Selestral 1 - Genros Vermächtnis - Kap 46+47
Kapitel 46 An anderer Stelle war man unterdessen auch nicht untätig. Tatsächlich waren ein paar sehr einflussreiche Damen und Herren nervös geworden. Die Umstände hätten nicht unangenehmer sein können. Zuerst die Funde in Ägypten, dann fast zeitgleich auch noch in Peru. Es war wie ein Hexensabbat, lediglich die Hexen fehlten anfangs. Die Archäologen hatten seit Jahrzehnten keine nennenswerten neuen Erkenntnisse über längst verschollene Kulturen ans Tageslicht gefördert. Man lebte mit der Gewissheit alles zu wissen und erlag der trügerischen Ruhe. Die Kirche hatte unglaublich viele Anhänger gefunden, war doch durch die weiträumige bemannte Raumfahrt bestätigt worden, dass es wirklich nur Menschen im Weltall gab und somit die göttliche Vorsehung endgültig in den Köpfen festsaß. Dann traten auf Raumflügen, welche in große Entfernungen führten, die Cherit ins Rampenlicht. Viele Menschen drehten sich wie die Fahne im Wind und viele kündigten dem kirchlichen Glauben. Mit Ausbruch des Krieges und einer vernichtenden Schlappe nach der anderen, besannen sich alle wieder auf Gott. Die Kirche hatte einen unverhofften Zulauf. Letztendlich hatte man sich darauf geeinigt, dass es nur einen Gott gibt und nur sein Name anders lautet. In der arabischen Welt es Allah und in der christlichen Welt schlicht und einfach Gott. Die kleinlichen Auseinandersetzungen wurden beigelegt und es zog Frieden ein. Dann wurde diese Ruhe vor wenigen Wochen jäh erschüttert. Es wurden neue Ausgrabungen gemacht und Überreste gefunden, die alles in Frage stellen sollten. Wissenschaftler die sich den Ausgrabungsteams anschließen wollten, wurden unter Druck gesetzt und reihenweise diskreditiert. Die meisten ließen sich glücklicherweise abschrecken und beschränkten sich ganz auf ihr Ansehen in der ffentlichkeit. Nur wenige pfiffen auf ihren Ruf und machten sich an die Arbeit. Sie begannen zu suchen und wurden fündig. Anfangs wollte man die Funde der Lächerlichkeit preisgeben und damit die Ausgrabungen zu Fall bringen. Das brachte aber genau das Gegenteil. Immer mehr Konzerne beteiligten sich als Spender, hofften sie doch auf den fahrenden Zug aufspringen zu können und durch die Publicity noch Kasse zu machen. Der Werbeslogan war kaum zu übersehen: „Kaufen sie unsere Produkte, denn wir verhelfen der Menschheitsgeschichte zu einem neuen Antlitz. Kaufen sie unsere Produkte, denn nur dann können sie auch morgen noch erfahren was gestern wirklich geschah." Das allein war schon zuviel des Guten. Aber die Ankunft eines Raumschiffes, welches vom Typ her den ehemaligen Feinden gehörte und nun auch noch mit ihnen im erdnahen Raum auftauchte, brachte das Fass zum überlaufen. Die Finger pendelten schon seit Tagen über dem roten Knopf, aber nachdem diese Viecher erschienen und alles aus dem Ruder zu laufen drohte, drückte man drauf. Innerhalb von kurzer Zeit waren genügend Soldaten mobilisiert und ein überlichtschneller Truppentransporter startklar gemacht. Man wollte für seinen Start nur noch auf den richtigen Moment warten und der war jetzt gekommen. Man fand glücklicherweise das Raumschiff der Aliens auf der Mondbasis und darin die Zielkoordinaten. Der Rest war ein Kinderspiel. Seit heute morgen befand sich das Transportschiff mit einem Faltungsgenerator auf dem Weg zu diesem gottlosen Planeten. Zwar schaffte es aufgrund seiner Ausmaße nur vierfache Lichtgeschwindigkeit, aber das war ausreichend. Man würde die Brut des Teufels aus dem Universum tilgen und diesen Planeten in ein Paradies verwandeln. Die Wissenschaftler hatten vor mehr als 600 Jahren einen bedauerlichen Fehler gemacht, als sie eine der Kreaturen gewähren ließen, aber diesen Fehler würde man jetzt korrigieren. Zur Rechenschaft ziehen konnte man die Aussätzigen nicht mehr, aber ihre Ausgeburten sehr wohl. Das war den regierenden Kreisen mehr als nur eine Genugtuung und vor allem der Kirche. Der Mensch ist das einzige göttliche Wesen und er würde es auch bleiben.
