Drachenmenschen 06 - einige erste Male

Story by Lord_Eldingar on SoFurry

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#6 of Drachenmenschen

Teil 6 der Geschichte.

der direkte Anschluss an Teil 5

So langsam zeigt sich, was ein Drache so alles kann.

Aber immer noch bleibt das Gefühl, eingesperrt zu sein...

(Und sorry für die riesigen Absätze - der neue Editor hier verarscht mich noch mehr, als der alte... und das große ö wird immer noch nicht angezeigt...)


Drachenmenschen

  1. mehrere erste Male

Kyrrah lässt mir Zeit, mich zu orientieren. Mit dem Bild der Umgebung in meiner Erinnerung kann ich mich bald auch mit dem Gehör recht gut orientieren. Das Trippeln kleiner vierfüssiger Tiere an verschiedenen Stellen vor mir kann ich schon am Rascheln der trockenen Grashalme und der Erika-Zweige auf das heideartige offene Gelände vor mir zuordnen, vermutlich höre ich den Mäusen bei der Futtersuche zu. Neben und hinter mir höre ich Eichhörnchen die Stämme und Äste entlanglaufen und das eigenartige Stochern mit Stroh, das direkt auf die Landung eines kleinen Vogels in den Zweigen folgt, muss ein Nestbau sein, der überall im Umkreis zu hören ist. Und das vielfache sechsbeinige Trommeln auf dem Boden ist wohl ein Ameisennest ein paar Meter hinter uns.

Langsam lässt das jetzt dreifache Gefühl, in meinem Körper eingesperrt zu sein, wieder nach. Nur dass ich so gar nichts auf meinen Schuppen spüren kann, stört mich, die Einschränkungen des Sehen und Riechen machen mir keine besonderen Probleme mehr, da ich ja weiß, dass sie nur vorübergehend sind. Aber dass ich die Ameisen, die ich eindeutig über die Schuppen meiner Füße laufen höre, nicht auch fühlen kann - das stört mich gewaltig... und lässt einen unbestimmten Zorn tief in mir wachsen.

...

Das Rauschen in den Flügeln eines Greifvogels hoch über uns lenkt mich ab.

„Ein Milan?" -

„Äh... was?" -

Kyrrah ist verwirrt. Soweit ich das hören konnte, hat er mich die ganze Zeit beobachtet - wer weiß, woran er dabei gedacht hat...

„Über uns kreist ein Greifvogel, ist das wieder der Milan?" -

Ein Moment Pause, ich höre seine Schuppen leise aneinander gleiten.

„Ah, da. Direkt über uns. Nein, es ist ein Bussard." -

„Gut, danke. Werde ich mir merken. Erklärst Du mir ein paar Geräusche, die ich nicht eindeutig zuordnen kann?" -

„Natürlich, gerne." -

„Gibt es hier Solitärbienen?" -

„Was?" -

„Bienen, die kein Volk bilden. Sie graben auf Sandflächen Bruthöhlen, jede für sich alleine. Ich höre da ein paar Meter links so ein Scharren und immer wieder das Summen von Bienen."

Deutlich höre ich, wie er sich etwas aufrichtet, wohl um an mir vorbei zu schauen.

„Tatsächlich, da ist eine unbewachsene Sandfläche - überall Löcher und eine Art Bienen. - Aber woher weißt Du das so genau?" -

„Ich habe schon als Mensch solche Bienen mal zufällig angetroffen und ein wenig beobachtet. Und jetzt ist die Zeit, wo sie ihren Bau graben, wenn das Wetter gut ist. - Und da müsste eine Siedlung sein..." ich zeige in die Richtung. -

„Ja, richtig. Aber keine Bienen..." -

„Clown gefrühstückt?" -

„Ja, hat komisch geschmeckt..." -

Wir grinsen beide - jedenfalls nach dem, was ich höre.

Ich frage ihn weiter aus, was für ein Tier das ist, was ich hier oder da höre, technische Geräusche der Menschen in der Umgebung, welcher Baum so markant im Wind knarzt - verschiedenes um das Gehörte zuordnen zu können. Manchmal auch, was dieses oder jenes Geräusch überhaupt bedeutet, wie das Schmatzen, mit dem Ameisen eine Beute zerlegen.

Zwischendurch fragt Kyrrah mich auch nach Richtungen, aus denen ein bestimmtes Geräusch kommt, oder nach der Bedeutung eines bestimmten Geräusches. Mit der Zeit merke ich, dass ich dadurch immer mehr gleichzeitig bewusst wahrnehme, weil ich mich einerseits auf ein bestimmtes Geräusch konzentriere, gleichzeitig aber auch nichts wesentliches im Umfeld verpassen will.

Schließlich höre ich Kyrrah.

„Ich werde Dich jetzt gleich anfassen, nicht erschrecken. Wir sollten für heute Schluss machen, vier Stunden reichen vorerst." -

Vier Stunden! Waren das wirklich vier Stunden? Aber ich habe keinen Grund, ihm zu misstrauen. -

Ich nicke und spüre gleich darauf die feinen Schuppen von seiner Handfläche an meinen Lippen. Er dreht sanft meinen Kopf zu sich, dann zieht er vorsichtig die Klebestreifen von meinen Nüstern. Ich sauge die Luft erleichtert durch die Nase und sofort überfällt mich wieder das wilde Gemenge an Gerüchen, die ich jetzt aber erleichtert begrüße.

Als erstes rieche ich deutlich die Reste des Klebers heraus, eine Mischung aus Latex und Chemie. Dann sofort den angenehmen Geruch von Kyrrah, sein typisches Aroma gemischt mit seinem Atem, der über meine Nüstern streicht. Warum nur fühle ich mich von ihm so angezogen - er ist ein Mann und ich bin hetero. Als Mensch ist er mir sympathisch, mehr nicht - aber als Drrékh übt er eine eigenartige Anziehungskraft auf mich aus, die mich an meiner sexuellen Orientierung zweifeln lässt.

Kyrrah scheint meine Gedanken zu spüren, denn ich spüre, wie er seine Nüstern direkt an meine legt, mir seinen Atem sanft direkt in die Nüstern bläst und meinen Geruch aufsaugt - ich atme ja nicht wechselweise, wie er. Ersatzweise lecke ich leicht über seine Nüstern, was er mit einem leisen Knurren zu genießen scheint und den Geruch meines Speichels einsaugt. Doch dann zieht er sich wieder zurück - immerhin weiß ich jetzt, dass ein Drrékh auch ganz angenehm schmeckt - er zumindest...

„Lass uns damit aufhören, ehe ich Dich fessel und Sachen mache, die Du vielleicht nicht möchtest..." -

Dann spüre ich vorsichtige Berührungen an meinen Augen und nur wenig später wird es wieder hell um mich. Mir wird schwindelig, so plötzlich überfällt mich das gewaltige Sehfeld. Kyrrah hält mich an den Schultern und gibt mir so Halt bis ich mich wieder konzentrieren kann.

Es dauert wohl eine Minute, dann kann ich mich wieder auf einen Punkt konzentrieren und der Schwindelanfall ist wieder vorbei. Kyrrah sieht mich aufmerksam an und beginnt zu lächeln, als er bemerkt, dass ich mich wieder fokussieren kann.

Ich atme tief durch, dann beuge ich mich vor und züngele ihm schnell noch mal über die Nüstern.

„Danke mein Freund." -

Er legt seine Hand kurz unter mein Kinn.

„Ich danke Dir, Du oller Hetero." -

Kyrrah blickt mir tief in die Augen, dann senkt er seufzend den Blick.

„So weit bist Du noch nicht... - macht nichts, es fühlt sich trotzdem gut an, Deine Schuppen spüren zu dürfen. - Sag mal, hättest Du nicht Lust auf einen kleinen Gleitflug?" -

„Gleitflug?" -

„Klar. Wo wir schon mal hier auf dem Hügel stehen und der Wind günstig ist..." -

„Meinst Du, das klappt?" -

„Du musst nur die Schwingen ausgestreckt halten, der Rest geht von alleine." -

„Naja... fliegen wäre schon ein Traum..." -

„Also los. Aufstehen und die Schwingen ausbreiten. Dann den Wind fühlen, den Auftrieb annehmen und sich fallen lassen." -

„Klingt, als wäre es so einfach wie Bier trinken." -

Er grinst.

