Zuckerflash
#3 of Weit und Windig
Eine Bandenfreundschaft zwischen einem schüchternen Wolf und einem wilden, vernachlässigten Fuchs. An Halloween treibt ein riskanter Coup ihre Beziehung auf die Spitze und endet höchst vergnüglich.
Kein Drama, viel Szenerie und Sex. Wie immer. Frohe Weihnachten.
Ist ein Teil des "Weit und Windig"-Universums. Ich verspreche euch, mit Findus und Kand geht´s im Sommer weiter, wenn ich wieder in Holland bin. Bis dahin aber viel Spaß mit zwei neuen Charakteren:D
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Tim Burton Lyrics zu Furry-Anspielungen umfunktionieren? Check.
Zuckerflash
Nohr trug einen schwarzen Umhang, der weit und leicht hinter ihm herwehte. Sein zartes, braunes Fell war mit Asche gebürstet und sträubte sich finster vom Schwanz bis zu den spitzen Ohren gegen den Abendwind. Es war Halloween in den Straßen von Redton. Die Laubverwehungen lagen knöchelhoch und die Luft war frisch, kühl und feucht vom Duft des Herbstes. Der Geruch von nassen Blättern, von Beeren und dem nahen Wald fuhren ihm um die Schnauze. Nohr zitterte aufgeregt. Es war die Aufregung, die ihn immer befiel, wenn er zu so kalter und später Stunde noch unterwegs war. Neben ihm ging Vohka, der schwarze Fuchs, in einer Pfote einen Dreizack, in der Anderen einen Kartoffelsack, der kaum zu einem Drittel voll war. Zwischen seinen Ohren trug er ein Paar roter Teufelshörner.
Vohka war seit Grundschulzeiten sein bester Freund gewesen. Nohr, der schmächtige braune Wolf war damals in eine Rangelei mit einem Größeren, Stärkeren geraten und mittendrin war dieser schwarze Fuchs aufgetaucht, hatte seinen Gegenüber mit Bastelschnur an das Schaukelgerüst gebunden und einen Kasten Wachsmalkreide über dessen Kopf zerschlagen. Ganz Vohkas Art. Er war schnell, schlau und nicht sonderlich beherrscht. Über die vielen Sommer danach, die schlaflosen Nächte draußen oder auf dem Dachboden und die unzähligen Straßenschlachten mit anderen Banden, hatte sich eine innige Freundschaft entwickelt, zwischen dem schlanken, stillen Wolf und dem wilden, dunklen Fuchs, der ihn trotz seiner Spezies beinahe um einen Kopf überragte.
Sie waren auf die selbe höhere Schule gekommen, doch Nohr hatte schon oft um seinen Freund bangen müssen, denn Vohka verbrachte nicht viel Zeit mit Schulkram und geriet oft in Schwierigkeiten darüber, wer denn schon wieder mit Käfern geworfen, oder den Schwanz des Lehrers gefärbt hatte. Und es war letztes Schuljahr gewesen, dass er die Klasse nicht geschafft hatte. Seitdem saß Nohr allein. Kein quirliger, leichtsinniger Schatten mehr an seiner Seite, der ihm aus der Patsche half und für jede Stunde einen neuen Schabernack ausheckte. Vorzugsweise einen mit Rauch, Feuer und Krabbeltieren. Keine gemeinsamen "Abenteuerreisen zum Schlammloch", Vohkas Name für das Rektoriat, mehr. Und seitdem wusste Nohr, dass er den schönen, schwarzen Fuchs mit seinem hinreißenden, weißen Bauchfell, dem freundlichen Duft nach Erde und Laub, und seiner unmöglichen, ungestümen Art ein wenig mehr vermisste, als es richtig war.
"Sie wollten hier warten!", fauchte der Schwarze und schlug mit dem Dreizack nach ein paar Zweigen. Es hagelte Kastanien und so wie er dort mit seinem rabenschwarzen Fell im orangen Licht der Kürbisse auf und ab hüpfte, sah er tatsächlich ein wenig aus, wie ein Teufel. "Sind sicher ohne uns losgezogen. Klar doch. Dann bekomm´ sie mehr-" Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment wurde ihm von hinten ein Sack über den Kopf gestülpt. Nohr fühlte einen Stoß und landete Kopf voran in einem Nussstrauch. "Mehr was? Zwei taube Nüsse haben wir schon einmal.", lachte eine vertraute Stimme.
Er sah auf. Ein Rehbock und ein Koyote grinsten zu ihm hinab. Weiter hinten war Vohka seinen Sack losgeworden und ging gerade dazu über, einem kichernden Puma einen Kürbis über den Kopf zu ziehen. "Hey!", brachte die Katze noch hervor, dann saß sie auf der Straße und spuckte oranges Fruchtfleisch. Der schwarze Fuchs zeigte mit dem Dreizack drohend zu dem Rehbock hinüber. "Hübsches Geweih dieses Jahr. Wär doch ne Schande wenn da ein Kürbis drin landet." Nohr lachte und Vohka grinste, als der Bock ein Stück zurückwich und sich unwillkürlich an den Kopf fasste.
So zogen sie los, um Beute zu machen. Halloween in Redton war seit vielen Jahrzenten der Stadt liebstes Fest. Die Vorbereitungen begannen Wochen im Vorraus, sobald das Laub bunt wurde. Am 31. dann, wenn die Festlichkeiten den Zenit erreichten, trieben Groß und Klein bis in den Morgen in den schummrig ausgeleuchteten Straßen ihr Unwesen. Der Plan dieses Jahr war einfach: Sie würden der bis zu diesem Tage ungeschlagenen Donnerbande ihren Preis abluchsen. Moss, der Bock, hatte die Einzelheiten ausgearbeitet. Zuerst zur alten Mühle im Norden der Stadt, wo die Bande ihr Versteck hatte.
Dort mussten sie an der Außenwand hochklettern, um das Lager an der Spitze zu erreichen. Von oben dann würden sie die Beute an einem Seil in ein bereitgestelltes Boot lassen und dem weiten Bogen des Flusses bis zu ihrem Clubhaus folgen. Eine riskante Unternehmung, aber lohnend. Sie alle hatten ihr Fell schwarz gefärbt, bis auf Vohka natürlich, der sich nur ein wenig Schlamm um den Bauch gerieben hatte. Moss verschwand eine Gasse hinunter zum Fluss. Die Anderen hielten sich an die Seitenstraßen zur Mühle. Vohka nahm auf dem Weg noch eine große gelbe Spinne mit, die er auf einem Kürbis fand. "Nur zur Sicherheit", wie er sagte und setzte sie auf seinen Dreizack.
