Das letzte Experiment - Part 1
Greg Fletcher, der Leiter unseres Forscherteams stand vom Tisch auf, nahm sein Glas in die rechte Hand und erhob seine Stimme.
"Meine lieben Mitstreiter! Ich möchte die Gelegenheit nutzen und ihnen allen zu ihrer hervorragenden Arbeit gratulieren. Ich bin in der Tat Stolz darauf Chefwissenschaftler eines so erfolgreichen Teams, wie es das unsrige ist, zu sein. Ich kann mich noch daran erinnern wie es war, als ich vor fünf Jahren diesen Haufen, um es mal salopp auszudrücken, übernahm. Wir hatten sehr viele kluge und geniale Köpfe unter uns, welche vor brillianten Ideen nur so strotzten. Ein Jahr später hatte sich die Spreu vom Weizen getrennt. Einige unserer Kollegen entschlossen sich leider unsere Abteilung und auch das Intitut zu verlassen und am Ende blieben nur die fähigsten Denker unter uns. Nur mit ihrer Hilfe gelang es uns, unsere Konkurrenz aus dem Feld zu drängen und einen der wichtigsten Aufträge die unser Institut bekommen konnte, zu erlangen. Ich danke ihnen hiermit herzlich für ihr Engagement und hoffe auch weiterhin auf eine sehr gute und vor allem fruchtbare Zusammenarbeit."
Er prostete uns mit seinem Champagnerglas zu und lächelte dabei gewinnend.
***
Der Erde drohte ein Krieg mit einer außerirdischen Rasse, welche wir nie zuvor gesehen hatten. Sie stellte mit ihrem Kampfgeist, ihrer Ausdauer und ihrer Willensstärke alles bisher dagewesene in den Schatten.
Unseren Erdstreitkräften blieb nur eine Wahl und die hieß Aufrüstung. Es musste eine extrem schlagkräftige Gegenwehr aufgebaut werden und das in kürzester Zeit. Vor gut vier Jahren begann das Spiel und das Militär startete eine Ausschreibung.
Leider gewann damals die Konkurrenz und stellte ihre Lösung vor. Sie bestand aus Kampfdroiden. Diese Droiden folgten anfangs einer festgelegten Programmierung, in welcher ein umfassendes Wissen um Fern- und Nahkampftechniken implementiert war sowie ein globales taktisches Agieren ermöglicht wurde. Durch einen effektiven technischen Zusatz war es den Robotern möglich ihre Fähigkeiten zu erweitern und im Laufe eines Gefechtes mehr und mehr dazuzulernen, selbständiger zu handeln und von den Programmvorgaben abzuweichen.
Das war für unser Institut für Gentechnologie ein herber Rückschlag und es wurden viele Mitarbeiter entlassen.
Dann kam jedoch eine unerhoffte Wendung. Die Kampfdroiden erwiesen sich als Flopp. Ihre Fähigkeiten hatten ihren Preis. Sie waren zu groß, zu schwer und damit in ihrer Wendigkeit und vor allem Schnelligkeit sehr eingeschränkt. Dem ersten Frohlocken des Militärs folgte tieftraurige Ernüchterung. Es brachte auch rein garnichts einen Roboter ins Feld zu schicken, der zwar durch sein Wissen eventuelle Gefahren und Hinterhalte erkennen kann und darauf entsprechend reagiert, aber bei der nächstbesten Gelegenheit von einer Panzergranate ein Bein amputiert bekommt und dann am Boden endet.
Wie konnte man auch nur die unsymmetrische Zahl von drei Beinen als Lösung der Fortbewegung in Erwägung ziehen.
Die Konsequenz folgte auf dem berühmten Fuße. Es kam zu einer neuerlichen Ausschreibung. Wir machten uns an die Arbeit, ebenso die Konkurrenz. Am Ende gewannen wir das Spiel. Wieder einmal hatten sich unsere 'Gegner' zu sehr auf die Technik berufen. Sie stellten eine Kombination vor, welche aus Mensch und Maschine bestand. Diese Cyborgs waren wesentlich leichter und wendiger als ihre Vorgängermodelle und besaßen ein menschliches Gehirn. Das Militär prüfte diesmal genauer und stellte sehr schnell fest, dass sie unbrauchbar waren. Das Gehirn musste durch eine aufwendige Panzerung geschützt werden und daher waren diese Cyborgs sehr kopflastig. Ein genauer Treffer aus einem Maschinengewehr brachte sie schnell zu Fall und damit auch das Projekt der Konkurrenz.