Das kleine faltenreiche Gesicht blickte besorgt auf den Computerbildschirm. „Monsieur! Ich wollte sie darüber informieren, dass der Transporter den erdnahen Raum vor einer Stunde verlassen hat", sagte Gerry Cromwell. Er war um die Dreißig, ein glühender Verfechter der Gottestheorie und ein eiskalter Killer, wenn es um seinen Glauben ging. Der Tod seines persönlichen Freundes Fletcher war ein herber Schlag für ihn und er würde den Verantwortlichen mit eigenen Händen zur Rechenschaft ziehen. „Danke Cromwell", antwortete die Person im Ohrensessel und drehte sich zu ihm. „Wie beurteilen sie die Lage?" „Monsieur, meine Einschätzung ist subjektiv und damit irrelevant." Im Ohrensessel saß Peter Krondal. Er war mittlerweile 83 Jahre alt und ein Sturkopf wie es keinen anderen gab. Er war der Anführer einer Sekte die sich Konzil nannte und die alle christlichen Glaubensrichtungen unter ihrer Kontrolle hatte. Er war die Graue Eminenz die hinter allen Entscheidungen stand, die über das Schicksal von Synfor und der Anthros gefällt wurden. „Ihre Meinung ist mir in diesem Moment sehr wichtig." Er richtete seinen Zeigefinger direkt auf Cromwells Herz. „Nun ja. Die Lage ist zwar ernst, aber nicht aussichtslos. Wir sind in der Lage das Ruder immer noch herumzureißen." „Finden sie? Ich finde es eher beschämend wie hilflos wir gegen diese Wesen sind. Sie haben eindeutig den Teufel auf ihrer Seite, nur so konnten sie uns entkommen und verschwinden. Wir müssen sie finden, wo immer sie sich aufhalten und vernichten. Sein sie so gut und bewerkstelligen sie das bitte für mich. Ergreifen sie alle Maßnahmen, die sie für notwendig halten. Sie haben volle Befugnisse von meiner Seite." Cromwell schluckte, verneigte sich, verließ den Raum und damit auch Krondal. ‚Und wieder einmal wird der Glaube siegen und den Satan bändigen', dachte der Alte und drehte sich wieder zum Monitor. Kapitel 47 Die Ausgrabungsstellen waren durch riesige Zelte abgeschirmt. Binder ging voraus und gab den Weg vor. Die Anderen folgten ihm. „Tja, da wären wir", sagte Gregor. „Den ersten Fund haben wir da hinten gemacht." Er deutete in die Richtung und Apophis und Andrew gingen hin. Die Anderen blieben bei Gregor Binder und ließen sich zur zweiten Fundstelle führen. Sie befanden sich unter einem anderen Zelt. Die beiden Säbelzahnkater hockten sich vor die Skelette. Die Archäologen, die bis jetzt mit Pinseln und kleinen Beiteln weitere Teile freilegten, rutschten etwas beiseite. „Huch, ich grüße die Säbelzahnfraktion. - Sieht aus, als würden hier ein paar von euch liegen", sagte einer der Angestellten. „Du hast Recht. Sieht wirklich so aus. Die Frage ist nur, was sie hier gemacht haben? Und vor allem, wo kommen sie her?" „Das ist eine gute Frage und die Antwort ist ganz einfach. Es ist ihre Heimat." Apophis stutzte und Andrew hielt den Kopf schief. „Ich habe mich gerade verhört, oder?", sagte der Säbelzahnlöwe. „Nein, das habt ihr nicht. Die Erde ist die Heimatwelt der Anthros. Zumindest sieht es danach aus. An welchem Fleck sie genau entstanden, wissen wir noch nicht. Aber eins ist sicher, der Planet von dem ihr kommt ist nicht eure Heimat. Hier liegen eure Vorfahren und eure Wurzeln." Andrew pfiff leise und Apophis musste sich beherrschen um nicht ein erstauntes Gesicht zu machen. „Ich weiß nicht warum", sagte er, „aber irgendwie habe ich die ganze Zeit geahnt, dass wir auf der Erde eine ganz andere Wahrheit finden als die, die wir kennen." „Woher hast du diese Vorahnung?", fragte der Archäologe. „Wie gesagt, ich weiß es nicht. Aber alles scheint sich zu verdichten. Allein schon die Aussagen des Professors was meinen Namen betrifft waren ein weiterer Hinweis." „Aha. Inwiefern, also wie heißt du denn?" „Mein Name ist Apophis." Dem Angestellten des Teams entgleisten die Gesichtszüge und auch die Anderen drehten sich zu ihm um. „Das ist in der Tat mehr als