„Mach Bier brauen draus, dann liegst Du schon richtiger. - Nein, ein Gleitflug ist nicht so schwierig, das lernst Du schnell. Und so wirst Du hoffentlich hungrig aufs Fliegen und nimmt das Krafttraining ernst." -

„Muss ich da viel Krafttraining machen? Ich meine, weil ich doch erst vor kurzem geflogen bin. Habt ihr mir jedenfalls erzählt." -

„Nein, nicht wirklich. Aber zum erhalten der Kraft ist das schon zu empfehlen. Und Du musst weniger laufen um noch ein wenig mehr Gewicht zu verlieren." -

„Bin ich denn wirklich so fett? So als Anthro kann ich das nicht recht nachvollziehen - oder wirkt mein Gewicht als Mensch mit rüber..." -

„Nein. Aber Du behältst Dein Gewicht. Du siehst zwar als Anthro schlank aus, weil einiges in die Schwingenarme und Flugmuskulatur geht, aber trotzdem solltest Du als Anthro nicht viel mehr als 80 Kilo wiegen. Du weißt schon, wenn Du leichter bist, fliegt es sich leichter. - Obwohl Du sicher etwas mehr wiegen darfst als ich, Deine Schwingen sind ja deutlich größer." -

„Hast Du schon mal erwähnt..." -

„Na los, steh endlich auf und stell dich mal da hin."

Ich gehorche und stelle mich auf eine ebene Fläche, wo er sich vor mir aufbaut.

„Und nun breite Deine Schwingen aus."

Ein wenig Konzentration braucht es, aber meine Flugarme gehorchen mir, ich breite meine Schwingen aus. Kyrrah macht es mir nach und stellt sich direkt vor mich. Dann legt er seine Schwingen gegen meine, was ich etwas deutlicher spüre, als sonst an meinem Körper. Und ich sehe uns spüre deutlich, dass seine Schwingen tatsächlich kürzer sind als meine, ein ganzes Stück sogar.

„Siehst Du, Großer. Mir fehlen fast zwei Meter Spannweite - sehr viel für einen Anthro..." -

„Richtig, das ist schon ein ganzes Ende - aber Deine Flughaut ist breiter..." -

„Das hilft mir, in der Luft zu bleiben, aber ich werde mit Dir nie mithalten können. - Ehrlich, ich fliege eigentlich ganz ordentlich, aber Du mit zwei Meter mehr... -

Und wo Du schon mal so passend stehst, dreh Dich doch mal in den Wind." -

Ich sehe ihn zweifelnd an, aber mache, was er mir sagt. Er legt schnell seine Schwingen an und sofort spüre ich den Druck, den der Wind auf meine Schwingen ausübt.

„So komme ich aber bestimmt nicht in die Luft, jetzt bin ich eher ein Segelschiff."

Sein 'stell Dich nicht blöd'-Blick lässt mich grinsen und ich drehe meine Arme und Hände in die Waagerechte. Sofort spüre ich einen deutlichen Auftrieb, der mir schon jetzt bei dem schwachen Wind und nur der halben Tragfläche - vom Körper bis zum Ellenbogen steht die Flughaut ja immer noch quer zum Wind - trotzdem fast das Gefühl gibt, abheben zu können. Natürlich fehlt da noch einiges um wirklich abzuheben, das ist mir klar.

„Oha, das ist schon deutlich..." -

„Sag ich ja, Du bist ein Flieger." -

„Du fliegst doch auch, wie nennst Du Dich dann?" -

„Für die Drrá'Kin bin ich ein normaler Drache, sie unterscheiden nur die relativ kleine Gruppe der Flieger - ach ja, die Heiler dann noch. Wir Drrékh definieren noch die Krieger, zu denen ich gehöre. Das ist aber nur eine Bezeichnung wegen unserer besonderen Waffen, die Krallen und die Dornenklingen, die nicht alle haben - wir kämpfen aber auch nicht mehr, als die anderen. Alles nur Ausdruck spezieller Merkmale ohne eine Rangordnung." -

„Also nur meine längeren Schwingen unterscheiden mich und ordnen mich einer Gruppe zu?" -

„Grundsätzlich ja. Immerhin fliegt ihr besser als wir anderen, das fällt uns aber mehr auf, als euch. Warum fragst Du?" -

„Weil ich eigentlich nicht gerne als etwas besonderes gelten möchte." -

„Nun, als Flieger gehörst Du einer relativ kleinen Gruppe unter den Drachen an, Du fällst dadurch auf, bist aber auch nicht ungewöhnlich. Keiner hält die Flieger für eine Elite oder so was, am wenigsten sie selber. Deine Größe lässt Dich schon eher alleine dastehen - aber das betrifft dann auch nur die Attraktivität als Paarungspartner. Wenn Du das Himmelsfeuer beherrscht... das macht Dich dann schon zu einem besonderen Drachen. Aber das ist ja noch nicht sicher, Dein Rang als Edler kann auch einen anderen Grund haben. - Na Gut, Du wirst als Edler schon etwas anders behandelt - aber Du bist nicht automatisch ein Anführer oder so was." -

„Verstehe ich jetzt nicht wirklich, aber gut, wenn Du sagst, dass ich gar nicht so besonders bin... Zeigst Du einem Flieger schnell noch, wie das mit dem Fliegen geht?" -

„Klar, ich führe es Dir mal vor, wie ich es mache." -

Er stellt sich neben mich an die Kante der Betondecke, breitet seine Schwingen aus, lässt sich vornüber fallen und stößt sich noch bevor er waagerecht in der Luft 'liegt' kräftig ab. Dadurch steigt er zuerst etwas, sackt dann kurz durch und findet schnell den nötigen Auftrieb, der ihn mit einem ordentlichen Gleitwinkel trägt. Schon nach ein paar Metern dreht er eine enge Kurve und kommt mit ein paar schnellen Schwingenschlägen zu mir zurück um mit einem letzten kräftigen Schlag wieder neben mir zu landen. Merkwürdig wirkt es irgendwie schon, eine menschliche Gestalt so fliegen zu sehen, aber auch faszinierend elegant...

„Wirkt einfach..." meine ich nachdenklich. -

„Entschuldige, mein Start war sicher etwas zu fordernd für den Anfang. Du wirst bald auch so starten, aber beim ersten Mal sollten wir es langsamer angehen, damit Du gleich die Sicherheit des Auftriebs spürst. Ich springe ja erstmal praktisch ins Nichts, bis dann endlich der Auftrieb greift." -

„So etwas in der Art habe ich auch gedacht. Mir ist schon klar, dass ich es irgendwann auch so mache, aber jetzt..." -

„Machen wir es etwas anders. Am besten auf allen Vieren hinhocken, dann liegen Deine Schwingen schon richtig in der Luft. Die dann ausbreiten und mit dem Wind spielen. Du wirst merken, wann der Auftrieb am stärksten ist - dann mit den Beinen kräftig nach vorne abstoßen, als ob Du einen Startsprung machst. Dieser zusätzliche Schwung sollte Dir gleich genug Auftrieb geben, dass Du sofort ins gleiten kommst. Dann nur noch Zunge gerade halten und mit dem Schwanz steuern. Das aktive Kurven mit den Schwingen üben wir später, wenn Du Dich sicher fühlst." -

Das klingt machbar. Scheiße, ich hab so einen Bock darauf, abzuheben und zu fliegen, ich würde alles machen um das jetzt zu erleben. Sogar die Zunge gerade halten...

Also hocke ich mich hin, doch gerade als ich meine Schwingen wieder richtig ausbreiten will, stoppt Kyrrah mich.

„Warte Großer, Du bist noch nicht fertig." -

„Wie...? Was denn noch?" -

Er tritt hinter mich und steckt seine Finger seitlich zwischen meine Schuppen im Bereich des Schwanzansatzes.