Unser Vorhaben sah ganz anders aus. Wir waren auf vielen Gebieten führend, aber vor allem auf Gentechnik spezialisiert und erschufen einen durch und durch homogenen Organismus, der bis dahin einmalig war. Wir schafften es die menschliche DNA mit einer tierischen zu kombinieren. Beides ging in einer perfekten Symbiose auf und wir bekamen den Zuschlag. Unser 'Supersoldat' war schnell, wendig, stark, ausdauernd und extrem flexibel. Er entsprach allen Bedingungen die gestellt wurden. Lediglich sein Hirn war noch leer, aber an diesem Problem arbeiteten wir.
***
Während ich sinnierte war Greg Fletcher erneut aufgestanden, nachdem ein Kollege ihm etwas ins Ohr geflüstert hatte. Die Aufmerksamkeit meiner Kollegen und auch meine, richtete sich wieder auf ihn.
"Achja. Ich habe noch eine nette Aufgabe zu erledigen. Einer unserer Kollegen hat heute Geburtstag und da möchte ich es mir nicht nehmen lassen ihm zu gratulieren. - Frank Brenner. Herzlichen Glückwunsch zu ihrem 40sten."
Alle drehten sich zu mir um und es wurde zugeprostet und getuschelt. Einige Kollegen lächelten freundlich, andere schauten nur abwesend zu mir und drehten sich schnell wieder um. Ich konnte es ihnen nicht verübeln.
Ich war nicht gerade ein besonders gut aussehendes Exemplar der männlichen Spezies und ich war offiziell Single. Allerdings war ich auch nicht hinter den Frauen in unserer Firma her wie andere, was mir schnell den Ruf der Gefühlskälte einbrachte. Gefühlskalt war ich bestimmt nicht, aber es wusste glücklicherweise auch keiner, dass ich schwul bin und mit Greg Fletcher ein Paar.
Ich war bis vor 7 Jahren verheiratet und hatte mit meiner damaligen Frau zwei Töchter. Wir waren eigentlich sehr glücklich, aber ich spürte etwas in mir, undefinierbar und begann ruhelos zu werden. Dann kam die Trennung und später trat Greg in mein Leben, da wusste ich plötzlich was mir die ganze Zeit gefehlt hatte. Meine Ex-Frau und ich blieben gute Freunde, bis vor etwa 2 Jahren der Kontakt vollkommen abriss.
Greg selbst lernte ich vor seiner Zeit als leitender Wissenschaflter unserer Abteilung kennen und freute mich riesig, als er uns, als unser neuer Teamleiter vorgestellt wurde. Aus Furcht vor Repressalien hielten wir uns jedoch, in der Gegenwart von anderen, voneinander fern.
Der Abend zog sich in die Länge, es wurde gemütlicher und es wurde reichlich Alkohol ausgeschenkt. Leider vertrage ich nicht so viel und mir stieg das Ganze schnell zu Kopf. Die Kollegen machten sich über mich lustig, als ich mich schwankend auf den Weg zur Toilette machte.
Ich stand vorm Spiegel und sah hinein.
*Au mann, bin ich alt geworden", sagte ich zu mir selbst und hielt mich am Waschbeckenrand fest.
Die Tür ging auf und Greg Fletcher trat ein.
*Hallo Frank. Sie können sich doch nicht einfach so zurückziehen und uns alleine lassen", sagte er vorwurfsvoll.
*Ich und mich zurückziehen? Seit wann sind wir, wenn wir allein sind beim sie? Du hast dich doch zurückgezogen. Seit einem halben Jahr vernachlässigst du mich und lässt dich nicht mehr blicken. Es ist fast so, als würdest du mich nicht mehr kennen. Ist die Luft zwischen uns beiden raus? Oder sind wir einander überdrüssig?"
*Ich weiß nicht worauf du hinaus willst."
Ich lachte kurz auf. *Na schön. Wie ich sehe ist wohl nichts mehr von unserer Liebe in dir übrig geblieben, ist also das Feuer erloschen."
Fletcher schaute mich schief an. "Du hast zuviel getrunken. Komm, ich bringe dich heim."
Er griff nach meinem linken Arm, aber ich wehrte ihn ab.