Sie waren noch nicht weit gekommen, da spitzte Eff, das Puma, auf einmal die Ohren und fauchte warnend. Aus einer Seitenstraße vor ihnen fielen tanzende Schatten, die auf sie zukamen und der Klang von schwarfen Stimmen drang an ihre Ohren. Der Koyote und Eff drückten sich in den Schatten eines Ladeneingangs. Nohr wich in eine Reihe kleiner Sträucher am Straßenrand zurück und Vohka sprang die Böschung hinunter. Ein leises Fluchen, als er im schlammigen Schilf landete, dann lag die Straße in Stille. Es war ein Zweig der Donnerbande, die dort das Pflaster hinunterkam.
Sie sahen fürchterlich aus. Das Fell rot gestrichen, Federschmuck um die Schultern und auf den Köpfen geschnitzte Schädel von Vögeln und Drachen. In den Pfoten trugen sie Feuerwerk, Stöcke, die sie mit Lunten umwickelt hatten, und kleine, rote Laternen. Der Letzte dann zog einen kleinen Wagen, gefüllt mit süßem, bunten Rascheln. "...This is Halloween, this is Halloween..." sang ein Dutzend Stimmen, die Eine zur Anderen wie Tag und Nacht. Kaum eine Handbreit vor Nohrs Schnauze gingen sie. Der Wolf schmiegte sich zu Boden und das Herz klopfte ihm bis zum Hals vor Aufregung, ob der unmittelbaren Gefahr entdeckt zu werden, und bei dem Gedanken an das Lager in der Spitze des Turms, das er sich als Schatzkammer vorstellte. "... the one inside your bed, fur black as coal and eyes glowing red..."*
Eine pfotengroße gelbe Spinne flog an ihm vorbei, mit malmendem Kiefer und leuchtenden Augen, und landete zielsicher im Wagen. "... Fingers like snakes and spiders in my hair..." Die Prozession zog weiter und Nohr musste ein Lachen unterdrücken. Einige Momente harrte er noch aus, in seinem Versteck zwischen roten Beeren und welken Blüten des vergangen Sommers, dann sprang er auf. In der Luft hing immer noch der Geruch brennender Lunte, doch die hohen alten Häuser lagen wieder friedlich im Mondlicht. Eff und Brink traten aus dem Schatten und Vohka reckte seinen Kopf über die Böschung. Sein _kohl_rabenschwarzes Fell war zerzaust und voll gelber Blätter, eine Hälfte seines Gesicht gesprenkelt von Schlamm. Er funkelte sie wütend an und sah dabei so lustig aus, dass Brink vor Lachen die Stufen des Ladens hinunterfiel.
Eff lachte ebenfalls und bekam eine Faust voll Matsch ins Gesicht. Vohka fuchtelte drohend mit dem Dreizack zu Nohr hinüber, der zwecklos versuchte, sein Kichern zu verbergen. "Was ist jetzt.", fauchte er. "Klaun wir ihnen ihren Süßkram oder wollt ihr hier rumstehen, bis euch die Ameisen fressen?" Weiter ging es also mit der wilden Reise durch die Nacht, immer durch den Schatten und an den Hauswänden entlang, bis sie vor dem zerrissenen Zaun zur Mühle standen. "Donnerbande - Draußen bleiben, wenn ihr nicht wahnsinnig seid." Nohr sah zu Vohka hinüber, der mit einem toten Vogel in der Pfote gerade so tat, als rezitierte er Shakespeare. Den würden sie mit offenen Armen willkommen heißen.
Hinter dem Zaun stand das Gras hoch und floss entlang des Windes zum Fluss. Das Wrack eines alten Autos stand darin, mit hohem Grill und trüben Scheiben. Darum herum eine niedrige Mauer aus Geröll und vermoderte Grabsteine, die die Donnerbande hierher geschafft hatte. All das verblichen und überwachsen, gekerbt von Sturm und Wetter. Lautlos schlichen sie weiter, zu der gewaltigen Masse von altem Stein und Holz, einst eine Mühle, die im Abendwind leise ächzte und quitschte. Dahinter gluckste der Fluss. Moss kam gerade um die Biegung gesegelt und salutierte.
"Alles nach Plan.", flüsterte Brink und rieb sich die Pfoten. "Sind alle ausgeflogen." Niemals hätte die Donnerbande vermutet, dass jemand so dreist sein könnte, unbefugt ihre heiligen Räume zu betreten. Eine Arroganz die dank ihres fürchterlichen Rufs nicht unbegründet war. So gab es keine Wachen. Fallen zwar, aber Brink kannte die meisten davon, denn er war einst Teil der Bande gewesen. Das alte Mauerwerk eignete sich hervorragend zum Klettern. Es war durchzogen von unzähligen Spalten und der Stein war noch nicht allzu porös. Für knapp zehn Meter ging es nahezu senkrecht nach oben, in der Mitte jedoch war ringsum eine hölzerne Brüstung angebracht, auf der einmal der Müller über die Stadt hatte blicken können.
Vohka kletterte an der Spitze, den Dreizack zwischen den Zähnen, und hatte seine wahre Freude an all dem Kleingekrabsel, das er für sie vertreiben musste. Brink und Nohr hatten kein Problem mit Krabbeltieren, aber Eff gruselte es vor Eidechsen. Sie erreichten die Brüstung in nur wenigen Augenblicken. Ein jeder schnell, gewandt und leise. Fähigkeiten, die sich in Dutzenden von geheimen Schlachten bei Nacht und Nebel angeeignet hatten. Die Stützen war so spröde und verblichen, dass sie die grazile Konstruktion kaum noch aufrecht hielten. Eine Luke war in die Planken eingelassen, über einem Vorsprung, der ins Innere der Mühle führte. Hier war einmal das Stellwerk des Mühlrades aufgehoben gewesen, nunmehr ein Wirrwar aus rostigem Eisen, staubigen Stricken und mürbem Holz. Mondlicht viel hindurch und Staub tanzte.