„Hey, das kitzelt..." -

Dann spüre ich, wie sich auf beiden Seiten Finnen aufspreizen, noch ehe ich meine Verwirrung überwunden habe, macht er dasselbe am meinem Schwanzende. Auch hier spüre ich seinen Reiz, dann fächern sich auch dort Finnen auf, deutlich kleiner allerdings.

„Vergiss Deine Steuerfinnen nicht, wie willst Du sonst Deinen Kurs halten...?" -

„Muss einem Neuling doch gesagt werden..." -

Er grinst mal wieder breit.

„Dass man euch Fliegern aber auch alles zeigen muss... - Nee, ist schon klar, Du musst das ja erst kennenlernen. Die hier oben an Deiner Hüfte helfen zwar beim Steuern, aber sie geben auch zusätzlichen Auftrieb, dann bist Du weniger hecklastig - ich wäre froh, wenn ich auch solche hätte..." -

Also ich weiß nicht... die Dinger sind kaum 50 cm breit und noch etwas kürzer. Sicher spüre ich einen leichten Winddruck, aber dass diese vergleichsweise doch kleinen Finnen mir einen spürbaren Auftrieb geben sollen, kann ich nicht glauben. Kyrrah sieht meinen zweifelnden Blick.

„Naja, ob die Dir wirklich den Hintern anheben, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Aber vielleicht hilft der Glaube." -

„Und bekanntlich versetzt der ja Zwerge..." -

„Was...? Ach Du..." -

Er versetzt mir einen Hieb, den ich sogar durch meine Schuppen spüre. Ich grinse nur kurz, denn ich ahne, dass ich für meinen Erstflug - jedenfalls meinen ersten bewussten - meine volle Konzentration brauche - und die ist schon genug belastet durch meine Sinneseindrücke.

Dreimal tief durchatmen, ich pumpe meine Lungensäcke gleichzeitig bis zum Rand voll und danach vollständig wieder leer - erstaunlich wieviel Luft in diesen eigentlich so schmalen Körper reinpasst. Denn nur die weit herunterreichende Flugmuskulatur lässt mich einigermaßen kräftig wirken. - Eigenartig, dass ich gerade jetzt daran denke...

Egal, ich atme wieder normal weiter. Was jetzt... Schwingen ausbreiten... die wollen nicht so recht - nun los, macht schon... gut so. Oh Mann, hoffentlich klappen die mir in der Luft nicht einfach weg... Es ist zwar nicht anstrengend, sie ausgebreitet zu halten, aber ich merke, dass ich sie wieder etwas anziehe, sobald ich mich auf die Umgebung konzentriere. Na, mal sehen, so hoch werde ich ja wohl nicht kommen.

Wie jetzt weiter... ach ja, Schwingen in die Waagerechte bringen. Also hinhocken und mit den Händen am Boden abstützen, die Schwingen wieder richtig ausstrecken. Der Winddruck ist weg, aber doch spüre ich einen Zug, der meine Schwingen anheben will. Aha, so fühlt sich also der Auftrieb an... ich spiele ein wenig mit den Fingern, nach unten, nach oben... bis ich die Stellung finde, bei der ich den stärksten Zug spüre. Dann Hintern hoch, Beine anspannen wie beim Startsprung beim Schwimmen - nochmal die Stellung der Schwingen kontrollieren... jetzt halte ich sie stramm im Wind, das Gefühl des Auftriebs reicht um sie auch unbewusst unter Kontrolle zu behalten.

So... Auf die Plätze - steh ich schon... Fertig - bin ich sowas von... Los!

Ich schließe die Augen, presse die Zähne aufeinander und mache den Startsprung ins kalte Wasser... und warte auf den unvermeidlichen Aufprall - der nicht kommen will. Augen auf... unter mir, in höchstens einem Meter Abstand fegt das Gras vorbei. Und der Abstand bleibt konstant... ich richte meine Aufmerksamkeit nach vorne - mit zunehmender Geschwindigkeit fege ich den Hang hinunter. Ich muss abbremsen, sonst ramme ich mich unangespitzt in den Boden - aber wie... verdammt, ich muss schnell reagieren, der Hang geht mir viel zu schnell aus... ich hebe meinen Schwanz ein Stück und spüre sofort den Druck oben auf meine Steuerfinnen. Es funktioniert, aber zu langsam... anstellen - ich muss anstellen, also meine Tragflächen in einen anderen Winkel zur Luftströmung bringen.

Meine erste Reaktion ist, die Finger zu heben, die hintere Tragflächenkante so nach oben zu bringen, also praktisch zu versuchen, die Steuerfinnen am Schwanz damit zu unterstützen. Aber schnell merke ich, dass ich dadurch nur aerodynamischer werde, also schneller - und ich verliere gleichzeitig an Auftrieb, ein steileres Anstellen würde meinen Auftrieb nur noch weiter vernichten... Dann reagiert mein Gedächtnis, ich brauche mehr Auftrieb, das bremst und wird mich hochdrücken, also dahin wo ich hin will - also schnell in die andere Richtung, Finger nach unten drehen, zusätzlich unterstütze ich mit dem ganzen Arm, denn es brennt...

Aber das funktioniert, durch meine 'Landeklappen' erhalte ich wesentlich mehr Auftrieb und werde gleichzeitig deutlich langsamer. Mein Körper wird hochgedrückt, unterstützt durch meinen Schwanz drehe ich schnell in die waagerechte. Jetzt nur nicht übertreiben, sonst gerate ich in einen Stall, die Strömung reißt ab und ich schmiere ab wie eine Bleiente. Also sanft die Arme wieder zurückdrehen... ich sinke schneller und meine Geschwindigkeit erhöht sich auch wieder... zuviel, wieder einen Tick mehr anstellen... - das Austarieren will mir nicht perfekt gelingen - naja, wie auch, hier in der freien Botanik weht der Wind nun mal nicht gleichmäßig. Aber mit voller Konzentration kann ich einen recht flachen Gleitwinkel einhalten, ohne Gefahr wegen einem Strömungsabriss abzustürzen.

Erst das Geräusch schlagender Drachenschwingen neben mir lenkt mich ab.

„Scheiße Großer, ich hätte nicht gedacht, dass Du schon beim ersten Mal soweit gleitest. Sieh zu, dass Du schnell in eine Rechtskurve gehst, sonst krachst Du voll in die Bäume..." -

Ich hatte mich zu sehr auf den Boden konzentriert um meine Höhe zu steuern - und nicht darauf geachtet, wohin ich eigentlich segle... - und jetzt habe ich höchstens noch 100 Meter um eine volle Wende hinzulegen, denn nicht nur vor mir, auch auf beiden Seiten kommen die Bäume immer näher. Wie aber jetzt wenden...? - Gewichtsverlagerung, wie beim Hängegleiter... geht nicht, wenn die Tragflächen am Rücken angewachsen sind. Mit dem Schwanz steuern... ja funktioniert - aber es reicht nicht aus, die Gewichtsverlagerung und die Finnen sind zu klein um mich noch ausreichend aus dem Kurs zu bringen. Ich müsste zusätzlich mit meinen Schwingen arbeiten damit es reicht, das wird mir sofort klar - aber schon ein einfaches Rollen, um in Seitenlage den Auftrieb zur Kursänderung zu nutzen, traue ich mir in dieser etwas eng werdenden Situation noch nicht zu. Was also tun - und zwar schnell... Ankern... ich entscheide mich schlicht und platt fürs Anhalten.

Also drehe ich meine Schwingenfinger voll nach unten und richte mit einem Hohlkreuz zusätzlich noch den Oberkörper auf, was dazu führt, dass meine Flughäute quer zur Flugrichtung stehen, was mich in kürzester Zeit abbremst. 6 oder 7 Meter, dann stehe ich praktisch in der Luft, genau genommen schmiere ich gnadenlos ab... - Aber das war mir bei so einer Vollbremsung völlig klar. Aber es war auch höchste Zeit, ich rausche unsanft durch die Büsche am Rand der Wiese, nur 5 Meter vor den Bäumen und lande mit schützend hochgereckten Armen etwas hart auf dem Boden.

