Unter Drachen 15 - Ein Löwe geht fliegen

Story by Lord_Eldingar on SoFurry

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#15 of Unter Drachen

Kapitel 15 der Geschichte um Eldingar.

Tyria bringt interessante Nachrichten, der Löwe wird auch offiziell in dieser Welt willkommen geheißen und darf anschließend mit Eldingar fliegen gehen.

Wieder die Coop mit dem Anthro-Löwen.

Im Original 49 Seiten.


Unter Drachen

  1. Ein Löwe geht fliegen

... „Ich nehme das also als Erlaubnis, uns verabschieden zu dürfen, Isha Rajesh. Ihr werdet sicher bald mehr von uns hören. - Wie sagen die Großen...? Lebt lang, schützt die Kraft und gute Jagd." verabschiedet Ranga sich und Agni. -

Ich nicke.

„Auch euch ein langes Leben und gute Jagden."

Die abgewandelte Form mit der wir Großen die anderen Völker ansprechen.

Beide ziehen sich nach einer kurzen Verneigung schnell zurück und machen sich auf den Weg zum Ausgang, offensichtlich haben sie bereits alles für ihre Abreise vorbereitet und können direkt aufbrechen.

* * *

Von dort kommt ihnen Atum wieder entgegen. Aber jetzt macht Padmini auf sich aufmerksam, indem sie meinen Finger etwas drückt. Ich drehe ihr meinen Kopf zu.

„Herr, ich möchte Dir danken, dass Du nichts gesagt hast, als ich das mit dem paaren mit Dir so offen gelassen habe. Denn trotz allem gilt für mich noch, dass ich es nie wagen würde, mich mit Dir paaren zu wollen. Außerdem... ihr Großen seid doch irgendwie anders... und das ist für mich nicht so einfach, wie für Jaya." -

„Ich verstehe. Kein Problem und vielleicht auch besser so." -

„Äh, Herr... hast Du das mit dem Dienst als Schatten vorhin ernst gemeint..." -

„Weißt Du es nicht?" -

„Doch Herr. Du hättest es nicht gesagt, wenn Du es nicht so gemeint hättest. Aber ich traue mich noch nicht, daran zu glauben... Ich soll Dich beraten und bei Entscheidungen unterstützen? Ich habe nicht das Wissen und die Intelligenz einer Großen. Da bist Du bei Deinen Partnerinnen doch besser aufgehoben." -

„Halt. Mach Dich nicht kleiner, als Du bist. Und verwechsele nicht Lebenserfahrung von ein paar tausend Jahren mit Intelligenz. Du bist nicht weniger intelligent, wie wir Großen, vielleicht fehlt Dir etwas Erfahrung. Mir auch, aber immerhin habe ich davon ein wenig aus einer komplizierten Menschenwelt mitgebracht. Warte ab, wenn Du erst mit allem vertraut bist, wird das schon kommen." -

„Aber... was kann eine Dracci Dir raten?" -

„Eben genau das. Was kann mir eine Große über die Draccier sagen? Oder über die Menschen hier?" -

„Nun... so gesehen..." -

„Dazu ist mir der Blick von außen auf uns Große aber auch nicht unwichtig. Du siehst vielleicht etwas, das wir nicht bemerken. - Natürlich werde ich mich auch mit meinen Partnerinnen abstimmen. Tyria habe ich auch Handlungsfreiheit in meinem Revier gegeben und Tascha wird mir im Umgang mit den Menschen sicher sehr helfen können, aber auch sie ist nun mal ein Drache, selbst sie versteht die Menschen nicht wirklich. Und da kann ich Deine Sicht und Deinen Rat brauchen." -

„Das ist schon richtig..." Sie klingt noch nicht wirklich überzeugt. -

„Tyria?"

Sie nickt langsam, wohl unsicher über meine Reaktion.

„Du brauchst Tyria nicht fürchten. Sie hat sich entschieden, meine Partnerin zu sein und ist bereit mich und meine Eigenarten zu akzeptieren. Zudem beginnt sie, auch euch Draccier anzuerkennen und eure Loyalität zu verstehen." -

„Bist Du sicher? - Verzeih Herr, aber die Großen verachten uns besonders, weil wir als Söldner unsere Treue für Geld verkaufen. Außer dass sie uns als Fehler in Erces Schöpfung betrachten." -

Achje, jetzt habe ich so gar keinen Sinn auf dieses Thema...

„Verzeih mir, das lass uns bitte ein anderes Mal besprechen, am besten wenn Tyria dabei ist, dann kann sie Dir ihre Ansicht dazu selber erklären. - Nur kurz: mache Dir darüber hier in meinem Haus keine Gedanken. Tyria beginnt mich zu verstehen und ist bereit, ihre bisherigen Ansichten zu überdenken. Zudem bist Du mein Schatten, nicht ihrer..." -

„Aber ich werde sicher nicht immer in Deiner Nähe sein." -

„Große Erce, ist ihr Ruf so schlecht?" -

„Nun, Tyria ist nicht gerade als Freundin der Draccier bekannt. Aber natürlich wird sie mich auch nicht hinter Deinem Rücken angreifen, so meine ich es nicht." -

„Was dann?" -

„Oh Herr, bitte... lass uns das vergessen. Ich spreche hier über Deine Partnerin und weiß kaum mehr über sie, als was die Gerüchte besagen. Dabei hat sie sich mir gegenüber ja schon sehr freundlich und kein bisschen ablehnend verhalten. Nein verzeih, ich habe eben ungerecht geurteilt." -

„Gut. Schon vergessen. - Aber ihr Ruf scheint wirklich nicht sehr gut zu sein unter den anderen Völkern. Da darf ich wohl froh sein, sie nicht schon als Mensch kennengelernt zu haben..." -

Padmini legt mir ihre Hand zwischen die Nüstern.

„Naja... Dafür hast Du bereits jetzt einen sehr guten Ruf unter den Völkern, obwohl von Dir noch vor kurzem keiner etwas gehört hatte. Ein Mensch wurde zu einem Drachen... würde dieser Drache hier nicht vor mir liegen, ich weiß nicht, ob ich es glauben würde." -

„Und weil ein Drache hier vor Dir liegt, glaubst Du es?" frage ich grinsend. -

„Weil dieser Drache hier vor mir liegt und nicht ehrfurchtgebietend steht. Ja, Dein Verhalten lässt mich das glauben." -

Ich ziehe meine Nüstern kraus und blase sie leicht an, das muss erstmal reichen, ihr über die Nüstern zu züngeln ist gerade etwas schwierig, wenn die Zungenspitze größer ist als ihr Gesicht.

Atum steht jetzt wieder vor dem Podest, wieder in seiner kompletten Ausrüstung - ich richte meine Aufmerksamkeit auf ihn.

„Wie ich sehe - und am Citrus- und Kiefernduft rieche - hat Padmini Dir ein Quartier mit Bad zugewiesen. Obwohl ich Dich schon immer dafür bewundert habe, dass Du auch nach langen Jagdtouren noch wie geleckt aussiehst, glänzt Dein Fell jetzt besonders und Du wirkst deutlich entspannter." -

„Ja, Dein Schatten hat mir eine sehr angenehme Wohnhöhle gegeben, und das Becken mit warmen Wasser übertrifft sogar meine eigene Wohnstätte. Dazu das Pflegeöl, das sie selber für ihre Haare nutzt und das sie mir für mein Fell empfohlen hat. Das ist wirklich sehr angenehm, es lässt mein Fell schön liegen - sonst sehe ich in der feuchten Luft in dieser Zeit immer schnell wie ein Fellball aus. - Aber sag mal mein Kleiner, Du siehst aus, als ob Du..."

Er sieht mich erstaunt an, dann bricht er in ein röhrendes Lachen aus, dass jeden Löwen vor Neid erblassen lassen würde.

Ich sehe ihn fragend an, warte aber ab, bis er sich wieder beruhigt hat.

„Entschuldige, mir ist nur aufgefallen, dass es wohl etwas unpassend ist, einen so großen Drachen mit 'mein Kleiner' anzureden. Aber ich gewöhne mich wohl daran, Dich so zu sehen. Eben hatte ich tatsächlich Rahotep vor Augen, als ich Deinen Geruch wahrgenommen habe." -

„Ich verstehe. Richtig, Du hattest mich ja immer so genannt, passend, denn auch als Erwachsener war ich damals ja nur etwa einssechzig groß - Du mit Deinen reichlich zweifünfzig... Da habe ich selbst dann noch wie ein Kind neben Dir ausgesehen." -

„Ich hoffe Du verzeihst mir heute, dass ich damals das auch anderen gegenüber so ausgedrückt habe." -

„Ich habe es Dir damals nicht so gezeigt - aber in Wahrheit war ich stolz darauf, wenn Du mich als Deinen menschlichen Welpen bezeichnet hast. Welcher Ägypter - von den äußeren Völkern abgesehen - konnte schon einen Löwen als seinen Vater oder Ziehvater bezeichnen. Noch dazu der heimliche Kick, weil die meisten Dich ja als göttlich angesehen haben. Ich glaube heute noch, dass auch Ramesse davon doch ein wenig beeindruckt war und er mich deshalb immer als einen seiner Freunde behandelt hat." -

„Mmmh - Ramses..." grummelt er.

„Doch erst zurück zu dem, was ich sagen wollte: Ich glaube, Dir würde jetzt eine kleine Jagd gut tun. Du wirkst etwas ... genervt würde ich sagen. Entschuldige, die Emotionen von Drachen sind schwer zu erkennen, sofern sie überhaupt welche haben." -

„Doch haben wir. Die können sogar sehr intensiv werden, mehr als es für unsere Umwelt gut wäre, daher bemühen wir uns darum, sie zu kontrollieren. - Was uns manchmal nicht richtig gelingt, was beim Zorn dann leicht zu bemerken ist. Und ich bin allgemein noch sehr unvollkommen in der Kontrolle meiner Gefühle." -

„Bewahre Dir das mein Kleiner. Ich habe mich von allen Drachen immer fern gehalten, weil ihr Großen Drachen so fremdartig und kalt wirkt, selbst die Drakarin sind so anders als wir Säuger. Du bist anders, schon ein Drache, fremdartig und selbstbeherrscht, aber ich spüre da auch vertrautes - und Emotionen. - Was ist jetzt, kommst Du mit? Sehen, ob wir etwas Beute finden? Ihr Drachen seid doch auch Jäger, da unterscheiden wir uns doch nicht so sehr. Und ich finde eine gute Jagd immer entspannend und gleichzeitig anregend. Man vergisst die Probleme des Tages für eine Weile." -

Padmini stupst mich an.

„So ungerne ich das sage, aber der Löwe hat Recht. Du hast heute bereits mehr Gespräche mit

Angehörigen anderer Völker geführt und Entscheidungen getroffen, als andere Große in einem Mondumlauf. Mache, was die anderen Großen machen: geh jagen. Ein Drache muss sich manchmal auf seine Instinkte zurückziehen um ausgeglichen zu bleiben. Das geht sogar uns Dracciern so, wenn auch seltener, vielleicht weil wir unsere Instinkte im Kampf einsetzen. Aber das unterscheidet uns Drachen von den Säugern, die benötigen das nicht, eher im Gegenteil." -

Ich sehe Padmini an, ihre gelben Augen leuchten geradezu vor Jagdlust. Offensichtlich hat sie lange keine Beute mehr gemacht.

„Du siehst aus, als ob Du gerne mit auf Jagd gehen würdest." -

„Herr, ja gerne - im Clan habe ich lange keine Gelegenheit gehabt... - Verzeih Herr. Nein, ich möchte Dich nicht behindern, wenn Du erlaubst, werde ich nachher selber ein wenig auf Beutesuche gehen, mein Jagdtrieb ist jetzt geweckt." -

„Rede keinen Quatsch. Du bist mein Schatten, natürlich kommst du mit mir auf die Jagd. Und du behinderst mich nicht, schließlich muss ich schon auf einen Löwen Rücksicht nehmen." -

Ihr Kichern wird von Atum unterbrochen.

„Danke für die Retoure - damals warst Du zwar sehr gelehrig und konntest gut mit dem Bogen umgehen, aber wenn ich nicht geholfen hätte, wären wir oft hungrig geblieben." grummelt er mit einem Augenzwinkern.

„Ich bin gespannt, wie ein Drache mit den Jagdwaffen umgehen kann - Du willst doch nicht so groß jagen und die Beute mit einem Feuerstoß grillen?" -

„Ich habe keinen Feueratem. Das mit dem Grillen fällt also aus." -

Er sieht mich fragend an.

„Entschuldige, keinen Feueratem? Was bist Du denn für ein Drache? Das habe ich noch nie gehört." -

„Blitz." -

„Wie... Blitz...?" -

„Na, ich bin ein Blitzdrache, Beherrscher der Gewitter, Herr über die Tornados... - war da noch was?" -

„Bezwinger der Stürme und Vernichter der Zyklone." ergänzt Padmini

„Und wenn ich es richtig weiß - ich kenne die Bedeutung der nordischen Namen Deiner Familie nicht so gut, verzeih Herr - dann hat auch Dein Name Eldingar Skýstrokkur etwas damit zu tun." -

„Ja. Eldingar, wörtlich Feuerbolzen, bedeutet Blitz. Und Skýstrokkur ist wörtlich in diesem Fall der Wolkenwirbel, ein Tornado." -

Atum überlegt.

„Dann müssen Deine Eltern aber zumindest etwas geahnt haben. So treffende Namen - obwohl ihr mir das mit den Stürmen noch erklären müsst." -

Padmini nickt.

„Das werde ich gerne bei Gelegenheit machen. Aber seine Eltern? Ich glaube nicht, dass er diese Namen von seinen Eltern erhalten hat." -

„Nicht? Von wem dann?" -

„Eldingar nannte mich Erce bei meiner Wandlung zum Drachen. Und den Namen Skýstrokkur erhielt ich von Eldflóð nach dem Vernichten von drei Tornadozellen, die drohten, sich zu vereinen und die großes Unheil über die Länder der Menschen gebracht hätten."

Das kann ich besser beantworten als Padmini, die noch zu wenig über mich weiß. Aber ich spüre, dass sie jede Information über mich begierig aufsaugt. Wie ich mir gedacht habe, mein Schatten wird bald mehr über mich wissen, als alle anderen um mich herum.

Altun sieht mich an.

„Nun, da Du also nicht als Drache Dein Leben begonnen hast, bleibt die Frage, welchen Namen Du von Deinen Eltern erhalten hast..." -

„Meine Drachenfamilie behandelt meinen Geburtsnamen wie einen Nestlingsnamen und ich möchte mich daran halten. Padmini wird Dir sicher erklären, was das bedeutet. - Aber damit sie nicht vor Neugier platzt, soviel: ursprünglich ist der Name auch altnordisch und bedeutet 'beratender Wolf', aber mein Name ist eine neuere sprachliche Variante. -

„Herr, bitte... ich möchte zwar so viel wie möglich über Dich lernen, aber der Nestlingsname... Ich weiß dass der für euch Große sehr persönlich und nur der direkten Familie bekannt ist. So hoch schätze ich meine Stellung nicht ein. - Aber ich kenne doch bereits Deinen Namen, oder nicht?" -

„Du meinst Rahotep? Den Namen habe ich vor über dreitausend Jahren einmal getragen, das ist nicht der Name, mit dem der Drache, den Du hier siehst, geboren wurde." -

Padmini schüttelt den Kopf.

„Es klingt eigenartig wenn Du als Drache sagst, dass Du geboren wurdest - Drachen schlüpfen doch aus einem Ei..." -

„Eigentlich ja, ich aber bin als Mensch geboren worden und habe erst mehr als vierzig Jahre später diesen Körper von Erce erhalten. Ich bin ein Drache, der nie geschlüpft ist." -

„Klingt nicht uninteressant, da lässt sich eine gute Legende entwickeln. Du musst wissen, dass wir Draccier in geheimnisvolle Kampfnamen und die Legenden dazu, geradezu verliebt sind."

„Na dann... - ich höre gerade, dass Tyria wieder zurück kommt. Ich möchte noch kurz mit ihr sprechen und dann können wir gemeinsam eine kleine Jagd unternehmen. Du hast hoffentlich nichts dagegen, wenn Padmini uns begleitet, Atum?" -

Er schüttelt leicht den Kopf.

„Nein, natürlich nicht. Vielleicht lernen wir beide uns dann ein wenig besser kennen und ich kann ihr verständlich machen, dass ich nicht vorhabe, ihren Herrn anzugreifen oder schlecht über ihn zu reden. - Nein, sie hat sich sehr korrekt verhalten und war mir gegenüber freundlich, als sie mir die Unterkunft gezeigt hat. Also zürne ihr nicht. Ich spüre nur, dass sie mich noch nicht recht einordnen kann." -

„Ich hatte nur nicht gewusst, dass Du ein Freund Isha Rajesh' bist. Und Deine kleinen Anfeindungen gegenüber den Großen habe ich wohl etwas persönlich genommen. Ich bitte Dich dafür um Verzeihung."

Padmini verneigt sich leicht vor ihm, was Atum ebenso erwidert. Das ist dann auch geklärt.

Tyria betritt die Höhle, schnuppert kurz um sich zu orientieren und kommt dann zu uns herüber. Da sie - natürlich - als Feral unterwegs ist, sind es nur ein paar Schritte für sie. Ganz die Große Drachin, ignoriert sie alle anderen und richtet ihre Aufmerksamkeit jetzt nur auf mich. Ob es heute noch üblich ist, oder sie instinktiv auf den ursprünglichen Drachen reagiert - jedenfalls lässt sie den leisen, gurrenden Ton hören, der mir ihre Friedfertigkeit bekundet und damit meine uralte instinktive Kampfbereitschaft angesichts einer sich nähernden Drachin besänftigt. Sie geht vorsichtig um mich herum und legt sich mit einer eleganten Bewegung an meine linke Seite. Dabei achtet sie aber doch darauf, dass Padmini nicht in Gefahr gerät, wie ich registriere.

Tyria schmiegt sich eng an meine Schuppen, ihren rechten Schwingenarm legt sie über meinen Rücken, ihre Schwingenhand dabei auf meine Schulter. Mit den Fingern ihrer Schwinge streichelt sie sanft meine rechte Flanke. Während sie mit ihrem Kopf meinen Hals entlangstreicht und ihn schließlich an meinen Kopf legt, suche ich ihren Schwanz und schlängele meinen sanft herum.

Das lässt sie kurz überrascht innehalten, dann leuchten ihre Augen in einem roten Feuer der Liebe auf und sie lässt ein wohliges Knurren hören. Ihre Zurückhaltung fällt und ihre Zunge sucht und findet meine zu einem zärtlichen Spiel.

„Langsam lernst Du Deinen Körper richtig kennen und zu beherrschen, mein Sternenhimmel" flüstert sie mir zu.

Ich lasse kurz mein Schnurren hören - was Atum deutlich verwirrt. Ihm war wohl auch unbekannt, dass Drachen Schnurren können. Wie ich mich inzwischen erinnere, ist es das alte männliche Gegenstück zu ihrem Gurren, mit dem ich ein Weibchen beruhigt und meinen Paarungswunsch bekundet hatte.

Etwas zögernd beendet Tyria das Zungenspiel, züngelt mir noch kurz über die Nüstern und legt dann ihren Hals gegen meinen. Ich bemerke in ihren Augen einen Schatten, etwas belastet ihre Seele, aber sie wendet schnell ihre Aufmerksamkeit auf Atum.

„Wie ich sehe, hast Du den Löwen gefunden, mein Lord."

Sie wählt eine minimal offizielle Form, wohl um ihrem Ruf, dem sie mit ihren Zärtlichkeiten eigentlich völlig widerspricht, noch halbwegs gerecht zu werden und um meinen Vorrang hier deutlich zu machen. -

„Nun, genau genommen hat er mich gefunden, meine Lady. Da er eigentlich uns Drachen meidet, wie der Teufel das... oh, das kennt ihr alle ja nicht... - naja, jedenfalls hat er jeden Kontakt mit uns vermieden in den letzten dreitausenddreihundert Jahren. Da darf ich mir wohl etwas drauf einbilden, dass er jetzt zu mir den Kontakt gesucht hat." -

„Oh, so schlecht sind seine Erfahrungen mit uns, dass er uns für Teufel hält?" -

Atum verneigt sich.

„Verzeiht Lady Tyria. Ich bin Atum, ein einsamer Wanderer in eurer Welt - aber freiwillig hier, nicht dass ich da falsch verstanden werde. - Nein, ich halte die Drachen nicht für Teufel, ich weiß, dass sie hier eine Aufgabe erfüllen, ähnlich der, die mein Volk in andere Welten geführt hat. Ich war nur sehr vorsichtig, da ich ein Fremder in eurer Welt bin und mir war es lieber, unbekannt zu bleiben, als mich vor den Drachen verstecken zu müssen." -

„Ich verstehe. Auch wenn ich keinen Grund für Deine Befürchtungen sehe. Ich sehe zum ersten Mal einen Löwenmenschen und habe während meines Lebens auch noch nichts über ein solches Volk gehört. - Verzeih, aber warum sollten wir Drachen dann einen einzelnen Löwenmenschen für gefährlich halten?" -

„Weil ich nicht aus dieser Welt stamme, ein Fremder bin." -

„Das ist Lord Eldingar, den ich zu meinem Lebenspartner gewählt habe, ebenso." -

„Verzeiht Lady Tyria, da gehen unsere Ansichten etwas auseinander - aber den Argumenten einer liebenden Partnerin kann ich mich nur geschlagen geben." er verneigt sich dabei tief.

Tyria entschließt sich, es nicht zu ernst zu nehmen.

„Du siehst, es gibt nichts zu befürchten. Du musst nur eine Drachin als Partnerin finden..." -

„Das wäre jedoch ein weiterer Grund, mich von den Drachen fern zu halten..." scherzt Atum.

Tyria sieht ihn fragend an.

„Ein weiterer Grund? Versuche es doch einmal, sogar ein Mensch wie Eldingar hat Gefallen daran gefunden. Nicht erst als Drache, wie ich von seiner Schwester erfahren habe." -

„Nun es ist mehr die Drachin, die mich dazu veranlasst..." -

„Er will damit andeuten, dass er sich mehr für Männchen interessiert." komme ich zur Hilfe, da er sich nicht sicher zu sein scheint, wie Tyria reagieren wird. -

Tyria nickt, aber in ihrem Blick liegt auch eine Frage.