Weiter also, zur Spitze! Ein Kranz von Fenstern umgab das hölzerne Dach, die Scheiben trübe von Mehlstaub und weiß vom Mondlicht. Aus dem Inneren ein schwaches rotes Glimmen. Vohka hangelte sich am Fensterbrett empor, stand für einen Moment hoch und schwarz wie der Teufel selbst vor dem Abgrund und trat dann das Glas ein. Eine leuchtende Wolke von Mehl und Splittern senkte sich von der Spitze, wie Schnee. Nohr folgte durch die düstere ffnung und wurde von einem stolz grinsenden Fuchs empfangen, der sich in einem Meer aus Scherben lässig auf seinen Dreizack stützte.
Es war, als wäre Nohr in einer Vorkammer zu Himmel und Hölle zugleich gelandet. Er hörte Brink und Eff hinter sich nach Luft schnappen. Der Raum wurde kreisrund von kleinen roten Laternen und dem Mond ausgeleuchtet. Lunten brannten, Kürbisse grinsten und von der Decke baumelte der Kronleuchter, den man vor Jahren aus dem Rathaus gestohlen hatte. Nun allerdings zerschlagen und voller Spinnweben. An den Wänden standen ein Dutzend Truhen, zum Überlaufen gefüllt mit einer Vielfalt an Süßigkeiten, wie sie Nohr noch nie gesehen hatte. Lakritze, Bonbons in allen Farben, Tafeln und Blöcke von Schokolade, Tüten mit Zuckerstangen und Fässer voll Brause, wie buntes Schwarzpulver. Darüber hingen Masken und Requisiten. In den Ecken häuften sich Stapel von grausigen Grimassen und Feuerwerk. Verkleidungen so weit das Auge reichte. Nohr erkannt den Hut, den er letztes Jahr getragen hatte.
In der Mitte des Raumes dann die Beute dieses Jahres. Der Hauptpreis. Ein Berg hoch bis unter die Decke, so schwer und voll, dass sich die zerschundenen Bohlen bogen und ächzten. Wagenladung um Wagenladung von Zucker in seinen fantastischsten Formen, ein buntes Durcheinander, das nach Vanille, Zitrone, Apfel, Nuss, Schokolade, Karamel... - schlicht nach unbändiger Energie roch. Es knurrte gierig hinter ihm und Vohka sprang vorbei, hinein ins Eldorado. Bonbons spritzten, Zuckerstangen brachen und er verschwand in einer Lawine aus Lakritze. Eff, Brink und Nohr stießen einen Freudenschrei aus und folgten ihm.
Es war wahrhaftig eine Szene wie in einem Cartoon, nur besser. Nohr hatte seine braunen Pfoten voll Schokoladentafeln, neben ihm biss Brink einer Gummischlange nach der Anderen den Kopf ab und Eff grinste ihnen zu, den Rachen voll Karamel. Oben an der Spitze dann saß Vohka, zerbiss knirschend und knackend ein Pfund Süßes zwischen seinen weißen, spitzen Zähnen und vibrierte förmlich vor Energie. Wie der Teufel auf seinem Tron, die Hörner rot, den Dreizack in der Pfote und die Augen so hell und sprühend vor Freude, dass sie leuchteten.
"Okay." Brink erhob sich widerwillig und wischte sich die Schnauze. "Wie zur Hölle kriegen wir das alles ins Boot?" Eff zeigte auf einen Haken vor dem Fenster und gestikulierte, unfähig, ein Wort hervorzubringen, denn das Karamel hatte ihm die Zähne verklebt. "Hrrrrmmpf." Nohr dachte darüber nach und nickte. In der Tat, die Vorrichtung ließe sich zu einem behelfsmäßigen Flaschenzug umfunktionieren. Über ihnen schaukelte Vohka am Kronleuchter, nicht im Geringsten an dem Problem interessiert. "Der wird zu nichts mehr zu gebrauchen sein.", lachte Eff, den Mund endlich frei.
Der Koyote und das Puma zogen los, um ein Seil zu finden, an dem sie die Truhen hinunterlassen konnten. Nohr riss sich vom Anblick des schaukelnden Vohkas los und lief zu einer Kiste voll Feuerwerk. Gefüllt mit Raketen, kleinen roten Bomben und einer Schleuder dafür. Er erkannte die Schleuder wieder, sie war ein Geschenk zu seinem Geburtstag gewesen vor einigen Jahren. Man hatte Lunte darum geschlungen und kleine Fratzen ins Holz geritzt. Wie sie in den Besitz der Donnerbande gekommen war, darüber wollte er gar nicht nachdenken. Der braune Wolf steckte sie in seinen Mantel und nahm ein paar der kleinen Bomben mit. Wer wusste schon, ob man die nicht nocheinmal brauchen konnte.
Brink und Eff hatten ein langes Seil zum Fenster geschafft und waren nun damit beschäftigt, eine Truhe daran zu binden. Nohr wollte ihnen zur Hilfe eilen, da krachte es ganz fürchterlich und Vohka fiel von der Decke, mitsamt Kronleuchter und einem Teil des Putzes. "Whoa, Nohr.", hörte er Eff noch sagen, dann verschlug ihm ein Knäuel von Fuchs, Metall und Putz die Sinne. Einige Momente Verwirrung, weiches, zerzaustes Fell über ihm, raue Pfoten, die den Leuchter von seiner Brust rissen und eine Wolke von schwerem Staub, dass er kaum Luft bekam. Schließlich zog ihn ein Paar Arme aus dem Schutt und vor ihm stand Vohka, die Ohren entschuldigend angelegt und blinzelte sich das Mehl aus den Augen. Er grinste verlegen und Nohr grinste zurück und schwankte.
