln zwischen Fernsehen und Kartenspiel und machten es sich auf dem Sofa bequem. Florian schien sehr darauf bedacht, dass es keinen - seinem Freund womöglich unangenehmen - Körperkontakt gab. Nick schaute voller Spannung, wie die Galactica alle dreiunddreißig Minuten einen ‚FTL jump' vollführte, um den Zylonen zu entkommen und nutzte die Zeit, um sich in der neuen Umgebung einzugewöhnen. Als die Folge vorbei war, breitete der Collie eine beachtliche Menge Magickarten aus. Es waren so viele. Er hatte welche in Hüllen, in Ordnern und einen Großteil scheinbar unsortiert in einem Schuhkarton. Sein Freund staunte nicht schlecht über die Hingabe, mit welcher der Kanide über Commons, Uncommons und Rares verschiedener Typen redete. Von den Regeln verstand er zum Glück die Meisten, sodass sie mit einem StarterSet - einer Box zum Spielenlernen - eine erste Proberunde absolvieren konnten. Es machte Spaß, das hatte schon was, aber noch besser wäre es, das versicherte Florian ihm, mit einem eigenen Deck.

Vor dem Abendessen schauten sie in gleicher Manier noch eine Folge. Frau Ruth?n hatte Schnitzel mit Blumenkohl/Brokkoli-Gemüse und Kartoffeln zubereitet. Es schmeckte hervorragend. Kaniden und Feliden passten, was das Essen anging gut zusammen. Einmal hatte Nick bei einem Echsenfreund mitgegessen, aber von den exotisch gewürzten Reissorten und den frittierten Insekten, die sich darin befanden, kaum etwas runterbekommen. Er lobte die Kochkünste von Flo`s Mutter, die den daraufhin vorwurfsvollsiegessicher ansah.

„Guck? Wenigstens einer, der mich mal lobt."

Sie hatte ihren Sohn nicht wirklich angemacht, es schien als Scherz gemeint zu sein, denn Nick grinste, als er ihren Tail wedeln sah. 'Kaniden - so leicht zu durchschauen!' Flo schob sich eine große Gabel voll Fleisch in die Schnauze, um nicht darauf eingehen zu müssen. Stattdessen grummelte er nur zustimmend.

Die zweite Runde Magic konnte der Kater bereits größtenteils alleine bestreiten, auch wenn ihm das Prinzip des Trampelschadens erst klar wurde, als ein Polar Kraken (wie auch immer Flo es geschafft hatte SO ein Viech in Runde acht herauszubekommen UND dann noch zwei Runden lang zu unterhalten) seine Wall of Vapour überrannte und ihm trotzdem zehn Schadenspunkte zufügte. ZEHN!

Er hatte noch viel zu lernen ...

Angenehm fiel ihm auf, dass sie englischmäßig auf einer Höhe waren. Viele der Karten waren auch auf Englisch gut verständlich. Dazu kamen viele Spezialbegriffe. Bisher hatte keiner vor ihnen seinen Nebenmann etwa nach einem nicht verstandenen Dialog gefragt.

Während der dritten Folge Galactica vermischte sich ihre Routine: Der Collie hatte eine Tüte Weingummi geholt und in seiner Abwesenheit begann Nick, sich fasziniert durch einen Haufen schwarzer Karten hindurchzuwühlen. Speziell schwarz hatte es ihm angetan. Schwarz sah voll cool aus, geradezu übermächtig?. Sie schauten zwei Folgen am Stück, während er sich ein schwarzes Deck zusammenstellte, das in der darauffolgenden Spielrunde mit Pauken und Trompeten unterging.

Offanbar nicht.

„Mach dir nichts draus, das braucht Zeit. Gib mal her, ich zeig` dir was!"

Der Collie blätterte durch den Kartenstapel, tauschte zielsicher etwa fünfzehn Karten und zwei Länder aus und murmelte irgendetwas von Balance und Manaquellen. Prompt gewann Nick die nächste Partie. Das Erfolgserlebnis weckte den Ehrgeiz des Katers: „Cool, das können wir öfters spielen. Ich will mir ein eigenes Deck bauen. Alleine irgendwann."

„Klar, am Besten geht das aber mit einer eigenen Sammlung."

Nick knickten die Ohren ein. Diese Karten kosteten viel Geld und Geld war momentan Mangelware. Florian hatte den richtigen Riecher. Er kramte eine Kassett-Box von IKEA aus dem Regal und gab sie seinem Katerfreund. „Hier, die schenk` ich dir. Müssten

knappe tausend Karten sein, Common, Uncommon, ein paar Rare."

Nick blinzelte nur blöd. Sein Kiefer klappte auf. „Wie ...?"