Mir ist auch sofort klar, warum ich so hart gelandet bin, denn ich habe mit meinen Armen gleichzeitig auch meine Flugarme hochgerissen und schützend vor mich gestreckt. In Flugstellung wäre ich sicher weicher gelandet... Und ich erinnere mich jetzt auch, dass ich eigentlich fast alle Bewegungen meiner Arme synchron gemacht habe - sobald ich meine Aufmerksamkeit teilen muss, bewege ich meine Arme praktisch immer gemeinsam.

Aber mir ist nichts passiert, schnell habe ich meine Arme und vor allem die Finger überprüft, alles ist heil geblieben, auch die Flughäute. Nur der Latex-Anzug hat gelitten, der Hoodie hängt in Fetzen von meinen Schultern, aber meine Schuppen haben keinen Kratzer. Ich habe mir zwar ein oder zwei leichte Prellungen zugezogen, aber die werde ich bald nicht mehr spüren.

Ich rappele mich auf, krabbele aus dem Gebüsch und setze mich davor in Gras, meine Flugarme liegen locker neben mir auf dem Boden und ich schaue zurück zum Hügel, von dem ich gestartet bin. Der liegt reichlich 2 km entfernt... Scheiße... ich bin ganze 2 km geflogen? Nein, nicht mal richtig geflogen, einfach so dahin gesegelt, von einem Sandhaufen, der vielleicht gerade mal 30 Meter höher liegt, als der Punkt, wo ich jetzt sitze... Damit habe ich ein Gleitverhältnis wie die besten Segelflugzeuge... Oh Shit... und das ist mir 30 Jahre vorenthalten worden...

So sitze ich hier und sinniere vor mich hin, achte nicht darauf, dass Kyrrah in der Nähe landet und zu mir kommt.

„Ist Dir etwas passiert, Großer? Du bist ja ziemlich abgeschmiert... - Sag mal, weinst Du...? - Hast Du Dich verletzt?" -

Er hockt vor mir und untersucht mich eingehend, reißt mir dabei die Latexfetzen von Körper und sieht mich anschließend fragend an.

„Nein, es geht mir ganz gut... ich heule hier nur aus einer Mischung von Glück und Frust gleichzeitig." -

Er atmet auf und legt mir die linke Hand auf die Schulter, seine Rechte an meinen Kopf hinter den Hörnern.

„Ich fürchtete schon... Glück und Frust... das Fliegen?" -

„Ja. Mir erfüllt sich ein alter Traum. Ich fliege... mindestens so gut wie die besten Segelflieger - und bin gleichzeitig traurig darüber, weil ich so lange darauf warten musste..." -

„Zorn?" -

„Nein. Ihr habt mir gesagt, dass mein Erwachen nicht verhindert wurde, nur eben bisher auch nicht aktiv unterstützt. Auf wen soll ich zornig sein? Auf mich, weil ich dem Ruf des Drachen nicht folgen wollte, oder konnte...? Auf die Drachen, die einen potentiell gefährlichen Drrékh nicht unbedingt wecken wollten?"

Ich seufze.

„Nein, es ist nur eine unlogische, überschießende Emotion, die Du mir hoffentlich verzeihst." -

Kyrrah schaut mir ernst in die Augen und schüttelt dann leicht den Kopf.

„Da gibt es nichts zu verzeihen. Lass Deinen Emotionen freien Raum."

Er streckt seine Zunge vor und tupft geradezu zärtlich mit ihr die Tränen aus meinen Augenwinkeln, dann zieht er mich an sich und legt seinen Kopf gegen meinen. Auch wenn ich nur wenig durch meine Schuppen fühle, ich spüre doch deutlich die Wärme, die sein Körper ausstrahlt - und die Wärme seiner liebevollen Seele. Ich umfasse seine Hüften und lege meine Hände auf seinen Schwanzansatz, lasse mein Kinn auf seine Schulter sinken und lausche seinem leisen Knurren, fast ein Schnurren, mit dem auch er meine Nähe genießt. - Und dann fließen noch einmal die Tränen bei mir - nicht wirklich Traurigkeit, ich fühle mich einfach glücklich in diesem Moment. Glücklich darüber, ein Drache sein zu können, und fliegen zu dürfen... - und einen liebevollen Freund zu haben.

Nach einer Ewigkeit - also ein paar Minuten - habe ich meine Emotionen wieder im Griff. Zum ersten Mal, nach der Euphorie ganz am Anfang, fühle ich mich wieder als Drache, bin trotz dieses dumpfen Gefühls des Eingesperrtseins, endlich einmal zu Hause in diesem Körper.

Kyrrah scheint zu spüren, dass ich wieder in mir ruhe, er löst seine Umarmung und sieht mir in die Augen. Seine schon schmalen Pupillen werden noch etwas schmaler, weiten sich dann aber bald.

„Hallo mein Drache. Mir scheint, Du bist zu Hause..." -

Einer Eingebung folgend, reibe ich mit dem Daumen leicht in der Grube hinter seinem Kieferbogen, was ihn sofort heftig einatmen und die Augen schließen lässt. Offensichtlich eine sehr sinnliche Berührung.

„Danke mein Freund, für Deine Nähe - und Deine Liebe." -

Er öffnet kurz die Augen, ich sehe seine weit geöffneten Pupillen, lege meine Lippen sanft an seine, rieche seinen Atem. Ich bin bereit mich ihm zu öffnen, aber er atmet tief durch und beendet mit einem leichten Kopfschütteln meine sanfte Massage.

Ich sehe ihn fragend an.

„Nein Großer. Es fühlt sich gut an, aber ich würde eine Stimmung von Dir ausnutzen." -

Das muss ich anerkennen, er hält sich streng an seine selbstgesetzten Regeln.

„Ich würde es sicher nicht bedauern..." -

„Ganz bestimmt nicht, dafür würde ich schon sorgen - aber es bliebe immer ein Zweifel in Dir. Und ich möchte schon gerne mehr als ein One Night Stand mit Dir..." -

„Und wenn es dann nicht mal das wird?" -

„Ist es auch gut. Besser, als wenn Du immer ein blödes Gefühl in der Bauchgegend hast, wenn wir uns mal treffen. - Was ist, noch einen Flug?" -

Ich lecke kurz über seine Nüstern.

„Du bist lieb. - Nein, heute kein Flug mehr. Ich muss erst lernen meine Flugarme unabhängig zu benutzen. Selbst für so einen einfachen Gleitflug muss ich mehr können, als nur die Arme auszustrecken." -

Er steht auf und zieht mich hoch.

„Du hast doch schon sehr viel mehr gemacht. Ich habe Dich beobachtet... Du hast perfekt auf den Wind reagiert und jede kleine Böe austariert und sogar genutzt um die Höhe zu halten. Mit dem Schwung, den Du am Anfang geholt hast, wärst Du sicher noch ein oder zwei Kilometer weiter geflogen und direkt vor unseren Häusern gelandet. Die sind nämlich gleich da hinten. Wenn ich es nicht wüsste, würde ich sagen, Du bist schon mal als Drache geflogen. Bewusst meine ich." -

„Das hat aber auch meine volle Konzentration gebraucht. So viel habe ich dadurch nicht mitbekommen vom Flug. - Und dann der Absturz... Man sagt ja, jede Landung, die man überlebt ist eine gute Landung - aber..." -

Wir gehen auf den Wald zu, in die Richtung, in die er eben gezeigt hatte - also direkt nach Hause.