ein Zufall." „Okay. Was sagen denn die Knochen unseres Vorfahren?", fragte Andrew dazwischen und erhob sich. „Tja, eine ganze Menge. Er war etwas kleiner als ihr und wahrscheinlich extrem muskulös gebaut." Der Wissenschaftler hockte sich hin. „Seht hier", sagte er und deutete auf feine Umrisse die einige Zentimeter von den Knochen entfernt zu erkennen waren, „diese feinen Linien sind die Spuren der ehemaligen Haut und anhand des Abstandes zu den Knochen können wir das Aussehen, besser gesagt die Gestalt des Wesens ziemlich genau bestimmen. Allerdings sind die Rechner noch am Auswerten der Daten. Ich hoffe aber, dass sie nicht mehr lange brauchen." Apophis nickte. Plötzlich rief jemand von der anderen Seite des Zeltes herüber. „Die Rechner sind fertig." „Perfektes timing. Lasst uns mal rüber gehen und einen Blick auf unseren Freund werfen." Die Drei blickten auf den Monitor und sahen wie sich gerade Zeile für Zeile ein Schwarzweißbild aufbaute. „Aha, da haben wir es. Der Rechner spuckt noch zusätzliche Daten am linken Bildrand aus. Das Wesen war von der Grundstruktur her ein Löwe. Also ein in Ägypten einheimischen Tier. Allerdings ist es eindeutig, dass er aufrecht ging. Darauf weisen die langen Beine und das außen liegende Kniegelenk hin. Die Vordergliedmaßen sind definitiv Arme und enden in Händen und nicht in einfachen Pfoten. Es ist ganz klar ein anthropomorphes Lebewesen. Es gibt Hinweise darauf, dass es in einer Region des nördlichen Peru geboren wurde." „Woran erkennst du das?", fragte Andrew. „Bestimmte Nahrungsmittel hinterlassen Einlagerungen in den Knochen. Alle Tier- und Pflanzenarten nehmen Stoffe aus der Umwelt auf, die abhängig sind vom Lebensraum. Wenn ein Raubtier ein anderes Tier frisst, dann nimmt es automatisch die Substanzen, welche sich in dessen Fleisch und Knochen abgelagert haben, auf. Diese Substanzen lagern sich nach und nach im Fleisch und auch in den Knochen des Raubtieres ab. Später kann man anhand einer Knochenanalyse ziemlich genau feststellen wo das Raubtier mal gelebt hat. Die Knochen unseres Freundes hier enthalten sehr viele Flavonoide und Terpenoide, diese Stoffe stammen von Pflanzen namens Ginkgoites und Baires und diese existierten vor etwa 20.000 Jahren bis vor etwa 5.000 Jahren im nördlichen Peru." „Wow", entfuhr es Apophis. „Die Sache wird immer interessanter. Die Frage ist nur. Was hat er hier gemacht und warum war er hier?" „Was er hier gemacht hat, kann ich euch sagen. Er hat gegen Menschen gekämpft. Genauer gesagt, gegen die Armee von Ramses. Und wenn das stimmt und ich die Zeitdaten korreliere, dann gehörte er zur Armee der Hethiter. Und daher auch dein Name und dass die Hethiter in Überlieferungen oftmals als Horde wilder Tiere bezeichnet werden." „Cherit", murmelte Apophis leise. „Was sagtest du gerade?", fragte der Wissenschaftler „Hm? Ich weiß nicht genau, aber als du den Namen Hethiter sagtest, kam mir plötzlich der Begriff Cherit in den Sinn und wir sind Chafren." Der Wissenschaftler schaute ihn ungläubig und erstaunt an. „Kommt mal mit." Sie gingen zur anderen Gruppe. Die standen um den zweiten Fundort herum. „Und, habt ihr hier auch was nettes gefunden?", fragte Apophis. „Na ja, was Neues nicht direkt", entgegnete Helios. „Die Skelette wurden von den Menschen falsch interpretiert. Es handelt sich lediglich um ein Skelett. Es wurde zerrissen. Das erste Skelett ist folgerichtig ein Löwenkörper. Er hatte allerdings vier Pfoten auf denen er sich bewegte. Der Rumpf, welcher etwas entfernt liegt, gehört eigentlich mit zum ersten Skelettteil. Es handelt sich somit um einen Löwentaur. Aus welchen Gründen auch immer ist sein anthropomorpher Oberkörper vom Rest des Leibes abgetrennt worden. Er wurde also umgebracht und das nicht gerade auf eine sanfte Art und Weise. Der Ärmste muss qualvoll zugrunde gegangen sein." „Wie meinst du das?", fragte der Wissenschaftler. Binder ergriff das Wort. „Der Hauptkörper eines Taur