„Sind von meinCousin, der hat aufgehört und sie mir überlassen. Seither liegt der Karton da und ich hab nie reingeguckt."

Nick war tief gerührt. Sie kannten sich doch erst eine-zwei Wochen und er bekam solch ein Geschenk? Spontan legte er den Arm um den Collie und drückte ihn an sich. „Oh, danke, wie geil!"

„Kein Ding," kommentierte Flo in das Nackenfell des Katers.

Nicks Lendenbereich reagierte auf die Umarmung wie schon zuvor, diesmal nur wesentlich schneller. Sofort Er ließ er von seinem Freund ab, aber die Wärme an den Stellen, an denen er Flo berührt hatte, blieb. Der Kater konnte spüren, wie die empfindliche Spitze aus der Felltasche wuchs und dabei am Stoff seiner Unterhose rieb. Er griff beiläufig hin und setzte sich auf. Ob der Border Collie etwas gemerkt oder seine Erregung womöglich witterte, konnte er nicht sagen, auf jeden Fall reagierte er nicht, falls er es tat.

„Du kannst ja eine Woche lang basteln und nächsten Samstag wiederholen wir das. Ich will ja auch wissen, wie es bei BSG weitergeht." Tatsächlich hatte Florian die Handlung mit sichtbar wachsendem Interesse verfolgt. Er erkundigte sich, ob die Szenen mit Baltar auch zukünftig ‚so psychomäßig' blieben und die beiden Sharons später noch aufeinandertreffen würden.

„Guck`s einfach." Nick rang sich ein Lächeln ab, auch wenn es in seinem Kopf gerade drunter und drüber ging.

„Eine Folge noch und dann pennen?" schlug Flo vor. Tatsächlich war es bereits kurz vor elf.

Der Kater nickte langsam. Von der letzten Folge des heutigen Tages bekam er nichts mit. Immer wieder schielte er zu seinem Freund hinüber, dessen Tail nur Zentimeter von seinem auf dem Sofa lag. Schlimm kam ihm seine Reaktion schon gar nicht mehr vor, ganz im Gegenteil, er überlegte krampfhaft, ob er sich wohl trauen würde, seinen eigenen Tail auf die Hunderute zu legen ... beiläufig, so als sei es Teil einer normalen Bewegung. Denn dieses Verlangen hatte er plötzlich, er wollte Fellkontakt. Das des Kaniden sah so weich aus.

Kurz vor Ende der Folge, Flo kaute angeregt auf einigen Weingummis, traute er sich schließlich. Er tat so, als setze er sich anders hin und ließ dabei seinen Tail auf das weiße Ende seines Freundes fallen. Der schien das zuerst gar nicht mitzubekommen, erst als der Abspann lief und er in die Wirklichkeit zurückkehrte, warf er einen kurzen Blick auf ihrer beider Tails und zog seinen dann weg. Nick hatte sich nicht bewegt, aber die Berührung ließ ihn innerlich hibbeln. Er wollte mehr, wollte einen Schritt weiter gehen, wusste aber nicht, wie.

Der Collie stand auf und kam nach kurzer Zeit mit einem Stapel Bettwäsche und einem Kissen zurück. Nick guckte ihm dabei zu, wie er die Gästematratze bezog. Ja, wenn er ehrlich zu sich war, fand er ihn tatsächlich, naja, süß. Er zog ihn an, reizte ihn. Der schlanke Körper, die Muskeln, die sich unter dem Fell abzeichneten. Dieser zarte Rest Welpenflaum, der in ein paar Wochen verschwunden sein würde, die Ohren, die bei manchen Bewegungen wackelten und nicht zuletzt der runde Hintern, an dem die Rute - mal hing - mal wedelte, fast so, als habe sie ein Eigenleben.

Sein eigener Tail besaß ein Solches, die Spitze wand sich und flippte über die Couch wie immer, wenn er nervös war. Dann wurde ihm im selben Moment klar, wie offen er seinen Freund anstarrte, als dieser es auch bemerkte.

„Hey, willst du nur gaffen oder mithelfen?" Er zog umständlich am Bettlaken. Nick schüttelte den Kopf und half mit. Zusammen ging es viel schneller.

Flo ging Zähne putzen und der Felide richtete sich währenddessen sein Bett ein. Er hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, wie er schlafen würde, zu Hause trug er in der Regel nur eine Unterhose und sogar die strampelte er in der Nacht manchmal aus. Die Vorstellung, hier dabei erwischt zu werden genügte; wieder wuchs sein Schaft. Bevor es zu unangenehm wurde, richtete er seine Männlichkeit, gerade noch rechtzeitig, bevor der Collie zurückkam. Er roch nach Zahnpasta und trug ein übergroßes weißes T-Shirt mit einem verblichenen Schriftzug ‚#1' darauf und seine Boxer Shorts. Zumindest vermutete Nick dies, denn das Shirt ging ihm bis weit über die Beine. Es sah sehr bequem aus und das viele nackte Beinfell hatte schon etwas Erotisches.