„Ich hätte Dich schon früher auf das Ende der freien Fläche hinweisen sollen. Dann hättest Du etwas Zeit gehabt, eine Kurve einzuleiten, denn du warst schon auf einem guten Weg. Aber Deine Vollbremsung war toll. Das hätte ich in den ersten Tagen öfter brauchen können... Ich bin ein paar Mal unsanft zwischen den Bäumen eingeschlagen. Zum Glück ohne Verletzungen." -

„Das Ankern war sicher in Ordnung, nur hätte ich dann entweder in der Luft bleiben müssen oder wenigstens halbwegs geordnet landen." -

„Gut, in der Luft stehen bleiben braucht einiges an Kraft und eine besondere Technik, aber das wirst Du sicher auch bald können. Und das Landen wäre gelungen, wenn Du Deine Schwingen nicht plötzlich eingeklappt hättest." -

„Ja. Genau das muss ich noch besonders üben. Ich kann nur mit voller Konzentration zwischen meinen Armen unterscheiden. Sobald ich meine Konzentration anderswo brauche, wie beim Fliegen, bewege ich immer beide gleichzeitig. Und als die Büsche auf mich zukamen habe ich reflexartig meine Arme zum Schutz hochgereckt. - Alle vier Arme..." -

„Ah, daher. Noch was zu trainieren..." -

„Das machen wir ganz einfach. Du fesselst mich..." -

Er bleibt schlagartig stehen und sieht mich leicht verwirrt an.

„Ja, gerne. Aber wie soll das helfen?" -

„Du sollst mir ja nur die Arme so fesseln, dass ich sie nicht mehr gebrauchen kann. Einschließlich meiner Hände. Damit ich gezwungen bin, alles mit meinen Flugarmen zu machen. Vom Händeschütteln bis zum Essen..." -

„Ah... Du meinst das klappt?" -

„Ich hoffe es. Es müsste aber eigentlich. Ich kann meine Arme ja unabhängig von den Flugarmen bewegen, nur umgekehrt muss ich es sehr bewusst machen. Wenn ich eine Zeitlang dann nur die Flugarme benutzen kann, werde ich sie hoffentlich auch bald ohne Nachdenken und unabhängig benutzen können." -

Ich sehe förmlich, wie es in ihm rattert.

„Gut, wenn Du es möchtest - ich fessele Dich gerne ein wenig und mache es Dir schwieriger... Mir fällt bestimmt was ein." -

Wir treffen auf einen Weg, dem wir folgen und ein paar Minuten später gehen wir schon an einigen ehemaligen Kasernengebäuden entlang, die den kyrillischen Schriftzeichen nach von der GSSD genutzt wurden.

„Aha, Westgruppe. Panzer?" -

Kyrrah nickt.

„Ja. Panzer, Artillerie und eine Raketenbrigade. Die war in den etwas abgesetzten Gebäuden, die wir jetzt nutzen. Als Armee-Einheit haben die wohl etwas mehr auf sich gehalten und die Gebäude in einem besseren Zustand verlassen als die Divisionstruppen, die hier einquartiert waren. - Obwohl ich viel schlimmere gesehen habe, so eine Garde-Division war halt auch was besseres. Aber die haben eben mitgenommen, was nicht festgewachsen war. Inzwischen ist es aber schon sehr heruntergekommen. 20 Jahre sind eben eine lange Zeit, wenn nichts gemacht wird." -

„Ich habe recht frische Spuren gesehen, das Gelände wird also noch genutzt." -

„Ja die freien Flächen im Süden sind noch aktiv. Hier im Norden sind nur selten ein paar Infanteristen unterwegs. Wir werden immer informiert, wo hier was passiert, damit die armen Jungs und Mädels nicht plötzlich vor einem Drachen stehen." -

„Und eure Häuser? Nicht dass plötzlich eine Truppe den Häuserkampf übt und mich aus dem Bett wirft..." -

„Die sind markiert und die Truppen genau gebrieft. Übrigens möchte der Platzkommandant Dich kennenlernen, Josef dachte, dass es in den nächsten Tagen vielleicht passen würde und Du Dich dazu durchringen könntest..." -

„Ich soll also als Anthro vorgeführt werden..." -

„Nein. - Ja schon als Anthro, aber nicht vorgeführt. Wir sind für ihn die besondere Spezies, die ihm die Ehre erweist, sich zu zeigen." -

„Ja, entschuldige. Ich war wohl etwas provokant. Macht einen Termin, ich werde mich schon zu benehmen wissen. Vielleicht nicht sofort, damit ich noch ein wenig besser mit diesem Körper zurechtkomme. Obwohl ich mich jetzt gerade recht geborgen in diesem Körper fühle." -

„Fühlst Du jetzt mehr auf Deinen Schuppen?" -

„Nein, nicht dass ich das merken würde. Aber schon dieser kurze Flug hat mich mehr in diesem Körper verankert." -

„Schön zu hören. Ich wollte Josef heute gerne zum Essen einladen, ein wenig kochen habe ich von ihm gelernt. Würdest Du auch kommen?" -

„Wenn es Dir nichts ausmacht, komme ich gleich mit zu Dir. Und ich bleibe heute auch ein Anthro." -

Kyrrah nickt.

„Natürlich kannst Du gleich mit zu mir kommen. Und als Anthro - da brauche ich Dir ja keine Kleidung heraussuchen." -

„Brauchst Du nicht." -

„Bleibst Du danach noch ein wenig...?" -

„Wenn es Dir nichts ausmacht. Vielleicht versuche ich es noch mal als Drache zu schlafen." -

„Nein. Natürlich darfst Du gerne in einer Schlafkugel bei mir übernachten. Deine ist leider noch nicht aufgebaut, die Handwerker kommen erst in ein paar Tagen." -

„Ich will Dir nicht zur Last fallen." -

„Rede keinen Unsinn. Es meine Aufgabe für Dich da zu sein und für Dich zu sorgen. Und ich mache es gerne. - Und wenn ich dabei obendrein auch noch ein paar Schuppen sehen darf..." -

Ich grinse.

„Darfst Du. Was gibt es zu essen?" -

„Für Josef habe ich Waller eingekauft, Fisch mag er gerne, bereitet ihn selber aber nicht gerne zu. Er meint, ich habe mehr Gefühl dabei, ihn auf den Punkt zu garen. Nun, mich freut's ihm etwas zubereiten zu dürfen. Für uns werde ich einen Hirsch auswählen und frisch vorbereiten." -

„Wir haben doch den letzten noch nicht ganz gegessen, oder?" -

„Nein. Der größte Teil geht in den Verkauf. Ich lasse es nach dem Geschmack der Menschen reifen und dann geht es an verschiedene Abnehmer. So kann ich mir immer frisches Fleisch leisten, höchstens einen Tag alt, ohne etwas wegzuwerfen." -

„Ist die Herde so groß, dass Du jeden Tag ein Tier entnehmen kannst?" -

„Hier nicht, hier sind nur die ausgewählten Schlachttiere. Die Zuchttiere sind auf Ländereien hier in der Umgebung. - Hast Du Lust, das Tier zu töten, wie es Dir vorhin in den Sinn gekommen ist?" -

„Lust schon... aber nicht heute. Ich glaube, das wäre zuviel auf einmal. Vielleicht beim nächsten Mal." -

„Klar. Sag mir, wenn Du es ausprobieren möchtest." -

Ich nicke, wir gehen gerade auf die Häuser der Beiden zu, wo Josef etwas aus seinem Auto holt.

Er blickt zu uns und wirkt irgendwie erleichtert.

„Da seid ihr ja schon. Und Du siehst heute viel besser aus, Ralf. Entschuldige, Dein Drrékh-Name ist mir zu langwierig auszusprechen." -

„Verstehe ich. Ich wäre auch nicht böse, wenn Du mich menschlich kurz mit Tannah ansprichst. Meinetwegen auch Eisauge." -

„Aber Du heißt doch Gluthimmel..." -

„Bitte nennt mich erst so, wenn es wirklich offiziell ist. Bis dahin bin ich Eisauge." -

„Natürlich Herr. Bitte entschuldige." -

„Und mit dem Herrn könnt ihr anfangen, wenn der Jungspund hier mit mir fertig ist." -

„Ja Herr." -

„Ist irgendwas passiert? Du bist irgendwie so stur heute..." -

„Ich habe eine Nachricht vom Rat erhalten. Sie warten auf Deine Ankunft in ihrer Welt." -

„Ist es so eilig?" -

„Sie möchten Dich bald sehen, aber Du sollst erst das Fliegen beherrschen, weil Du es drüben brauchen wirst. Es sind wohl einige Flugstunden bis zum Rat." -

„Was ist jetzt so dringend... Wo sie sich vorher 30 Jahre Zeit genommen haben." -

Josef sieht mich ernst an.