„Ich verstehe... obwohl... nein, eigentlich nicht wirklich. - Er paart sich mit Männchen? So etwas gibt es?"

Tyria stellt ihre Frage gelassen freundlich, dennoch wirft Atum mir einen hilfesuchenden Blick zu, ihm fehlt offensichtlich das passende Argument um eine Drachin zu überzeugen. Ich versuche daher erstmal, ihr das ganze etwas zu erläutern, denn auch mir sind die Gründe einer homosexuellen Orientierung nicht wirklich klar.

„Wie Du selber weißt, ist der Drang, den eigentlichen Zweck unserer Existenz, die Erhaltung unserer Art zu sichern, individuell unterschiedlich stark ausgeprägt."

Sie bohrt mir die Daumenkralle ihrer rechten Flughand leicht in die Schulter. Natürlich hat sie die Anspielung verstanden, dass sie mit fast zehntausend Lebensjahren noch keinen Nachwuchs hat. Ihr Blick bittet mich aber gleich wieder um Verzeihung.

„Dazu kommt, dass wir bewusst denkenden Völker uns nicht nur zum Zweck der Arterhaltung paaren. Es ist für uns auch eine sehr angenehme, lustvolle und erregende Form, sich die Zeit zu vertreiben. Die Paarung ist eine so gewaltig angenehme Erfahrung, dass wir dieses so oft wie möglich wieder erleben wollen, auch ohne den eigentlichen Zweck dabei zu erfüllen." -

„Das verstehe ich und ich bin auch dankbar dafür. Aber..." -

Ich züngele genüsslich über ihre Nüstern, was sie mit einem lustvollen Schnauben beantwortet. Ihren Atem auf meiner Zunge zu spüren ist... nun, nicht ablenken lassen Herr Lordpaladin, nicht ablenken lassen...

„Dazu kommen individuelle Neigungen, welche Partner attraktiv erscheinen. Bei mir sind es Weibchen - offensichtlich gerne schwarzschuppige, aber nicht ausschließlich, auch Fjörgyn zieht mich stark an, jedoch steht unsere familiäre Beziehung dem im Weg. - Männchen sind für mich dagegen völlig unattraktiv.

Einige dagegen werden mit der festen Orientierung zum eigenen Geschlecht geboren - oder sie schlüpfen damit - sie werden immer einen gleichgeschlechtlichen Partner wählen und sind sich darin ebenso sicher, wie ich mit den Weibchen.

Und dann gibt es noch eine dritte, relativ große Gruppe, die sowohl Weibchen, als auch Männchen als Paarungspartner wählen. Viele haben zuerst einen Partner des anderen Geschlechts und mit dem zusammen oft auch Nachwuchs. Aber irgendwann erwacht oder erstarkt die Neigung zu einem Partner des eigenen Geschlechts. Andere haben immer mit Partnern beider Geschlechter Paarungskontakte, manchmal auch sehr gleichmäßig verteilt, selten sogar gleichzeitig. -

Ich weiß, dass es diese sexuelle Orientierung derzeit bei uns Großen nicht gibt und habe auch bei uns Ursprünglichen damals nichts davon gehört, aber ich vermute dass es bei den anderen Völkern nicht unbekannt sind. Drüben kennen die Menschen es jedenfalls sehr gut." -

„Du meinst also, es ist dasselbe, wenn ich Dich so attraktiv finde, dass ich Dich geradezu lieben muss, während ich mich für Kyrin nicht erwärmen kann - und wenn Atum Männchen als Partner wählt, Weibchen ihn aber als Partnerin nicht interessieren?" -

Ich grinse Atum an.

„Ist es nicht interessant, wie Drachen es gradlinig auf den Punkt bringen können? - Verzeih, wenn ich ein wenig unbeholfene Erklärungsversuche gebe. Ich bin nun mal hoffnungslos den Weibchen verfallen... - und kann es mir nur sehr schwer vorstellen, mit einem Männchen paarungsähnliche Kontakte zu haben.

Aber das bedeutet nicht, dass ich eine solche Orientierung verachte. Schon als Mensch war mir die sexuelle Orientierung der anderen im Grunde gleichgültig, mir waren charakterliche Eigenschaften immer wichtiger." -

Atum verneigt sich leicht.

„Die Wege zu einem Partner sind oft kompliziert. Mancher fand sich in den Armen eines Partners wieder, an den er nie gedacht hätte. - Oder hättest Du geglaubt, dass sich einmal eine Drachin an Dich schmiegen würde...?" -

„Nein, und vor kurzem noch hat mich eine Drachin unter ihrer Hand zermalmt, was ich ebenso wenig erwartet hätte. - Deine Schlussfolgerung scheint zulässig zu sein, meine Lady. Zudem hat Atum seine Pflicht zur Arterhaltung durchaus erfüllt und sich erst später von den Weibchen abgewandt, wenn ich seine Andeutungen richtig verstanden habe."

Er nickt bestätigend.

„Richtig. Doch ganz von ihnen abgewandt habe ich mich auch nicht - zwar bevorzuge ich momentan eher ein Männchen als Sexualpartner, bin einem Weibchen grundsätzlich aber auch nicht abgeneigt.

Ich habe anfangs Beziehungen mit unseren Weibchen gehabt und ich hatte auch mehrere Welpen mit ihnen. Leider war es mir nicht gegeben, meinen Nachkommen auch meine Langlebigkeit zu vererben, ebensowenig meine Fähigkeiten, Einfluss auf das Wasser zu nehmen. So überlebte ich alle und irgendwann kamen auch keine Angehörigen meines Volkes mehr in die Welt, in die ich geboren wurde. Dorthin 'zurück' wollte ich nicht, da ich in der Welt Rahoteps geboren wurde und nie in der Welt meiner Vorfahren war - und ich musste von den letzten meiner Art Andeutungen hören, dass man mich dort auch nicht willkommen heißen würde. Ich war für sie ein Fremder, woanders geboren, hatte merkwürdige Fähigkeiten, lebte schon viel zu lange für einen meiner Art... - also blieb ich vorerst in der Welt, die ich kannte. Ich habe auch noch ein- oder zweimal versucht in meiner Gestalt als Feral-Löwe mit den wilden Löwinnen Nachwuchs zu bekommen, aber das war erfolglos. Was eigentlich auch zu erwarten war, denn im Grunde unterscheide ich mich von ihnen, wie die Drachen von den Menschen.

Und mit den Menschen... ich finde das Zusammenleben mit Weibchen allgemein schon kompliziert, aber die Menschenweibchen übertreffen die meiner Art noch - dazu das ewige Reden über eine 'göttliche Paarung'... zudem ohnehin erfolglos, auch mit ihnen konnte ich keinen Nachwuchs zeugen, das wusste ich bereits. -

Da mir nun der - wie ihr sagt - Sinn meines Daseins mangels passender Weibchen nicht mehr gegeben war, habe ich mich gänzlich auf den angenehmen Part einer Paarung konzentriert. Und da fühle ich mich von Männchen einfach stärker angezogen." -

Tyria knurrt zufrieden.

„In diesen Zusammenhängen kann ich es besser verstehen. Danke für die Erklärungen. -

Wenn ich also meinen geliebten Partner richtig verstanden habe, gibt es diese Neigung bei uns Großen nicht. - Wieder eine Bestätigung, dass wir das herrschende Volk sind." -

Ah, jetzt schimmert sie durch - die Große Drachin, von der alle reden.

„Verzeih, meine Lady. Aber das glaube ich erst, wenn unser Volk zweitausend Köpfe zählt und dann immer noch keiner eine solche Neigung zeigt. Jetzt sind wir bereits viel zu wenige, da hat Erce sicher diese Neigung bei uns unterdrückt. - Sonst wären mit Sicherheit alle Männchen schon lange zumindest Bi..." -

Sie legt ihren Kopf schief.

„Bi...? - Ah, Du meinst, sowohl Weibchen wie auch Männchen. - Oh... Du meinst, wenn wir uns von euch zurückziehen, dann als Ersatz... - mein Lord, ich wage nicht, das weiter zu denken... Wenn ihr deswegen das Interesse an uns verliert... Ich hoffe, Erce wird das nie zulassen..." -

Atum schüttelt den Kopf.

„Moment... Ihr sprecht gerade davon, dass eure Göttin euch manipuliert, und das akzeptiert ihr so einfach? - Ihr wünscht es euch sogar?" -

Tyria blickt ihn lächelnd an.

„Natürlich akzeptieren wir es. Wir Drachen sind ihre Geschöpfe, von ihr erwählt, diese Welt für sie zu schützen. - Und Erce ist keine Göttin, sie ist das Leben." -

„Ihr seid wirklich davon überzeugt..." -

Ich nicke.

„Ja. Weil wir es wissen. Erce, also die Summe allen Lebens dieser Welt, hat aus den wilden frühen Drachen - die man vielleicht mit den großen Wyvern heute vergleichen könnte, etwas intelligenter waren die Drachen damals vielleicht schon. Aus diesen Wildtieren hat sie die intelligenten Drachen geschaffen, die Du heute noch vor Dir siehst. - Ich kann mich nicht daran erinnern, geschlüpft zu sein, denn ich bin damals als Wilddrache geschlüpft. Erce hat mich erst als geschlechtsreifen Wilddrachen ausgewählt und neu geformt, einen Drachen aus mir gemacht - einen der Ersten, der Ursprünglichen oder der Ältesten, wie man will - genau so, wie vor einigen Tagen wieder.

Allerdings war das jetzt ein deutlich größerer Schritt vom Menschen zum Drachen..." -

„Schon gut. Ich glaube es Dir ja. Also wisst ihr, dass ihr manipuliert werdet und ihr akzeptiert es." -

„So einfach ist es nicht. Aber wird nicht alles Leben immer wieder manipuliert? Wie entstehen die vielen Arten, wenn nicht durch Manipulation? Gut wir Drachen sind durch gesteuerte Manipulation entstanden, die meisten anderen Arten, die diese Welt als Pflanze oder Tier bevölkert, durch ungesteuerte zufällige Manipulation, oft Mutation genannt. - Wir akzeptieren einfach, dass wir zu einem bestimmten Zweck bewusst geschaffen wurden. Trotzdem haben wir ja ein eigenes Leben, das wir führen." -

Atum hebt die Hände.

„Verzeiht mir bitte. Ich sehe nur immer wieder Priester oder irgendwelche Anführer, die im Namen irgendeines Gottes die Menschen, für die sie eigentlich sorgen sollten, beeinflussen und unterdrücken - nur um selber wie die Made im Speck zu leben. - Mir ist klar, dass eure Erce und die Lebensenergie dieser Welt nicht dazu gehören. Vielleicht solltet ihr doch missionieren..." -

Tyria und ich schütteln einstimmig den Kopf.

„Nein, wir werden ganz sicher nicht versuchen, andere Völker von Erce zu überzeugen. Wenn es Erce gefällt, den Glauben an Götter zu tolerieren, werden wir nicht anders handeln."

Tyria spricht exakt meine Gedanken aus. Ist das mein Einstieg in die Gedankenwelt der Drachen? Ich reibe sanft mit meinen Nasenschuppen ihre Kehle. Ihr wohliges Brummen kitzelt in meinen Nüstern.

Für Tyria ist das Thema abgeschlossen.

„Was hast Du jetzt vor, mein Sternenhimmel?"

Oh, vor einem Fremden die vertraute Anrede...

„Atum hat vorgeschlagen, auf die Jagd zu gehen, ich hätte Lust dazu, Padmini ebenfalls. Was ist mit Dir?" -

„Nein, ich heute nicht, verzeih mir." -

„Natürlich. - Lass mich kurz noch berichten, was heute geschehen ist.

Vielleicht hast Du den Trubel draußen noch mitbekommen. Einige Menschen haben ihre Waren bis hierher geliefert und haben mich gebeten, einen Handelsstützpunkt errichten zu dürfen. Ich habe zugestimmt, dass sie unten im Tal siedeln dürfen." -

„Deine Gründe?" -

„Ein spontaner Entschluss." -

„Akzeptiert. Wer weiß schon, wozu es einmal nützlich ist, wenn Du Erces Eingebungen folgst." -

„Eingebungen ist ein interessanter Aspekt. - Weiter haben sich zehn weitere Draccier hier freiwillig als Söldner gemeldet. Wenn ich davon ausgehe, dass es zukünftig öfter so zugeht wie heute, kann ich sie sicher brauchen. Vielleicht bildet sich ja auch eine feste Ansiedlung um meine Wohnstätte, dann ist eine Wache von Vorteil." -

„Akzeptiert. - Verzeih, ich spreche, als ob Du in meinem Namen gehandelt hast, es müsste umgekehrt sein. Aber ich weiß nicht, wie ich sonst zum Ausdruck bringen soll, dass ich Dir zustimme als Deine Partnerin." -

„Akzeptiert." antworte ich grinsed.

„Dann haben sich Ranga und Agni meine Überlegungen zu einem Draccierstaat notiert und sind zu ihren Stämmen abgereist." -

„Wie stehen sie dazu?" -

„Grundsätzlich positiv." -

„Gut." - sie setzt ein geradezu teuflisches Grinsen auf.

„Im anderen Fall hätte ich ihnen auch Feuer unter den Schwänzen gemacht..."

Als sie meinen offenkundig entsetzten Blick sieht, drückt sie mich kichernd an sich.

„Verzeih mir den kleinen Scherz, mein Sternenhimmel."

Ihre weichen Lippen und die zärtliche Zunge auf den empfindsamen Schuppen hinter meinen Wangendornen lassen mich wohlig schnurren, ob ich will oder nicht. Den belustigten Blick von Atum ignoriere ich einfach. Padmini dagegen scheint sich einfach darüber zu freuen, dass ich eine Partnerin habe, die so offen ihre Liebe zu mir zeigt.

Nach einer Weile - viel zu früh für meinen Geschmack - beendet sie ihre Liebkosungen.

„Ich habe von meiner kleinen Runde leider nicht so gute Nachrichten mitgebracht."

Sie deutet nach Südsüdost.

„Drüben in der Ebene vor dem Fluss habe ich etwa auf halber Strecke eine größere Gruppe Menschen beobachtet, die dort entlangziehen. Sie tragen zwar nicht diesen Eisen- oder Lederschutz und ich habe auch nur wenige ihrer Waffen gesehen, aber für mich sind es Krieger. Sie bewegen sich zu geordnet für Händler oder Siedler. Und etwas weiter weg, möglicherweise auf ihrem Weg, habe ich zerstörte Siedlungen gesehen, in der nächstgelegenen rauchten noch die Reste ihrer Holzhöhlen." -

„Auch wenn ich mich wenig in die inneren Streitigkeiten der Menschen einmischen möchte, aber das ist Drachenland, mein Land. Da werde ich solche Handlungen, die einer Eroberung gleichkommen, nicht dulden. Ich werde Jaya anweisen, Späher auszusenden. Wir haben jetzt genug flugfähige Draccier für solche Aufgaben. Ich danke Dir für Deine Beobachtung meine Wolke."

Jetzt züngele ich zärtlich hinter ihren zierlichen Wangenfinnen und blase den Atem aus meinen Nüstern über die auch bei ihr dort sehr empfindsamen Schuppen. Sie schließt die Augen und lässt ihr sanft gurrendes Knurren hören, das auch höchstes Wohlbefinden bekundet.

Ohne die Augen zu öffnen und weiter gurrend berichtet sie weiter.

„Dann habe ich noch einen Fremden bemerkt. - Mhhh. - Ein Drache, Männchen. Kurz gesehen, hat sich versteckt. - Aaah - Weiß nicht, ahne Revierkampf. - Mmmmh. - Vorsicht, Geliebter..."

Die Zwischentöne waren mehr ein hörbares Atmen, als wirkliche Lautäußerungen, sie atmet jetzt tief.

„Eigentlich wünsche ich mir, dass Du weitermachst - auch an anderen Stellen... Aber heute ist Taschas Tag, bitte, sei gnädig, mein geliebter Gebieter." -

Ich blase noch einmal lange die Luft aus meinen Nüstern hinter ihre Wangenfinnen, das Züngeln habe ich gleich eingestellt. Bedauerlich, aber sie hat Recht, zudem sind wir nicht alleine.

Nach einem abschließenden kurzen Züngeln über ihre Nüstern, sehe ich sie an. Aber sie kommt noch nicht zur Ruhe, reißt ihre Augen auf und starrt mich an, in ihren Augen leuchtet pure Verwunderung.

„Eldingar... Dein Schwanz." flüstert sie.

Ich drehe erstaunt meinen Kopf. Ja, mein Schwanz umschlingt ihren jetzt fest, das habe ich vorhin gleichzeitig mit dem Züngeln fast unbewusst gemacht - und habe mich dann bemüht, die gleichen Vibrationen auszuführen, wie vorhin Tyria. Jetzt wird mir bewusst, dass ich es kräftiger, intensiver, geradezu fordernd mache. Ich ahne, dass Tyria diese starken Vibrationen deutlicher und wohl auch tiefer in ihrem Körper spürt, als ich vorhin. - Soll ich jetzt wirklich aufhören? Ihre Augen sagen nein - aber ihr leises

„Eldingar, nicht jetzt..."

nimmt mir die Entscheidung ab. Nein, es ist nicht angebracht, dass wir uns hier, praktisch öffentlich und vor einem Fremden, der Paarung hingeben. Zudem ist Tyria momentan noch nicht in der Stimmung zu einer Paarung, ihr Ton war doch etwas scharf.

Sofort beende ich die Vibrationen und löse den festen Griff meines Schwanzes, lasse ihn aber locker um ihren gewunden.

Tyria schließt ihre Augen und atmet ein paar mal tief durch. Dann sieht sie mich an, in ihren Augen brennt eine undefinierbare dunkle Glut.

„Wenn ich geahnt hätte, was daraus wird, als wir Dir zeigten, wie Du Dich als Drache bewegen musst... - Große Erce, wir haben ein Ungeheuer erschaffen..." Ihr Ton ist schwer definierbar, wirkt fast vorwurfsvoll. Sie spricht nur zu mir, die anderen bekommen unser Gespräch nicht mit.

Ich lege meine Nüstern gegen ihre, atme ihren überraschend heißen Atem ein.

„Verzeih mir, meine Wolke. Es war keine Absicht. Ich würde Dich nie bewusst so in der ffentlichkeit..." -

Ein kurzes Schnauben mit deutlichem Geruch ihres Feueratem lässt mich verstummen.

„Oh, verzeih, ich... - Nein, entschuldige Dich nicht. Ich freue mich, wenn wir Deinen Schwanz wecken konnten."

Tyria hebt ihren Kopf und reckt sich ein wenig im Liegen. Sie löst ihre Umarmung, dann spricht sie laut, für alle hörbar.

„Ich wünsche Euch eine erfolgreiche Jagd. Und achte auf den fremden Drachen, Eldingar. Ich fürchte zwar nicht um Dich, aber eine Narbe in Deinem Nacken oder im Gesicht möchte ich nicht so gerne sehen." -

„Du hast wieder einmal Recht, meine geliebte Wolke."

Ich stehe auf und recke mich erst einmal ordentlich. Meinen Schwanz löse ich dabei sanft von Tyrias, die einfach liegenbleibt und mich mit einem undefinierbaren Blick ansieht.

„Also auf, Atum, Padmini... lasst uns Beute machen. Und diesen Drachen nebenbei suchen. Wenn er einen Revierkampf will, soll er ihn bekommen. - Interessant, wenn er meint, besser zu sein, als Eldflóð." -

Ich mache mich auf den Weg nach draußen, nach Drachenart nicht weiter auf Tyria achtend. Padmini folgt mir auf dem Fuß, Atum ebenfalls, nach nur kurzem Zögern und einer kurzen Verneigung gegenüber Tyria.

Die nickt nur leicht zur Antwort und legt dann ihren Kopf wieder auf ihre Hand. Ihre Stimmung ist merkwürdig, plötzlich kippte es, fast habe ich das Gefühl, sie ist zornig auf mich. Na sie wird wohl direkt ins Bad gehen, um sich im Becken wieder zu sammeln. Kurz schießt mir durch den Kopf, ob es nicht ein Widerspruch ist, wenn ein Feuerdrache so das heiße Wasser genießt wie sie. Aber 'heiß' ist wohl ein wichtiger Punkt dabei.

Draußen atme ich erstmal tief durch. Der größte Trubel ist vorbei, die Menschen sind wieder weg und es ist deutlich ruhiger jetzt. Jaya hat die Neuen vorerst zum Bergen der Vorräte eingesetzt und weist einen von ihnen in irgendetwas ein, wie es scheint. Sie bemerkt an meinem Blick, dass ich etwas von ihr möchte und kommt schnell zu mir.

„Tyria hat berichtet, dass unten in der Ebene zum Ganga eine größere Gruppe Menschen unterwegs ist. Sie vermutet an ihrer Marschordnung, dass es Krieger sein könnten. Und sie hat weiter weg zerstörte Siedlungen gesehen. Das könnten diese Krieger gewesen sein. Setze bitte Späher ein, um diese Gruppe zu beobachten. Aber nur beobachten und möglichst nicht entdeckt werden. Wir werden dann weitersehen. - Ich werde jetzt kurz zur Quelle fliegen um nach Nachrichten zu sehen und dann mit Atum und Padmini ein wenig jagen gehen. - Ach so. Tyria hat auch einen Drachen bemerkt, von dem sie vermutet, dass er auf einen Revierkampf aus ist. Legt euch nicht mit dem an, das übernehme ich dann schon. Es scheint auch keiner der etablierten Großen zu sein, denn den hätte sie sicher erkannt." -

„Ja, ich verstehe. - Nala!"

Der Draccier, mit dem sie eben gesprochen hatte, ist mit schnellen Schritten neben ihr, entbietet mir eine kurze militärische Verneigung und richtet dann seine Aufmerksamkeit auf Jaya. -

„Herrin." -

„Du hast mitgehört?" -

„Ja Herrin. Menschenkrieger finden und unauffällig beobachten. - Hat Isha Rajesh eine Richtungsangabe für mich?" -

Ich zeige in die Richtung, die Tyria mir bedeutet hat.

„Dort, etwa auf halben Weg zum Ganga. - Ah, ich sehe dort auch schwach den Rauch einer niedergebrannten Siedlung, die auf ihrem Weg gelegen hat." -

Er sucht den Horizont in der Richtung ab.