"... Tender allusions everywhere, life´s no fun without a good scare...", hallte es vom Fuß der Mühle herauf und auf einmal sah Vohka gar nicht mehr froh aus. "Oh Sch...", flüsterte Eff und sprang hinaus aufs Fensterbrett. "Nochmal ne Ladung. Moss haben sie nicht gesehen. Versteckt euch!" Brink wollte ihm folgen, doch auf dem Sims war nur Platz für Einen. Er sprang zurück und besaß die Geistesgegenwart, um den Vorhang über das zerschlagene Fenster zu ziehen. Sie saßen in der Falle. Nohr strich ein Streichholz und spannte seine Schleuder. Sollten sie doch kommen. Er würde mutig sein. Wahrscheinlich war es der Zucker. Oder der schwarze Fuchs, der neben ihm aufgeregt in den Scherben auf und ab hüpfte, und so gar nicht wusste wohin. Brinks Blick schoss hektisch durch den Raum. "Ihr Beide, Schrank. Und denk gar nicht dran.", knurrte er, schubste Nohr in Vohkas Richtung und sprang mittenhinein in den Berg von Süßigkeiten.
"... this is Halloween, this is Halloween..."
Vohkas Blick klärte sich und er griff nach Nohrs Pfote. Der Schrank war aus Eichenholz und die Türen schwer. Oh, Gott sei Dank, es waren nur Verkleidungen und eine knöcherne Vogelscheuche darin. Schon kam Fackelschein die Treppe hinauf, ein Wirrwar von Stimmen, Liedern und Rauch. Der braune Wolf, der gerade noch so mutig gewesen war, wurde rücklings von Vohka auf einen Stapel alter Umhänge gestoßen, ein struppiger Schatten vor ihm im tanzenden Licht, dann schlossen sich die Türen und es wurde dunkel.
"... the Fox inside your bed, teeth ground sharp and eyes glowing red..." Nohr wusste kaum wie ihm geschah. Da war ein Wirbelwind über ihm von gesträubtem, schwarzen Fell, von spitzen Zähnen und leuchtenden Augen. Heißer Atem an seinen Schnurrhaaren und scharfe Krallen, die sich keine Handbreit neben seinen Flanken in den Stoff gruben. "... Aren`t you scared? Well that´s just fine..." Er konnte den schwarzen Fuchs leise knurren hören, spürte die Vibrationen vom Schwanz bis zu den spitzen Ohren. So stark, so nah. Der wilde, lebendige Körper, der sich an den Seinen schmiegte und noch immer vor unbändiger Energie zitterte. Ein Duft von Erde und Laub, der den finsteren Raum tränkte, so stark, dass er ihn beinahe auf der Zunge schmeckte. Süß, lebendig und... Vohka eben. Nohr wollte nichts mehr, als die Schnauze des Fuchses an der Seinen, er wollte sich hoch in das weiche Fell drücken und die schützende Umarmung, so rau sie auch sein mochte, erwiedern. Wie nur, wie konnte er?
"..Take a chance and roll the dice. Ride with the devil in the dead of night..." Nohr wagte es und der Entschluss ließ sein Bewusstsein taumeln. Er hob die Schnauze, ein kleines Stück nur, und vergrub sie in Vohkas weißer Brust. Jeder Atemzug durchfuhr den zarten Wolf als Schauer, die Pfoten wie gelähmt zu seinen Seiten, diesen unbeschreiblichen Duft zwischen den Zähnen.
"... Don´t we love it now. Everybody´s waiting for the next surprise..."
Vor der Tür stand die Donnerbande, so sehr von Ekstase ergriffen, dass keiner von ihnen den Kronleuchter auf dem Boden oder die Scherben bemerkte. Sie sangen und tobten, griffen nach mehr Feuerwerk und neuen Verkleidungen und luden jubelnd den Wagen aus. Nohr hörte die Stimmen wie durch Nebel, sah nicht das rote Licht im Türspalt, genauso wenig, wie er das Feuer roch. Nichts, als graue Dunkelheit. Modriger Stoff unter ihm und der schwarze Fuchs über ihm.
Die Stimmen entfernten sich.
Und auf einmal war da Vohkas Schnauze zwischen seinen Ohren, ohne den leisesten Versuch, sie zu verbergen. Er spürte die spitzen Zähne, fühlte, wie der Fuchs bebend seinen Geruch einsog und sich der ungestüme, geschmeidige Körper spannte. Einen Augenblick nur, dann war es vorbei.
Stille. Die Bande abgezogen.
Die Türen flogen auf und Vohka sprang heraus. "Woo!", lachte er heiser und griff nach seinem Dreizack. Moss´ Geweih erschien im Fenster. "Seid ihr okay? Was zur Hölle ist denn hier passiert?" Eff erzählte vom Kronleuchter und Brink schüttelte sich, dass die Bonbons flogen. "Whew, wir haben nie im Leben Platz genug für alles hier im Boot.", pfiff der Bock und schwang sich ins Zimmer. "Von mir aus können wir die Brause ohnehin hierlassen." Vohka warf ihm eine Schokoladentafel an den Kopf. "Die kommt mit! Die blöde Lakritze kannst du aber stehen lassn." Damit war Eff nicht einverstanden.
Es wäre wohl eine Rangelei ausgebrochen, doch ihnen allen steckte der Schreck noch in den Knochen und sie wussten sehr wohl, dass sie nicht die Zeit hatten. "Also von allem etwas. Los jetzt, ans Seil und runter damit, die können jeden Moment wiederkommen." Es dauerte nicht lange, da hatten sie eine Kette gebildet. Eff und Nohr befüllten die Kisten, Brink band sie ans Seil und Vohka ließ sie hinab ins Boot, wo sie von Moss in Empfang genommen wurden. Bis auf ein Mal, als der Fuchs eine Truhe einfach fallen lies (zufälligerweise die mit Lakritze) und Moss fluchend zur Seite springen musste, war es ein Raubüberfall, wie sie keinen Besseren hätten durchziehen können.
Nicht das Nohr viel davon mitbekam. Der braune Wolf belud die Kisten mit mechanischen Bewegungen, teilnahmslos und noch immer in einer wilden Mischung aus höchster Aufregung, Glück und Ungewissheit. Eff bemerkte den abwesenden Blick, die erregte Verwirrung darin und sah zu Vohka hinüber. Nicht schwer, eins und eins zusammenzuzählen. Dem schwarzen Fuchs jedoch war nichts anzumerken, er war ungeduldig und leichtsinnig wie immer. Das Puma seufzte und ging wieder an die Arbeit.