„Darf ich eine Vermutung äußern, Herr?" -

„Ach Josef... Ja, bitte." -

„Ich denke, es geht um Deinen Namen... T'Ành'Aáh - Gluthimmel. Sie wollen wissen, ob Du diese Kräfte hast. Und wenn, ob Du sie beherrscht, oder die Kräfte Dich." -

„Woher wissen sie meinen Namen?" -

„Nicht von mir. Aber sie wissen sehr viel über alle Drachen. Die Lebenskraft, aus der ihr eure Kräfte bekommt, verbindet euch auch untereinander." -

„Ah, ich verstehe. Entschuldige meine unterschwellige Anklage. Das habe ich nicht beabsichtigt." -

Er grinst.

„Du musst Dich nicht entschuldigen. Wie lief es heute?" -

„Ich möchte die Beurteilung lieber Kyrrah überlassen, ich bin zu parteiisch..." -

Beide lachen leise und wechseln einen Blick. Dann sieht Kyrrah mich an.

„Es lief schon sehr gut. Und wenn der erfolgreiche Flug vorhin Dich mit Deinem Körper wieder ein wenig in Einklang gebracht hat, war es ein Supertag." -

Ich schüttele den Kopf.

„Erfolgreiche Bruchlandung..." -

Kyrrah hebt eine Augenbraue.

„Das klang vorhin aber anders." -

„Ja, ich bin ja auch ganz zufrieden damit. Der halbe Absturz am Ende ärgert mich nur ein wenig. Und ich hätte gerne mehr vom Flug gehabt, außer dem Gras unter mir, habe ich nichts gesehen. Aber wenn ich das morgen nicht gleich wieder alles vergessen habe, dann war das heute ein guter Anfang, auf dem wir aufbauen können." -

Er nickt.

„Ja. Wir werden morgen Deine Schwingen ein wenig in Schwung bringen und auch die richtigen Bewegungen üben, damit Du weißt wie es geht, wenn Du aktiv fliegen willst. Wir müssen unsere Schwingen ja anders bewegen, als die Vögel, damit wir in die Luft kommen." -

„Sind wir im Nachteil?" -

„Nicht wirklich. Wir brauchen mehr Kraft beim Starten und müssen beim Aufwärtsschlag die Schwingen sehr stark verdrehen oder sogar fast zusammenfalten, weil unsere Flughäute ja luftundurchlässig sind. Bei den Vögeln strömt die Luft ja teilweise durch die Federn. - Dafür haben wir im Gleitflug dann Vorteile, eben weil unsere Flughäute keine Luft durchlassen und so einen besseren Auftrieb erzeugen." -

„Ach herrje... da habe ich noch gar nicht dran gedacht, dass wir ja anders aufsteigen müssen..." -

Ich spüre seine Hand auf meiner Schulter.

„Keine Sorge. Wenn Du erst die Bewegungen kennst, hast Du sie auch schnell verinnerlicht. Ich habe das innerhalb von zwei Tagen drin gehabt, nachdem mir ein anderer Drrékh die richtigen Bewegungen gezeigt hatte. Josef hat es mir zwar richtig erklärt, aber es ist schwer zu beschreiben und vormachen konnte er es mir ja nicht." -

Der nickt.

„Ja, Du warst aber auch sehr ungeduldig. Die anderen vor Dir haben von mir das Fliegen schließlich auch gelernt. Es dauerte eben nur etwas länger, bis ich ihre Fehler berichtigen konnte. Von ihnen ist auch keiner abgestürzt. - Wobei mir einfällt: Du hast von einem Absturz gesprochen, Ralf? - Tan'Náh..." -

„Nicht richtig abgestürzt. Ich hatte nicht darauf geachtet, dass ich direkt auf ein Waldgebiet zugeflogen bin, bis Kyrrah mich darauf aufmerksam gemacht hatte. Eine Kurve habe ich nicht geschafft, also habe ich voll abgebremst - und bin am Ende dann runtergefallen. Waren aber nur drei oder vier Meter und in Buschwerk. Nur die Latexkleidung hat es nicht heil überstanden, sonst ist nichts passiert." -

„Ah, deshalb zeigst Du Deine Schuppen. Du gefällst mir besser so, bist doch ein gutaussehender Drache." -

„Du auch, Josef?" -

„Nein. Ich lebe schon seit längeren mit einer Drrékhi zusammen. Sie ist nur gerade beruflich in Hongkong. Aber sie würde Dich bestimmt anschnurren." -

„Josef... Du meinst doch nicht, dass sie mich..." -

Er grinst und legt mir die Hand auf die Schulter.

„Doch, sie würde bestimmt mit Dir ein wenig turteln." -

„Aber..." -

„Ich wäre froh, wenn sie einen Partner aus eurem Volk finden würde, aber sie will mich nicht verlassen. Dabei muss es für sie sehr schwer sein, mir beim Altern zuzusehen."

Er drückt meine Schulter.

„Mach nicht so ein betrübtes Gesicht. Wir hatten eine schöne Zeit miteinander, und haben die auch noch." -

Er kommt näher und schnuppert an meinem Hals und meiner Brust.

„Josef...? Du verwirrst mich heute..." -

Wieder grinst er.

„Entschuldige. Aber der feine Geruch, den ihr an euch habt, wenn ihr euch angestrengt, oder länger nicht gewaschen habt, ist für einen Menschen irgendwie angenehm würzig. Auch wenn mich die Mischung mit Latex ein wenig irritiert. - Aber Du wirst Dich sicher gleich unter die Dusche stellen wollen, denn für euch ist dieser Geruch eher unangenehm und aufdringlich." -

Das ist also dieser eigenartig störende Geruch, den ich nachmittags ständig in den Nüstern hatte, besonders seit Kyrrah mir das Latex vom Körper gerissen hat.

„Ja. Ich würde mir gerne den Dreck von den Schuppen spülen." -

„Das Zimmer bei mir steht für Dich bereit, Großer." kommt von Kyrrah, der uns zugehört hat.

„Ich will zuerst noch unser Fleisch vorbereiten und gehe dann unter die Dusche. Hilfst Du mir anschließend beim Zubereiten von Josefs Essen? Du schnippelst schneller als ich." -

„Klar helfe ich Dir. Am besten komme ich mit, dann kannst Du mir zeigen, wie es am besten geht, mit dem Ausweiden und Häuten und so." -

„Fasst Du mit an?" -

„Klar. So lerne ich es am besten." -

„Dann los." -

Kyrrah geht mit mir um seinen Wohnblock und ein Stück in den Wald hinein. Nach ein paar hundert Metern kommen wir an ein eingezäuntes Areal, in dem ich sofort Wild spüre... Beute... - Ich merke, wie meine Nüstern vor Jagdlust zittern und das dumpfe Knurren muss wohl auch von mir kommen. Kyrrah sieht mich mit einem leichten Lächeln an.

„Du solltest Dich jetzt sehen können. Die reine Jagdlust leuchtet aus Deinen Augen. Willst Du wirklich nicht...?" -

Ich sehe ihn an - ich versuche es jedenfalls, aber die leisen Tritte der Hirsche, ihr intensiver Geruch, und ihre zwischen den Bäumen immer wieder aufblitzenden Augen, wenn sie uns aufmerksam beobachten, lenken mich zu sehr ab. Ich suche und finde ein mir als Beute passendes Tier, auf das ich mich fixiere.

„Ich... eigentlich nicht, aber..." -

„Mach ruhig. Ich kenne das Gefühl, aber so stark wie bei Dir ist es bei mir nicht." -

„Wenn Du meinst... Scheiße... dieses Gefühl, dieser Drang ist zwingender als... als..." -

Er legt mir seine Hand zwischen meine Schwingen auf den Rücken, was ich sogar irgendwie spüre.