"Zuviel getrunken? So einfach ist das also? Weißt du was einfach ist? Es ist für mich ganz einfach, wenn ich morgen die Unterlagen, die ich gesammelt habe, an die Presse und ans Fernsehen übergebe. Das ist wirklich sehr einfach."
Greg Fletcher erschrak.
"Das kannst du nicht tun Frank. Nicht jetzt. Nicht, wo alles so gut läuft. Du machst damit alles kaputt und sitzt hinterher nur selbst auf Trümmern."
Ich schüttelte den Kopf. "Ich muss mit meinem Gewissen leben können, aber nicht mit dieser Firma. Die respektieren mich doch eh nicht. Es würde doch nicht mal auffallen, wenn ich plötzlich verschwunden wäre, wie so viele vor mir."
Er sah mich scharf an. "So siehst du also die ganze Sache. Interessant. Ich finde es etwas bedauerlich, dass du so einfach über Leichen gehen würdest, nur um dein Gewissen zu beruhigen."
"Ich kann nicht aus meiner Haut."
"Hmhm. Bemerkenswerte Feststellung."
Fletcher bekam plötzlich einen merkwürdigen Gesichtsausdruck und schien über irgendwas nachzudenken.
"Komm", sagte er. "Ich fahre dich heim. Schlaf erstmal deinen Rausch aus und überdenke nochmal alles."
Ich nickte.
Wir verabschiedeten uns von unseren Kollegen und er setzte mich in seinen Wagen. Das letzte was mir durch den Kopf ging war, dass Greg Linkshänder ist, aber sein Champagnerglas mit der rechten Hand sehr geschmeidig geführt hatte.
*
Es war ein Morgen wie jeder andere und ich erwachte vollkommen ausgelaugt. Ich öffnete meine Augen, sah mich schlaftrunken um und stellte fest, dass ich mich in einer mir fremden, aber nicht gänzlich unbekannten Umgebung befand.
Da lag ich. Mein Hirn fing langsam an seinen Dienst anzutreten, meine Sehfähigkeit verbesserte sich zunehmend und auch die übrigen Körperfunktionen begannen ihre Wünsche zu äußern.
Diese Wünsche und Bedürfnisse versuchten eine logische Verknüpfung mit meinem Geist herzustellen und schafften es schließlich auch. Ich verspürte den Wunsch nach einer Dusche, nach Kaffee und etwas Essbarem. Allerdings spürte ich da noch ein anderes diffuseres Gefühl, welches ich zunächst nicht einzuordnen vermochte. Als ich jedoch genauer in mein Inneres horchte, wurde mir bewusst, dass ich aus irgendeinem Grund eine gewaltige Lust verspürte. Ich hatte einen unbändigen, geradezu dominanten Trieb auf Sex, was vorher nie der Fall gewesen war.
Ich musterte meine Umgebung genauer. Ich lag auf einem Untersuchungstisch, war an Armen und Beinen festgeschnallt und bis zum Hals mit einem weißen Betttuch bedeckt. Von meinem Körper konnte ich nur die Umrisse wahrnehmen. Ich hatte den Kopf etwas angehoben und schaute in Richtung meiner Füße. War ich über Nacht gewachsen? Und da. Die beachtliche Beule, welche sich mittig unter dem Tuch abzeichnete, konnte doch unmöglich von mir stammen. So monströs hatte ich _ihn_ nicht in Erinnerung, selbst am frühen Morgen und bei maximal gefüllter Blase. Außerdem störte mich ein Schatten auf meiner Nasenspitze, welcher allerdings auf einen gewissen Restalkohol zurückzuführen wäre.
*
Es war kein Morgen wie jeder andere. Soviel stellte ich mittlerweile fest und unter dem Betttuch schlängelten sich verschiedene Schläuche und Datenleitungen hervor.
Ich legte meinen Kopf zurück und stöhnte leise.
'Das muss alles ein Alptraum sein und ich wache bestimmt gleich auf', dachte ich nur.
Ich biss mir auf die Unterlippe und hoffte durch den Schmerz endgültig zu mir zukommen. Ich hatte Erfolg damit. Alle meine Sinne waren aus ihrer Trance erwacht und ich blickte mich erneut um. Nichts. Es hatte sich nichts verändert. Jetzt erfasste mich Unruhe.
"Hallo?", rief ich laut und erschrak. Was war mit meiner Stimme passiert? Die konnte sich über Nacht doch nicht so dramatisch verändert haben?