ist das vierpfotige, wie soll ich sagen, Untergestell, auf dem er sich fortbewegt. Nach der Trennung in zwei Hälften war dieser Teil sofort tot, weil er quasi enthauptet wurde. Der Torso jedoch, mit dem Kopf, stirbt nicht sofort und erst nach und nach, aufgrund des Blutverlustes." Binders Mitarbeiter schnürte es die Kehle zu. Er schaute betroffen zu Helios und bekam einen gequälten Gesichtsdruck. Man sah ihm geradezu an, dass er die Schmerzen nachvollziehen konnte. „Ich hoffe nur, dass mein Artgenosse schon tot war, als sie ihn auseinander gerissen haben", sagte der Taur. Die beiden Wissenschaftler nickten. „Dr. Binder. Der Tiger hier", er deutete auf Apophis, „sprach, nachdem ich den Namen Hethiter erwähnte hatte, von Cherit. Sie selbst nennen sich Chafren." Binder erstarrte. „Sie wollen mich veräppeln, oder?" „Nein, ganz bestimmt nicht Doktor." „Hmhm. Ich glaube wir sollten zum nächsten und damit neuesten Fund gehen. Er befindet sich in einem der Grabmale." Sie verließen die Zelte und liefen wieder durch den Wüstensand. Neunhundert Meter entfernt gingen sie in Untergrund. „Hier haben wir ein neues Grabmal gefunden", erklärte Binder Stolz. „Wir haben es das Grabmal der unbekannten Seelen getauft. Es gehört zu keiner uns bekannten Form. Alle Pharaonen wurden im Tal der Könige beigesetzt, aber niemals hier, so dicht bei den Grundmauern Thebens. Sie holten ihre Taschenlampen heraus und gingen tief in den Boden hinein. Der Gang schien fast kein Ende zu nehmen. Erst nach gut sechshundert Metern bogen sie nach rechts ab und ein weiterer Gang schloss sich an. Dieser war allerdings wesentlich breiter als der erstere. Ein Ausruf des Erstaunens erfüllte die Dunkelheit. Die Wände waren reich verziert mit Reliefs, die teilweise noch farbig waren. An einigen Stellen waren Details heraus gebrochen und am Boden zu Staub zerfallen. Binder leuchtete die rechte Wand ab. „Hier ist eine Stelle, die solltet ihr euch dringend ansehen. Wir sind bisher nicht schlau daraus geworden." Die Chafren umringten den Doktor und leuchteten die Stelle mit ihren Taschenlampen aus. „Wenn ihr die Kampfszenen vergleicht fällt euch bestimmt auf, dass sich in jedem Streitwagen nur zwei Personen befinden. Es sind Streitwagen der Hethiter, Chittim oder auch Cherit. Eine Person war der Wagenlenker und die andere Person der Schütze mit Pfeil und Bogen. Allerdings gibt es in diesem Relief mehrere Streitwagen die anscheinend drei Personen trugen. Zunächst dachten wir, dass es vielleicht ein Fehler in der Darstellung wäre und ein anderer Streitwagen, der sich dahinter befindet, zufällig mit dem davor überlappt. Aber dann merkten wir, dass sich kein zweiter Streitwagen daneben befindet. Es fehlen zudem die Pferde." Cyron ging dicht an das Relief heran und schloss die Augen zu einem schmalen Spalt. Er sah fünfundzwanzig Minuten intensiv auf die genannte Stelle und holte Apophis dazu. Beide schauten nochmals und überprüften auch die anderen Reliefs. Anschließend tuschelten sie miteinander und holten zusätzlich Andrew herbei. Nach weiteren zehn Minuten schienen sie zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Alle schauten den Dreien gespannt zu. * Schließlich wandte Cyron sich dem Doktor zu. „Das ist kein dritter Mensch auf dem Streitwagen. Der Oberkörper gehört zu dem Pferd, welches sich neben dem Wagen aufhält. Das ist ein Centaur." „WAS? Das ist nicht möglich!", entfuhr es Binder. „Doch, doch. Sieh, hier die Linien. Die sind nicht zufällig da. Im ersten Moment könnte man denken, dass dem Künstler ein Fehler unterlaufen wäre und er etwas falsch eingemeißelt hat oder das im Laufe der Zeit Material heraus gebrochen ist. Das ist aber nicht der Fall und sieh mal hier. An dieser Stelle ist das Gleiche zu sehen und wieder ist eine klare Verbindung zwischen dem menschlichen Torso und dem Pferdekörper vorhanden. Es ist also tatsächlich kein Fehler, sondern Absicht. Wir haben es hier mit einer mehrfachen