„Los. Eine richtige Jagd wird das ohnehin nicht. Die Tiere sind Menschen gewohnt und kennen keine Drachen. Bis sie merken, dass Du ihr Feind bist, sind sie schon tot." -

Ich spüre so etwas wie einen Klapps auf dem Rücken, und sprinte los, bin mit einem von einem Schwingenschlag unterstützten Sprung auf der Umzäunung und lande dann mit ausgebreiteten Schwingen sanft auf der anderen Seite. - Dafür, dass ich es bewusst genau so machen wollte, hat es ausgesprochen gut funktioniert. Der Gleitflug vorhin hat meine Sicherheit offensichtlich gesteigert.

Mit ruhigen Schritten, den Blick fest auf meine Beute gerichtet bewege ich mich langsam vorwärts. Und komme überraschend gut damit zurecht, dass ich gleichzeitig den Boden vor mir genau im Blick habe, um keine Hindernisse zu übersehen.

Das Tier, eine Hirschkuh, bleibt stehen und beobachtet mich aufmerksam, aber ohne Angst. Aus meiner Kehle tönt ein leises Knurren, fast mehr ein Summen, das Tier dreht seine Ohren aufmerksam zu mir. Dann macht sie zwei, drei Schritte, fast schwerfällig, humpelnd. Ein kurzer Blick zeigt mir, dass beide Hinterläufe verletzt sind und ihr wohl Schmerzen bereiten. Ich habe mir instinktiv ein verletztes Tier ausgesucht, das mit seinem Opfer als meine Nahrung gleichzeitig von seinem Leiden erlöst wird.

Noch drei Schritte von mir, dann stehe ich direkt vor dem Tier. Sie sieht mir anscheinend direkt in die Augen - auch ich versinke fast ein wenig in den hübschen braunen Augen der Hirschkuh. Dann plötzlich atmet sie tief durch, schließt ihre Augen und reckt mir ihren Kopf entgegen.

Verrückt... weiß sie, was ich vorhabe? Will sie von mir getötet werden? Mir scheint es fast so... ich spüre die Ruhe von dem Tier - ehe ich mich umentscheide, reiße ich meinen Mund auf, beuge mich vor und mit einer schnellen Bewegung versenke ich meine Fangzähne in ihrem Hals. Es reicht gerade so, dass ich ihre Halsschlagadern treffe, größer darf meine Beute nicht mehr werden, dann kann ich nur noch die Luftröhre zudrücken.

Die Hirschkuh reißt bei meinem Biss ihre Augen auf und zuckt zusammen, bleibt aber merkwürdig ruhig dabei. Mit einem kurzen Ruck meines Kopfes zerfetze ich die Blutversorgung ihres Gehirns. Sie stampft kurz mit den Vorderläufen auf, schließt die Augen, dann geht ein Zittern durch ihren Körper, sie sieht mich noch einmal an, dann sackt das Tier leblos zu Boden. Ich halte meinen Biss noch, folge ihr auf den Boden. Ich spüre ihren Lebensfunken schwinden, sende ihr in Gedanken noch meinen Dank für ihr Opfer, meine Nahrung zu sein, dann ist meine Beute tot.

Ich löse meinen Biss und lecke mir die Zähne und Lippen. Herrlich, wie das frische Blut schmeckt.

Über meine Fußsohlen spüre ich Schritte näherkommen, Kyrrah tritt neben mich.

„Wie hast Du das eben gemacht...?" -

„Einfach nur zugebissen und die Halsschlagadern getroffen." -

„Das meine ich nicht. Wie hast Du es gemacht, dass der Hirsch Dir so vertraut hat?" -

„Ich weiß nicht... habe ich was gemacht? Ich habe mich auf das Tier konzentriert und versucht, Ruhe auszustrahlen." -

„Du hast also auch die Gabe. - Ja, Du bist wirklich ein Edler. Wie war es für Dich?" -

„Lange nicht so aufregend, wie ich gedacht hatte. Irgendwie hatte ich den Eindruck, ihr einen Gefallen zu tun. Und ich hatte auch den Eindruck, dass sie meine Entschuldigung und meinen Dank für ihr Sterben verstanden und angenommen hatte... Ein merkwürdiges Gefühl." -

„Ein Problem?" -

„Nein. Eigentlich sogar irgendwie angenehm. Ist das immer so?" -

„Bei mir nicht. Vor mir haben die zuletzt doch immer Angst und wollen fliehen. Auch wenn sie verletzt sind, wie Deine Beute." -

„Hier verletzt?" -

„Nein, sicher nicht. Wohl irgendwo in den großen Zuchtgehegen gestürzt. Ich lasse vorrangig ältere, kranke und verletzte Tiere als Nahrung hierher kommen. Und überzählige männliche Tiere, die nur die Rangordnungen durcheinander bringen würden."

„Du hast von einer Gabe gesprochen?" -

„Ja. Viele von den Drrá'Kin Edlen können es spüren, wenn Tiere leiden. Und sie haben eine Aura, die diese Tiere beruhigt und ihnen Vertrauen einflößt. Die wissen dann, dass ihr Leiden bald vorbei ist." -

„Gilt das auch für Menschen?" -

„Soweit ich weiß, ja. Übrigens wird diese Gabe die Weisen beruhigen. Diese Gabe und das Himmelsfeuer passen eigentlich nicht zusammen und der historische T'Ành'Aáh hatte sie auch nicht. Es wird also wahrscheinlicher, dass Du diese vernichtende Fähigkeit unter Deiner Kontrolle haben und nicht von ihr beherrscht wirst."

Mein Blick muss wohl meine Zweifel sehr deutlich zeigen, denn Kyrrah grinst und streicht mir beruhigend über die Kopffinne - was ich sogar spüre. Und diese kleinen Berührungen, die durch meinen Panzer dringen, fühlen sich sehr angenehm an.

Auch das scheint er zu bemerken, denn sein Streicheln wird irgendwie zärtlicher, aber er hört leider schnell damit auf.

„Lassen wir Josef nicht warten. Los, bringen wir deine Beute rüber und zerlegen sie." -

Ich greife mir das Tier und lege es mir in den Nacken, wo ich es mit den Flugarmen leicht halten kann.

„Als Beute kann ich es nicht ansehen, eher als eine Art freiwilliges Opfer. Aber alles weitere bleibt für mich gleich - es ist genauso Nahrung für mich, wie eine erjagte Beute." -

Mir scheint, er atmet heimlich auf. Vermutlich hat er befürchtet, dass ich jetzt irgendwelche Hemmungen hätte, die sind aber nicht vorhanden. Mit dem Tod, genauer mit dem Schwinden der Seele, ist die vorher bestehende Beziehung beendet und das Tier ist ein Fleischlieferant.

Aber das wirft bei mir auch die Frage auf, ob die Drachen einen Glauben haben, oder die Drrékh einfach ihren menschlichen Glauben beibehalten.

„Beides..." ist die Antwort Kyrrahs auf meine Frage.

„Wir Drrékh behalten zumindest anfangs unseren Glauben bei, oder bleiben Atheisten. Die Drrá'Kin haben den tiefen Glauben an die Lebenskraft, aus der sie auch ihre Fähigkeiten beziehen. - Wir übrigens auch, schon die Wandlung kann nur durch die Lebenskraft erfolgen. Aber die Drrá'Kin haben keinen Gott, sie beten weder die Lebenskraft, noch eine höhere Wesenheit an." -

„Hat ihre Seele ein Ziel?" -

„Du klingst wie ein Drrá'Kin... So langsam zweifele ich, ob Du wirklich ein Drrékh bist, wie ich... - Ja, sie sind sich sicher, dass die Seelen alles Lebens in die Lebenskraft eingehen und diese stärken." -

Ich verkneife mir die Frage, woran er glaubt. Das ist seine Sache und er wird es mir sagen, wenn er es möchte.

Wir erreichen eine Baracke, deren Tür Kyrrah für mich öffnet und schon stehe ich in einem fast steril wirkenden, rundum gekachelten Raum, der offensichtlich zum Schlachten und Zerlegen von Tieren ausgestattet ist. Kyrrah befestigt die Halteschlaufen an den Hinterläufen des Tieres und zieht es mir dann von der Schulter. Ich lecke mir genüsslich noch das Blut von den Schuppen und der Schwingenhaut, was ihn breit grinsen lässt.