Anstatt meines gewohnten Tenors erklang eine tiefe, kehlig grollende Stimme, welche die Luft in ihrer Umgebung förmlich erbeben ließ.
"Eh! Kann mich jemand hören? Ist hier jemand?"
Keine Antwort.
"Verdammt noch mal", schrie ich. "Was soll der Blödsinn? Binden sie mich gefälligst wieder los!"
Ich rüttelte an den Riemen, aber sie waren gut gearbeitet und gaben keinen Deut nach.
"Kann mir jemand sagen, was passiert ist und was ich hier mache?"
Plötzlich knackte es und ich hörte eine mir vertraute Stimme.
"Guten Morgen, Frank. Wie geht es ihnen?"
"Greg? Greg Fletcher? Bist du das? Man bin ich froh deine Stimme zu hören. Was soll das Ganze hier werden?"
Im Hintergrund hörte ich Gelächter.
"Es ist schön, dass sie sich freuen meine Stimme zu hören. Aber immer langsam, mein Freund. Erstmal möchte ich wissen wie es ihnen geht?"
Ich überlegte kurz. "Okay, wenn sie Frage und Antwort spielen wollen, dann bin ich dazu bereit. Mir geht es ganz gut, wenn ich davon absehe, dass ich mal dringend auf die Toilette muss und gefesselt bin. - Aber was hat das Alles zu bedeuten?"
"Erst beantworten sie bitte meine Fragen, dann kommen sie an die Reihe."
Ich hob kurz den Kopf und nickte zustimmend.
"Fein. Ich nehme ihr Nicken wohlwollend zur Kenntnis."
"Aha!', dachte ich. "Ich werde per Kamera überwacht.'
"Nächste Frage. An was können sie sich erinnern?"
"Was soll denn die blöde Frage? Wir waren gestern Abend zusammen und hatten mit unseren Kollegen unseren Vertragsabschluss mit dem Militär gefeiert."
"So, so. Daran können sie sich also erinnern. Hmhm, interessant. Nächste Frage. Können sie sich an ihre Frau und ihre zwei Töchter erinnern, die sie vor 2 Jahren das letzte Mal gesehen haben?"
Ich überlegte kurz und entschied mich, aus einem Bauchgefühl heraus, zu lügen.
"Was? Wollen sie mich veralbern? Ich bin Single und habe auch keine Kinder. Das wissen sie doch!"
"Hmhm. Falsche Antwort. Jetzt bin ich wirklich mehr als beeindruckt. Und noch eine Frage. Können sie sich an unsere Gespräche bezüglich der Forschungsarbeiten am aktuellen 'Mercenary'-Projekt erinnern?"
Ich schrak zusammen. "Nein. Ich kann mich an sowas nicht erinnern." Das war eine glatte Lüge, denn ich hatte mich mit Greg Fletcher sehr oft über die dubiosen Vorgänge in unserer Firma unterhalten.
Das Mikro war offen und daher konnte ich das folgende Gespräche mitverfolgen.
"Er lügt", sagte Greg.
"Mit Sicherheit", entgegnete eine mir unbekannte Person.
"Was schlagen sie vor?"
"Wir sollten es erst einmal dabei belassen. Er wird schon sehen was er davon hat. Mit dem Firmenmanagement legt man sich nicht ungestraft an."
"Sie haben Recht, Sir. Geben wir ihm etwas Ruhe."
"Tun sie das und befreien sie ihn von seinen Fesseln. Er soll sich mit seinem Körper vertraut machen, bevor wir mit der Rekalibrierung und Konditionierung seiner Fähigkeiten beginnen."
"Ja, Sir."
Die fremde Person verließ scheinbar den Raum.
"Frank. Wir kommen jetzt zu ihnen und binden sie los. Nur zu ihrer Information. Wir werden bewaffnet sein und notfalls schießen. Machen sie also bitte keine Dummheiten."
"Das wird aber auch Zeit, meine Blase platzt bald", war meine einzige Reaktion darauf.
Die Tür zu meinem Raum wurde geöffnet und drei Personen traten ein, eine davon war Greg. Die beiden anderen waren Angestellte des Wach- und Sicherheitsdienstes und richteten ihre Waffen auf mich. Natürlich waren es die neuesten Modelle des Geheimdienstes, da unsere Firma auf den verschiedensten Gebieten führend war und quasi monopolisitisch das Militär und den Geheimdienst belieferte. Der Erfolg unseres Teams war das I-Tüpfelchen und sollte uns Milliarden Dollar für die nächsten Jahre sichern.