Darstellung von Centauren zu tun." „Das ist ja faszinierend", entfuhr es Binder. „Aber was zum Geier haben Centauren in Ägypten zu suchen? Die gehörten bisher ins Reich der Mythen und Legenden und dann auch nur nach Griechenland. - Ach, verdammter Mist! - Das kauft mir doch keine Sau ab. Das mit dem Menschen- und Löwenskelett kann man ja noch anbieten, dass mit dem Tigertaur wird schon wesentlich schwerer, aber das jetzt." Er schüttelte den Kopf und war der Verzweiflung nahe. „Ich muss mit Skort telefonieren", sagte er kurz und verließ den Gang, um an die Oberfläche zu gelangen. Draußen angekommen, stellte er die Verbindung her. „Professor Skort?" „Ja. Hallo Doktor! Was macht die Arbeit?" „Danke der Nachfrage. Die geht voran. Aber hören sie mal. Unsere Chafrenfreunde hier bringen mich in arge Schwierigkeiten mit ihren Annahmen und Behauptungen." „Was sie nicht sagen?" Skort kicherte. „Mir ist nicht zum Lachen, Professor." „Was ist denn passiert?", fragte Skort väterlich. „Ich habe die Gruppe zur letzten Ausgrabung geführt. Ich hatte sie ja schon darüber informiert, dass wir in den Reliefs auf Ungereimtheiten gestoßen waren, bezüglich einer dritten Person in einigen Streitwagen." „Ja, ich erinnere mich." „Tja und wissen sie was diese Verrückten behaupten?" „Nein, aber ich denke, dass sie mir es gleich sagen werden." „Ja, deshalb rufe ich auch an. Ich hatte zumindest nicht vor mich mit ihnen über das Wetter zu unterhalten. Die sind hier vollkommen verrückt geworden. Angeblich existieren keine Ungereimtheiten, es handelt sich schlichtweg um die Darstellung von Centauren. Aber wie bitte kommen die nach Ägypten und was hatten die in drei Gottes Namen hier zu suchen?" Binder pumpte wie ein Maikäfer und war außer sich. „Das ist ja besser als ich dachte. Ich glaube wir sind einem gigantischen Puzzle auf der Spur und müssen die Teile nur richtig zusammenfügen." Binder schloss die Augen. „Mag ja sein, aber wenn das schief geht, dann sind wir offiziell so gut wie tot. Die Medien werden uns zerreißen." „Bleiben sie ruhig, mein Guter. Vertrauen sie mir. Die Funde sind erst der Anfang und es wird garantiert noch verrückter werden. Sie müssen ihren Horizont fallen lassen und selbst an das Unmögliche glauben." Binder beruhigte sich wieder. Bisher hatte sich der Professor nie geirrt und beeindruckte immer wieder mit abstrusen Theorien und Gedanken. Am Ende hatte er immer Recht behalten und das schaffte Vertrauen in Gregor. „Okay, sie haben mich überredet. Aber jaulen sie mir am Ende nicht die Ohren voll, wenn alles den Bach runter geht." „Miau!", sagte der Professor und legte auf. Binder schaute das Telefon grimmig an. ‚Dieser Narr', dachte er. Er atmete tief durch und ging wieder zu den Chafren. „Ah, Doktor. Da sind sie ja wieder", begrüßte ihn Shana. „Ja, ja. Direkt zurück aus der Hölle", murmelte er. „Okay. Das mit dem Relief ist der absolute Megakracher. Sollte aber noch unter uns bleiben. Es sollte niemand weiter erfahren, bis wir noch mehr Beweise haben." Alle nickten zustimmend. Binder war beruhigt und führte sie weiter in den Gang hinein. Nach 300 Metern endeten die Reliefs an beiden Wänden abrupt und der Gang mündete in eine Kammer. „So. hier ist jetzt eine Grabkammer. Zentral steht ein Granitsarkophag. Die Ägypter können das Ganze nicht gegraben haben, da steht der einfache Baustil entgegen. Die Reliefs an den Wänden weisen jedoch auf eine Kultur hin, die zumindest der ägyptischen entsprach. Die Steinmetzkunst ist sehr ähnlich und genauso filigran." „Was ist in dem Sarkophag?", fragte Tarja. „Das wissen wir noch nicht. Die Ultraschalluntersuchung soll morgen früh durchgeführt werden. Dann werden wir wissen ob und wer sich darin befindet." „Ah", bemerkte sie verstehend. „Tja und nachdem wir schon eine Menge unmögliche Dinge gesehen haben, kommt das absolute Highlight", verkündete Binder und trat an die Kammerrückwand. Apophis stellte sich neben ihn und betrachtete