„Verzeih Herr, so gut wie ein Drache sehe ich leider nicht."

Ich zeige in die Richtung, wo ich - schwach - den Rauch erkenne. Es sind nur die schon verwehenden hochreichenden Spitzen der Rauchfahnen, die von hier oben gerade noch zu sehen sind.

Er sucht wieder, schüttelt kurz den Kopf und stellt sich dann unter meine Hand um genau die Richtung zu finden.

„Ah, doch, ganz schwach, aber jetzt erkenne ich sie."

Ich bemerke, wie er sich ein paar markante Punkte auf der Strecke einprägt. So behält er die Richtung, auch wenn der Rauch sich auflöst oder er ihn wieder aus den Augen verliert.

„Hast Du noch Befehle Herr, Herrin?"

Jaya schüttelt den Kopf. Aber ich habe noch ein paar Anweisungen.

„Wie gesagt, nur beobachten. Egal was passiert, nicht einbeziehen lassen, notfalls zurückziehen. Und spätestens zum Einbruch der Dunkelheit wieder hier, auch wenn Du sie nicht findest. So wichtig ist es nicht, ich möchte nur Gewissheit, was das für eine Gruppe ist - wenn möglich. - Ich möchte keine harmlosen Händler angreifen. Und diese Information lässt sich auch später noch beschaffen, aber vielleicht rettet eine frühe Information die eine oder andere Siedlung." -

Er sieht mich mit leichter Verwunderung an.

„Ja Herr, ich verstehe. Ich werde Dir bei Sonnenuntergang berichten."

Nala tritt einen Schritt zurück, verneigt sich knapp mit der rechten Faust auf der Brust. Er dreht sich um, sprintet los und breitet dabei seine Schwingen aus, nach ein paar Schritten hebt er mit leichten Schwingenschlägen auch schon ab und nimmt direkt Kurs auf die festgelegt Richtung. Schnell erkenne ich, dass Jaya mit Nala eine gute Wahl als Späher getroffen hat, nicht nur, dass er recht groß und kräftig ist - er könnte auch als Drakarin-Anthro gehalten werden - und dazu ein guter Flieger, wie ich bemerke, er wird die Strecke leicht bewältigen können - auch seine blaugrauen Schuppen tarnen ihn gegen den Monsunhimmel sehr gut.

„Führst Du immer so, Herr?" - fragt Jaya mich.

„Wie denn?" -

„Du gibst Informationen und Gründe für Deine Entscheidungen. Das kennen wir hier nicht - besonders wir Draccier werden nicht über den Grund eines Einsatzes in Kenntnis gesetzt." -

„Ach das meinst Du. Ich war eine Zeitlang Soldat drüben, in einer Armee in der praktisch jeder eine Zeitlang Dienst leisten musste. Diese Armee sollte nur gegen einen möglichen Angriff verteidigen und musste lange nicht kämpfen. Da habe ich gelernt, dass es einfacher ist, diese unfreiwilligen Krieger mit Hintergrundwissen zu führen, als ihnen Befehle zu geben, deren Sinn sie nicht verstehen." -

Jaya schüttelt lächelnd den Kopf.

„Das ist nicht nötig, Herr. Wir Draccier wurden dazu erzogen, als Krieger Befehlen ohne Fragen zu gehorchen." -

„Du würdest also von einer Felsenklippe springen, wenn ich es befehle?" -

„Herr... Du weißt, ich kann nicht fliegen..." -

„Ja, ich weiß. Aber nach Deinen Worten müsstest Du ohne Zögern springen, wenn ich es Dir befehle." -

Sie sieht mich entsetzt an.

„Äh... ja... Aber - Herr, welchen Sinn hätte das?" -

„Aha, siehst Du? - Keine Sorge - wenn, dann hätte ich einen guten Grund dafür und würde ihn Dir auch nennen. Aber im Moment fällt mir kein sinnvoller Grund ein."

Mein Augenzwinkern erleichtert sie sichtlich.

„Über das Thema sprechen wir ein anderes Mal weiter. - Bitte sei Dir sicher, dass ich nicht vorhabe, jemand sinnlos in den Tod zu schicken. Wenn es möglich ist, nicht einmal mit einem guten Grund. - Wir werden jetzt ein wenig jagen, ich bin zwar etwas mehr gewohnt, als die anderen Großen, aber hier war vorhin doch sehr viel los aus der Sicht eines Drachen. Und eine Jagd wird etwas Druck abbauen, ich habe nämlich gerade große Lust, euch mit ein paar Blitzen Beine zu machen..." -

„Herr...?" -

Jaya blickt mich wieder zweifelnd an.

„Ach Du weißt doch, wir Drachen sind lieber alleine. Wir Alten sind da eher noch radikaler, für unsere Weibchen tun wir alles und lassen sie kaum los - alle anderen werden gnadenlos weggebissen, wir sind da schon extreme Einzelgänger. Zudem gab es noch keine anderen intelligenten Völker, wie Menschen, Draccier oder Drakarin, auf die wir hätten eingehen müssen. Es fällt mir zunehmend schwerer, meinen Zorn zu beherrschen, obwohl mir bewusst ist, dass es keinen Grund gibt, wütend zu werden. - Die Emotionen eines Drachen sind sehr stark und mir fehlt noch die Übung darin, sie zu kontrollieren. Dass ich mich jetzt nicht so mit Tyria beschäftigen darf, wie ich gerne würde, steigert meinen Zorn zudem, denn ihr alle seid der Grund dafür... Würde ich nicht Padmini immer wieder auf meinen Schuppen spüren, hättet ihr wohl schon ein kräftiges Gewitter erlebt..." -

„Oh, ich verstehe. Eine gute Jagd, Isha Rajesh."

Sie sieht besorgt zu mir hoch. Aber es ist nicht Furcht vor mir, denn ich habe mich noch unter Kontrolle und in ruhigen, freundlichen Ton gesprochen, sondern mehr Furcht um mich.

Ich wende mich an Atum, bemerke dabei aber, wie Jaya zu Padmini geht, sie an den Oberarmen greift und ihr intensiv in die Augen blickt. Nach einem Moment nickt Padmini nur, sie umarmen sich und dann geht Jaya weiter zu den Kriegern, die weiter die Vorräte in die Höhlen bringen. Ich muß wohl mal nachfragen, was die alles eingekauft haben, verbrauche ich soviel...?

Aber jetzt erstmal die Jagd.

„Atum, alter Freund. Ich möchte erst kurz zur Quelle um nach Nachrichten für mich zu sehen, dann können wir weiter. Hier im Umfeld ist zwar auch noch Wild, wir haben uns bisher zurückgehalten mit dem jagen hier, aber ich denke wir sollten ein wenig weiter in die Berge hinein." -

„Natürlich. Wohin meinst Du? Ich würde dann schon vorgehen denn brauche ja ein wenig, zwar bin ich schneller als ein Pferd - was die Ramessiden stets wurmte, weil ich ihre Streitwagen immer hinter mir ließ - aber gegen euch Flieger bin ich doch im Nachteil." -

„Du hast mich früher so oft getragen, da kann ich doch jetzt mal Dich tragen. Wenn es Dir nichts ausmacht, wenn ich dich in der Hand trage, auf dem Rücken ist es für einen Nichtflieger etwas riskant, auch wenn ich glaube, dass Du kräftig genug bist, um Dich an meinen Schuppen festzuhalten. ... Zudem... nunja, Drachen lassen sich nicht reiten... außer von ihren Nestlingen - und ich mache noch eine Ausnahme für meine Weibchen." -

„Oh, ich wusste nicht, dass Du mich tragen würdest - macht Ihr Drachen sowas denn?" -

„Zugegeben eher selten. Wir meiden eigentlich den direkten Kontakt, besonders mit anderen Völken. Aber in der Hand tragen ist akzeptabel, auf dem Rücken reiten ist unseren Nestlingen vorbehalten." -

„Magst Du mir erklären, warum, Raho... äh wie soll ich Dich eigentlich ansprechen? 'Kleiner', so wie früher, ist irgendwie unpassend."

„Isha Rajesh, Lord oder Lordpaladin."

grinsend sehe ich ihn an, wie er die Augenbraue hochzieht, was ihn aber gleich wieder einen eher zweifelnden Blick aufsetzen lässt.

„Keine Sorge, ich grinse nur. Löwe schmeckt mir nicht. - Nein, ich heiße Eldingar, aber für Dich auch gerne Rahotep, wie es Dir lieber ist, alter Freund. - Was das reiten angeht... es ist irgendwie immer eine Art Unterwerfung, sich reiten zu lassen. Für uns sogar, wenn der Reiter sich nur krampfhaft festhält und keinerlei Einfluss hat. Für unsere Nestlinge sind wir bereit, es zu akzeptieren - ich dazu gegenüber meinen Weibchen, aber sonst unterwerfen wir uns niemandem. Ich würde nicht einmal Eldflóð akzeptieren, dem ich Gehorsam geschworen habe. - Nebenbei sind nur Drachen in der Lage, sich da oben längere Zeit festzuhalten, die Luft strömt doch sehr kräftig über unsere Schuppen beim Flug." -

„Ah, so ist das. Ja, das kann ich verstehen, es geht mir ähnlich. Dir als meinem Welpen habe ich Dinge durchgehen lassen, für die ein anderer meine Krallen in seiner Brust gespürt hätte. Ja, ich lasse mich gerne von Dir in der Hand tragen, mein kleiner Rahotep."

Er grinst bei den Worten breit, denn der 'kleine Rahotep' sieht gerade aus zwölf Metern Höhe auf ihn hinunter.

„Wirst Du so jagen? Treibst Du uns die Beute zu?" -

Ich schüttele den Kopf.

„Nein, manche von uns jagen lieber als Anthro, die Erfahrungen dabei sind intensiver, direkter." -

„Dann brauchst Du aber noch Waffen." -

„Die habe ich schon dabei. - Es mag Dir merkwürdig vorkommen, aber wir Drachen bevorzugen die alte Methode unserer Ahnen." -

„Du meinst mit Krallen und Zähnen? Wie ein Raubtier?" -

„Ja. Schließlich waren unsere Vorfahren die Spitzenprädatoren in dieser Welt. Und auch in uns steckt noch das Raubtier, der Jäger." -

„Aber Du warst doch ein Mensch?" -

„Ja, richtig. Aber der Drache in mir ist stärker und dominiert, wenn es um die Jagd geht. Und ich genieße es, auch als Mensch." -

„Du tötest gerne?" -

„Ich weiß es nicht. Die Sinne eines Drachen lassen mich das Sterben der Beute sehr intensiv miterleben, ein Gefühl der Macht und der Stärke. Gleichzeitig ist mir die Verantwortung dafür sehr bewusst. Ich töte also nicht leichtfertig. Aber ich muss gestehen, dass mich die Emotionen, die damit verbunden sind, sehr erregen - positiv erregen." -

Atum nickt nachdenklich.

„Ja, das kann ich verstehen, auch ich kenne die Macht, die davon ausgeht. Auch wenn ich sie vielleicht nicht so direkt spüre. - Hast Du schon getötet?" -

„Nur Beutetiere beim Jagen, sonst noch nicht - nicht in diesem Leben. Aber es wird sich sicher nicht vermeiden lassen. - Ich ahne, dass ich mich um die Krieger noch intensiver kümmern muss, wenn sie wirklich mordbrennend durch mein Land ziehen." -

„Entschuldige, ich wollte nur sichergehen, ob Du Dir darüber im klaren bist, dass ein Drache hier nicht nur Beschützer ist. Ich habe oft genug gesehen, wie ein Drache Feuer und Tod über die Menschen gebracht hat. Am Anfang hat es mich erschreckt, ich sah in den Drachen nur Schreckensherrscher - auch ein Grund, warum ich sie immer gemieden habe. Mit der Zeit habe ich dann auch gesehen, wie der selbe Drache den Menschen wieder geholfen hat - und mit der Zeit und langen Beobachtungen habe ich dann begriffen, dass ihr diese Welt schützt und die technische Entwicklung streng kontrolliert. Auch wenn das bedeutet, dass manchmal Bewohner dieser Welt sterben müssen, weil sie begonnen haben, ihr Schaden zuzufügen. - Aber auch das hat mich bewogen, mich von euch fernzuhalten: ich stamme nicht aus dieser Welt, habe umfassende technische Kenntnisse bis über das Atom hinaus, bin also eine potentielle Bedrohung... - Es hat einige Tage gedauert, bis ich mich entschieden hatte, vor Dich zu treten - in der Hoffnung, dass Du mich nicht sofort röstest..." -

Grinsend schüttele ich den Kopf.

„Wie ich schon sagte: rösten fällt aus, dafür muß Tyria mir schon zur Hilfe kommen. Und Du hast sie ja eben erlebt, sie war nicht nur wegen mir so friedlich Dir gegenüber. Diese Welt zu schützen bedeutet nicht, alles fremde zu vernichten. Auch nicht, alles technische zu unterdrücken, wir Drachen haben nur zuwenig technische Kenntnisse, um das richtig einordnen zu können - da haben wir wohl oft zu hart reagiert. Auch deswegen hat Erce mich zurückgeholt, eine maßvolle technische Entwicklung, die im Einklang mit der Natur und dementsprechend mit dem Lebensstrom bleibt, soll zukünftig den Völkern das Leben erleichtern. Es war nie Auftrag der Drachen, alles fremde zu vernichten, nur weil es fremd ist. Sie hätten Dich neugierig bis aufmerksam beobachtet, aber wenn Du keine Gefahr darstellst, hätten Sie Dich auch in Ruhe gelassen. Und Du hast Dich ja offensichtlich immer so verhalten, sonst hätten sie Dich gesucht und auch gefunden, mache Dir da bitte keine Illusionen. - Aber nun lasst uns aufbrechen, sonst muss Sálleiðtogi mir helfen, die Kontrolle zu behalten..."

Ich halte ihm meine rechte Hand hin, kurz zögert er.

„Äh, Sálleiðtogi muß Dir helfen? Darf ich fragen, wie? Sie ist doch nicht hier, oder doch? - Hmm, ich denke hinlegen ist das Beste, oder?" -

„Ja, dann kann ich Dich am besten halten. - Sálleiðtogi hat sehr starke mentale Kräfte. Und mit mir verbindet sie ein besonders starkes Band. Es ist sicher so vorherbestimmt worden, aber trotzdem sind unsere Seelen, Du würdest vielleicht eher sagen unsere Bewusstseine, so eng miteinander verbunden, dass wir jederzeit miteinander unsere Gedanken austauschen können. Sie kann mir so helfen, meine Drachenseele zu kontrollieren - schließlich ist sie auch ein Drache." -

Atum macht es sich auf meiner Handfläche bequem und ordnet seine Waffen, damit sie mich nicht stören.

„Aber sie ist noch sehr jung, wenn ich es richtig verstanden habe..." -

„Ja, richtig, sie ist jetzt ungefähr vor zwei Jahren geschlüpft. Aber Drachen sind sehr schnell in ihrer geistigen Entwicklung, allerdings ist sie wohl auch von Erce gefördert worden. Ich habe vorhin über sie mit Fjörgyn Kontakt gehabt, sie haben mit Eldflóð besprochen, dass sie hier die Zeit ihrer familiären Trennung verbringen darf, wenn sie eine eigene Höhle bewohnt." -

„Oh, Deine Schwester darf die Zeit bei Dir verbringen? Ist das nicht ungewöhnlich?" fragt Padmini mich.

„Ich meine, für euch Große. Da seid ihr doch sehr rigoros gegen eure Nestlinge. Sie sollen lernen, für sich alleine zu sorgen, wenn ich das richtig weiß..." -

„Ja, das ist schon richtig. Wohl ein Überrest aus meiner Zeit, in der die Nestlinge im zweiten Lebensjahr von ihrer Mutter vertrieben wurden und selbständig leben mussten. Durch unser Wildblut waren wir damals aber noch ein wenig schneller reif, als die Nestlinge heute. -

Sálleiðtogi darf in meinem Reich leben, weil ich mich wegen des Blutes von Fjörgyn zwar als ihr Bruder fühle, nach den Regeln aber ein Fremder bin." -

Atum sieht mich interessiert an.

„Du selber siehst dich als ihr Bruder?" -

„Ich habe durch Erce wieder den Körper von einem Alten, einem der Ersten Drachen, der ich früher einmal war, erhalten. Dazu war das Blut von Fjörgyn in mir wichtig, eine Art Katalysator, vielleicht ist ein kleiner Teil meiner Gene auch von ihr. Aber auch von dem Menschen ist wohl noch ein wenig enthalten, viele können einen leichten menschlichen Geruch, der sich von den Menschen hier unterscheidet, an mir wahrnehmen. Genetisch bin ich mit Sálleiðtogi und Fjörgyn sicher ein wenig verwandt, aber schon weit außerhalb familiärer Grenzen. Es ist nur, wenn ich Fjörgyn oder Sálleiðtogi rieche, dann rieche ich das Blut, das Fjörgyn mir gab und das noch in meinen Adern fließt. Daher mein Eindruck von familiärer Zusammengehörigkeit, aber die beiden haben mich wenigstens seit ich ein Drache bin, auch wie ein Familienmitglied behandelt. Für Sálleiðtogi war ich wohl schon fast von Anfang an so etwas wie ein älterer Bruder. - Aber selbst wenn ich die Hälfte meiner Gene von ihr hätte, gelte ich für diesen Fall doch als Fremder, weil ich nicht aus einem Ei von Fjörgyn geschlüpft und nicht bei ihr aufgewachsen bin. So besagen die Regeln wohl, dass Sálleiðtogi sich bei mir ansiedeln darf. " -

Atum grinst,

„So ein wenig macht ihr euch die Regeln auch passend, oder?" -

Ich zucke nur grinsend mit den Schultern und schließe meine Hand vorsichtig. Er rückt sich noch ein wenig zurecht.

„So ein wenig fühle ich mich jetzt wie ein Welpe, der sich schutzsuchend bei Dir versteckt..." -

„Da wo Du jetzt bist, kann Dir praktisch nichts in dieser Welt etwas anhaben - ob Tyria oder Taifun."

Er lacht über meine Auswahl. -

„Ich glaube Dir, dass sie nicht wirklich so schrecklich ist." -

„Gut, dann lasst uns zur Quelle starten, auch wenn das nur ein kleiner Hüpfer ist." -

Padmini zupft mir an den Schuppen meiner linken Hand.

„Verzeih Herr, was ist ein Katali...?" -

„Ein Katalysator. Ein Mineral oder Metall, das hilft damit andere Stoffe miteinander reagieren können und das dabei unverändert bleibt. - Ich weiß, das ist auch nicht verständlicher, aber irgendwann wirst Du wissen, was gemeint ist. - In meinem Fall ist auch mehr die unterstützende Wirkung bei meiner Wandlung gemeint, nicht unbedingt, dass ihr Blut unverändert bleibt." -

„Ich verstehe. Du musstest etwas aus dieser Welt in Deinem Körper haben, damit die Kraft Erces auf Dich wirken konnte." -

„Zweifele ja nicht wieder an Deiner Intelligenz. Genau so ist es. - So nun aber los." -

„Ich muß nochmals um Verzeihung bitten, ich habe Bogen und Pfeile vergessen. Ich hole sie schnell und komme nach." -

„Bogen? Willst Du mit einer Waffe jagen?" -

„Wie sonst, Herr? Ich habe immer mit dem Bogen gejagt, manchmal mit dem Speer." -

„Wie wäre es mit Deinen eigenen Waffen?" -

„Herr?" -

„Menschen brauchen Waffen zum Jagen. Ihre Körper sind eigentlich nicht zum Jagen geschaffen, nur ihr Geist und ihre Erfindungsgabe macht es ihnen möglich. Du bist eine Drachin, wir schlüpfen als Jäger." -

„Aber Herr..." -

„Nichts 'aber'. Du hast alles, was Du brauchst. Hab Vertrauen, wenn ich mit meiner menschlichen Seele wie ein Drache jagen konnte, wirst Du es auch können." -

„Wie Du wünscht, Herr..." kommt etwas unsicher zurück.

Hab Vertrauen, meine Kleine. Du bist mehr Drache, als ich es bei meiner ersten Jagd war.

Ich hebe meine Rechte zur Brust, drehe mich in den Wind und breite meine Schwingen aus. Auch heute ist der Wind kräftig genug, um mir sofort ausreichend Auftrieb zu bieten und mit einem leichten Hüpfer bin ich schon in der Luft.

Padmini braucht ein, zwei leichte Schwingenschläge, ist aber auch problemlos hinter mir in der Luft. Schnell holt sie auf um sich auf meiner linken Seite, etwas über mir, kurz hinter meinem Kopf zu positionieren. Sie muss zwar mehr tun bei gleicher Geschwindigkeit, was an unserem Größenunterschied liegt, aber sie ist sehr schnell und hält gut mit mir mit. Ich vermute, dass sie problemlos 200 km/h und mehr erreichen kann, mit mir als Anthro also durchaus mithalten kann.

Da ich die Aufwinde nutze, fliege ich einen weiten Bogen, spare mir so aber die Schwingenschläge und auch Padmini gleitet hauptsächlich und legt nur einige schnelle Schläge ein um die Geschwindigkeit zu halten. So sind wir in zwei, drei Minuten über der Quelle, wo ich langsam die Landung einleite und mit einem ruhigen Schwingenschlag aufsetze. Padmini folgt nach einer kleinen Warteschleife und landet neben meiner rechten Hand, die ich wieder auf dem Boden geöffnet habe, damit Atum absteigen kann. Der flankt von meiner Handfläche und sieht dann zu mir hoch.

„Überraschend bequem, so von Dir getragen zu werden. Und ich hätte mehr Bewegung erwartet, Du fliegst sehr ruhig. Um ehrlich zu sein, ich hoffe, Dein Ziel ist weiter weg, denn das Fliegen, so losgelöst vom Boden dahinzugleiten ist ein alter Traum von mir, den ich mir leider bisher nicht erfüllen konnte." -

„Ich verstehe Dich, auch ich hatte diesen Traum mein Leben lang. Schon Rahotep träumte davon - natürlich unerreichbar. Nachdem die Menschen endlich entdeckt haben wie es geht, habe ich ein paar, teils recht kurze Leben als Pilot gelebt. Ich habe jetzt eine schwache Erinnerung an diese Flüge... Zuerst schon recht alt mit einer der ersten Flugmaschinen der Menschen, aber dieses Leben endete dann bald, ich glaube ein Reitunfall, dessen Verletzungen ich nicht lange mehr widerstehen konnte.