Ein Zug am Seil und ein Ruf von Moss. Das Boot war voll bis zur Wasserlinie. Der Koyote zurrte das Seil für den Abstieg fest und Eff erlaubte sich einen erschöpften Moment der Erleichterung. "Hey.", grinste Brink und setzte sich einen Zylinder auf die Ohren. "Wir haben´s geschafft." Vohka starrte sehnsuchtsvoll auf einen rot gefütterten Teufelsumhang und Eff griff nach einem Degen, der zwischen den Dielen steckte. "Wow, der ist ja wirklich scharf."
Er zögerte einen Moment und strich über die Klinge. "Was meint ihr? So viel, wie die in den letzten Jahren gestohlen haben, wär´s doch nur fair, wenn wir einen Teil davon an die Bedürftigen verteilen?" Das Puma zog sich einen Hut mit Feder auf, griff nach einer blutbespritzten Weste und blickte sie fragend an. "Mit "Bedürftigen" meinst doch nicht etwa die Bande, die den größten Raub von ganz Redton abgezogen hat?", schmunzelte Brink zurück und Vohka legte sich den Mantel um. "Doch genau die. Was ist mit dir Nohr?" Der braune Wolf fuhr verträumt über die Schleuder an seinem Gürtel und ließ seinen Blick durch den Raum wandern.
Er wusste ganz genau, was er wollte. Stattdessen aber begnügte er sich mit einer Dose Schwarzpulver und einem rot-weiß gestreiften Bogen, in den er Feuerwerksraketen einspannen konnte. Das Geschoss fühlte sich gut in seinen Pfoten an. Stark und Schnell. "Dann nichts wie weg hier." Brink sprang auf´s Fensterbrett, griff nach dem Seil und war verschwunden. Nach ihm kam Eff, fauchte eine kleine blaue Eidechse an, die in einer Mauernische saß und schwang sich hinab. "Whoouw...", hörte Nohr ihn noch rufen, dann landete das Puma auf der Brüstung unter ihnen.
Sie waren wieder allein. Der Wolf sah sich um, zu Vohka hinüber. Der steckte gerade eine Lunte an, das eine Ende in der Pfote, das Andere in einer Kiste voll Knallfrösche. "Kleine Überraschung.", grinste das schwarze Monster und seine Augen leuchteten. Ein freundliches, lebendiges Funkeln. Unmöglich zu sagen, ob mehr darin lag. Hatte er sich die Schnauze eingebildet? Nohr schüttelte sich und sprang auf´s Sims hinaus. Zeit zu gehen. Herbstwind über den Dächern, von Fern das Rauschen im Wald und unter ihm das Band des Flusses und die Straßen voll roter Lichter. Sie hatten gewonnen. Er legte eine Pfote ans Seil, spannte den Bogen über den Rücken und schwang sich hinab.
Es knackte.
Über ihm brach der Haken. Das Seil wurde leicht. Der Wolf überschlug sich und fiel. Ein Moment von klarer Wahrnehmung, durch das Adrenalin schnell und scharf genug, um die Zeit in seinem Taumeln zu verlangsamen. Er sah die zerissenen Mühlenflügel vorbeiziehen, Splitter von Metall und Holz in einer Wolke von Staub und die Stadt auf dem Kopf. Dann Vohka auf dem Fensterbrett über ihm. Da war kein lustiges Funkeln mehr in seinem Gesicht, keine Wut und kein Zähnefletschen. Der schwarze Fuchs hatte die Augen aufgerissen, die Pfoten halb ausgestreckt und die Schnauze in Schrecken geöffnet. Er sah überhaupt nicht mehr aus wie ein Monster.
Und es war dieser Blick, in dem Nohr fand, wonach er im Turm vergebens gesucht hatte.
Der Wolf landete krachend auf der Brüstung, brach durch die Planken und fiel wie eine Puppe ins hohe Gras der Böschung. Von oben schrie Vohka irgendetwas und aus dem Boot hörte er einen überraschten Ruf. Der Aufprall schlug ihm sämtliche Luft aus den Lungen und trieb ihm die Schwärze in die Augen. Doch er verlor nicht das Bewusstein. Die Welt wurde nur grau und dumpf, und er begann zu driften, wie in einem Fiebertraum.
Holzsplitter prasselten auf Kiesel. Es rauschte. Der Wind fuhr durchs Gras und zerzauste sein Fell. Schritte eilten herüber und ein Paar Pfoten griff ihn an den Schultern. Als sich seine Sicht zu klären begann, standen Eff, Brink und Moss um ihn herum, keiner mehr fröhlich. Vohka kniete vor ihm, die Ohren ängstlich angelegt und die Schnauze keine Pfotenbreit von der des Wolfes entfernt. Das letzte Mal, als er den Fuchs so erschrocken gesehen hatte, war, als ein Streich fürchterlich schief gegangen und er an eine Giftspinne geraten war, deren Biss wirklich töten konnte. Die Lähmung hatte schon eingesetzt und er hatte genauso geguckt, wie jetzt.
"Ouh.", knurrte Nohr und zwang sich dazu, aufzusitzen. Alles, um diesen Blick aus Vohkas Gesicht zu vertreiben. "Gott sei Dank.", stöhnte Moss und Eff sah nach oben, durch das Loch in der Brüstung. Das Puma stieß einen Pfiff aus. Nohr hatte Glück gehabt. Das morsche Holz hatte seinen Fall gebremst und die Böschung war an dieser Stelle weich und schlammig. Der Wolf wandte den Kopf und blickte zu Vohka hinüber. Der Fuchs starrte zurück, noch immer regungslos, doch seine Ohren richteten sich langsam auf.
Er schluckte, schien etwas sagen zu wollen, brach jedoch ab und wich trotzig zurück, als er sich der Anwesenheit der anderen Drei gewahr wurde. "Uhm.", räusperte sich Brink und trat von einem Fuß auf den Anderen. Von weit her näherte sich ihnen tanzender Fackelschein und Lieder. "Wir müssen los. Kannst du stehen?" Nohr nickte und biss die Zähne zusammen. Konnte er tatsächlich. Gerade so.