das Gestein. Sekunden später standen auch Diana und Sitara neben ihm. Die Anderen hielten sich im Hintergrund. „Hier ist es", sagte der Doktor und deutete auf eine Platte, welche in den Stein eingelassen war. „Das ist also der Handscanner von dem du sprachst?", fragte Diana beiläufig. Er nickte nur, trat etwas dichter heran und legte seine Hand auf die Scannerfläche. Es geschah nichts. „Hmhm", brummelte Sitara. „Entweder ist das Ding defekt, hat keine Energie oder ich bin von der falschen Spezies", erklärte Binder kurz. Apophis schob ihn beiseite und legte seine Hand drauf. Aber auch jetzt geschah nichts. „Merkwürdig", sinnierte er. Sitara leuchtete derweil die Umgebung ab und auch den Boden zu ihren Füßen und Pfoten. „Moment mal", sagte sie plötzlich. „Gregor, gehst du bitte mal ein Stück beiseite?" Er tat worum er gebeten wurde. „Ja, jetzt verstehe ich." „Was verstehst du?", fragte er die Leopardin. „Seht mal auf den Boden und sagt mir dann, wofür ihr diese Abdrücke haltet?" Apophis leuchtete ebenfalls nach unten und runzelte die Stirn. Er kniete sich hin und begann mit der Hand den Sand wegzuwischen. Nach und nach legte er Markierungen frei welche keinen Zweifel an ihrer Funktion offen ließen. „Da haben wir den Grund warum Menschen diese Tür nicht öffnen können", verkündete er. „Es handelt sich um Abdrücke, in welchen man stehen muss." Binder schaute genauer hin und erstarrte. „Ich glaube es nicht, aber das sind ja Pfotenabdrücke." Erregtes Gemurmel von den Anderen. „Ich probiere es jetzt noch mal aus", sagte Apophis, trat in die Aussparungen für die Pfoten und legte erneut seine Hand auf die Scannerfläche. Es dauerte nur Bruchteile einer Sekunde und mit einem leisen Summen öffnete sich die Tür. Binder schluckte. „Die Technik stammt von euch. Menschen sind Unbefugte." Fasziniert schaute er vom Einen zum Anderen. Als die Tür komplett offen stand ging Apophis in den dahinterliegenden Raum. Zunächst war es stockfinster und man konnte die Hand nicht vor den Augen sehen. Das änderte sich aber plötzlich und der Tiger stand in grelles Licht getaucht. „Verdammt", schrie er. „Ist was passiert?", rief Tarja. „Nein, nein. Mir ist nichts passiert, nur das Licht ist sehr grell." Als hätte es jemand gehört, wurde das Licht gedimmt und der Raum hüllte sich in eine angenehme Beleuchtung. „Kira!", rief er. „Komm schnell her. Das musst du dir ansehen!" Die Luchsin flog förmlich in den Raum. „Bei Bastet", sagte sie. „Das ist ja ein Kontrollraum." Jetzt hielt es niemand mehr in der Grabkammer und alle gesellten sich zu Kira und Apophis. „Das ist ja nicht zu fassen", entfuhr es Cyron. „Das sieht ja aus wie in unserem Raumschiff." Tatsächlich, er hatte sich nicht getäuscht. Die Kontrolltafeln, die Konsolen und auch die Bedienelemente glichen denen in der Anthros Voyage aufs Haar. Kira trat einen Schritt auf einen der TFT-Monitore zu und schaute auf die Beschriftung. „Tja, ein weiteres Teil des Puzzles ist gefunden. Die Beschriftung ist identisch mit der in unserem Schiff. Und da die Anthros Voyage als Cheritkreuzer identifiziert wurde, muss dieser Kontrollraum ebenfalls den Cherit gehört haben." „Ach du sch ... Wir sollten diesen Raum verlassen und morgen hier wieder weiter machen", sagte Binder. „Das ist jetzt definitiv etwas zu viel für mich." Sie drehten sich um und verließen das Grab. „Wie sehen denn eigentlich die typischen ägyptischen Gräber aus?", fragte Grey neugierig. „Das werde ich euch gleich zeigen", sagte Gregor und ging in Richtung des Lagers. Sie folgten ihm alle und saßen zum Schluss wieder im Besprechungsraum. Er zeigte ihnen Skizzen von Pyramiden und Grabanlagen aus dem Tal der Könige. Dann zeigte er ihnen noch Inschriften und Kartuschen, die in den Gräbern gefunden wurden. „Diese Schriftzeichen sehen genauso aus wie die, die wir in unserem Schiff auf den Steuerkonsolen haben und genauso wie die im gerade gefundenen Kontrollraum", sagte Kira nochmals und