Er selber tapselte ins Bad und putzte sich die Zähne. Sollte er auch in Unterhose zurückkommen? Der Gedanke genügte, um Druck in seine Lenden zu senden, also versuchte er, an etwas Anderes zu denken. Er struwwelte sich über die Ohren und das Gesicht. Wenn er in langer Hose zurückkäme wäre das doch auch blöd, so offensichtlich verklemmt, oder nicht? Also was?

Kurzentschlossen zog er die Hose aus und ging in Boxershorts und Shirt zurück. Im Zimmer hockte er sich schnell hin und schlüpfte unter die Decke, wo er sein Shirt auszog. Flo lag ebenfalls, auch ohne Shirt in seinem Bett und grinste ihn an. Freundschaftlich. Er schien ihm nirgends hinzugucken oder sich gar über ihn zu amüsieren. Verdammt, konnte er nicht etwas mehr so sein, wie bei ihrem ersten Treffen? Da war der Collie derjenige, der sein Geheimnis wie eine Last mit sich herumschleppte, der sich ständig ertappt gefühlt, verklemmt reagiert hatte vor lauter Unsicherheit. Und nun? Seit ihrem Gespräch hatte Flo sich im Griff, er hielt sich sehr zurück. Dafür wuchs nun bei Nick der Wunsch, seine neuen Gefühle freizulassen, sie zumindest zu erkunden.

Bei ausgeschaltetem Licht unterhielten sie sich fast eine weitere Stunde über Karten, bevor die Müdigkeit sie einholte. Die Antworten wurden verzögerter, ihre Sätze mit jeder verstrichenen Minute immer kürzer.

„Der Shivan Dragon ist der Beste," murmelte Flo.

„M-mhm."

„Ders simpel. Is ne ganz alte Karte." Eine lange Pause folgte.

„Ich glaube ich schlafe gleich ein," gab der Collie noch von sich, dann wurde er still. Ein paar Minuten später atmete er gleichmäßig in sein Kissen. Nick war nicht nach schlafen, er war viel zu aufgewühlt. Er hob den Kopf. Im beinahe komplett dunklen Zimmer konnte er nur die Kontur des Colliekopfes sehen, die Bettdecke darunter hob und senkte sich im Rhythmus der Atemzüge. Am meisten leuchteten die weißen Stellen seines Fells, ein Teil seiner Wange und ein Stück des Arms schienen wie helle Inseln, verloren in einem Meer aus Dunkelheit.

‚Was mache ich hier bloß? Ich kann Flo doch nicht so lange anstarren?!' dachte Nick bei sich. Er kroch dennoch dichter an das Bett heran, bedacht darauf, so wenig Geräusch wie möglich zu machen. Der Collie schnaufte und drehte sich auf den Rücken, mit dem Gesicht zum Fenster. So fühlte Nick sich sicherer, damit ‚schaute' sein Freund nämlich in die andere Richtung. Er erhob sich etwas mehr und was er sah ließ das Fell an seinem gesamten Körper prickeln. Durch die Drehung war etwas von der dünnen Decke von Flo`s Bein gerutscht, Knie und Oberschenkel lagen frei. Der Kater konnte von seiner Position aus den dritten weißen Fleck an der Oberschenkelinnenseite, dort, wo das Fell bereits etwas dünner wurde, erkennen. Er wurde hart. Genau wo die Shorts begannen, lag auch die Decke.

Längst hatte Nicks Handeln eine Art Automatismus angenommen, die zwar wusste, dass er in größten Erklärungsnöte käme, wenn er erwischt würde, aber dies Risiko hinnahm, weil er einfach einen Blick auf die Unterhose seines Freundes erhaschen MUSSTE. Langsam griff er die Decke wo sie seiner Seite des Bettes am Dichtesten war und setzte sich weiter auf. Es war so aufregend, seine Latte wuchs immer mehr.

Behutsam zog er an der Decke. Sehr zu seinem Unglück war sie so geknüllt, dass er ein ganzes Stück umsonst zog, immer neue Falten glätteten sich, aber auf Florians Becken rührte sich nichts. Dann, endlich, rutschte die Decke doch über die Hose. Lautlos glitt sie dahin und nahm das darunter eingeklemmte Shirt mit hoch.