"Los, mach schon", schnauzte ich meinen Kollegen an.
"Okay, ich löse jetzt die Fesseln. Sie bleiben schön liegen, bis wir den Raum wieder verlassen haben."
"Kannst du mir mal erklären was der Unfug soll?", flüsterte ich.
"Das muss ich dir nicht erklären, denn das wirst du in Kürze selbst herausfinden", flüsterte Greg zurück.
Er löste meine Fixierungen und ich versuchte mich aufzurichten.
"Eh! Eh! Freundchen! Ich hatte ihnen was gesagt. Also, lassen sie den Blödsinn und seien schön brav."
Ich schÃütelte ungläubig mit dem Kopf. "Ihr seid ja alle vollkommen verrückt geworden", entgegnete ich traurig.
Er wandte sich dem Ausgang zu. "Übrigens, vergessen sie ihren Namen. Ab sofort sind sie Subjekt 15 Punkt 437."
Mit diesen Worten ließ er mich zurück.
Der Satz hallte in meinem Kopf tausendfach wieder.
"Ich bin Subjekt 15 Punkt 437? Ich bin doch keines unserer Experimente. - Und was wenn doch?'
Ich versuchte mich zu konzentrieren, meine Persönlichkeit und die letzten Ereignisse ins Gedächtnis zu rufen.
*
Ich bin Frank Brenner und einer der Laboranten des 'Spin'-Genforschungszentrums. Wir hatten den Auftrag durch Rekombination von tierischem und menschlichem Genmaterial einen extrem widerstandsfähigen Söldner zu erzeugen. Die Kombination unserer Konkurrenz bestand aus einem Menschen und bionischen Anteilen. Glücklicherweise ging das jedoch schief und unsere Forschung erhielt den Zuschlag. Der Auftrag war extrem wichtig für uns, denn durch eine Rundumbelieferung hatten wir die absolute Kontrolle in allen Bereichen. Leider entschied sich die Führung unseres Unternehmens Wege zu beschreiten die jedweder Moral waren. Der feine Grad zwischen legal und illegal wurde durchbrochen und nahm teilweise abstruse und geradezu groteske Züge an. Mehrere Mitarbeiter gingen freiwillig und verschwanden im nachhinein spurlos. Ich begann Fragen zu stellen und Beweise gegen mein Unternehmen zu sammeln. Innerhalb kürzester Zeit fand ich Unmengen davon und beschloss zu gegebener Zeit die Medien einzuschalten.
Greg Fletcher und mich verband die Liebe und ich dachte in ihm einen Verbündeten gefunden zu haben. Wie es scheint habe ich mich in ihm getäuscht und er hat mich reingelegt.
'Aber warum hatten alle soviel Angst vor mir, dass sie sich nur bewaffnet an mich herantrauten?'
Mir schwante fürchterliches.
Ich zog das Tuch, welches immernoch meinen Körper bedeckte zurück, um aufzustehen. Weiter kam ich nicht, denn der Anblick war ein Schock. Ich blickte auf Fell. Mein Blick glitt über einen weißen pelzigen Bauch, über weiße Schenkelinnenseiten, eine längliche fellige Vorhauttasche, an deren ffnung sich eine rote Penisspitze zeigte. Der Rest des Fells an meinem Körper war rotbraun und zeigte deutlich sichtbare schwarze Streifen.
Ich schrie auf.
Ich schrie?
Nein, aus meiner Kehle erscholl ein markerschütterndes Tigerbrüllen.
Ich riss die Datenleitungen und Versorgungsschläuche von meinem Körper, sprang vom Tisch auf und schlug der Länge lang hin. Dieser Körper war nicht mein eigener und gehorchte einer anderen Dynamik. Also versuchte ich mich aufzurappeln und schaffte es tatsächlich einen Schritt nach dem anderen zu tun.
Als ich in der Nasszelle ankam fand ich das Gesuchte. - Einen Spiegel.
Wiederholt ließ ich mein Brüllen erschallen.
"Ihr Wahnsinnigen! Ich verfluche euch! Was habt ihr mit mir getan?"