ganz selbstverständlich. Binder schloss kurz die Augen. Das war genug. Er pfiff jetzt auf alles und holte alle Mitarbeiter zusammen. * „Schön, dass ihr alle da seid. Wir müssen dringend über die Funde reden", begann er. „Gibt es was Neues?", fragte einer. „Und ob, außerdem möchte ich euch unsere Besucher vorstellen. Wie ihr unschwer erkennen könnt, sind das keine Menschen, aber nichts desto trotz sehr nette, freundliche, fühlende und intelligente Lebewesen. Oder vielleicht gerade deshalb, weil sie keine Menschen sind. Und ich möchte gleich betonen, dass sie nicht zum kuscheln in einsamen Nächten gedacht sind, das gilt vor allem für unsere Plüschfraktion." Es kicherte in einigen Ecken und auch einige der Chafren mussten sich beherrschen. „Nun aber mal zum Ernst der Sache. Einige der Merkwürdigkeiten scheinen sich geklärt zu haben, allerdings klingen die Erklärungen dafür etwas verrückt. Wer also keine Nerven hat, der sollte es gleich sagen und vor der Tür warten." Alle schüttelten gleichmäßig die Köpfe und Binder konnte zum großen Schlag ausholen. „Okay. Der erste Fund besteht definitiv aus einem menschlichen Skelett und dem eines anthropomorphen Löwen. Das entspricht eher unseren Vermutungen und reißt uns nicht besonders von den Hockern, wenn es auch zunächst unglaublich erschien. Der zweite Fund sieht da schon anders aus. Wir dachten doch alle, dass es sich auch um zwei Lebewesen handelt. Unsere Vermutung war auf einen Anthrolöwen ausgerichtet sowie eine vierpfotige Raubkatze. Wir haben uns geirrt und das aus gutem Grund. Wir konnten es nicht anders wissen, da wir versucht hatten das immerhin Wahrscheinlichste anzunehmen und nicht ins Reich der Mythen und Legenden abzudriften." „Dr. Binder!", rief einer der Mitarbeiter dazwischen. „Sie drücken sich so zwiespältig aus. Um was handelt es sich, wenn nicht um das was wir dachten?" „Danke für die eingeworfene Frage, Jansen. Dazu komme ich jetzt. Und ihr solltet euch gut festhalten. Es handelt sich nämlich um ...", er ging zu Helios und legte dem Tigertaur eine Hand auf die rechte Schulter, „ ... einen dieser netten Kerle oder ein Weibchen dieser Spezies." Das war ein Schock und lautes, ungläubiges Gemurmel brandete auf. „Woher nehmen sie die Gewissheit?" Jansen wollte es gerne glauben, aber das fiel mächtig schwer. „Es handelt sich nicht um Gewissheit, sondern eher um eine sehr starke Vermutung. Unsere Chafrenfreunde kamen drauf als sie sich den Fund genauer ansahen. Also sollten wir alles, wirklich alles woran wir glauben hinten an stellen und unseren Geist von allen Grenzen befreien. Ich musste es auch. Wir sollten unsere Suche weiter fortsetzen und vor allem ausdehnen. Wir wissen nicht was hier passiert ist, aber wir sollten es dringend herausfinden. Wir sind, glaube ich, der größten Entdeckung auf der Spur die es in der Menschheitsgeschichte je gab. Und wenn wir fertig sind, dann werden viele Bücher neu geschrieben werden müssen." „Sie haben doch bestimmt noch ein Ass im Ärmel oder?", fragte Friggs an Binder gewandt. „Aber natürlich. Unsere letzten Fundstätten hatten auch einige große Überraschungen parat. Einige der Abbildungen im Zugang zur Grabkammer zeigen Centauren." Das war jetzt definitiv zuviel des Guten. Zwei Mitarbeiter standen auf und verließen mit dem Satz: „Den Mist glauben sie doch selbst nicht mehr", den Raum. Es trat genau die Situation ein, vor der sich Gregor gefürchtet hatte. „Leute, beruhigt euch bitte wieder. Wir haben es hier mit sehr vielen Mysterien zu tun und die gilt es zu klären." „Okay", sagte Jansen. „Ich bin auf jeden Fall dabei. Das ist doch endlich mal ein Abenteuer." Die Anderen schlossen sich seiner Meinung an. „Gut. Das freut mich. Ich wäre jetzt für Vorschläge dankbar." „Tja", ergriff Jansen wiederholt das Wort. „Wir sollten neue und präzisere Messungen an den Skeletten durchführen. Vor allem sollten wir sie zunächst aus dem Boden komplett bergen und zusammenfügen. Wir müssen