Flo schmatzte, atmete aber regelmäßig weiter. Der Kater legte eine Pause ein, um ganz sicher zu gehen, dass er noch immer schlief und setzte sein Tun fort. Die Decke überwand die kleine Beule, die die Felltasche und die Bällchen des Collies im Stoff abzeichneten und glitt von ihr runter. Nick ließ los und reckte seinen Hals. Die Konturen waren deutlich zu erkennen, zwei kleine Hügel unten, ein Länglicher darüber. Er schnüffelte. Ein unmissverständlich männlicher Duft nach Hund, warmem Fell und - einfach nur nach Florian wehte ihm entgegen. Er schloss die Augen und genoss den Augenblick.

Was nun, er wollte weitergehen, aber wie? Und wohin überhaupt? Was sollte er tun und wie würde sein Freund reagieren? Vor einer Woche noch hatte er sich als der große Ichsteh-auf-Titten-Kater präsentiert und jetzt? Er starrte auf die Beule. Wenn er sie nur ein Mal anfassen könnte ...

Er schluckte. Für, was ihm wie eine Ewigkeit vorkam, verharrte er. Dann überwand er sich. Mit dem Blick zwischen Florians Gesicht und dessen Unterhose wechselnd, näherte er sich mit der Rechten dem Ort seiner Begierde. Wenn er nur vorsichtig genug sein würde, Flo würde bestimmt weiterschlafen. Sein Herz schlug so laut, er befürchtete, dass der Border Collie alleine schon davon wach wurde. Was würde er dann nur sagen? Doch dieses ‚Was-wenn' war meilenweit entfernt. Er hingegen, er hatte nur noch wenige Zentimeter ... Seine Pfote sank weiter hinab. Die Bällchenerhebungen waren zum Greifen nahe. Nur noch zwei Zentimeter, nein einer ... Er hielt den Atem an. Bereits jetzt spürte er die abgestrahlte Wärme von Florians Schritt. Noch einen halben ... Sie sahen so weich aus. Er müsste die Finger nur noch ein Stück weiter runter bewegen. Und ...

Plötzlich ein Knall. Ohne Vorwarnung, drangen Stimmen durch das angelehnte Fenster. Eine Haustür donnerte. Nick fror ein, ein kalter Schauer schüttelte seinen gesamten Körper. Jemand schrie, ein Pärchen stritt sich auf offener Straße. ‚Seid leise! Nein!'

Sein Betteln half nichts, Florian zog seine Pfoten unter der verbliebenen Bettdecke hervor, blinzelte genervt und schloss das Fenster. „Mmmmm-blödenachbarn," murmelte er. Nick hatte sich in letzter Sekunde hingeschmissen und lag nun stocksteif da, beobachtete, wie sein Freund sich wieder einkuschelte und weiterschlief. Er jedoch war hellwach. Das war knapp! Das würde er kein zweites Mal versuchen! Zum Glück hatte Florian nichts davon bemerkt.

Er sah sich den Hund erneut an, schielte diesmal nur kurz hinab, dorthin wo sich die so verlockende Erhebung im Stoff wie ein Mahnmal seiner Sehnsucht erhob. Dann legte er sich auf sein Kissen. Mit offenen Augen starrte er in die Dunkelheit unter Flo`s Bett und grübelte. Wie schaffte sein Freund das nur? Wieso wusste er so sicher, dass er schwul war? Und warum nur hatte diese Information ein derartiges Durcheinander in seinen Gefühlen verursacht?

Er schob eine Pfote unter sein Gesicht und zog die Beine an.

Musste das alles so schwer sein? Dies hier war anders als der Terror mit Peter, weniger negativ, aber auf seine eigene, zermürbende Art belastend. Tränen sammelten sich in seinen Augen bei den Erinnerungen an die Zeit, in der seine Familie versucht hatte, ihrem Stiefvater zu entkommen. Sie hielten zusammen, das war wichtig, den Rest würde er auch schaffen. Ganz bestimmt! Konnte Sandra ihm morgen wohl helfen? Er war sich unsicher, ob er mit ihr über Flo sprechen sollte.

Schier endlose Minuten lag er grübelnd wach, wälzte sich hin und her, während sein Freund neben ihm schlief. Was für eine Wechselwirkung. Erst verdrehte er Flo den Kopf, dass dieser tagelang nicht zur Schule kam und jetzt schlug etwas in ihn ein, etwas, das er bisher noch nie erlebt hatte. Liebe? Wie kam er denn jetzt da drauf. Pah! Liebe war etwas für Andere, das konnte keine Liebe sein. Welcher Junge liebte einen anderen Jungen? Okay, Flo war schwul, aber er ...? Quatsch! Er doch nicht!

Irgendwann wurde auch Nick müde. Sein körper wehrte sich widerspenstig, das Adrenalin floss nur langsam ab, aber schließlich war auch er kurz vorm Einschlafen. Da erinnerte er sich an das Versprechen des Collies, ihm das Geheimnis seines ... seiner ... naja, das Geheimnis halt, zu erzählen. Dann glitt er hinüber ins Traumland.