Aus dem Spiegel starrte mich das Antlitz eines Tigers an und fletschte wie von Sinnen die Zähne. Man hatte mich entmenschlicht, hatte mich in einen fremden Körper gesperrt und zu einer bepelzten anthropomorphen Kreatur gemacht.
Mir fielen meine letzten Worte gegenüber Fletcher ein. Ich kann nicht aus meiner Haut, hatte ich gesagt. Meine Behauptung war widerlegt worden.
'Aber wie um alles in der Welt hatten sie es so schnell und so präzise gemacht?'
Als ob das noch nicht gereicht hätte, erfuhr ich eine der größten Demütigungen die ich mir vorstellen konnte. Meine übervolle Blase entleerte sich unter meinem Schockzustand reflektorisch. In hohem Bogen sprudelte der helle Strahl gegen den Spiegel und besudelte alles in seiner Umgebung.
Ich kochte vor Wut.
"Warum habt ihr das getan?"
"Sie haben gequatscht 15 Punkt 437. Sie konnten einfach nicht ihre lose Klappe halten."
"Ich dachte wir wären Freunde."
"Niemals! Das Management hatte schon lange ein waches Auge auf sie. Ich bot meine Hilfe an, um sie letztendlich des Datendiebstahls und der Preisgabe von geheimen Informationen zu überführen."
"Du mieses Aas. Du hast meine Neigungen augenutzt und mich ans Messer geliefert."
"Jeder wie er es verdient", kam seine sarkastische Antwort. "War's das oder haben sie noch Fragen.?"
"Ja. Wie habt ihr das gemacht?"
"Das war garnicht so schwierig. Wobei uns das Ergebnis mehr als überrascht."
"WIE?"
"Nach der Feier waren sie ziemlich angeheitert, um es vorsichtig auszudrücken und ein paar untergemischte Drogen taten den Rest. Wir brauchten uns nicht mal anzustrengen um sie auf die Hirnübertragung vorzubereiten. Die Technik dürfte ihnen vom hörensagen bekannt sein. Wir überspielten alle Daten und Informationen ihres Hirns auf einen eigens dafür gebauten Supercomputer. Dann lagerten wir die Daten ihres persönlichen Profils darüber und voila. An ihrem Körper haben sie persönlich mitgearbeitet."
"Was habe ich? Wir haben niemals an anthropomorphen Tierwesen als Söldnern gearbeitet. Immer wenn wir etwas Neues generierten , war die Grundmaßgabe, dass der Supersoldat menschlich aussehen sollte."
"Na super. Die Täuschung hat ja wirklich funktioniert. Genau das sollten sie auch glauben. Keiner hatte ihnen zu diesem Zeitpunkt mehr über den Weg getraut. - Wie dem auch sei, sie erinnern sich noch an die Probleme des Zerfalls, die wir nicht in den Griff bekamen?"
"Ja, natürlich."
"Die Lösung lag ganz nahe. Wir ließen einfach zuviel Mensch. Die humanoiden DNA-Stränge waren, wenn sie dominierten, instabil und lösten sich aus der Verbindung. Je mehr tierisches Genmaterial wir in die Sequenzen einbanden, umso stabiler wurden sie. Das erste Exemplar unserer Arbeit sind sie. Das Militär ist von ihrer Hülle begeistert, da sie sehr leicht aufzufinden sind. Also, seien sie Stolz drauf."
"Stolz? Auf was sollte ich Stolz sein? Ihr habt mir mein Leben genommen."
"Ach Quatsch! Sehen sie sich mal an. Sie sind das Superwesen schlechthin. Sie sind intelligent wie ein Mensch und ihr Körper entspricht der Robustheit einer ausgewachsenen Raubkatze. Sie sind extrem stark, wendig und schnell. Sie haben lange Fangzähne, ein messerscharfes Gebiss und rasierklingenscharfe Krallen. Außerdem ist ihr Schmerzempfinden stark reduziert, dafür haben wir schon gesorgt. Nur mehrere präzise Treffer aus einem Maschinengewehr könnten sie stoppen. Sie sind einfach perfekt. Sie sind die Einmannkampfmaschine der Zukunft."
"Was ist eigentlich aus meinem menschlichen Ich geworden?
"Tja, das ist bedauerlich. Der Mensch Frank Brenner wurde bei einem Laborunfall getötet."
"NEIN!"
"Es war, wie ich hörte, ein ziemlich hässlicher Säureunfall und die Reste kaum der Rede wert."