Auf dem Fluss war es kühl. Die Strömung stark genug, um sie zügig von dem Lager der Donnerbande fortzutragen, der Wind weich und feucht. Nohr saß auf einem Pulverfass voll Brause und reparierte seinen Bogen. Vohka stand am Bug und stopfte das Leck, das er verursacht hatte, als er die Lakritze fallen gelassen hatte. Ein fluchender Teufel in Gummistiefeln, der hin und wieder einen schnellen Blick hinter zu dem braunen Wolf warf. Nohr hatte ihn selten besorgt gesehen. Nur wütend.
Ein fernes Donnern und Blitzen von der Spitze der Mühle, als eintausend Knallfrösche explodierten und das Glas unter der Druckwelle in alle Richtungen spritzte. Wie ein leuchtender Ring, in dem sich das grelle Licht des Feuerwerks brach und spiegelte. Moss fuhr herum. Vohkas Unschuldblick war ungefähr so überzeugend, wie seine Beteuerungen, als das Lehrerpult an der Decke geklebt hatte. Der Rehbock packte ihn am Kragen. "Das war nicht abgemacht." - "Sie hams aber verdient.", fauchte der Fuchs, zappelte in seinem Griff und tastete nach seinem Dreizack. "Ah. Hab Othello vergessen. Mist." Nohr kicherte und zuckte unter dem Schmerz in seiner Brust zusammen. Moss ließ den Schwarzen los.
"Du wusstest davon?", fuhr er den Wolf an. Eff warf ihm einen bedeutsamen Blick zu. "Oh. OH. Achso." Er schnaubte und rieb sich den Nacken. "Wenigstens brennt´s nicht."
Der Rest des Weges verlief in Stille. Es waren ungefähr 2 Meilen bis zu dem alten, grünen Haus am Fluss. Der Mond trieb nur selten zwischen den Wolken hervor, so lag der Wasserweg lange in grauem Schatten. Hin und wieder hörten sie Stimmen oder Gesang, tanzende Lichter und Grimassen in den Straßen. Keine wilde Meute auf ihren Fersen. Keine Explosionen im Wasser, kein wütendes Heulen im Nacken. Waren sie so einfach entkommen?
Der Steg schabte am Rumpf und die Rohrkolben strichen entlang der Reling. Eine Laterne brannte auf einem Pfosten, der schief aus dem Wasser stak. Moss steuerte sie geschickt in ihr Bootshaus, um die wertvolle Ladung vor spähenden Augen zu verbergen. Vor vielen Jahren hatte es hier eine Brücke über den Fluss gegeben, doch das Einzige, was davon übrig geblieben war, war ein zweistöckiges Bootshaus mit Speicher über dem Wasser und verrostetem Stellwerk. Ein ideales Versteck, sie hatten nur die Fenster zur Straße verbarrikadieren müssen.
Im Inneren des Bootshauses lag eine Bucht voll schwarzem Wasser, in der ihr Segelboot und ein kleines Kayak dümpelten. Darüber der Speicher, als Lager und Rückzugsort. Dort oben hatten sie all den Krimskrams und die Schätze angesammelt, die sie über die letzten Jahre gewonnen hatten. Von schlichtem Angelzeug, über zerschlissene Samtmöbel auf denen sie schlafen konnten, bis hin zu Ferngläsern und Enterhaken... Die Liste war lang und unordentlich. In diesem Moment jedoch schien es, als seien all diese Bemühungen nur in Vorbereitung auf die heutige Nacht geschehen. Brink konnte nicht aufhören zu grinsen. Eff schnurrte. Noch nie in der Geschichte von Halloween in Redton hatte jemand gewagt, was sie heute vollbracht hatten.
Moss band das Boot fest und sprang auf den algigen Steg. "Wir werden ´ne ganze Menge damit zu tun haben, das Zeug hochzuschaffen. Hier auf dem Wasser kann es jedenfalls nicht bleiben. Außerdem brauchen wir Teer für das Loch." Er warf Vohka einen wütenden Blick zu, den der Fuchs ignorierte. "Aber nicht heute! Heute feiern wir!" Sie jubelten. Moss war gut darin, feierliche Reden zu halten, denn er war der Einzige unter ihnen mit einem Geweih und bot in der Tat ein eindrucksvolles Bild. Zumindest solange Vohka es nicht wieder schaffte, Schleifchen hineinzuflechten.
Sie schlossen das Tor zum Fluss und stiegen die Leiter zum Speicher hinauf, die Arme voll mit Süßigkeiten. Der Bock und Brink ließen sich nieder, um eine Liste auszuarbeiten, auf der sie die Bootsladung Süßes kategorisieren wollten. Beide berstend vor Stolz, denn sie hatten zusammen den Plan in seinen Einzelheiten ausgearbeitet. Eff schliff seinen Degen. Vohka stopfte sich den Rachen voll Bonbons und begann, in seinem Haufen nach einem Ersatz für den Dreizack zu wühlen.
Nohr zog die Schleuder und den Bogen hervor. Es Vohka gewesen, der dem staunenden Wolf vor vielen Jahren gezeigt hatte, wie man mit Feuer in seinen verschiedensten und fantastischsten Formen umging. Er hatte ihn sehr dafür bewundert und war mittlerweile selbst geschickt damit. Das Holz der Schleuder war noch immer geschmeidig und geölt, wie an dem Tag, als er sie bekommen hatte. Die Fratzen und Gerissen darin, Drachen, Wölfe und Vögel, waren ausgezeichnet gearbeitet und so fein, dass sie kaum mit einem bloßen Messer geschnitten worden sein konnten. In den Taschen seines Mantel lagen die kleinen, roten Bomben. Kreisrund wie Kirschen und so glatt, dass sich das Licht darin spiegelte, fügten sie sich wunderbar in den Fang der Schleuder. Auf Jeder war in winzigen Buchstaben der Zug "Cherrybomb" eingraviert.
Der Bogen war eine schlanke Mischung aus Holz und Metall. Rot-weiß gestreift und glatt poliert. Eine feine Feder von blankem Stahl spannte sich entlang der gesamten Länge. Sie gab einen hohen, singenden Ton von sich, als er den Bogen versuchsweise spannte. Was für ein Geschoss! Federleicht und kräftig. Er hatte nur eine Handvoll Pfeile übrig, der Rest war bei seinem Sturz zerbrochen. Dünn wie Bleistifte, mit kegeligem Gummikopf, jedoch über die Länge hohl und gefüllt mit Schwarzpulver. Zwischen den Federn eine Lunte. Dazu ein Gegenstück am Griff des Bogens, wo man ein Streichholz einspannen konnte.