uns ein Bild machen. Bisher puzzlen wir doch nur herum. Wir sollten Arbeitsteams bilden, die aus je einem Wissenschaftler, einem Arbeiter und mindestens einem unserer Besucher bestehen. Damit würden wir alle Vorurteile und Glaubenseinschränkungen ausschließen. Man würde die verschiedensten Betrachtungsweisen auf diese Weise kombinieren und alle Fehleinschätzungen im Vorfeld verbannen." Binder nickte. „Sehr gut. Das ist eine ganz großartige Idee und genauso werden wir es auch machen. - Übrigens. Wir haben den Nebenraum in der Grabkammer geöffnet. Und einer unserer Freunde hier meinte, nur so ganz nebenbei erwähnt, dass die Beschriftungen in diesem Raum genauso aussehen wie die Beschriftungen im Raumschiff mit dem sie herkamen." „Oh nein, auch das noch", seufzte Friggs. „Ja. Ja. Ich weiß, ich weiß. Aber! Die Schriftzeichen im gefundenen Nebenraum sind identisch mit den ägyptischen Hieroglyphen." Jansen und Friggs verdrehten die Augen. „Ich hasse Puzzle", brummelte der leise.
Große Ereignisse warfen ihre Schatten voraus und davon gab es im Bereich der Ausgrabungsstellen mehr als genug. Die beiden Skelette der ersten Fundstelle waren schnell geborgen und wurden fein säuberlich auf einem Edelstahltisch aufgebahrt. Jetzt ging es darum die Knochen zu einem ordentlichen Bild zu verbinden. Finlay war Mediziner und konnte sein Wissen in hervorragender Weise unter Beweis stellen. Innerhalb von wenigen Stunden war das Anthroskelett komplett zusammengesetzt, leider fehlte immer noch der Kopf. Jansen hatte das menschliche Skelett zusammengefügt und jetzt standen sie davor und grübelten. „Was zum Henker haben die beiden gemacht, dass sie hier aufeinander trafen?" „Professor Skort sagte etwas davon, dass die Skelette etwa 15.000 Jahre alt wären", sagte Finlay. „Nein, nein. Das muss ein Verständigungsfehler gewesen sein. Die Skelette hier bei uns sind etwa 5.000 Jahre alt. Sie passen genau in den Zeitraum, in dem Ramses Probleme mit den Hethitern hatte. Daher liegt die Vermutung nahe, dass es sich um Kampfhandlungen gehandelt haben könnte. Allerdings wären dann die Aufzeichnungen falsch und Ramses und seine Schreiber hätten gelogen. Die Hethiter wurden weit im Norden angeblich geschlagen und in die Knie gezwungen. Die Funde hier belegen aber, dass sie bis an die Stadtmauern von Theben vorgedrungen waren und eine akute Bedrohung darstellten. Demnach hätte aber der Pharao nicht gesiegt. Er hätte allenfalls einen Waffenstillstand und damit ein Remis erreichen können. Oder aber, es handelt sich um den überlieferten Spähtrupp der Hethiter, der in den Schriften erwähnt wurde. Dann hätten sie die Wahrheit gesagt." „Aber warum sollte man die Nachwelt belügen?" „Keine Ahnung, aber das war durchaus üblich zur Zeit der Pharaonen. Der Pharao war die Person die von den Göttern persönlich auserwählt wurde um über das ägyptische Land und die darin wohnenden Menschen zu herrschen. Er konnte keine Fehler machen, denn er war gottgleich. Daher wurden, wenn doch Fehler passierten, die Aufschreibungen manipuliert und der Gottkönig in ein besseres Licht gerückt. Die alten Ägypter waren fest dem Glauben verhaftet, dass das Leben nach dem Tod wichtiger wäre, als das irdische Leben selbst. Und das irdische Leben mit all dem was sie tun eine Vorbereitung für das Jenseits sei. Daher wurde auch so viel Pomp um die Grabstätten gemacht. Und genau daher passt auch die Grabstätte da drüben", er deutete in die entsprechende Richtung, „nicht zum ägyptischen Glauben. Egal was in diesem Sarkophag liegt, es ist garantiert kein Ägypter und schon gar kein Herrscher." Finlay nickte. „Das ist in der Tat alles sehr mysteriös." „Gut, wir sollten die Knochen auf Spuren untersuchen. Vielleicht finden wir noch mehr heraus. Bisher waren wir der Meinung, dass es sich bei den Hethitern um Menschen handelte, auch wenn sie als wilden Bestien beschrieben wurden. Wie es aussieht, müssen wir uns wohl auch davon verabschieden.