Dann als junger englischer Flieger im großen Krieg... zwar ein guter Pilot, aber leider nicht gut genug für einen Kampf mit dem roten Baron. Meine Erinnerung endet beim Luftkampf im Hagel seiner Geschosse.

Danach war ich Amerikaner - und ein guter Jagdflieger im zweiten Weltkrieg im Pazifik gegen die Japaner. Später noch Geschwaderführer in Korea. Aber da habe ich mir auch eine schwere Infektion eingefangen, die nie richtig ausheilte und der ich wenige Jahre später erlag.

Und dann kam schon mein jetziges Leben, in dem ich immer die Sehnsucht nach dem Fliegen hatte, nur nicht dazu kam. Wenn Erce es beeinflussen konnte, dann war das Ziel wohl eher eine möglichst gute Allgemeinbildung, weniger ein Krieger. Jetzt so im Vergleich zu den drei vorherigen Leben, war mein jetziges sogar ausgesprochen langweilig - bis ich Sálleiðtogi getroffen habe." -

Padmini gnibbelt schon wieder an meinem Finger, wohl ein Ausdruck ihrer gespannten Neugier.

„Menschen die fliegen... wie geht das? Sie haben doch keine Schwingen..." -

„Technik..." wirft Atum kurz ein. -

Ich nicke.

„Richtig. Die Menschen haben erkannt, warum Vögel fliegen können und haben das nachgebaut. Aber diese Flugmaschinen können nur mit Geschwindigkeit fliegen und die erreichen sie völlig anders als wir. - Aber mittlerweile sind ihre Flugmaschinen schneller als ein Drache - und dazu haben sie in den letzten hundert Jahren Waffen entwickelt, die auch uns gefährlich werden können." -

„Auch euch Großen?" Padmini ist fast erschreckt. -

„Ja, auch uns Großen. Wir sind wendiger und der Feueratem der anderen ist immer noch vernichtend für sie, aber sie fliegen schneller und haben Waffen, die aus größerer Entfernung eingesetzt werden können, ohne an Kraft zu verlieren und die unsere Schuppen durchdringen können. Eine Zeitlang werden wir uns gegen sie halten können, aber es sind zu viele und sie haben zu viele dieser Waffen, irgendwann ermüdet auch ein Großer Drache..." -

„Und deshalb verhindert ihr, dass die Menschen hier Maschinen bauen." -

„Der wesentliche Grund liegt darin, dass die Menschen drüben sich vom Strom des Lebens abgewandt haben - und zwar schon seit sie begonnen haben, Hilfsmittel, oder Werkzeuge, zu nutzen, ob nun Holz, Horn oder Stein. Hier leben sie noch im Einklang mit dem Lebensstrom, auch wenn sie bereits einfache Maschinen nutzen. Aber wenn sie die Technik weiter treiben, werden sie bald anfangen, mehr zu nehmen, als sie zurückgeben können - und das ist unsere Aufgabe hier, diese Welt davor zu schützen. - Nebenbei schützen wir uns so selber." -

Atum hat einen 'Aha-Moment'.

„So ist das also. Ich dachte immer, die Drachen verhindern einfach jeden technischen Fortschritt hier, um diese Welt beherrschen zu können. Und dass die einfache Technik, die sich in den Jahrhunderten entwickelt hat, nur eurer Aufmerksamkeit entgangen ist." -

„Wobei Du nicht ganz unrecht damit hast, dass wir weitgehend jede Technik zu verhindern suchen. Drachen haben kein Verständnis für Technik, sie können nicht unterscheiden, was harmlos für diese Welt ist und was gefährlich werden könnte. Also verhindern sie möglichst jeden Fortschritt - aber ein wenig ist doch durchgekommen, denn Wind- oder Wassermühlen sind ja auch Technik wenn auch harmlos für das Leben, nur verstehen Drachen einfach nicht was das ist, was die Menschen damit machen - ich denke, viele wollen sich damit auch nicht beschäftigen. Erce hat dafür gesorgt, dass sie diese Technik akzeptieren, wenn auch widerwillig. - Ich wurde entsandt um dieses Verständnis für Technik zu erlangen und hier den Menschen eine vorsichtige Entwicklung zu ermöglichen. - Aber auch, um zu lernen, wie Menschen Kriege führen, weil dieses Wissen vielleicht bald gebraucht wird - bald nach dracoiden Maßstäben. Das kann in hundert, oder in tausend Jahren sein."

Beide sehen mich mit einer Mischung aus Verstehen, Bedenken, Neugier und Verwunderung an.

„So, genug davon. Ich will jetzt sehen, ob Nachrichten für mich da sind."

So, wie wir hier stehen und Padmini immer noch meine rechte Hand, bzw. einen Finger, in Beschlag nimmt, was ich leicht belustigt dulde, lange ich einfach mit meiner linken Schwingenhand zur Quelle und nehme den Kontakt zum Energieknoten auf. - So langsam beginne ich mein zweites Armpaar in mein Bewusstsein aufzunehmen und zu nutzen - außer dem Fliegen natürlich. Auch wenn die langen Fingerknochen und die Flughaut die Möglichkeiten einschränken, sind auch diese Arme zu vielen Dingen zu gebrauchen. Beispielsweise ist der Daumen so beweglich, dass wir trotzdem recht gut mit unseren Flughänden etwas greifen können.

Für mich sind nur zwei Nachrichten interessant: Kyrin bittet mich um Verzeihung, dass sie ihren Besuch noch um einige Tage verschieben müssen. In seinem Revier gibt es Probleme, auf die er erst noch eingehen möchte, ehe er für einige Tage bei mir das Leben eines Landdrachen führen möchte, wie er scherzhaft meint. Und Alissia möchte nicht ohne ihn zu mir kommen - ihre Einstellung uns Landdrachen gegenüber verhindere dieses, wie er bedauernd anführt. Ein Treffen direkt am Meer würde sie akzeptieren, aber ein paar Flugstunden über Land zurücklegen und dort dann ein oder zwei Tage bleiben, wird sie nur in seiner Begleitung. So neugierig auf mich ist sie auch nicht - schließlich bin ich am Ende doch nur ein 'einfacher Landdrache'. Deutlich fühle ich seinen Ärger und seine Verlegenheit deswegen. -

Ich lasse ihn wissen, dass es mich nicht stört - ich werde dann in den nächsten Tagen mit Tyria eine Rundreise durch mein Revier antreten und mich melden, wenn ich wieder hier an meinem Hauptwohnsitz bin, dann schauen wir weiter. - Wenn Alissia sich so anstellt, kann ich gerne warten, sie zu treffen. Aber das sage ich ihm natürlich nicht.

Die andere Nachricht ist von Eldflóð. Er steht in Kontakt mit einigen Menschen in meiner alten Welt, die bereit sind, mir alles zu besorgen, was ich gerne hätte. Ich soll ihm eine Liste übermitteln, die er weiterleiten will. Um die Bezahlung - ihm ist das System anscheinend gut bekannt - soll ich mir keine Gedanken machen, er hat bei ihnen einiges an Gold und Edelsteinen deponiert, was er mir zur Nutzung überlässt. - Im Hintergrund schwingt deutlich mit, dass ich ja nicht auf die Idee kommen soll, es ihm zu erstatten. Ganz offensichtlich kennt er das Geldsystem der Menschen... - das die Drachen wiederum nicht interessiert. Nur ahnt er deutlich, dass ich noch nicht ganz davon frei bin, daher dieser Hinweis.

Wichtiger aber ist seine Information, dass er zusammen mit Fjörgyn unseren Besuch drüben vorbereitet, der schon in einigen Tagen stattfinden kann. Und seine Kontakte dort haben einen besonderen Energieknoten ausfindig machen können, der es Eldflóð ermöglicht, uns für kurze Zeit eine menschliche Form zu geben. Also ist die Lebensenergie drüben noch stärker, als ich vermutet habe, leider war mir das nicht bewusst, als ich noch dort gelebt hatte.

Diese Wandlung zu einem Menschen ist für uns zwar sehr unangenehm, aber die menschliche Form hat für mich doch einen großen Vorteil: Eldflóð und Fjörgyn sind gemeinsam zwar in der Lage, eine Illusion zu schaffen, wodurch jeder Mensch uns auch als Mensch sieht und erlebt, aber wir müssen dann immer zusammen bleiben und technische Einrichtungen, wie Kameras sehen uns trotzdem als Drachen, es ist eben eine Illusion - zudem sollten wir größere Gruppen auch meiden, da diese Illusion nur schwer auf viele aufzuteilen ist. Und ich müsste auch Körperkontakte vermeiden, da diese nur schwer zu tarnen sind. Da sind dann leicht mal die Schwingen bei einer Umarmung zu spüren oder statt Haut fühlen sie glatte Schuppen, die Augen sind leichter zu täuschen. Da ich mit meiner Familie dort sicher recht engen Kontakt haben werde und es den beiden einfacher machen will, bin ich bereit dazu, diese Wandlung durchzustehen, denn mich in diese Illusion mit einzubeziehen, ist für die beiden auch nicht gerade einfach.

Die mir mittlerweile vertraute Stimme, die von dem warmen,hellen Gefühl des Lebensstromes begleitet wird, klingt in meinem Bewusstsein auf.

Dir ist bewusst, dass diese Wandlung ohne meinen Einfluss sehr schmerzhaft sein wird? In beide Richtungen - wenn Du wieder zurück kommst." -

Herrin, Du zweifelst? Und bist trotzdem bereit mich gehen zu lassen?" -

Ja. Denn wenn ich Dich nicht gehen lasse, wirst Du nie richtig hier ankommen - Deine menschliche Seele ist sehr stark, auch wenn Du momentan den Drachen als stärker empfindest." -

Wenn nun meine menschliche Seele so stark ist, dass ich nicht zurückkehre?" -

Der Eindruck eines Lachen klingt in mir auf.

Du willst Dich als Mensch gegen Drachen durchsetzen? Du wirst ja von mindestens zwei begleitet werden... - Nein keine Sorge. Sie würden Dich nicht aufhalten, aber Du würdest auch keine Ruhe mehr vor ihnen haben. Sie würden immer wieder versuchen, Dich zu überzeugen hierher zu kommen. - Ich habe Vertrauen in Dich, mein Drache, Du wirst mich sicher nicht enttäuschen." -

Das ist ein ziemlicher Druck, den Du da aufbaust, Herrin..." -

Oh, verstehe das bitte nicht als Zwang. Ich vertraue Dir wirklich. Aber auch wenn Du nicht zurückkehrst, werde ich Dich nicht verstoßen, die Tür wird Dir offenstehen." -

Wird meine Seele dann wiedergeboren werden, wie bisher?" -

Nein. Wenn Du dort bleibst und als Mensch nach einem normalen Leben stirbst, wird Deine Seele hoffentlich in den Lebensstrom dort eingehen - aber vielleicht auch den mir unbekannten Weg gehen, dem so viele Menschen dort folgen." -

Ich verstehe. Also überlässt Du mir die Entscheidung, ob ich mein Leben als Mensch dort oder als Drache hier beende. Wobei ich zugeben muss, dass das Leben als Drache sehr reizvoll ist." -

Und es ist auch Dein ursprüngliches Leben. Alles, was ich Dir seit Deiner Rückkehr versprochen habe, bleibt bestehen, Deine Lebensuhr wird bei jedem Kontakt mit dem Lebensstrom zurückgesetzt. Dem Menschen kann ich höchstens noch ein wohlhabendes Leben bis zu seinem Tod sichern, weiter geht meine Macht dort nicht mehr. Eine Bestechung ist das schon, das gebe ich zu." -

Ich verstehe Herrin. Und ich werde daran denken, auch daran, dass mein Leben hier einen tieferen Sinn hat - den Du mir noch nicht wirklich verraten hast..." -

Wieder das Lachen in meinem Bewusstsein.

Mache Dir darüber noch keine Sorgen. Du wirst rechtzeitig erfahren, warum ich Dich jetzt geholt habe. - Nur soviel: auch ohne Deine Hilfe wird diese Welt weiterexistieren, aber es würde dann schnell eine Welt ohne Drachen sein." -

Ich verstehe, Herrin." -

Wie ich spüre, hast Du einen alten Freund getroffen und mitgebracht. Er hat sich nicht nur vor Euch Drachen versteckt, auch mich hat er immer gemieden. - Unnötig, ich habe ihm erlaubt, in diese Welt zu kommen, ihn beobachtet, wie er stets zur Hilfe bereit war, er ist schon lange auch ein Teil von mir. Viel kann ihm die Quelle nicht geben, aber wenigstens seine Kräfte werden sich schneller erholen durch die Lebenskraft. Und auch er kann über die Kraftknoten Nachrichten senden und empfangen - jetzt, nachdem ihr euch hier wieder getroffen habt, sollte er es nutzen. Denn er kann Dir helfen... - Ebenso Padmini, als Deine Vertraute sollte sie über die Knoten auch Informationen austauschen. Und auch sie wird sich an einer Quelle von Anstrengungen schnell erholen. Das war ihr übrigens schon von Anfang an gegeben, nicht erst seit sie Dich getroffen hat. Der Vater ihrer Mutter ist ein Drakarin, der lieber unter den Kriegern dieser Welt lebt." -

Er lebt noch? Wo?" -

Natürlich. Er hat die normale Lebenserwartung eines Drakarin, auch wenn er die Lebensspanne nicht an seine Draccier-Nachkommen vererben kann. Deswegen wandert er durch die Stämme, im Moment ist er im Süden. Bitte suche ihn nicht, er möchte weiter als Draccier gelten und meidet die Nachkommen seiner Kinder. Aber er beobachtet sie, er wird sicher stolz auf Padmini sein, dass Sie Dich 'erobern' konnte." -

Erobern? Herrin, wir paaren uns nicht."

Und doch seid ihr Partner. Keine Lebenspartner, aber ihr habt bereits jetzt eine Partnerschaft, eine liebevolle Freundschaft. Die beiden Dracci werden Dir in der nächsten Zeit helfen, wenn Du lernst den Drachen zu kontrollieren. Padmini mit ihrer treuen Nähe, Jaya mit ihrem Wunsch, sich mit Dir zu paaren." -

Und was ist mit Tyria und Natascha?" -

Tyria ist noch nicht soweit, in ihr beginnt bereits wieder der Wunsch auf Trennung zu wachsen, sie war zu lange Selbständig. Aber wenn Natascha Dich verlassen muss, wird Tyria für Dich bereit sein. - Keine Sorge, der Gedanke an Nachwuchs wird auch sie bald zu einem Ziel führen. - Und Natascha ist noch jung, jung und ungestüm. Sie wird am Anfang ihre Zuneigung zwischen Dir und Euren Kindern teilen, erst in ein- oder zweihundert Jahren wird sie sich Dir wieder mehr zuwenden. Zürne den beiden nicht, so seid ihr Drachen nun mal - nutze solange einfach die Möglichkeiten, die sich Dir bereits bieten. Padmini hat bereits begriffen, dass Du die rein körperliche, aber auch seelische Nähe eines Weibchen brauchst - Ihre Nähe brauchst - um die Kontrolle zu behalten. Jaya würde es sicher auch machen, aber sie hat einen Partner - so merkwürdig es Dir erscheinen mag, da sie es ist, die sich mit Dir paaren möchte. - Und mache Dir keine Gedanken wegen Tyria. Ihr ist bewusst, dass die beiden Dracci Dir den Weg ein Drache zu werden, sehr erleichtern. - Sie fürchtet den Drachen in Dir immer noch ein wenig, aber sie liebt Dich wirklich. Selten hat ein Drache so starke Gefühle für einen anderen empfunden, ich spüre deutlich die Erschütterung in der Lebenskraft, die starke positive Welle, die ein Drache erzeugen kann - die positiven Wellen, die ihr beide erzeugt." -

Verzeih Herrin, warum erklärst Du mir das alles - ich bin dankbar dafür, aber wenn ich höre, dass Du vor meiner Ankunft noch nie mit einem Drachen direkt gesprochen hast... - Dabei hast Du damals doch zu uns noch gesprochen, wenn ich mich richtig erinnere." -

Ich habe damals einen Fehler gemacht. - Þórr, Du warst der letzte Drache, den ich geschaffen habe, die anderen, älteren hatten bereits Nachwuchs und ich brauchte keine weiteren Drachen erschaffen. Mit Dir habe ich versucht, mir ein Kind zu erschaffen, mein lebendes Selbst, wenn auch als Männchen. Und dann warst Du der einzige, der meinem Ruf folgte und bereit war, die endlose Schleife von Menschenleben zu ertragen... Selbst ich bin nicht frei von Emotionen, Dir war ich dankbar, aber von den anderen war ich enttäuscht und verbittert - und habe mich dann nach Deinem Fortgang zurückgezogen, den direkten Kontakt zu den anderen Drachen abgebrochen. Ich habe sie viele zehntausende Jahre sogar wie Marionetten behandelt, mein Zorn währt lange..." -

Und nun bin ich wieder hier..." -

Aber nicht nur deswegen. Ich habe verstanden, dass ich mit meinen Geschöpfen sprechen muss, damit sie diese Welt führen können. Ich brauchte viel Zeit dazu und habe mit Träumen und Eingebungen angefangen. Und Du hast mir gezeigt, dass es Zeit ist, wieder direkt zu und mit ihnen zu sprechen. Es wird langsam beginnen, zuerst werde ich zu denen sprechen, mit denen Du Kontakt hast. Also Deine Familie und Eldflóð, dazu Kyrin und Garrakk bis jetzt. Deine Schwester ist in der Lage, mit mir auch ohne einen Energieknoten zu sprechen, alle anderen, auch Du, mein Sohn, brauchen einen." -

Bitte Herrin. Ich weiß, dass ich Dein Geschöpf bin, sogar zweimal. Aber wenn Du mich als Deinen Sohn bezeichnest... - ich weiß nicht..." -

Es klingt Dir zu göttlich, ich weiß. Obwohl ich auch weiß, dass Du mich nicht als Göttin siehst, womit Du auch recht hast. Ich kann Leben geben und nehmen, denn ich bin das Leben. Alles Leben in dieser Welt sind meine Kinder, also auch Du. Lass es mir, Dich daraus etwas hervorzuheben, Du hast es verdient - selbst für einen Menschen wären so viele Menschenleben eine schwere Prüfung gewesen. Aber wenn Du es wünscht, wird niemand anderes erfahren, dass ich dich als meinen einzigen Sohn ansehe." -

Ja, bitte. Es reicht, wenn Du mich vor anderen als Deinen Drachen und Paladin bezeichnest, das ist schon mehr als genug. - Ach, da ich jetzt weiß, dass ich für Dich Dein Sohn bin - verzeih, dass ich Jörð als meine Mutter ansehe." -

Durch ihr Blut hat sie mir sehr bei Deiner Wandlung geholfen, ich habe auch ein wenig von ihren Genen in Dir verankert. Nur wenig, nicht mehr, als von dem Menschen - wie Du ja schon vermutest. Ihr könnt auch gemeinsame Kinder haben, ihr seit weniger miteinander verwandt, als die meisten anderen heutigen Drachen untereinander. Ich verstehe aber, dass Du sie als Deine Mutter betrachtest und habe kein Problem damit, wenn du mich als Deinen Vater bezeichnest, ich bin das Leben, keine Person und habe kein Geschlecht. Diese Welt sieht mich als weiblich, auch Du sprichst mich als Herrin an, aber ich bin auch männlich, ich vereine beide Seiten des Lebens in mir." -

Ich kann nicht anders.

Erce, meine Herrin, mein Vater..."

Ein leises Lachen klingt durch mein Bewusstsein.

Verzeih, wenn ich Dich gleich wieder mit meinen Problemen belästige Herrin. Eldflóð würde mir einiges an technischen Geräten..." -

Ich weiß, Du denkst sehr intensiv daran. Du kannst alles herbringen lassen was Du benötigst. Ich weiß, dass es Dir helfen wird." -

Ich danke Dir Herrin. Besonders für Deine Erklärungen." -

Jederzeit Eldingar, mein Drache."

Erce verzichtet darauf, mich wieder mit Sohn anzusprechen, obwohl es darunter deutlich angeklungen war.

Ein kurzer Blick zeigt mir, dass trotz des langen Gespräches für die beiden offenbar nur wenige Sekunden vergangen sind. Beide zeigen noch keine Anzeichen von Ungeduld oder Unruhe.

„Jetzt seid ihr erst mal dran, ich plane solange meine Bestellliste für Eldflóð." -

Atum hebt abwehrend die Hand.

„Oh nein, danke. Es reicht schon, dass jetzt zwei Drachen von mir wissen, eure Göttin muss ich nicht auch noch direkt drauf stoßen..." -

„Zu spät, alter Freund, viel zu spät. Erce weiß seit Deiner Ankunft von Dir und beobachtet Dich seither genauso wie alle anderen Bewohner ihrer Welt." -

„Hast Du mich verraten oder Dein Weibchen...?" -

Ich schüttele den Kopf.

„Keiner von uns beiden hat Dich verraten, Tyria hatte ja noch nicht einmal die Gelegenheit dazu. Du selber hast auf Dich aufmerksam gemacht, als Du durch das Tor in diese Welt gekommen bist. Ein Fremder erzeugt bei seiner Ankunft eine deutliche Welle im Lebensstrom, wie sollte Erce Dich also nicht bemerken? Sie ist dieser Lebensstrom, die Kraft der Lebensenergie - und nicht unsere Göttin, auch wenn wir Drachen durch die Kraft des Lebens geschaffen wurden und ihr dienen." -

Atum sieht mich leicht verlegen an.

„Entschuldige, ich war Deiner Partnerin gegenüber ungerecht. - Aber ich werde nicht in diesen Knoten treten und mit eurer Lebensenergie Kontakt aufnehmen." -

Padmini bemerkt meinen Blick und versteht sofort, sie steht ohnehin hinter Atum und nähert sich ihm jetzt leise.