Ich setzte mich auf den Boden.
"Was habt ihr jetzt mit mir vor?"
"Zunächst machen sie sich mit ihrem Körper vertraut. Lernen sie, mit ihren Kräften umzugehen und sie zu beherrschen. Finden sie sich mit der Situation ab, denn der Zug ist abgefahren. Arrangieren sie sich mit ihrer neuen Hülle und sehen sie zu, dass sie mit sich selbst ins reine kommen. Sie können sich ja ein bischen streicheln. Wer weß, vielleicht macht Fell sie ja an?"
Ich spuckte auf den Boden.
"Aber, aber. Wer wird denn gleich? Ich schicke jetzt vier Reinigungsroboter rein. Die entsorgen auch gleich ihren peinlichen Unfall in der Nasszelle."
Als die Roboter eintraten, saß ich immernoch regungslos auf der Erde. Nichts war mir geblieben, außer meinem bepelzten Tigerkörper. Mein Leben und auch meine Zukunft waren komplett ausgelöscht. Meine Existenz war belanglos. Man hatte mir eine Falle gestellt und ich war blind hineingetappt.
'Ich kriege dich Fletcher und wenn ich dabei mit drauf gehe.' Beseelt von diesem Gedanken entschloss ich mich, ihr Spiel mitzuspielen.
Als die Roboter gegangen waren, löste ich mich aus meiner Erstarrung. Ich stand auf, trat erneut vor den Spiegel und atmete tief durch.
'Naja', dachte ich, 'wenigstens kann ich mich sehen lassen.'
In der Tat brauchte ich mich nicht zu verstecken und sah wirklich toll aus, wenn man denn Fell und anthropomorphe Lebewesen mochte.
Mittlerweile begann ich auch zu begreifen warum Fletcher solch eine Angst vor mir gehabt hatte. Ich war etwa zweieinhalb Meter groß und würde ihm wahrscheinlich mit Leichtigkeit die Kehle zerfetzen können.
Da ich bisher noch nichts gegessen hatte, meldete sich mit einem lauten Grummeln mein Magen.
"Kriege ich in diesem Saftladen wenigstens was zu fressen?"
"Oh. Wie ich sehe und höre beginnt 15 Punkt 437 langsam sein Schicksal anzunehmen", sagte eine unbekannte Stimme.
"Ach? Und wer sind sie jetzt?"
"Oh, entschuldigen sie bitte. Ich bin Eduard Stein."
"Wow! Der Chef des Ganzen höchstpersönlich. - Was ist los, wollen sie sich an meinem Anblick ergötzen?"
"Ich darf doch sehr bitten. Seien sie etwas höflicher zu mir, sonst..."
"Sonst was? Was wollen sie mir denn noch antun? Ich habe nichts zu verlieren. Tja, da haben sie jetzt mächtig Dreck am Hacken kleben. Sie haben ne Menge Leichen im Keller und einen Anthrotiger der nichts zu verlieren hat und an seinem Leben nicht unbedingt hängt. Was nun, großer Mann?"
"Verdammt, Brenner. Du solltest dich etwas mehr ins Zeug legen", kam plötzlich Fletchers erregte Stimme.
"Ach, da bist du ja wieder. Hast du den 'lieben Gott' weggeschickt. Hä?"
"Herrgott! Bist du so blöd oder tust du nur so?", er war wirklich außer sich. Das merkte ich daran, dass er unwillkürlich zum du übergangen war.
"Ich tue nur so. Aber mal im ernst, was wollt ihr denn noch? Mich umbringen?"
Fletcher räusperte sich, schien sich zu beruhigen und suchte definitiv nach einer Antwort.
"Gut. Ich schicke ihnen was zu essen rein. Ich hoffe, dass ihnen ein Rinderbraten Recht ist? - Und es handelt sich nicht um Millionen, sondern um Milliarden Dollar, was das gesamte Projekt betrifft."
Ich nickte in die Richtung, in der ich die Kamera vermutete.
'Ich werde euch dafür zur Rechenschaft ziehen und alles in Trümmer legen, wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist. Ihr habt aus mir eine Kampfmaschine gemacht. Bitte schön, die werdet ihr bekommen, aber bestimmt nicht so, wie ihr es euch erhofft.' Dieser Gedanke sollte mein zukünftiges Handeln bestimmen.
Fortsetzung folgt