Nohr zog eine Schachtel Zündhölzer aus dem Regal und steckte sie in seine Tasche. Dazu die Schleuder, ein halbes Dutzend der Kirschbomben, zwei Pfeile und den Bogen auf dem Rücken. Der Wolf ließ die Lunte durch seine Pfoten wandern, schnippte das Feuer an und aus, und versuchte vergeblich, einen klaren Gedanken zu fassen. Unmöglich, still zu halten. Das Gefühl und der Duft des schwarzen Fuchses gingen ihm nicht aus dem Kopf. Er würde.. Er wollte... Nein, es war zwecklos, sich hier in diesem niedrigen Raum gefangen zu halten. Die süße Beute konnte er in diesem Moment nicht genießen und die Wärme kroch ihm als Schläfrigkeit die Läufe hinauf. An Schlaf aber wollte er nicht denken! Er sprang auf, entgegen dem schmerzhaften Ziehen in seinem Rücken. Raus in den nassen Herbstwind und durch die Straßen! Der Bogen auf seinem Rücken und die Schleuder an seiner Seite würden ihn den Gefahren ebenbürtig machen.
Er gab ein fabelhaftes Bild ab, wie er dort stand. Das braune Fell feucht und zerzaust von der Überfahrt, der Umhang zerissen und die zwei feurigen Waffen an seiner Seite. Dazu der wilde, ungeduldige Blick und der schnelle Atem. Brink und Moss sahen kaum auf, doch Eff winkte ihm mit dem Degen zu. "Würd ja mitkommen, aber...", er zuckte die Achseln und zeigte zu dem Berg von Karamel vor seinem Sessel. Vohka beachtete ihn nicht, fluchte nur wüst und wühlte weiter. Der Verlust seines Dreizacks Othello sträubte ihm das schwarze Fell vor Wut.
Nohr schloss die Tür mit zitternden Pfoten, sprang die Treppen hinab und durch das Fenster, das ihnen als Tür diente. Die Büsche darunter fingen ihn auf, wie sie es die Sommer der letzten fünf Jahre getan hatten. Doch ihm war, als wäre es nicht derselbe Fuchs, der darin landete. Weiter durch den verwachsenen Vorgarten, über die verborgene Falltür des Notausgangs und hinaus auf die Straße. Der Wind hatte zugenommen, verbog die Bäume und zog die Blätter raschelnd entlang der Hauswände. Es roch nach feuchtem Laub und Gras.
Wenige Schritte und er war um eine Hausecke verschwunden. Vor ihm lag die Vorstadt. Auf der linken Seite kleine Häuser aus Holz, die Gärten voll rotem und gelbem Obst, rechts der Waldrand. Zwischen den Stämmen fielen die Nadeln der Fichten im Wind. Zerrupfte Sonnenblumen und Nussträucher säumten seinen Weg. Es war still. Weit vor sich konnte er eine Reihe kleiner Lichter sehen, die von Haus zu Haus zogen. Wenn sie nur wüssten... Ein kurzer Moment des überlegenen Stolzes, dann wandte er sich ab. War er ehrlich mit sich selbst, dann wusste er nicht genau, wo er hinwollte. Er war nur froh, der Enge und Wärme des Bootshauses entronnen zu sein.
Der Wolf bekam Lust seinen Bogen auszuprobieren. In seinem Übermut stellte er sich vor, wie er damit in eine Schlacht mit der Donnerbande geriet, wie er alleine gegen die Bande antrat, sie mit den gestohlenen Waffen schlug und Vohka aus ihren Krallen befreite. Der schwarze Fuchs war im Keller der Mühle an die Wand gekettet, ohne Licht, auf einem Haufen Mäntel. In seinen Gedanken wurden die steinernen Wände zu Holz. Eine Vogelscheuche stand in der Ecke und... es war der Schrank. Nohr knurrte, schüttelte sich und begann von Neuem.
Der Fuchs an seiner Seite, als sie von der Bande durch die Straßen verfolgt wurden. Er griff nach seiner Schleuder, hinter sich ein Heulen und Explosionen um ihre Pfoten. Sie kamen näher, er konnte ihre Schritte auf dem Pflaster hören und da zog ihn Vohka in eine enge Gasse und es war nicht mehr der heiße Atem der Verfolger in seinem Nacken... "Ahwr! Fuck!" Er trat gegen einen Kürbis und lehnte sich schwer atmend gegen den gußeisernen Zaun, der die Straße an dieser Stelle vom Wald trennte.
Er wollte die Gedanken weiter verfolgen, wollte die Szene im Schrank immer und immer wieder erleben. Doch wie konnte er? Vohka würde da sein wenn er ihn brauchte, das wusste er. Er würde ihn wieder vor den Bullies an seiner Schule retten und sie würden weiterhin auf Raubzüge ziehen, im Sommer den Fluss unsicher machen und im Winter Schlachten in den eisigen Gräben um den Wald austragen. Die Wutausfälle und Streiche blieben. Doch Nohr sehnte sich nach dem struppigen Fell zwischen den Pfoten, nach den spitzen Zähnen an den Seinen und dem quirligen, leichten Körper über sich. Die Erinnerung an den lebendigen Duft nach Fuchs und Wald, an das wilde Bündel Energie, das im engen Raum des Schrankes unbändig schien, waren besser, als jeder Zuckerflash.
"Buh!"
Er schreckte auf. Vohka stand vor ihm, ohne Dreizack. "Du haust einfach ab? Ich dachte, wir wollten noch ne Runde Grand Theft Awful spielen." Der Wolf konnte sein glückliches Grinsen nicht verbergen. "Pff, lach nicht. Wegen dir hab ich meinen Dreizack in der Mühle vergessen. Der war aus echtem Metall!" Seite an Seite liefen sie durch die Straßen von Redton. Nohrs Bauch verkrampfte sich vor Spannung, als sie das Clubhaus passierten und weiter dem Fluss folgten.