„Es ist auch Deine Lebensenergie geworden in den Jahrtausenden." antworte ich und nicke. -

Padmini greift blitzschnell seine Handgelenke und verdreht ihm die Arme auf den Rücken. Durch die Überraschung, den durch das leichte Verdrehen der Gelenke verursachte, leichte Schmerz, aber auch mit ihrer Kraft, die seiner fast entsprechen dürfte, lässt er sich fast widerstandslos zwischen die Felsen schieben. Dort lässt sie ihn los, er will sofort wieder zurück, stockt aber gleich wieder. An seinem Gesichtsausdruck sehe ich, dass er die Energie spürt.

„Es ist ... angenehm, warm und hell... beruhigend und belebend..." Er sieht mich verwirrt an.

„Ich... ich fühle mich willkommen... irgendwie zuhause angekommen..." -

Ich deute eine leichte Verneigung an, wie es sich für einen Großen geziemt.

„Ich weiß, es ist nicht die Welt, aus der Dein Volk stammt, auch nicht die, in der wir geboren wurden. Aber Du hast Dir diese Welt als Deine Heimat ausgesucht, das Leben dieser Welt hat Dich aufgenommen - willkommen in meiner Welt, willkommen zu Hause, alter Freund." -

„Du meinst, ich muß mich nicht mehr verbergen? Ihr wisst ohnehin, dass ich hier bin und ich bin einer von euch? - Äh, kein Drache, aber..." -

„Ja, Du bist einer von uns. Deine Lebensenergie ist ein Bestandteil des Lebensstromes dieser Welt. Du kannst Deine Kräfte in einer Quelle wieder regenerieren und Kontakt mit den anderen über die Knoten aufnehmen." -

„Meine Kräfte regenerieren...?" -

„Es gibt keinen Grund, Deine Fähigkeit das Wasser zu beeinflussen, weiter zu verstecken. Nutze sie, helfe und fördere die Menschen - ich denke Deine Sympathien werden weiter mehr auf der Seite der Menschen liegen. Ich würde mich freuen, wenn ich mit Dir einen Berater und Fürsprecher für die Seite der Menschen hier gewinnen könnte. So könnte ich mich ein wenig davon befreien und mich mehr auf die Belange der Drachen konzentrieren - genauer im Sinne des gesamten Lebens dieser Welt denken." -

„Du würdest mir diese Verantwortung überlassen?" -

Sag lieber aufbürden. - Nein, so schlimm wird es nicht werden. Es geht mir hauptsächlich um eine zweite Meinung, zudem wird man Dich schwer als parteiisch bezeichnen können, auch wenn Du die Menschen magst." -

Atum schließt die Augen und konzentriert sich anscheinend auf die Energie, die ihn gerade durchströmt.

„Ich bin einverstanden."

Er öffnet die Augen und sieht mich direkt an. Er hat sich für das rechte Auge entschieden.

„Ich werde Dich unterstützen, so gut ich kann. Und ich werde auch gerne die Partei der Menschen ergreifen, wenn es notwendig ist. Aber bitte mache mich nicht für die Taten der Menschen verantwortlich..." -

„Natürlich nicht. Ich werde das stets zu unterscheiden wissen. Notfalls wird Padmini mich daran erinnern. Oder Tascha, die ja auch Erfahrungen mit Menschen hat - und selbst Tyria wird mich darauf hinweisen, wenn ich falsch reagieren sollte. Ihr sind die Menschen zwar relativ gleichgültig, aber sie wird mir keine offensichtlichen Fehler durchgehen lassen, ohne wenigstens etwas zu sagen. Hab Vertrauen in die Fairness einer zehntausend Jahre alten Drachin." -

Er grinst.

„Gut, da sie älter ist als ich... - Aber ehrlich gesagt, vertraue ich da eher dem Menschen in dem Drachen da vor mir." -

„Danke für Dein Vertrauen, aber der Mensch muss sich noch sehr mit dem Drachen auseinandersetzen. Ich weiß nicht, wie lange das dauern wird, möglicherweise einige hundert Jahre, vielleicht auch mehr als tausend. Im wesentlichen habe ich mich mit ihm arrangiert - genauer: er sich mit mir, denn meine Drachenseele hat Erce schon darum gebeten, von der Menschenseele befreit zu werden, erkannte dann aber, dass wir zusammenhängen, nur gemeinsam eine komplette Seele sind. Der Drache hat sich freiwillig zurückgezogen, bleibt im Hintergrund und lässt den Menschen gewähren, aber der Drache ist auch stark, sehr stark. Er will nicht dominieren, aber es kann passieren, dass der Mensch unterliegt. Und dann steht hier ein Drache vor Dir - ein reiner Drache, einer der ganz frühen, noch fast wilden Drachen. Dann ist zwar etwas Vorsicht angebracht, aber wirklich fürchten musst Du ihn nicht, denn er ist immer ein Teil von mir und auch er erinnert sich an die gemeinsame Zeit. So gesehen, hast Du also auch einen Drachennestling sich in Deiner Mähne festklammern lassen." -

Atum schüttelt grinsend seine Mähne.

„Nie hätte ich gedacht, dass der kleine Menschenwelpe sich als Drachennestling entpuppt. - Wie geht das mit den Nachrichten?" -

„Ganz einfach. Konzentriere Dich darauf Nachtrichten empfangen zu wollen, dann 'hörst' Du die Nachrichten, die an Dich gerichtet sind, ab. Wenn Du Dich darauf konzentrierst, eine Nachricht zu senden, kannst Du wählen, an wen sie gerichtet ist - jemand bestimmtes, eine Gruppe oder alle. Denkst Du dabei also an mich, bekomme ich diese Nachricht. Und die brauchst Du auch nur in Gedanken formulieren. Wir Drachen beschränken uns meist auf das Nötigste, wundere Dich also nicht - eine Nachricht von Eldflóð an mich lautete wörtlich: 'Kauf drüben klar. Sende Liste.' - Ich weiß jetzt, dass ich die Dinge, die ich gerne von meiner alten Welt haben möchte, dort beschafft werden und an Eldflóð übergeben werden, damit er sie hierher bringt - was er gerne für mich macht, das ist schon alles besprochen. Und nun soll ich ihm übermitteln, was ich brauche - das habe ich inzwischen überdacht und werde es ihm gleich senden. - Bedenke dabei, dass auch Emotionen und Hintergedanken mit übermittelt werden, es ist schwer, auf diesem Weg jemanden zu belügen." -

„Ah ja. Lass es mich kurz ausprobieren, dann mache ich Platz für Dich." -

„Danke, aber zuerst ist Padmini dran." -

Sie dreht sich erstaunt zu mir um.

„Ich, Herr?" -

„Natürlich Du, mein Schatten. Erce hat mir verraten, dass Deine Familie zu denen gehört, die über die Energieknoten Informationen austauschen können. Und das passt doch sehr gut zu Deinen Aufgaben als mein Schatten. Zudem kannst Du Dich in einer Quelle schneller regenerieren, wenn Du erschöpft bist. Leider wirst Du keine besonderen Fähigkeiten erhalten, aber es hilft Dir sicher auch so." -

„Meine Familie...?" -

„Deine Mutter hat es von ihrem Vater geerbt - vermutlich auch ihre Geschwister, das hat Erce mir verraten. Und Deine Mutter hat es an Dich und Deine Geschwister weitergegeben. - Du hast doch Geschwister?" -

„Ja eine Schwester und zwei Brüder... - und ich kann mit ihnen sprechen?" -

„Nicht direkt, es ist so etwas wie ein Austausch von Botschaften und die Knoten sind die Kuriere. - Dazu muss Deine Familie natürlich wissen, dass ihr über die Knoten Botschaften übermitteln könnt. Nebenbei können wir beide so in Kontakt bleiben." -

Sie nickt.

„Das dann natürlich vorrangig. - Ich habe noch nie eine Quelle benutzt, wie ist das?" -

Atum kommt mir zuvor. Er tritt wieder zwischen den Felsen, die die Quelle markieren, hervor.

„Angenehm, überraschend angenehm und geradezu erfrischend. Probiere es doch einfach selber."

Mit einem kurzen Seitenblick auf mich, den ich mit einem leichten Nicken beantworte, geht sie mit festen Schritten zwischen die Felsen. Dort bleibt sie wie angenagelt stehen und atmet tief ein, ehe sich ihr Gesichtsausdruck entspannt.

„Mmmh, so warm... wie ein schöner Sommertag inmitten von grünen Feldern..." Sie schließt die Augen.

„Wirklich angenehm - Moment, wie war das? An den Empfänger denken..."

Einen Moment später dreht sie sich um und kommt wieder zu mir.

„Fühlst Du das auch so, Herr?" -

„Ich spüre es, aber leider nur sehr schwach. Nur wenn ich Kontakt mit Erce habe, wird es deutlicher." -

„Es bleibt Dir verschlossen?" -

„Nein, das nicht. Aber als Elemental ist es für mich nur ein angenehmes Gefühl im Hintergrund. Dafür kann ich jederzeit Kontakt mit Erce aufnehmen, was auch mit diesem warmen Licht verbunden ist. Ich spüre nur keine Stärkung oder Erfrischung, wie Atum es nannte." -

„Ja, dass hatten die Herrin Tyria und Du Herr, mir ja schon erklärt." -

„Oh ja, richtig. So, ich sende kurz meine Bestellliste an Eldflóð und dann starten wir unsere Jagd, ich bin jetzt richtig motiviert."

Wieder halte ich meinen linken Schwingenarm über die Quelle und knüpfe so den Kontakt. Sofort empfange ich je eine kurze Nachricht von Atum und Padmini, mit der sie die Nachrichtenübermittlung ausprobiert haben. Grinsend bestätige ich mit einer kurzen Nachricht an die beiden.

Die Bestellung beinhaltet im wesentlichen eine kleine, aber möglichst leistungsstarke Wasserturbine, die meine Wohnstätte mit Strom versorgen soll. Die Maße dazu habe ich schon genommen. Dazu passendes Installationsmaterial und einige LED-Leuchten, die vorrangig den Schreibtisch ausleuchten sollen - und die Küche, für Jaya und andere Draccier ist die Mischbeleuchtung aus den Kristallen und den llampen da nicht wirklich ideal. Und trotz meiner Nachtsichtigkeit als Drache, ist mir da ordentliches Licht auch lieber, für den normalen Wohnbereich sind die llampen ausreichend und ein durchaus angenehmer Kontrast zu den Drachenlicht- und den LED-Kristallen.

Weiter einen großen Laptop - ein Desktop ist mir zu unhandlich - der im wesentlichen mit technischen Fachwissen vollgestopft sein soll, dazu eine Wiki-Version für allgemeinere Infos und alles über historische und moderne Kampftechniken - das alles als offline-Variante, da ich hier natürlich kein Internet habe. Daneben sollen sie mir eine Musiksammlung von Klassik bis zu den aktuellen Charts mitliefern, die Musik fehlt mir ein wenig - das hiesige ist eher simpel oder dient mehr religiösen Anlässen. Ein Officepaket nicht zu vergessen, ich möchte meine Erlebnisse hier aufschreiben, vielleicht interessiert es ja jemanden - Garrakk sicherlich. Und vielleicht finden sie ja auch ein Organisations- und Verwaltungsprogramm, das Tascha ein wenig helfen kann. Ach ja, ein Ladegerät für meinen Fotoapparat, der Akku ist fast leer und die Bilder lassen sich auf dem Rechner ja betrachten.

Ich beschreibe es ausführlich genug, damit die Menschen drüben etwas damit anfangen können, Eldflóð wird sicher daran verzweifeln, weil es so sehr menschlich und zudem technisch ist. Damit führe ich hier zwar schon einiges an Technik ein, aber es wird mir helfen, mich zu erinnern und den anderen zu erklären. Manchmal ist selber Lesen und ein paar Bilder doch besser, als meine Erklärungen. Allerdings werden sie hier dazu noch deutsch und englisch lernen müssen. - Ich ergänze noch schnell die passenden Sprachkurse in die Bestellung. Für uns Drachen kein Problem, wir lernen Sprachen sehr schnell - das hiesige Indisch, dass die Draccier hier auch sprechen, beherrsche ich ja bereits, zudem wird Erce helfen - aber zumindest die Draccier werden es etwas schwerer haben, wie ich vermute.

Mit einer kurzen Entschuldigung an Eldflóð für die umständliche Bestellung beende ich den Kontakt.

„Die Bestellung ist aufgegeben. Und nun los, keine weitere Verzögerung, ich will jagen."

Padmini nickt nur und reckt ihre Schwingenarme während sie ein paar Schritte zur Seite geht. Ich halte Atum die Hand hin und er klettert mit einem Schulterzucken auf meine Handfläche.

„Dich habe ich gar nicht gemeint, alter Freund. Das war nur der Drache an den Menschen." beruhige ich ihn grinsend. -

„Schon gut. Wo willst Du eigentlich hin?"

Er wirft mir einen neugierigen Blick zu, während er sich wieder bequem zurechtrückt. Auch Padmini sieht mich interessiert an. -

„Ein Stück nördlich irgendwo in einem Tal nebenan - wo wir etwas brauchbares finden. Aber ich möchte auf jeden Fall zuerst noch etwas fliegen - einfach nur so in der Höhe gleiten oder um ein paar Klippen fegen. Padmini, Du brauchst da nicht mitkommen, es wird sicher nicht immer einfach sein, als Anthro mitzuhalten. Wir treffen uns dann da oben am Ende dieses Bergrückens über dem Fluss, und dann weiter flussaufwärts." -

Sie blickt in die Richtung.

„Ich verstehe, Herr. Aber ich möchte mitkommen, ich will wissen, wie gut ich mir Dir mithalten kann, also nimm keine Rücksicht auf mich." -

„Überflüssige Bemerkung, seit wann nimmt ein Elemental Rücksicht auf eine Dracci...?" grummele ich - grinsend. -

„Außer Dir, Herr? Wohl keiner. Ich hoffe aber, dass Du mich wenigstens etwas strampeln lässt, damit ich sehe, wie ich zu Dir stehe - meine Flugfähigkeit meine ich." fügt sie schnell hinzu.

Ich beachte sie jetzt nicht weiter und sehe nach Atum.

„Lege Dich bequem und ausgestreckt hin, Deine Ausrüstung am besten befestigt. Es wird mit Sicherheit etwas stürmisch werden und ich muß Dich dann etwas stärker festhalten. Keine Sorge, ich werde Dich nicht verletzen, auch wenn ich abgelenkt bin." -

„Kann ich mich so hinlegen, dass ich etwas sehe?" -

Auf mein Nicken rückt er etwas nach vorne um den Kopf frei drehen zu können. Ich schließe die Finger, Atum legt sich bequem in die Falten meiner Handballen und greift um den Daumen und meinen Zeigefinger um sich zusätzlich festzuhalten. Er erwartet wohl etwas mehr von mir auf unserem Flug - ich werde ihn sicher nicht enttäuschen. Auf meine auffordernde Kopfbewegung legt Padmini einen kurzen Sprintstart vor und steigt mit schnellen kurzen Schwingenschlägen schnell höher.

„Fertig?"

Ich warte die Antwort von Atum gar nicht erst ab, richte meinen Körper auf, strecke meine Schwingen hoch und schnelle mich mit den Beinen in die Luft. Kurz geht mir der Gedanke durch den Kopf, wie beeindruckend es wohl sein mag, wenn ein gut zwanzig Meter langer Körper so in die Luft geschnellt wird - und dann erst die zusammen reichlich sechzig Meter Spannweite der Schwingen, die ich jetzt voll durchziehe. Eigentlich die ersten zwei Schläge noch nicht ganz, um keinen Bodenkontakt zu bekommen, aber danach bin ich hoch genug - fast senkrecht - gestiegen um die weiteren Schläge im vollen 180° Bogen durchzuziehen wobei sich die Fingerspitzen oben und unten jeweils kurz berühren. Heute leiste ich mir mal den Luxus, mit voller Kraft senkrecht aufzusteigen, jeder Abschlag mit voller Spannweite treibt mich über eine Körperlänge in die Höhe, durch den Schwung und mit dem blitzschnellen Aufschlag mit den gefalteten Schwingen verliere ich dabei keinen Millimeter, nur ein wenig an Geschwindigkeit bevor ich wieder mit dem Abschlag steige. Es ist zwar anstrengend, aber auch ein sehr kraftvolles Gefühl, sich so senkrecht in den Himmel zu heben.

Padmini wollte sich zwar in meine Nähe positionieren, wurde aber von den Luftwirbeln meiner kräftigen Abschläge so durchgerüttelt, dass sie sicherheitshalber auf Abstand gegangen ist, um nicht in meine Schwingen gezogen zu werden.

Zehn, fünfzehn Schwingenschläge und ich habe gut 300 Höhenmeter unter mich gebracht. Ich ändere den Schlagwinkel und drehe meinen Körper langsam in die horizontale, die normale Flugposition. Padmini ist jetzt gut 50 Meter unter mir, nach dem kurzen Versuch, mir genauso zu folgen, nutzt sie inzwischen den normalen Steigflug, bei dem sie hauptsächlich Vortrieb erzeugt und den Auftrieb nutzt, um zu steigen. Sie hat ihre Arme eng an den Körper gepresst, die Beine in einer gestreckten Linie mit dem Schwanz, hat sie eine möglichst aerodynamische Form eingenommen und ist dabei wirklich sehr schnell. Die 50 Meter Abstand zwischen uns sind deutlich weniger, als ich erwartet hatte.

Jetzt aber wird es schwierig für sie, denn auch ich gehe ja in den Horizontalflug und nehme Geschwindigkeit auf. Wenn ich jetzt losfliege bleibt ihr nur die Wahl, auf meine Höhe zu steigen, aber weit zurück zu fallen, oder da unten zu bleiben um mit mir mithalten zu können. Aber da ich ohnehin gerade einen angenehmen leichten Aufwind spüre, entscheide ich mich zum Segelflug. Die Schwingen jetzt locker ausgestreckt, leite ich eine ruhige Kurve um sie herum ein. Sie bemerkt sofort, dass ich auf sie warten will und steigt jetzt etwas ruhiger weiter, spart ein wenig Kraft. -

„Das ging aber ganz schön nach oben..." -

Atums kräftige Stimme dringt deutlich zu mir durch. -

„Ja, ich musste mal ein wenig Kraft einsetzen. Meist fliege ich eher so, wie jetzt und genieße das sanfte Spiel mit den Winden." -

„Damals habe ich Dir das nie gesagt, aber es war immer ein Traum von mir, so zu fliegen. Ich kann es ja nur mit Hilfsmitteln, so wie die Menschen. - Damals habe ich heimlich mit ein paar Helfern, die natürlich nicht wussten, was sie da eigentlich machen, einige Modelle gebaut. Ein paar flogen auch recht gut. Aber zu einem großen Gleiter bin ich nicht mehr gekommen, vorher kam es zum großen Streit mit Ramses." -

„Darüber können wir gleich noch sprechen - aber diese Flugmodelle... sahen die so vielleicht ähnlich aus wie ein Vogel, aber als Hochdecker und nur mit einem Seitenruder?" -

„Ja, ein Vogelkörper wegen der Aerodynamik - das war den Menschen damals so einfacher zu erklären. Hochdecker fliegen stabiler und ein Seitenruder nutzt Du ja sicher auch in irgendeiner Form." -

„Natürlich, hauptsächlich meine Schwanzfinnen. - War das fehlende Höhenruder Absicht? Die Menschen meiner Zeit haben nämlich so ein Modell gefunden - natürlich schreiben sie es den Ägyptern zu, von Dir wissen sie ja nichts, obwohl es genug Bilder von Dir gibt. Sie haben es berechnet und herausgefunden, dass es mit Höhenruder - und entsprechend leicht natürlich - sehr gut fliegen könnte." -

„Oh, sie haben ein Modell gefunden? Ach ja, der verdammte Sand... - Ja, das fehlende Höhenruder war Absicht. Zuviel wollte ich ihnen auch nicht zeigen, ein wenig selber nachdenken sollten sie schon noch. - Einer hatte die Vögel wohl gut beobachtet es vielleicht sogar verstanden, denn er hatte da mal so ein Brettchen an die richtige Stelle gehalten, als er meinte, ich merke es nicht." -

„Wenn er es verstanden hat, fehlten ihm die richtigen Materialien. Die Menschen haben erst vor etwa hundertzwanzig Jahren das aerodynamische Fliegen entdeckt und das Prinzip des Auftriebs erkannt." -

„Gut, dann habe ich die technische Entwicklung nicht zu sehr durcheinander gebracht. Dafür wäre es doch noch zu früh gewesen, ihr Verständnis der Welt war noch zu sehr von Göttern und Geistern geprägt. - Nichts gegen Götter und Geister, solange sie sich an die Naturgesetze halten und sie nicht machen wollen." -

„Höre ich da einen Unterton...? Auch wir Drachen unterliegen den normalen Naturgesetzen. Wir können sie nur ein wenig anders interpretieren, weil wir die Lebensenergie nutzen können." -

„Schon gut, Drache. Ich habe schon seit längerem gelernt, dass die Lebensenergie dieser Welt nicht gegen die grundsätzlichen Naturgesetze verstößt, sondern sie nur in einem bestimmten Rahmen erweitert." -

„Da fällt mir ein: wie lange war Dein Volk in meiner Welt drüben?" -

„Sie begannen damit, als das Eis zurückging. Die einsetzende Versteppung da im Umfeld Ägyptens, aber auch an anderen großen Flüssen war ein guter Anreiz zur Entwicklung der Menschen, was wir unterstützen wollten." -

Padmini ist mittlerweile herangekommen, sie war etwas höher gestiegen und hat dann in einem schnellen Gleitflug aufgeschlossen. Und sie hört interessiert zu, wie ich bemerke. Na gut, dann bleibe ich erst einmal im Segelflug und gebe ihr Gelegenheit, sich etwas auszuruhen. Ich werde etwas schneller, denn mit ihren schmaleren Schwingen muss sie etwas mehr Geschwindigkeit haben um die Höhe halten zu können. Aber sie versteht es, die Aufwinde für sich zu nutzen und muss kaum nachhelfen. Wenn ich gemütlich längere Strecken gleite, wird sie wohl keine Schwierigkeiten haben mit mir mitzuhalten.

So gleiten wir in weiten Bögen über die Täler und bewegen uns langsam Richtung Nordwest.

„Seit dem Ende der Eiszeit wart ihr dort... also etwa zehntausend Jahre." -

„Ja so ungefähr passt das. Warum?"