Vohkas Haus war Teil einer langen Reihe von kleinen Holzhäusern aus dem letzten Jahrhundert. Ein schmaler Streifen an der leeren Straße, blau gestrichen, hohe Fenster und umrahmt von Birken, die in vollem Gelb standen. Nur zwei Stockwerke und ein Speicher, der dem Fuchs gehörte. Es brannte kein Licht, denn seine Eltern waren nicht oft da. Niemand, um den Rasen zu mähen, oder das Schloss der Gartentür zu reparieren. Aber auch Niemand, der sie ins Bett schickte, ihnen verbot, zwischen den Stockwerken Schwertkämpfe auszutragen oder die Streichhölzer wegnahm. Vor der Veranda an der Rückseite hingen noch immer die Hängematten, in denen sie im Sommer geschlafen hatten, dazwischen eine kalte Feuerstelle.
Die Tür schlug hinter ihnen zu und sie liefen die knarzenden Stufen hinauf zu Vohkas Zimmer. Der Speicher zog sich über die gesamte Länge des Hauses. Zwei große Fenster an den Enden und eins im Dach. Auf der einen Seite das Bett, auf der Anderen ein Sofa und ein Fernseher mit Spielekonsole. Dazwischen ein Haufen aus Kleidern, Spielzeug und Büchern. Vohka warf sich aufs Sofa und schaltete das Spiel ein. Der braune Wolf setzte sich neben ihn und griff nach seinem Controller. Natürlich verlor er.
Vohka flog einen Hubschrauber geradewechs in die Eingangshalle der Bank, die Nohr bewachen sollte. Er sah seinen kleinen Wachmann in der Explosion aus dem Fenster fliegen. Eine Verfolgungsjagd zwischen einem Panzer und einem Pizzavan entbrannte und endete mit der Explosion eines Containerschiffs voll Clowns. Der Wolf hielt es nicht mehr aus.
Er tastete nach dem Bogen, fasste sich ein Herz, als er das kühle, glatte Holz zwischen den Fingern spürte, und drückte auf Pause. "Vohka..?" Der Fuchs wandte den Kopf. Nohr öffnete den Mund und es kam nur ein Quiken heraus. "Huh?" Sein Gegenüber grinste verständnislos und sah ihn belustigt an. Da war die übliche unverbundene Gleichgültigkeit in seinem Gesicht, wilder Leichtsinn, gepaart mit dem Spaß am Spiel und... Teufel eben.
Nohr lehnte sich vor und küsste Vohka. "Whoa." Der Fuchs sah ihn aus aufgerissenen Augen an, die Ohren angelegt, der Blick flackernd. "Huh." Das Funkeln kehrte zurück, ein zähniges Grinsen zog über sein Gesicht und er griff nach Nohrs Schulter. "Du schuldest mir einen Dreizack." Der braune Wolf hatte kaum Zeit zu begreifen, da wurde er zurückgestoßen und fand Vohkas feuchte Schnauze fest an der Seinen. Der Schwung warf ihn auf den Rücken und Vohka folgte ihm.
Nohr bebte. Nicht mehr nur vor Erregung, sondern vor schierem, unbändigem Glück, das sich anfühlte, als wollte es ihm aus der Kehle springen. Der Fuchs über ihm öffnete seine Schnauze und er tat es ihm gleich. Zuerst ein rauer Kuss, doch nur zu bald weicher und leidenschaftlicher. Zärtlich fuhr Nohr über die lange Reihe spitzer Zähne die er so oft bewundert hatte, schmeckte den quirligen Schatten auf der Zunge und sank unter Vohkas Gewicht tiefer ins Sofa. Mit den Vorderpfoten zog er den Fuchs fest an sich und der Schwarze wand sich auf ihm hin und her, geschüttelt von der unbändigen Enerige, die er auf Nor losließ. Immer und immer wieder tat der Wolf tiefe Atemzüge, sog den Duft ein, bis seine Brust bersten wollte. Die Note von Laub und Herbst verließ den kleinen Teufel nicht, doch nun war der Geruch nach Vohka, nach erregtem, jungen Fuchs viel stärker.
Er spürte, wie sich der Umhang von seinen Schultern löste und mitsamt der Controller vom Sofa flog. Einen Moment später war auch der rot gefütterte Mantel verschwunden und nun war nichts mehr zwischen ihnen, außer heißem Atem, gesträubtem Fell und Pfoten, die ihr Ziel nur allzubald fanden. Vohka hielt inne und grinste zu ihm hinab. Seine Augen leuchteten glücklich und seine Zunge hing halb aus dem scharfen Rachen. Eine Rinnsal Sabber troff hinab in Nohrs Fell. "Ich hab dich am See mal gesehen. Wie du..." Er griff zu und Nohr schnappte nach Luft. "Hab mich immer gefragt, wie du wohl schmeckst."
Der Wolf lachte, nicht im Geringsten verlegen. So verrückt war das und so typisch für Vohka. Der Fuchs wand sich in einer fließenden Bewegung herum und sein Schweif strich über Nohrs Schnauze. Heißer, schneller Atem zwischen seinen Beinen, dann eine feuchte Zunge die dazwischen fuhr und schließlich der volle Rachen, die ihn umfing. Oh, war das gut. Einige Augenblicke nur widerstand er, dann bäumte sich Nohr auf, stieß hoch in Vohkas Schnauze und füllte sie. Er sah Sterne und vergrub die Nase tief unter dem Schwanz des Fuchses, der sich seinerseits an ihn presste.
Seine Zunge fuhr darunter und um die Felltasche und er spürte Vohka unter jedem Zug beben und schnurren. Es war kaum genug Zeit, all die Sinneseindrücke zu ordnen, zu begreifen, dass es tatsächlich sein geliebter, vertrauter Fuchs war, den er schmeckte, dass er das struppige Ungeheuer mit nichts, als seiner Zunge toben ließ. Da quitschte der Schwarze und sein weißer, warmer Samen füllte Nohrs Rachen, rann in sein Fell und auf den rauen Stoff des Sofas. Ein heißes, weiches Durcheinander über ihm, raue Pfoten und kehlige Laute und irgendwann am Ende war Vohkas Schnauze wieder an der Seinen und der Fuchs streckte sich über ihm aus.
Er blinzelte zu ihm hinunter und hechelte. Die Ohren hoch und glücklich und die Augen sprühend. Nohr erwiederte den Blick und spürte das Grinsen an seinen Mundwinkeln ziehen. So war das also.
Fußnoten:
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