„Nur, weil die Menschen bereits vor dreißigtausend Jahren bereits Bilder und sogar kleine Statuen von Löwenmenschen hergestellt haben." -

„Oh, so lange schon...? Tut mir leid, das war mir nicht bekannt. Ob es wohl Tore gibt, die auch durch die Zeit führen?" -

„Wenn Dein Volk nicht schon so lange unterwegs ist, wäre das eine Erklärung." -

„Ich hoffe, sie haben dann den Weg zurück wieder gefunden. Denn mit wenigen Ausnahmen waren wir immer nur eine begrenzte Zeit in den fremden Welten. - Ich bin aber einer der wenigen, die in der Fremde geboren wurden. Für mich war Deine Welt auch meine Heimat und ich war nur wenige Male zu Besuch in der Ursprungswelt. Dort sah man mich aber immer als Fremden an, meine Fähigkeiten und die Langlebigkeit trennten mich bald von den anderen meines Volkes. Aber ich fühlte mich ja trotz der kleinen „Götterprobleme" in unserer Geburtswelt zu Hause. - Doch dann kamen die Ramessiden an die Macht..." -

„Ich hatte nie ein Problem mit dem zweiten Ramesse. Wir haben uns als Jugendliche ja getroffen - ich war nur fünf Jahre jünger als er - und waren da eine Zeitlang sogar so etwas wie Freunde, obwohl er als Prinz ja deutlich höher stand, als ich - was uns beide aber wenig gestört hatte. Dank Deiner Ausbildung war ich ja trotz meiner Jugend ein recht guter Jäger, was ihn sehr beeindruckte." -

Atum sieht mich von unten her an.

„Aha, Du warst also ein guter Jäger..." -

„Ja ich weiß. Als Kind habe ich gar nicht so gerne gejagt. Mir taten die Tiere immer leid. Und für einen Löwen gab ich wohl einen traurigen Beutefänger ab, nicht mal Mäuse habe ich erwischt." -

Er lacht sein rollendes Lachen.

„Für einen Löwen warst Du wirklich etwas tolpatschig. Aber als Mensch warst Du sehr gelehrig und schon mit sieben oder acht Jahren allen anderen weit überlegen. Nur Dein Mitleid hat Dich sehr gebremst." -

„Das habe ich später überwunden und habe oft sehr erfolgreich mit Ramesse gejagt - ich musste mich nur immer zurückhalten, damit ich ihn nicht blamiere. Ihm war das bewusst, er wusste ja, bei wem ich es gelernt habe und es hätte ihn wohl auch nicht gestört, aber gegenüber anderen..." -

„Du hast mit Ramses gejagt? Mit dem Gottkönig? Das hat er zugelassen?" -

Das klang sehr verächtlich und verbittert.

„Ja. Nach der Zeit in unserer Jugend haben wir uns ein paar Jahre nicht mehr gesehen. Dann, nachdem Sethos gestorben war und Ramesse den Thron bestiegen hatte, suchte er verlässliche Beamte, denen er trauen konnte. Obwohl mein Vater da schon ein wichtiger Priester war und auch ich die Schreiberausbildung im Tempel erhalten hatte, erinnerte er sich an zwei Dinge. Zum einen unsere gemeinsame Zeit ein paar Jahre zuvor, in der er erkannte hatte, dass ich an ihm als Person interessiert war, nicht an dem Prinzen. Und daran, dass Du mich als Deinen Welpen angenommen und gelehrt hattest. Beides überzeugte ihn, mich als loyalen Beamten und Wegbegleiter einzuschätzen. - Ich muss es wohl gewesen sein, denn nach zwanzig Jahren als persönlicher Schreiber in seinem Palast ernannte er mich zum Tjati des Nordens. Dort habe ich ihm noch über vierzig Jahre lang die Verwaltungsaufgaben abgenommen, ehe ich ihn um meine Entlassung gebeten habe. Es wurde mir zu anstrengend, mit siebzig Jahren noch die vielen kleine Probleme anhören zu müssen. Und mir war es ja möglich, in den Ruhestand zu gehen, etwas, dass er sich mit seinem Anspruch ein Gottkönig zu sein ja selber verwehrt hatte - wie er mir noch öfter seine Not klagte, unsere Körper waren eben schon alt, sehr sehr alt für die Zeit, er ja noch fünf Jahre älter als ich. Aber damit ich nicht ganz in den Ruhestand gehen konnte, ernannte er mich kurzerhand zum Hoherpriester von Iunu und des Ptah - davor könne auch ich nicht davonlaufen, wie er scherzhaft meinte. - Nun ich habe mich daran gehalten und ihn dann um einen Monat überlebt, leider hat er es mir wohl nicht gegönnt, ihm nach den siebzig Tagen den Weg zu öffnen, er wollte mich wohl schnell wieder an seiner Seite haben." -

„Du warst also sein Wesir... - moment, Du sagst zwanzig Jahre als persönlicher Schreiber, dann über vierzig Jahre als Wesir... immer derselbe Ramses?" -

„Ja immer derselbe Ramesse. Ich wurde 85, er 90 Jahre alt. Es gab viele Ägypter, deren Großeltern schon nur Ramesse als Pharao kannten... Ich glaube, nur wir beide konnten uns noch an Sethos erinnern, den ich in meiner Jugend ja auch persönlich kennengelernt hatte, weil Ramesse nicht alleine vor seinen Vater treten wollte." -

„Hmmm, obwohl er mit mir im heftigen Streit lag - mir sogar mit dem Tod gedroht hatte - und wusste, dass ich Dich als meinen Welpen betrachtete, machte er Dich zu seinem Wesir..." -

„Ich weiß nicht, was zwischen euch passiert ist, Du hast mir nichts gesagt und er hat nur anfangs einmal angedeutet, dass er Dir gegenüber wohl einen Fehler gemacht habe, den er bedauert. Weiter haben wir nicht über Dich gesprochen, ich hatte den Eindruck, er würde das Thema vermeiden. Aber ich hatte auch den Eindruck, dass die Tatsache, dass ich Dein Welpe war, wichtig für ihn war." -

„Wir hatten einen schweren Streit. Er drohte mir dabei, mich von seinen Bogenschützen, die schon bereit standen, töten zu lassen und ich hatte schon meine Krallen an seiner Kehle."

Er seufzt. -

„So knapp war es?" -

„Hätte ich in dem Moment nicht Dein Gesicht vor meinem inneren Auge gesehen und die Befürchtung, dass seine Familie dann meine Familie - also Dich - auslöschen würde, wäre er nicht viel älter als zwanzig geworden. So knapp war es." -

„Magst Du erklären?" -

„Es war ein schon älterer Streit mit seiner Familie. Die Zeiten, in denen der Pharao schon wegen seinem Amt einen gottgleichen Status hatte und für alle unangreifbar war, war schon länger vorbei. Der Glaube war immer noch der gleiche, aber die Pharaonen mussten nun beweisen, dass sie es verdienten, nach dem Tod zu den Göttern aufzusteigen - nicht, dass es einer von ihnen nicht geschafft hatte, von den Priestern dazu erhoben zu werden, solange die Schatzkammern der Tempel gefüllt wurden..." -

„Das ist mir damals allerdings auch aufgefallen. Obwohl mein Vater selber Priester war, zweifelte er doch immer über dieses Selbstverständnis der anderen Priester und der Pharaonen." -

„Der erste Ramses wollte dann diesen alten Status zurück erhalten. Schon er bedrängte mich, ihn zum Gottgleichen zu erklären - immerhin nicht gleich zum Gott selber. Er war sicher, dass ich als göttlicher ihm diesen Weg ermöglichen würde und sein Volk ihn wieder als göttlichen Pharao anbeten würde - und ihn nicht mehr als höchsten Verwalter des Staates ansehen, der erst nach dem Tod zu den göttlichen aufsteigen könne." -

„Ich verstehe. Er wollte zu den Großen des alten Reiches zurück..." -

„Ja, den göttlichen Status haben die Herrscher bald verloren, vor allem als sie angefangen hatten, sich gegenseitig zu bekriegen. Mit Ahmose dann begründeten die Pharaonen ihren Status mit Kriegserfolgen - oder mit Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg, wie Hatschepsut." -

„Hättest Du mir damals gesagt, dass eine Frau erfolgreich als Pharao regiert hat..." -

„Ja, im totschweigen waren sie gut, ob nun Hatschepsut, Achn Aton, Wadj-mes..." -

„Wadj-mes?" -

„Na siehst Du... - zurück zu Ramses. Er war nur eine Nervensäge, Sethos war schon wesentlich aggressiver und ließ mir kaum noch Luft zu Leben. Ständig hingen mir seine Soldaten an den Fersen, nur im Fayum ließen sie mir Raum. Ich weiß nicht warum, aber da trauten sie sich nicht recht hinein." -

„Ja, da waren damals schon viele Soldaten in den Sümpfen verschwunden. Ich konnte das Gebiet später als Tjati recht gut verwalten, da ich einer von ihnen war - und sie weitgehend in Ruhe ließ." -

„Leider war das dann mit dem zweiten Ramses auch vorbei. Er kannte ja auch das Fayum und fürchtete es nicht. Und er kam mit vielen Soldaten - natürlich wollte auch er von mir die Anerkennung göttlicher Abstammung. Aber er war auch der erste, der dazu bereit war, mich mit Gewalt dazu zu zwingen. Er drohte am Ende damit, Dich und Deine Familie als Geisel zu nehmen, um mich zum Einlenken zu bringen. Mein Appell an eure Jugendfreundschaft ließ ihn aber noch zögern. Zuletzt verstieg er sich soweit, mich töten zu wollen um so den gewünschten Status zu erhalten - du weißt schon: nur ein Gott kann einen Gott töten... - Und dann habe ich mich entschieden zu gehen. Um mich hatte ich keine Angst, so einfach lasse ich mich nicht umbringen - aber mir war klar, dass ich unmöglich Dich, Deine Partnerin und eure Familien schützen kann. Die Drohung stand ja schon klar im Raum. Also blieb mir nur der Weg, so schnell wie möglich zu verschwinden - und so weit weg wie möglich." -

Mein

„Ich verstehe..."

klingt selbst jetzt noch etwas traurig.

„... Warum hast Du denn nichts gesagt - wenigstens ein Lebewohl oder so etwas. Ich hätte damit leben können, wenn Du nur gesagt hättest, dass Du uns verlassen musst. Aber so plötzlich, ohne jedes Wort... - Ich habe später, als Schreiber und sogar noch die ganzen Jahre als Tjati, alle und jeden nach Dir ausgefragt, nur weil ich wissen wollte, ob Du noch lebst oder in der Wüste umgekommen bist. Jedes vertrocknete Löwenfell aus der Wüste habe ich begutachtet, immer in der Hoffnung, dass es nicht Deines ist. Wenn ich wieder ohne Spur von Dir zurückgekommen bin, teils froh, dass die Überreste nicht von Dir waren, teils aber auch traurig, weiter ohne jeden Hinweis zu sein, hat Ramesse hat mich jedesmal so eigenartig angesehen. Er hatte dann immer Bedauern und Mitleid im Blick, aber auch ein 'hör doch endlich auf damit' habe ich oft von ihm gehört. Er konnte sehr hart zu sich und anderen sein." -

„Warum habe ich Dir nichts gesagt... - Ich wollte nur so schnell wie möglich weg und ich war mir nicht sicher, ob ich gehen würde, wenn Du mich mit diesem traurigen Menschenwelpen-Blick angesehen hättest, den Du selbst als geschlechtsreifer Junglöwe, äh Mensch, noch immer aufsetzen konntest. Und wäre ich geblieben, hätte es Tote gegeben unter euch Menschen. Wenn er Dir etwas getan hätte... - ich kann eine Nilflut nicht nur niedriger ausfallen lassen..." -

„Ich verstehe... verzeih, aber wenigstens ein paar Zeilen..." -

„Du hast ja Recht, aber euer Hieratisch wollte mir nie so recht aus der Tatze fließen..." -

„Nie um eine Ausrede verlegen..." -

„Ich hatte über dreitausend Jahre Zeit, mir viele zu überlegen..."

Und sein Tonfall klingt irgendwie verdammt danach, dass er wirklich lange nach Ausreden für sich selber gesucht hat. -

Padmini sticht mit einem schnellen Schwung zu meiner Hand mit Atum hinunter und hält sich an einem Finger fest, dabei weiter neben mir gleitend. Dort können wir beide sie gut verstehen.

„Verzeiht, wenn ich mich einmische. Aber ich verstehe nicht, was besonderes passiert wäre, wenn der Herr Atum geblieben wäre, oder ihr alle in eine andere Gegend gegangen wärt." -

„Fortgehen war für einen Ägypter damals praktisch unmöglich. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass man auch woanders leben kann. Kriegszüge waren nur mit dem Pharao denkbar und nur ganz wenige Draufgänger wagten sich in die Wüstenoasen oder gingen auf eine Handelsreise nach Punt. Rahotep war schon einer der mutigen, ihn hätte ich vielleicht überreden können, aber seine Familie nie - und ohne die wäre auch er nicht gegangen. Es war schon ein merkwürdiges Volk damals. - Und wäre ich geblieben, hätte Ramses früher oder später Rahotep oder seine Familie zu Geiseln genommen - und wohl auch aus Wut getötet, weil ich trotzdem nicht das getan hätte, was er wollte. Und dann hätte ich Ramses und alles vernichtet, was ich in über viertausend Jahren geholfen hatte aufzubauen. Ich hätte dieses Volk ausgelöscht - nicht jeden Menschen, aber ihre Zivilisation. - Menschen jagen zwar Löwen, aber sie wissen, dass sie nie zwischen einen Löwen und seine Welpen geraten dürfen... und das hatte Ramses damals beinahe vergessen. Du siehst, nicht nur Drachen können zürnen." -

„Und Du wolltest die Menschen nicht töten..." -

„Ich wollte vor allem, dass Rahotep am Leben blieb und sein Leben als Mensch normal führen konnte. Die anderen waren mir ziemlich egal - aber natürlich wollte ich sie nicht töten, wenn es nicht notwendig war." -

Padmini nickt langsam.

„Ah, danke." -

Ich überlege kurz, ob ich Kurs auf den Everest nehme, der da nördlich über die anderen Gipfel ragt, entscheide mich aber dagegen, so weit wollte ich heute nicht. Zudem wollten wir ja jagen und Beute ist hier unten im Vorderen Himalaya reichlicher, als da im Hochgebirge. Padmini positioniert sich wieder links von meinem Kopf, was ihr beim momentanen ruhigen Dahingleiten nicht schwer fällt. In dieser Position - ob links oder rechts von meinem Kopf - hat sie ruhige Luft ohne Verwirbelungen, die ein so großer Flieger wie ich sie nun einmal produziert, trotz guter Aerodynamik. Und wir haben gleichzeitig den Blickkontakt, den sie immer zu halten bemüht ist. Ich bemerke gleich, dass sie recht nachdenklich wirkt.

„Was ist mit Dir, mein Schatten." frage ich leise. -

„Ich verstehe nicht wirklich. Wegen einem Menschen hätte er viele tausend getötet?" -

„Denke daran, dass dieser eine Mensch für ihn damals sein Sohn war. Jedenfalls fühlte er so für ihn, als wäre er wirklich sein Sohn." -

„Ja aber - Herr so viele töten? Ja, die dafür verantwortlich sind, aber alle?" -

„Was würde ein Drache machen?" -

„Herr, ein Drache...! Und selbst der würde nicht alle... ja, vielleicht die Stadt einäschern, wo es passiert ist... - Herr, er ist doch auch einer von ihnen, ein Säuger..." -

„Nein, er war keiner von ihnen. Ja, er ist ein Säuger, aber er kam aus einer anderen Welt, er ist kein Mensch, er ist ihnen fremd - und das sicher auch heute und hier. Sie haben ihn damals zu einem Gott erklärt, weil sie ihn nicht wirklich verstanden haben und ihn fürchteten, aber am liebsten hätten sie ihn vertrieben oder getötet - das haben sie natürlich nicht offen gesagt. Nein, sie haben ihm nie erlaubt, sich wie einer von ihnen zu fühlen. Er hatte ihnen geholfen und nun war ihr Anführer kurz davor jemanden zu töten, der ihm sehr nahe stand, dem es egal gewesen war, wer oder was Atum ist, nur einen Freund in ihm gesehen hat..." -

„Halt. Ich habe verstanden Herr. - Die ganzen Drachen, ob Große oder Kleine können meinetwegen jetzt sofort verschwinden, wenn Du als einziger bleibst und ich bei Dir sein darf. - Das meinst Du doch..." -

„Ja, so in etwa meine ich das. Aber das klingt jetzt irgendwie etwas verliebt, oder nicht?" -

Padmini sieht mich an, zieht dann plötzlich kurz hoch, zackt zu mir rüber und fliegt jetzt ganz nahe genau über meinem Kopf. Überrascht spüre ich Zug an meinen Hörnern - hält sich das kleine Biest doch an meinen Hörnern fest und lässt sich mitziehen... - ich mag ja Deine Nähe, aber übertreibe es nicht, so etwas toleriere ich höchstens bei einem Nestling bei der Flugausbildung...

Der Zug lässt nach und ich spüre wie sie wieder auf die linke Seite wechselt, Padmini hat ihre Geschwindigkeit jetzt angepasst und hält sich nur noch mit der rechten Hand leicht an meinem Horn fest. Sie kommt etwas näher und ich begreife, was sie da eigentlich vorhat - sie will an mein Ohr um vertraulich mit mir zu sprechen... Na gut, akzeptiert - aber fragen hättest Du vorher schon können.

Sie scheint zu wissen, was ich gerade denke.

„Bitte verzeih mir, Herr. Ich weiß, ich bin viel zu frech, zu unbekümmert in meinem Umgang mit Dir. Schließlich bist Du ein Großer, ein Elemental, dazu noch der Paladin - ich müsste Dich mit 'mein Lord' oder 'Isha Rajesh' ansprechen, zudem nicht mit Du... - Dazu meine bestimmt viel zu direkte und intime Art, dich zu berühren. Meine Meister haben mir schon oft gesagt, dass meine freche Art mich noch in Schwierigkeiten bringen wird - zuletzt, bevor sie mich zu Dir geschickt haben." -

„Mh- hmmm. Du bist also einfach nur frech zu mir...?" -

„Ja. - Auch... - Herr, mein Lord, Isha Rajesh... Eldingar..., ich kenne Dich noch nicht mal einen Tag lang, habe nur eine Nacht am Fußende Deines Lagers verbracht, Du hast mir erlaubt, Dein Schatten sein zu dürfen und es es meine Aufgabe, Dir zu dienen. Ich weiß, ich kenne Dich kaum Herr, aber ich habe Dich heute Nacht gespürt und gerochen, hoffentlich habe ich Deinen Schlaf nicht gestört dabei..."

Ich schüttele leicht den Kopf, ich habe tatsächlich nichts bemerkt... verdammt ist sie gut in den Künsten der heimlichen Krieger, ich muss vorsichtiger sein, schließlich kenne ich sie ja auch kaum und weiß nicht, ob sie und ihr Clan mich nicht hintergehen.

„Verzeih, Herr. Bitte sei sicher, dass ich Dir treu dienen werde und Dein Schlaf bei mir sicher ist - daran hast Du jetzt sicher gedacht - jedenfalls hätte ich das."

Kurzes Nicken meinerseits

„Ich konnte dabei Deinen reinen Geruch aufnehmen, eine Mischung von natürlicher Wildheit und edlem Blut, dazu dieser Hauch... das muss Mensch sein, aber anders, angenehm und irgendwie fremd. Insgesamt ein sehr angenehmer Duft, den ich gerne rieche. Dazu fühlen sich Deine Schuppen sehr angenehm an, nicht wie man es von den Großen erwartet. Und heute hast Du dann wieder Deine freundliche, sympathische Art gezeigt, die der Drache nur noch deutlicher macht, wenn er mal hervortritt. - Eldingar, Herr. Ich mag Dich, ich würde mir wünschen, es wäre uns erlaubt Freunde zu sein, zwei Krieger, die füreinander einstehen, als wären wir aus einem Ei geschlüpft..." -

„Ich verstehe. Vermutlich besser als ein anderer Großer, als Mensch war ich ja auch eine Zeitlang ein Krieger, auch wenn ich nicht kämpfen musste. - Also Kameradschaft, keine Liebe." -

„Kameradschaft... nennt ihr das so? - Aber Liebe... als ich als Deine Gespielin da vor der Höhle so getan habe, hätte ich nie gewagt, Dich wirklich so zu berühren. Und dann hast Du einfach Deinen Schwanz um mich gelegt, mich an Dich gezogen... naja, da wurde ich mutig und meine Frechheit gewann die Oberhand - und Du hast alles einfach akzeptiert und sogar erwidert, ich spürte, dass es Dir gefallen hat. Doch, da ist auch Liebe, aber ich fühle für Dich mehr wie für einen Bruder, mit dem ich mal ein wenig die Schuppen reibe und die Wärme spüre, das sehr gerne, aber nicht mehr. - Verzeih, ich rede Unsinn." -

„Auch das verstehe ich. Und ich möchte auch nicht mehr daraus machen. Auch ich mag Dich schon jetzt sehr gerne, Deine Nähe und Deine Berührungen sind sehr angenehm und beruhigend für mich. Für mich gibt es keinen Grund, warum wir nicht Freunde sein können und uns bei Bedarf ein wenig schuppern - kuscheln nennen es die Menschen, wenn sie ohne weitere Begierden sich einfach nur liebevoll gegenseitig nahe sind." -

„Und Du willst Dich nicht mit mir paaren?" -

„Vielleicht ergibt sich irgendwann mal eine Situation, in der wir beide in der Stimmung sind. Aber ich habe bereits zwei Partnerinnen, die schon viel von mir verlangen - und Jaya werde ich wohl auch bald in die Falle gehen, Tyria hat mir bereits ihre Zustimmung gegeben. - Sei Du mir eine gute Freundin, die mich mal umarmt, wenn ich es nötig habe, das ist mehr als genug, was Du mir so geben kannst. Du gibt meiner immer noch heimatlosen Seele so einen Halt - gemeinsam mit Tyria und Tascha." -

Sie sieht mir nachdenklich ins Auge.

„Ich habe Angst, dass Du mir zuviel Verantwortung übergibst, die ich nicht erfüllen kann. Ich bin Dein Schatten, ich soll Dich schützen, das kann ich, denn dafür wurde ich ausgebildet. - Ich weiß, dass Du meinen Schutz nicht wirklich brauchst, aber das ist eben meine Aufgabe. Nun willst Du, dass ich Dir meinen Rat gebe über Dinge, die ich sicher nicht verstehe. Und jetzt soll ich Dir noch helfen, Deine innere Ruhe zu finden und nicht dem Zorn des Drachen zu erliegen - das meinst Du doch? - Verzeih mir Herr, ich bin nur eine junge Dracci, eine Kriegerin der Nacht. Ich kann Dir nicht raten. Und Deiner Seele Halt geben...? Herr, Du verlangst zuviel von mir." -

„Wo Du es gerade erwähnst, wie alt bist Du eigentlich?" -

„Sechzehn Sommer, in drei Monden ist mein siebzehnter Tag des Lichts." -

„Oh, jünger als ich dachte. Wie lange bist Du im Clan?" -

„Verzeih, ich hätte Dir das alles schon sagen sollen. - Ich wurde mit sechs im Clan aufgenommen. Und nur zu Deiner Beruhigung, ich war schon mit vierzehn ausgewachsen und voll geschlechtsreif. Alle sagen, ich hätte starkes Drachenblut, dass ich so früh erwachsen war." -

„Unsere Jünglinge sind erst mit etwa sechzehn voll geschlechtsreif und gelten erst ab zwanzig, manchmal erst ab fünfzig als Jungdrachen, also praktisch als erwachsen, je nach ihrer geistigen Reife. Aber es stimmt, Dein Drachenblut ist stark, könntest Du Dich in eine Feral transformieren, würde ich Dich als Drakari betrachten. -

Aber Deine Jugend erklärt mir auch Deine kleinen Frechheiten." -

„Verzeih mir, Herr." -

„Nein, schon gut. Übertreibe es nicht, aber bleibe einfach so frech wie bisher. So hilfst Du meinem seelischen Gleichgewicht schon sehr gut, denn du machst instinktiv wohl das richtige. Und mache Dir keine Gedanken wegen dem Rat, den ich mir von Dir wünsche. Es geht nur um eine andere Sicht der Dinge, die mir helfen wird." -

„Wie Du befiehlst, Herr." -

„Hrmpf..." -

„Herr?" -

„Vergiss es. Und nun ist Schluß mit Abschleppen. Sieh zu, dass Du selber fliegst - und mit mir mithältst..."

Fast erschreckt lässt sie mein Horn los und nimmt Abstand. Ein kurzer Blick zeigt mir, dass Atum die Landschaft unter uns betrachtet.

„Verzeih mir, alter Freund. Ich musste etwas mit meinem Schatten besprechen. Ich hoffe, es ist nicht langweilig geworden." -

„Nein, ganz und gar nicht. Wenn Du wüsstest, wie sehr ich mir dieses Erlebnis ersehnt habe..." -

„Jetzt, wo Du Dich offenbart hast, kannst Du Dir ja einen Gleiter bauen." -

Er nickt.

„Richtig, daran habe ich jetzt noch gar nicht gedacht, experimentiert habe ich aber schon ein wenig - nur wollte ich euch Drachen nicht auffallen." -

„Darüber mache Dir keine Gedanken mehr. Du lebst ja in meinem Revier, soweit ich das verstanden habe. Und Erce hat mir bestätigt, dass Du jetzt hier deine Heimat hast, wenn Du möchtest." -

„Gut, dass Du mich vor den anderen Drachen schützt, glaube ich Dir. Aber ich fürchte Deinen Schöpfergott - ich bin aus einer völlig anderen Welt und gehöre eigentlich nicht hierher." -

„Warum bist Du dann hier, wenn du nicht hierher gehörst? Nein, das ist Unsinn. Du hättest das Tor nicht durchschreiten können, wenn Erce es nicht gewollt hätte. Glaube bitte nicht, dass Du unbemerkt hier angekommen bist, oder Du Dich vor der Lebenskraft dieser Welt verstecken kannst. Um es nochmal zu sagen: Du bist längst angenommen worden vom Leben dieser Welt, schon lange ein Bestandteil des Lebensstromes." -

„Es fällt mir nicht leicht - aber wenn ich Dir nicht trauen kann..." -

„Du kannst mir vertrauen, alter Freund. Ich werde meinem Löwenvater keine Falle stellen, Rahotep ist Dir einiges schuldig und Deine Ausbildung hat mir in vielen Leben geholfen." -

„Schon gut. Meinen Wohnort werde ich wohl noch eine Zeitlang geheimhalten, so fühle ich mich doch sicherer. Aber wenn Du erlaubst, werde ich auch einen Wohnsitz bei Dir nehmen, sozusagen mein offizieller Wohnort." -

„Wie Du wünscht. - Bist Du bereit für etwas mehr fliegerische Aktion?" -

„Was meinst Du?" -

„Lass Dich überraschen. Aber sage bitte rechtzeitig, wenn Dir schlecht werden sollte..." -

„Oh-Oh..."

Mehr kann er nicht sagen, denn ich kippe schon über die rechte Schwinge ab und gehe in den gesteuerten Sturzflug auf ein zerklüftetes Tal zu. Damit habe ich Padmini zwar überrascht, aber schnell ist sie wieder an meiner Seite. Erst im für mich relativ engen Tal lässt sie sich etwas zurückfallen um mir genug Bewegungsfreiheit zu geben. Und die nutze ich voll aus, winde mich geradezu durch das Tal, links, rechts, links - teilweise im 90° Winkel um Felstürme, blitzschnelle Rollen um gleich in die andere Richtung zwischen zwei Felsnadeln hindurch zu jagen, drei, vier schnelle Schwingenschläge, dann wieder scharf rechts, schnell über einen Bergsattel geschwungen, steil abgetaucht und einhundertfünfzig Meter tiefer abgefangen um dicht über eine Bergwiese zu rauschen. Am Ende die Schwingen kurz angelegt um durch die Lücke im Wald zu kommen und dann gleich scharf links an einer hohen Klippe entlang, wieder die Schwingen angelegt, durch einen schmalen Spalt in der Felswand in das nächste Tal, das sich weit vor mir öffnet. Das ganze mit Geschwindigkeiten um und über 200 km/h. Nach einer doppelten Rolle breite ich meine Schwingen aus und gleite ruhig hoch über dem bewaldeten Talboden. Ehe ich mich umblicken kann, ist Padmini schon wieder neben mir. - Schnell und wendig ist sie also, denn ich habe schon mitbekommen, dass sie mir die ganze Zeit im Kielwasser gefolgt ist.

Aber erst schaue ich nach Atum, der jetzt langsam wieder zu Atem zu kommen scheint.

„Großer Schöpfer, bist Du wahnsinnig? Ich habe uns mindestens dreimal glatt in die Felsen jagen sehen..."

Aber sein breites Grinsen sagt mir, dass er einen Heidenspaß dabei hatte. -

Auch Padmini schüttelt neben mir den Kopf.

„Herr, ich muß ihm Recht geben. Die Art und Weise, wie Du als Feral durch die Felsen gejagt bist - spätestens in der letzten Felsspalte habe ich geglaubt, Du bleibst hängen. Aber es war gerade noch genug Raum..." -

„Wir machen nachher noch mal eine Runde, dann mit mir als Anthro. Ich möchte sehen, wer von uns dann wendiger ist." -

„Auf jeden Fall bist Du waghalsiger, Herr. Oder mutiger, wenn Dir das lieber ist. Ich würde nie auf die Idee kommen, so knapp an den Felsen vorbei zu jagen, denn Du fliegst ja kein bisschen langsamer dabei." -

„Es soll doch auch Spaß machen. - So, wo wollen wir landen? Ich schlage vor, da hinten an den Bergwiesen, da erkenne ich einige Gruppen Bergziegen, die ich gerne mal jagen würde." -

Atum sieht angestrengt in die Richtung.

„Bergziege ist gut, schmeckt sehr angenehm würzig, nicht ganz so kräftig wie die Hausziegen der Menschen. - Aber wo siehst Du sie?" -

„Ich sehe sie auch nicht, nur ihre Spuren - sie sind in Deckung an den Waldrändern, haben mich wohl gesehen, oder der fremde Drache ist hier vorbeigeflogen, ich kann eine schwache Witterung von ihm wahrnehmen. Aber ich kann sie hören und wittern, die Windrichtung ist günstig." -

Er spitzt deutlich seine Ohren und schnuppert auch intensiv.

„Nein... unter uns kann ich Nager über die Bäume huschen hören, aber da hinten... das geht im Wind völlig unter. Und wittern... ja es ist etwas unbestimmtes im Wind, aber ich könnte nicht sagen, was es ist und ob sich das jagen lohnen würde. - So musst Du Dich damals gefühlt haben, als wir im Fayum oder im Delta jagen gegangen sind... - blind und taub und ohne jeden Geruchssinn als Mensch im Vergleich zu mir. Verzeih mir bitte, dass ich das nicht immer verstanden und Dich oft deswegen angeraunzt habe, weil mein Welpe sich wieder mal eine fette Beute entgehen lassen hat." -

„Und doch habe ich noch viel von Dir gelernt. Unter den anderen Menschen konnte ich Wild sehen, wo andere nur Papyrus sahen, hörte an den Bewegungen der Vögel, welche es waren und wie viele und roch auf den königlichen Großwildjagden die Wildstiere und Flusspferde, wo andere nur Sumpf gerochen haben. Natürlich lange nicht so gut wie Du, alter Freund. Du hättest wohl gesagt, dass ich ohnehin gleich über sie gestolpert wäre." -

„Naja, Du warst wirklich viel besser als die anderen Menschen, das stimmt schon. Zwar waren Deine Sinne nicht besser als bei anderen, aber Du konntest besser mit ihnen umgehen und sie gezielt schulen, was nicht viele Menschen können - oder nur mit einem Sinn, aber nicht mit allen. Da war wohl doch schon ein klein wenig Drache in Dir..." -

„Eher noch ein kleiner Rest... - Padmini, da zur Lichtung vor dem Steilwald. Ich fliege tief an, dann sollten die Bergziegen oben mich nicht bemerken." -

Sie nickt.

„Ich folge Dir Herr." -

„Viel Spaß!" -

„Herr! - Nein..."

höre ich noch, als ich wieder über die rechte Schwinge abkippe und mit angelegten Schwingen im Sturzflug beschleunige. Ich mache noch zwei Rollen, weil ich sie so besser ins Blickfeld bekomme und bemerke, dass sie mit einem etwas verzweifelten Gesichtsausdruck sich beeilt, mir zu folgen. Also war wohl nichts wichtiges, sonst hätte sie mir Zeichen gegeben.

Das hat mich doch etwas abgelenkt, meine Sinne sagen mir, dass es Zeit wird, abzubremsen, also die Schwingen voll ausgebreitet und so kurz wie möglich abgefangen - Altun gräbt im Versuch sich festzuhalten seine Krallen zwischen meine Schuppen, dringt aber nicht durch. Sein Stöhnen sagt mir, dass ich es wohl etwas übertrieben habe, die Kräfte pressen ihn hart in meine Handfläche und nehmen ihm wohl die Luft. Aber kaum habe ich uns abgefangen und die Belastung ist weg, entspannt er sich schon wieder etwas und zieht seine Krallen wieder ein.

Wir jagen jetzt dicht über einer Talwiese entlang eines Baches in Richtung auf den Steilwald zu. Bis zur besagten Lichtung muss ich aber noch einige Waldstücke umgehen, was bei meiner Geschwindigkeit entsprechend enge Kurven bedeutet. Mit kurzen Schwingenschlägen halte ich die Geschwindigkeit und bereite mich auf die erste Kursänderung nach rechts vor. Was in der Luft kein Problem ist - einfach um 90° rollen und dann praktisch einen Teillooping machen, fertig ist die Kurve - macht so dicht über dem Boden schon etwas mehr Probleme. Ich bin weniger als eine Schwingenlänge über dem Boden, kann also in der Rechtskurve meine rechte Schwinge nicht ausgestreckt lassen, wenn ich keinen Bodenkontakt haben will - was bedeuten würde, dass ich mich überschlage. Ich muss also meine rechte Schwinge etwas einziehen, etwa zehn Meter verkürzen genau genommen, oder entsprechend anstellen - Ich entscheide mich schnell zum anstellen, lasse die Schwinge also ausgestreckt, hebe sie aber aus der Linie zur linken Schwinge heraus an. So habe ich noch Auftrieb und Steuerung, vermeide aber den Bodenkontakt.

Wegen der jetzt asymmetrischen Stellung meiner Schwingen muss ich aber mehr mit meinem Körper arbeiten, um die engen Kurven bei der hohen Geschwindigkeit zu packen. Trotzdem verzichte ich darauf, höher zu steigen, so macht es einfach mehr Spaß. Und ich kann so meine zusätzlichen Leitfinnen, die von meinen Hüften an reichlich sechs Meter an meinem Schwanz entlanglaufen und die Steuerfinnen an meinem Schwanz endlich mal richtig einsetzen. Normalerweise habe ich die eng angelegt, zusätzlich liegen sie in einer Falte zwischen den Schuppen und sind so praktisch nicht sichtbar. Aber jetzt spreize ich sie voll aus, die jeweils drei auf jeder Seite an der Hüfte und Schwanzwurzel auf fast zwei Meter und die normalen Steuerfinnen nahe der Schwanzspitze, die ich beim Fliegen zum Steuern oft ein wenig mit einsetze, jetzt auf den vollen Meter pro Seite. Zudem nutze ich jetzt die ganze Länge von über zwei Meter meiner Steuerfinnen, was aber einen hohen Krafteinsatz meines Schwanzes bedeutet, um sie wirkungsvoll in die Luftströmung zu drehen.

Meine zusammen sechs Leitfinnen, die normalerweise wie jeweils eine pro Seite wirken, kann ich einzeln anstellen und so, auch ohne meinen Schwanz stark verwinden zu müssen, eine deutliche Steuerwirkung erzielen.

Und genau das nutze ich jetzt voll aus. Mit den Steuerfinnen reiße ich mich praktisch herum und die Leitfinnen gleichen den unterschiedlichen Auftrieb meiner Schwingen weitgehend aus - und unterstützen dazu meine Steuerfinnen noch darin, mich ums Eck zu bringen.

Kurz schießt mir der Gedanke durch den Kopf, wie ich das eigentlich mache, schließlich sind das alles Teile meines Körpers, die ein Mensch nicht hat und deren Kontrolle er sich nicht mal vorstellen kann. Zum Glück beeinflusst das meine Konzentration nicht und ich kontrolliere meinen Körper weiterhin unbewusst, sonst würde ich wohl gnadenlos irgendwo einschlagen, wenn ich drüber nachdenken müsste. Aber das kalte Gefühl, das der Kontrollverlust damals in meiner zweiten Nacht bei Fjörgyn hinterlassen hat, zuckt doch kurz auf.

Die erste Ecke ist geschafft, gleich kommt die nächste, diesmal links. Mit Hilfe der Leitfinnen rolle ich blitzschnell und schon muß ich voll anstellen um nicht in die Bäume zu geraten. Huh, was ist das? Oh, ich bin etwas tief, muß die Finger auf der linken Seite noch etwas mehr anheben, denn ich spüre schon das Gras... Geschafft, bis zur nächsten rechts habe ich noch eine Sekunde Zeit, zudem ist sie nur leicht, da brauche ich nicht viel machen. Ein schneller Blick zurück zeigt mir, dass Padmini immer noch dran ist - aber sie hat trotz ihres Größenvorteils und der Möglichkeit voll auf 90° zu rollen, jetzt doch leichte Probleme, die Kurven zu meistern.

Die leichte Rechts liegt hinter mir, jetzt kommt eine schnelle Links-Rechts-Kombination mit einer kurz darauf folgenden, extrem engen Linkskurve. Ich überlege kurz, einfach drüber weg zu fliegen, aber wo bleibt dann der Spaß... Also werde ich in der Kombi Geschwindigkeit abbauen, dann sollte ich auch die enge Links packen. Sicherheitshalber strecke ich meine Hand mit Atum aber nach vorne und schirme ihn mit der anderen zusätzlich noch ab, damit ihn keine Äste treffen können.

Schon geht's los. Die Kombination ist nicht sehr eng, aber beide Kurven gehen über 130° ums Eck und folgen direkt aufeinander, das hat fast etwas von einem waagerechten Looping mit einer blitzschnellen 180° Rolle mittendrin. Wieder fegen meine Fingerspitzen - die meiner Schwingen - durch das hohe Gras und ziehen eine saubere Kurvenspur in die Wiese. Ich genieße dieses Gefühl, mit weit über hundert Sachen fast mit dem Bauch im Gras zu fliegen. Aber schon ist das Ende der Rechtskurve erreicht und vor mir steht der Wald, als wäre es eine Sackgasse. Aber ich habe mir die Stecke von oben eingeprägt, da ist ganz am Ende eine schmale Schneise die nach links verläuft, kaum breit genug für meine Schwingen. Und ich muss ganz am rechten Waldrand anfliegen, sonst schaffe ich die Kurve nicht. - Notfalls kann ich nach oben ausweichen, ich werde schon keine neue Schneise in den Wald schlagen, aber der Ehrgeiz...

Voll angestellt mit maximalen Einsatz meiner Finnen reiße ich mich herum, bremse mit einem schnellen Schwingenschlag noch weiter ab - nicht einfach so dicht über dem Boden in maximaler Seitenlage - und pendele mich tatsächlich annähernd mittig in die schmale Schneise - geschafft. Ab jetzt ist es einfach, nur in der Mitte bleiben, die Schneise macht eine leichte langgezogene Rechtskurve und mündet in der großen Lichtung, die mein Ziel ist. Meine Hand mit Atum habe ich inzwischen wieder an den Körper gezogen. Jetzt nehme ich gemütlich Kurs auf den hinteren Waldrand und verliere dabei zügig an Geschwindigkeit, weil ich dabei der ansteigenden Wiese aufwärts folge. Ein Kontrollblick zeigt mir, dass Padmini es jetzt etwas ruhiger angeht und mir mit größerem Abstand folgt.

Kurz vor dem Waldrand richte ich mich auf um den letzten Rest an Geschwindigkeit zu vernichten und setze sanft erst mit den Füßen und dann mit der freien Hand auf. Während ich die Schwingen genussvoll zusammenfalte, lasse ich Atum von meiner Hand absteigen. Er dreht sich gleich zu mir um.

„Danke, dass Du mich nicht durch die Bäume gezogen hast... - Nein ehrlich gesagt, war es ein einmaliges Erlebnis, dass ich mit einem Fluggerät nie nachmachen würde. Danke dafür - und auch, dass Du ein Drache bist, als Mensch wäre das wohl nie möglich gewesen." -

„Sag das nicht - sicher nicht so schnell und etwas weniger tief, aber die Menschen haben Fluggeräte entwickelt, die fast ebenso wendig sind. Zum Glück für uns Drachen aber nur fast." -

„Werden die Menschen hier das auch erreichen?" -

„Wenn es uns gelingt, sie dabei auf einem Weg zu führen, der diese Welt und den Lebensstrom nicht verletzt - oder nur minimal - dann vermutlich irgendwann schon." -

„Wie wollen die Drachen das erreichen?" -

„Darüber muss ich mir noch klar werden. Denn ich weiß, dass vieles nur mit Bergbau zu erreichen ist. Ich hoffe, wenigstens die Nutzung fossiler Brennstoffe weitgehend umgehen zu können, indem wir ihnen die drüben gerade in der Entwicklung befindlichen Alternativen bringen. - Aber rede ruhig auch von Dir, alter Freund, auch Du darfst Dich daran beteiligen." -

„Ja, ich habe ja verstanden, dass ich dazugehöre. Aber ehrlich gesagt, habe ich nicht besonders viel Wissen über Alternativen. In meiner Welt haben wir wohl auch den Planeten ausgebeutet um unsere Zivilisation aufzubauen - das muss ich jedenfalls aufgrund meines Wissens annehmen." -

„Ich verstehe. Hatte Dein Volk die Kernfusion als Energiequelle entwickelt?" -

Atum sieht mich nachdenklich an.

„Warum fragst Du? Die Menschen haben doch die Fusion - oder nicht? Du hast es doch erwähnt." -

„Nur als Waffe, gezündet durch Kernspaltung. An der Kernfusion forschen sie noch. Die Zündung gelingt zwar schon, aber über eine Minute kommen sie noch nicht, dann müssen die Magnetspulen erst abkühlen. Das reicht noch nicht für kontinuierliche Zündungen." -

„Ah, jetzt verstehe ich Deine Frage. Sie sind also noch beim gepulsten Reaktor - einfacher herzustellen, aber schwierig in der Umsetzung als Energiequelle. - Ja, ich kann Dir Informationen über die kontinuierliche Fusion geben, aber für die Berechnung der Magnetspulen braucht es doch einen leistungsfähigen Rechner. Hättest Du so einen, bauen wir in zwei, drei Jahren einen funktionierenden, Energie liefernden Reaktor - kein Problem." -

Padmini ist mittlerweile auch gelandet und hört uns mit offensichtlicher Verständnislosigkeit zu. Ich muß über die locker dahergesagte Selbstverständlichkeit grinsen.

„Hört sich alles ganz einfach an..." -

„Ist es eigentlich auch, wenn man ein paar Grundlagen und Tricks kennt." -

„Und woher nehmen wir die Ultraleiter, Spezialstähle und Deuterium und Tritium? Nur als Beispiele..." -

„Du solltest Dein Reich unbedingt bereisen, mein Bester. Auch ohne dass ich daran beteiligt war, hast Du hier vier oder fünf Zentren, in denen die Menschen auch unter euch Drachen ein paar Entwicklungen gemacht haben. Sie können bereits hochwertigen Stahl in nennenswerter Menge herstellen, sogar Edelstahl und die Feinmechanik hat einen beachtlichen Stand erreicht. Ich vermute, Dein Vorgänger hat sich nicht besonders darum gekümmert." -

„Dann haben sie sicher auch technische Entwicklungen gemacht. Sollte Erce das entgangen sein..." -

„Soweit ich das beurteilen konnte, halten sie sich streng an einige Regeln. Insbesondere daran, ihrer Umwelt keinen Schaden zuzufügen, der nicht in ein, zwei Jahren geheilt ist. Ich vermute, so sind sie der Aufmerksamkeit bisher entgangen." -

Also gibt es bereits Entwicklungen in Richtung Technik in dieser Welt - wenn das bisher nicht aufgefallen ist, haben sie sich sehr vorsichtig dabei verhalten. Das könnte ein wichtiger Schritt sein, der mir helfen könnte. - Aber ich muss vorsichtig sein, denn als Drache gelte ich schließlich als Feind jeden technischen Fortschritts.

„Ich danke Dir, alter Freund. Das sind wichtige Informationen für mich, die mir helfen werden. Und keine Sorge, ich habe nicht vor, sie für ihre Erfindungsgabe zu bestrafen, im Gegenteil. - Aber einen Stellarator werde ich wohl nicht so schnell bauen, mir reichen erstmal Wasserturbinen und Windräder." -

„Ach so, Du meinst den Fusionsreaktor. Na ja, grundsätzlich möglich wäre es, aber wozu ohne den entsprechenden Nutzungsbedarf. Aber wenn Du auf Kohle und l verzichten willst, ist elektrische Energie schon notwendig um einen technischen Fortschritt zu erzielen. Denn soweit sind die Menschen hier weitgehend." -

„Anderswo auch. Ich habe bei der Reparatur einer Wassermühle geholfen. Was ich da an technischer Entwicklung gesehen habe, lässt mich vermuten, dass die Menschen hier praktisch nur auf die Dampfmaschine warten und dann beginnt die Industrialisierung... - Ich habe schon darüber nachgedacht, ob ich ihnen nicht jetzt schon die Elektrizität bringe, schließlich bin ich ein Blitzdrache... Und das könnten sie mit der bereits bekannte Wasser- und Windkraft erzeugen und nutzen. Dann kommen sie vielleicht gar nicht auf die Idee, fossile Brennstoffe zu nutzen, wenn sie bereits eine Alternative haben." -

Er sieht mich nachdenklich an.

„Auf jeden Fall wird es einfacher für Dich, ihnen den Gebrauch der fossilen Brennstoffe zu verbieten, denn Du hast ihnen ja eine - zudem gute - Alternative gebracht." -

„Und doch brauche ich dringend die Hilfe der Erddrachen. Denn nur mit ihrer Hilfe bekommen die Menschen die notwendigen Rohstoffe, ohne den Fluss des Lebens allzusehr zu stören." -

Endlich kommt Padmini zum Zug, ich habe schon bemerkt, dass sie sich unwohl fühlte, weil sie kaum verstand, worüber wir geredet haben.

„Das Herr, sollte nicht schwer werden. Deine Mutter ist eine der wichtigsten Erddrachen, die auch wir kennen, obwohl sie weit weg ihr Reich hat - und Deine Partnerin ist eine starke Magmadrachin. Auch die können Metall zur Oberfläche holen, wir nutzen gerne die Gebiete, in denen Magmadrachen ihre Kräfte entfesselt haben, um Eisen für unsere Schmiede zu holen.

Und wenn die beiden Dir nicht helfen..." -

„Und Du sagst, Du könntest mir nicht helfen... An Tyria habe ich noch gar nicht gedacht, Fjörgyn zwar schon, aber dass sie so wichtig ist?" -

„Verzeih Herr, ich weiß nicht, wie ihr Drachen das beurteilt. Aber wenn eine Drachin, die weit weg lebt und von der nicht bekannt ist, dass sie jemals hier war, trotzdem hier bekannt ist und einen vergleichsweise guten Ruf hat - dann erachten wir diese als wichtig, bzw. hochrangig unter den Drachen. Denn wir kennen hier sonst nur Tyria und Alissia, naja, Alissia eigentlich nur durch ihren nicht gerade guten Ruf über ihren Umgang mit den anderen Völkern. Und dann nur noch Euren König, Du nanntest ihn wohl Eldflóð, wenn ich das richtig verstanden habe. - Ja natürlich noch Deinen Vorgänger, Valarinn. - Oh und natürlich Dich, wenn überwiegend auch nur Deinen Namen." -

„Noch kennt man nur meinen Namen. Man wird mich noch kennenlernen." Ich grinse breit und Padmini versteht, dass ich es scherzhaft meine.

„Aber dass so wenig andere Drachen bekannt sind... Naja, andererseits kümmern wir uns ja eher selten um andere Reviere und die anderen Völker sind meist eher froh, wenn sie uns nicht sehen. - Ach ja, Eldflóð ist zwar so etwas wie unser allgemein anerkannter Anführer, seine Position unter uns ist aber nicht wirklich als König zu bezeichnen. Wir achten seine Weisheit und folgen ihm aus freien Stücken, falls es aus wichtigen Gründen notwendig sein sollte." -

„Und was ist mit dem Paladin?" fordert sie mich heraus. -

„Das musst Du die anderen Drachen fragen. Ich habe Eldflóð Loyalität geschworen, denke aber, er würde in bestimmten Fällen eher mir folgen, als auf seinen Führungsanspruch zu beharren." -

„Aber Tyria... verzeih, ich sollte sie eigentlich besser mit ihrem Rang nennen..." -

„Schon gut. Unter uns beiden - uns drei - kannst Du alle beim Namen nennen. Tja Tyria - sie ist wohl bereit, ihrem Partner weitgehend zu vertrauen und zu folgen, ob sie dem Paladin folgen wird, kann ich Dir nicht sagen." -

„Verzeih... hast Du Zweifel?" -

„Nein. Sie wird mir als ihrem Lebenspartner sicher weitergehend zur Seite stehen, als sie dem Paladin als Fremden folgen würde." -

„Du bist wirklich ein ungewöhnlicher Drache, dass Du einer Dracci so weitgehend Rede und Antwort gibst." wirft Atum ein. -

„Ich war eben lange ein Mensch. Viel länger als ich Drache war und bin - viel länger als ein Drache hier ein Drache ist oder war. Ich habe alle meine Zeitgenossen und auch viele deren Nachfahren 'überlebt'. Da hat der Drache es trotz seines starken Willen und des überwältigenden Zorns schwer." -

„Und das bleibt hoffentlich so. - Oh, verzeih Herr..." Padmini hat mal wieder ihre freche Ader. Ich ignoriere es, innerlich grinsend.

„Schluß jetzt. Ihr schafft es immer wieder, mich in irgendwelche unsinnigen Diskussionen zu verwickeln. Ich bin zum Jagen hier und genau das werde ich jetzt machen. - Lässt Du Deine Waffen hier, Altun?" -

„Ich mag zwar danach aussehen und habe auch noch die Instinkte, aber dennoch jage ich lieber mit einer Waffe. Mit bloßen Händen und meinen Krallen fühle ich mich nicht wirklich wohl." -

„Ich verstehe, für mich war es ja sogar mit Waffen nicht besonders angenehm damals. Später hat es sich dann etwas gegeben, aber nur aus Lust habe ich nie gejagt, wenn dann um die Beute auch zu essen. - Heute aber empfehle ich Dir, es zu probieren, die Eindrücke der Jagd sind sehr angenehm, wenn man sie so direkt erfährt." -

„Danke, ich habe es schon gemacht, wenn ich jagen musste und keine Waffen hatte. Aber es hat mir nicht besonders gefallen. Das erleben des Todes ist mir dann doch ein wenig zu intensiv. Ich bin wohl doch zivilisatorisch verdorben..." Er grinst schief.

„Und ich habe es als Drache erst erfahren - und der Mensch genießt die intensiven Erfahrungen dabei. Ich weiß natürlich, dass nur die Sinne des Drachen mir diese Erfahrungen gewähren. Padmini, Du wirst aber doch mit mir kommen - ohne Waffen..." -

Sie seufzt.

„Wie Du befiehlst Herr." -

„Das klingt nicht begeistert..." -

„Nein Herr, so klingt es nicht... Ich würde lieber einen Pfeil abschießen." -

„Hast Du schon mit Deinen eigenen Waffen gejagt? Du bist schließlich als Prädatorin gut gerüstet." -

„Nein Herr. Obwohl es während der Ausbildung erwünscht war, habe ich die Beute lieber mit einer Falle gefangen und dann mit einem selbstgemachten Spieß erstochen. Es wurde akzeptiert, da ich ja erfolgreich ohne eine mitgenommene Waffe, Nahrung beschafft hatte." -

„Dann könnte es heute also Dein erstes Mal werden. ffne Deine Sinne und lasse Dich von ihnen leiten, denke nicht darüber nach, dann wird es schon klappen. Bei mir hat es auch funktioniert, obwohl ich da noch nicht wusste, dass ich in vielen anderen Leben schon gejagt hatte. Es war da für mich das erste Mal in meinem bewussten Leben, dass ich so direkt Beute machte. Die Hirsche als Feral vorher, das war irgendwie abgehoben, wie von außen betrachtet. Aber als Anthro den Hirsch hetzen und meine Fangzähne in seine Kehle schlagen... Krrrrgh - lasst uns losgehen, ehe ich einen von euch... - Verzeiht, aber mich überwältigt gleich die Jagdlust."

Ich drehe mich abrupt um, transformiere zum Anthro und gehe mit schnellen Schritten in den Wald um zur oberen Bergwiese aufzusteigen. Die beiden beeilen sich, mir zu folgen, damit wir uns nicht verlieren - obwohl sie nur ein paar Geräusche machen müssen, dann finde ich sie schon.

Die beiden unterhalten sich noch flüsternd, offensichtlich will Padmini irgendwas über mich in Erfahrung bringen, aber ich kümmere mich nicht weiter darum. Ich will jagen! Ich will Beute machen. Ich will den Tod spüren, den ich bringe, denn ich bin ein Drache, ein Raubtier. In mir erwacht wieder der alte, ursprünglich Drache, der direkt von den Raubtieren, die wir waren, abstammt und deren Instinkte in mir immer noch sehr stark sind.

Diese Raubtierinstinkte in Verbindung mit unserer von Erce erhaltenen Intelligenz macht uns Ursprüngliche Drachen gefährlich, sehr gefährlich. Doch sind wir uns dessen auch bewusst und kontrollieren unsere Instinkte sehr gut - nur bei der Jagd brechen sie sich Bahn dann sollte sich niemand uns in den Weg stellen. Fjörgyn hat eine Andeutung davon erfahren, als sie mich daran hindern wollte, die überzählige Beute für ihre Kinder mitzunehmen. Und auch Eldflóð hatte wohl so eine Ahnung und sich vorsichtig zurückgehalten bei meiner ersten Jagd als Anthro bei ihm.

  • Mir kommt 'wir' in den Sinn, dabei gibt es nur noch mich als Vertreter der Ältesten Drachen. Allerdings... jetzt wo ich mich an die gemeinsame Jagd mit Fjörgyn erinnere... auch an ihr spürte ich da diese starken Instinkte, die sie fast dazu verleiteten mich anzugreifen. Ist sie auch...? Erce, bitte sage mir, wenn es noch andere meiner Art hier gibt.

Ich bin zwar nicht Erce, aber Du denkst gerade so intensiv an Mama..." -

Sálleiðtogi!

Hallo Schwester. Es macht nichts, Du bist mir auch immer lieb. - Ja, meine alten Instinkte bestimmen gerade mein Handeln und auch ein wenig mein Denken. Und ich hoffe gerade noch andere Drachen wie mich zu finden - auch wenn es unrealistisch ist." -

Du weißt es doch selber. Es gibt euch erste, von Erce geformte Drachen nicht mehr in dieser Welt. Selbst für uns Drachen ist seitdem sehr viel Zeit vergangen, viele Generationen sind seither durch diese Welt gegangen und haben sich dabei verändert, sind... zivilisierter - so lese ich es in Deinem Bewusstsein."

Aha, daher also ihre so menschliche Art mit mir zu sprechen.

Richtig. Verzeih, ich werde es nicht mehr machen, wenn Du es nicht möchtest." -

Nein, es ist gut so. Für mich ist es angenehm, wenn Du nicht so dracoid mit mir sprichst. Unsere Verbindung gibt mir ja wesentlich tiefere Einblicke, als ein normales Gespräch und ich gehe nicht so gerne in Dein Bewusstsein, weil mir Dein Denken so fremd ist." -

Angst hast Du nicht davor... jedenfalls bei mir. Deine eigenen Gedanken dagegen erschrecken Dich. - Du denkst als Mensch zwar so merkwürdig anders, irgendwie kompliziert, aber ich finde das unheimlich spannend. Leider kann ich nicht so denken, ich habe es schon versucht. Was macht unser Denken denn so unangenehm für Dich?" -

Ihr - wir, ich jetzt ja auch manchmal. - Die Drachen denken so streng, geradlinig, hart - irgendwie gnadenlos. Sie erlauben sich nur sehr selten, ihre Gedanken einfach schweifen zu lassen - nicht mal bei der Meditation, gerade dann nicht. Mir ist vollkommen klar, wie unsinnig unser Gedankenaustausch für Dich gerade ist, auf solche Gedanken kommt ein Drache gar nicht, sie sind nicht zielführend." -

Ihr Kichern erfüllt mich.

Ja, unverständlich und überflüssig - eigentlich. Aber spannend und interessant für mich. Und da ich in Dein Bewusstsein schauen darf, glaube ich sogar Dich ein wenig zu verstehen - sicher bin ich mir da aber nicht. Aber lass uns darüber ein anderes Mal unsere Gedanken austauschen - ein sehr schönes Bild dafür, wie ich finde. - Aber zu Deiner Frage: nein, Mama ist nicht wie Du, aber die alten Instinkte sind noch stark in ihr, wenn auch sehr tief verborgen. Ich bin zufällig darauf gestoßen, gesucht habe ich nicht danach, um Deiner Frage zuvorzukommen." -

Es wäre auch Unsinnig, selbst ich bin ja nur so, weil Erce meinen alten Körper als Vorlage gewählt hat. Als Drache ist mir das klar, aber der Mensch denkt daran, dass Tyria mir sagte, Mum's Ei hätte lange geruht..." -

Du meinst sooo lange?" -

Nein, Du hast Recht. Das ist Unsinnig. Vielleicht ein paar tausend Jahre, mehr sicher nicht - wenn es stimmt. Ich zweifele nicht an Tyria, aber ich weiß nicht, woher sie dieses Wissen hat." -

Da vernehme ich gerade den Drachen... aber das klingt jetzt logisch, sogar für mich und ohne Dein Bewusstsein zur Hilfe zu nehmen. - Wenn Du möchtest, gehe ich Erce ein wenig auf die Nerven um etwas zu erfahren..." -

Nein, diese Information ist unnötig für mein Leben hier, nur menschliche Neugier. Bitte lass es darauf beruhen, belästige Erce nicht damit." -

Ich verstehe. - Deine Sinne sagen mir, dass Deine Begleiter Dich verloren haben, Deine Instinkte sind zu gut für sie, Du bist sogar für die Kleine Drachin zu leise und vermagst ihre Sinne zu verwirren." -

Padmini ist keine Drakari, ihr Großvater ist einer, ein paar Gene stecken also in ihr, aber sie ist eine Dracci." -

Also ist sie wirklich ein Mischling..." so eine Art belustigtes Augenzwinkern steht in meinem Bewusstsein.

...aber in ihr ist die Drakari stark, das kann ich über Deine Sinne spüren. Und ich ahne, dass sie Dich noch viele Sommer begleiten wird, denn sie wird wohl deutlich länger leben, als andere Drac?ier. Ich freue mich schon darauf sie zu treffen - auch wenn ich eine Drachin bin. - So, genug jetzt, gute Jagd Großer." -

Damit ist sie wieder weg, ich bin wieder mit mir alleine und verstehe, was sie meinte. Meine alten Jagdinstinkte haben mich im Griff und ich husche blitzschnell, aber praktisch unhörbar zwischen den Bäumen hindurch, dabei meine Umgebung genau beobachtend. Und vor mir, nicht mehr weit entfernt, ist eine Gruppe Bergziegen, die ich unbewusst zum Ziel genommen habe. Wenn ich mit Sálleiðtogi Gedanken austausche, also sozusagen mit ihr spreche, behalte ich natürlich den Kontakt zu meiner Umgebung hier, wie bei einem normalen Gespräch. Aber eben wie bei einem Gespräch, bekommt man manchmal nicht alles mit, wenn man sich auf sein Gegenüber konzentriert. Und so habe ich verpasst, dass Atum und Padmini mich verloren haben, weil ich zu leise bin und zudem meine Jagdfähigkeiten bereits einsetze. Meine Fähigkeit, meine Beute zu verwirren, mich anschleichen zu können, ohne dass das Tier mich als Feind erkennt. Ich weiß zwar nicht wie, aber das wirkt wohl auch auf meine Begleiter...

Ich bleibe stehen, hocke mich hin und sehe mich um. Die beiden sind gar nicht weit weg, etwa dreißig Meter hinter mir, ein Stück tiefer, denn hier ist der Berg recht steil. Sie bewegen sich ebenfalls leise, wenn auch notgedrungen wegen der Geschwindigkeit mit der sie mir nachhetzen nicht lautlos und daher für mich überdeutlich hörbar. Aber das ist akzeptabel, da sie ja versuchen mich einzuholen. Ihr Weg führt sie allerdings ein gutes Stück an mir vorbei. Einen Moment warte ich noch, bis sie fast auf meiner Höhe sind, dann knicke ich einen trockenen Zweig.

Atum wird aufmerksam, Padmini aber bleibt schlagartig stehen und sieht in meine Richtung. Eigentlich müsste sie mich sehen, oder tarnt mein dunkles Blau mich so gut hier im Wald? Zugegeben bin ich an einer recht dunklen Stelle und hinter mir stehen einige dichte Nadelbäume, aber hier ist alles grün, nicht blau. Ihr Blick jedoch streift suchend herum.

„Herr?" höre ich Padminis Stimme leise in mir. - Das ist doch das Sprachorgan eines Drachen! Bisher hat sie das nie genutzt, nur ihre Stimmbänder. -

„Ja." antworte ich ihr.

Sie gibt Atum ein Zeichen, dass ich irgendwo hier bin. Irgendwie belustigend, dass zwei so gute Jäger mich nicht entdecken, obwohl ich mich nicht besonders verstecke. -

„Bitte, wo bist Du Herr?" höre ich sie wieder in mir, wie die anderen Drachen.

Als Antwort richte ich mich auf, das und wohl auch mein Wille gesehen zu werden, macht mich für die beiden sichtbar.

Sofort kommen sie zu mir. Padmini, die mir näher war, erreicht mich als erste und betrachtet mich eindringlich. Dann steht auch Atum vor mir, er sieht mich eher neugierig an. Aber die Frage stellt Padmini.

„Wie machst Du das?" jetzt flüstert sie wieder mit ihrer Stimme.

„Gut, Du bist extrem leise, selbst hier im Wald, aber - ich hätte Dich doch eigentlich sehen müssen hier? Erst war nichts und dann stehst Du plötzlich hier..." -

„Es scheint so, dass wir Ältesten noch eine besondere Tarnung gegenüber unserer Beute beherrschten. Die Tiere sehen uns zwar, erkennen uns aber nicht. Zumindest nicht als Drache und Jäger. Vermutlich wirkt das auch auf euch, denn ich wollte nicht gesehen werden. Womit ich eigentlich die Beute gemeint habe, nicht euch." -

„Eine interessante Fähigkeit." bekundet Atum -

„Das wäre etwas für einen Nachtkrieger. Kann man das lernen?" -

Ich sehe Padmini nachdenklich an. Einen Rest dieser Fähigkeit haben die Drachen zumindest teilweise ja heute noch. Damit wollen Fjörgyn und Eldflóð uns ja gegenüber den Menschen tarnen, sie sehen uns, glauben aber Menschen vor sich zu haben. Und Tyria beherrscht es ja auch, wie sie sagte. Nachdem Padmini ja immer mehr Drachenfähigkeiten offenbart...

„Lernen sicher nicht, die Fähigkeit muss in Dir schon angelegt sein. Also höchstens lernen, sie zu nutzen." -

„Schade, als Dracci habe ich diese Fähigkeit sicher nicht." -

„Nun, immerhin hast Du das Sprechorgan eines Drachen, wer weiß..." -

„Herr, mach keine Scherze. Woher sollte ich die Drachenstimme haben. Ich kenne keine Drac?ier, die das haben, wir sprechen wie die Menschen." -

„Atum, hast Du gehört, dass sie nach mir gerufen hat und mich dann fragte, wo ich bin?" -

Er schüttelt den Kopf.

„Nein, wann?" -

„Nachdem ich den Zweig geknickt hatte." -

Padmini wirkt jetzt richtig sauer.

„Wollt ihr euch beide über mich lustig machen? Ja ich habe nach Dir gerufen und als Du geantwortet hast und ich Dich nicht sehen konnte, habe ich auch gefragt. Aber doch ganz normal, ich wollte nur möglichst leise dabei sein, damit nur Du mich hörst, Herr." -

„Und damit hast Du unbewusst Dein Sprechorgan benutzt. Ich mache keine Scherze, dazu bin ich jetzt viel zu sehr Drache. Du hast das Sprechorgan, nur ist Dir das nicht bewusst." -

„Herr..." -

„Wir werden später daran arbeiten, die - wie nennt ihr sie? Drachenstimme? - diese Art zu sprechen hat durchaus Vorteile, auch wenn ich mich erst daran gewöhnen musste. Und eine Dracci, die als mein Schatten wie ein Drache spricht..." -

„Oh, ja... Herr, Du erhebst mich weit über den Stand, der mir zusteht." -

„Unsinn. Die Stimme hast Du von Deinen Ahnen, nicht von mir."

Genau genommen von ihrem Großvater. Der Mensch in mir würde ihr das am liebsten sagen, aber der Drache ist da strikt und verweigert es.

Die Gruppe Bergziegen, auf die ich es abgesehen hatte, hat uns zwar nicht bemerkt, sind aber weitergezogen, wir müssen uns also andere Beute suchen.

„Los jetzt, wir sind auf der Jagd und nicht in einer Diskussionsrunde."

Atum grinst breit - er erinnert sich wohl an Begebenheiten damals mit mir, die er ähnlich beendete. Wieder führe ich, achte jetzt aber darauf, dass sie mich nicht wieder verlieren.

Ein paar Minuten später erreichen wir den Waldrand, wo wir zwischen Büschen Deckung suchen. Sofort bemerke ich, dass die Bergziegen sich wieder sicher fühlen und auf der Wiese in Gruppen nach schmackhaften Kräutern suchen. Das macht das anschleichen schwieriger, aber das jagen einfacher.

...

weiter geht's in Kapitel 16. Der Rote