„Du hast sicher einen gewaltigen Hunger." -

„Ich kann mich fast nicht mehr zurückhalten, mir ein paar Brocken heraus zu beißen..." -

„Drachen reagieren sehr emotional auf Hunger. Oft mit Zorn und Gewaltausbrüchen, Du bist viel besonnener als ich es damals war, als Josef mich hungern ließ... ich hätte ihm am zweiten Tag abends beinahe die Brust aufgerissen... - Lass uns weitermachen..." -

Schnell steht fest, dass meine Krallen zwar problemlos durch die Haut dringen, aber zum schneiden nicht geeignet sind. Damit kann ich kein Tier aufbrechen - ebenso sind meine oberen Fangzähne zu rund, nur zum schnellen Eindringen und Festhalten geeignet. Aber meine unteren Fangzähnen sind nicht nur spitz, sondern auch extrem scharf. Es ist zwar etwas umständlich, sie einzusetzen, aber die schneiden durch die Haut, wie ein Lichtschwert durch Panzerstahl.

Aber natürlich hat er Messer und sonstiges Werkzeug, da er lieber damit arbeitet, als mit seinen Krallen. Und schnell lerne ich das Tier auszunehmen und die Haut abzuziehen, sowie es klassisch in die Hauptteile zu zerlegen, die entweder wir essen wollen, oder die für den Verkauf gedacht sind. Kyrrah beliefert vorrangig Gaststätten und Restaurants in der Umgebung, aber auch ein paar Gourmettempel weiter weg.

Da ich mich anscheinend nicht zu dumm anstelle, sind wir recht schnell fertig - kurz kommt mir doch der Gedanke, dass die Fleischstücke noch vor einer Stunde ein lebendes Tier waren... doch es ist keine Belastung für mich, dazu bin ich zu sehr Prädator.

Wir sind fertig, die Teile sind eingelagert, der Raum und wir wieder gesäubert.

„Das Fleisch nehme ich mit, sonst bleibe ich nachher noch hungrig..." -

Kyrrah zwinkert mir lächelnd zu. Aber so ganz unrecht hat er nicht - in mir brennt der Hunger mittlerweile...

Es sind nur ein paar Meter bis zum Hintereingang seines Hauses und so sind wir schnell in seiner Küche. Da wir uns eben schon ordentlich abgespritzt haben, legen wir gleich los, denn unsere Schuppen sind sehr schnell sauber, nur den Geruch bin ich noch nicht ganz losgeworden, einzig die Latex-Note ist weg, aber Kyrrah winkt ab.

„Lass den ruhig an Dir. Du überträgst nichts damit und mich stört es nicht. So rieche ich Dich wenigstens etwas, Du bist sonst nämlich sehr neutral, fast nicht wahrzunehmen. Und Josef mag diesen Geruch sehr gerne, er ist für Menschen angenehm und kräftig würzig. Ich kann es nicht anders beschreiben..." -

Schulterzuckend widme ich mich dem Gemüse, dass ich nach Kyrrahs Wünschen kleinschneide.

Anschließend rühre ich das Pilzrisotto weiter, dass er zum Waller reichen möchte. So kann er sich um den Fisch kümmern.

Dabei muss ich aber immer mehr um meine Beherrschung kämpfen, denn der Geruch von frischem blutigen Fleisch und dem Fisch macht mich fast verrückt, so hungrig bin ich mittlerweile. Ungewollt knurre ich ihn auch ein paarmal zornig an, als er mich anspricht - zum Glück weiß er, wie es mir geht und reagiert nicht weiter drauf - auf meine Entschuldigungen winkt er auch nur grinsend ab.

Josef ist inzwischen auch angekommen und sieht mich irgendwie besorgt an, sagt aber nichts.

Kurz nachdem Kyrrah die Fischfilets in die Pfanne gelegt hat, ist das Risotto fertig. Ich fülle es in eine Schüssel um, die er mit einem vorgewärmten Teller nach nebenan in das Esszimmer bringt. Dabei kann ich es mir nicht verkneifen, am Fisch zu schnuppern... ohoh... nur noch einen Hauch, dann ist es vollkommen durchgegart, das ist deutlich zu riechen. Schnell hebe ich die Filets aus der Pfanne, denn einen Moment werden sie ohnehin noch weiter garen. Der Kern ist exakt auf der Temperatur, bei der das Eiweiß koaguliert. Anders gesagt: die sind auf den Punkt gegart mit einem noch zart glasigen Kern.

Kyrrah kommt mit schnellen Schritten in die Küche, ihm ist auch eingefallen, dass der Fisch gar sein müsste und sieht die Filets auf der Servierplatte in der von mir auch vorbereiteten Garnitur liegen. Er schnuppert kurz an den Filets und grinst mich dann an.

„Danke, Du hast wohl gerade meinen Ruf gerettet. Ich wäre schon zu spät gekommen." -

Alles klar. Auch er erkennt am Geruch den genauen Garpunkt, daher sein Können. Aber egal, er kann es eben, das zählt.

„Wir können ja kündigen und machen ein Sterne-Restaurant auf." -

Er grinst zurück.

„Und ein sicheres Einkommen aufgeben?" -

Er trägt die Platte und wir gehen nach nebenan, wo Josef schon auf uns wartet.

„Wir könnten Menschen glücklich machen..." -

„Nun, die meisten Menschen sind glücklich, wenn sie erkennen, dass sie eigentlich ein Drache sind." -

„Du hast Recht. Vielleicht ist das sogar noch besser." -

Wir setzen uns. Josef blickt mich an.

„Du wirkst heute zufriedener, aber extrem hungrig."

Ich nicke, ja beides trifft zu.

„Kyrrah, wieviel hat er gegessen seit Vorgestern?" -

„Etwa die Hälfte von dem, was ein Drrékh bei der Belastung so braucht. Zwei Tage noch, dann ist er im Idealgewicht für einen Flieger." -

Josef schüttelt heftig den Kopf.

„Sieh ihn doch mal genau an. Besser, stell ihn auf die Waage. Er hat einen höheren Umsatz, als ein Drrékh." -

Kyrrah nickt und winkt mir. Er hat in jedem Bad auch eine Waage stehen, das ist mir schon aufgefallen, so stehe ich schnell auf einer. Kyrrah schaut auf die Anzeige und sieht mich dann erstaunt an.

„Auf 69 Kilo runter... wieso das? Du hast doch über 90 Kilo gewogen..." -

Josef nickt bestätigend.

„Wie ich es mir gedacht habe. Die Hälfte davon hat er durch seine Wandlungen verloren, der Aufbau seines Körpers hat Masse verbraucht. Den Rest durch seinen höheren Energieumsatz als Drrá'Kin." -

Ich habe in drei Tagen zwanzig Kilo verloren?

„Wie konnte ich so schnell so viel verlieren?" -

„Wie ich schon sagte. Deine Drachenkörper werden erst angelegt, wenn Du sie zum ersten Mal brauchst. Das verbraucht auch ein wenig von Deiner Körpermasse, das ist nicht nur reine Lebenskraft. Und Du hast an einem Tag gleich zwei Drachenkörper erzeugt. - Dazu bist Du ein Drrá'Kin, kein Drrékh, auch wenn Du vielleicht der einzige bist, der in einen menschlichen Körper wechseln kann." -

„Au verdammt." kommt von Kyrrah.

„Das mit den zwei Körpern habe ich vergessen. Natürlich - und ein Feralkörper braucht sicher alleine 10 Kilo Masse wenn nicht mehr. Und ein Drrá'Kin? Bist Du sicher? Mir haben sie nichts darüber gesagt." -

„Mir auch nicht. Aber die Anzeichen sind sehr deutlich. Alleine schon sein Geruch, das merke ich ja sogar als Mensch." -

Wir gehen wieder ins Esszimmer und setzen uns. Ich höre mir ihr Gespräch ruhig an und versuche meinen Hunger zu kontrollieren.

Kyrrah kommt zu mir und schnuppert hinter meinen Ohrfinnen, offenbar eine Stelle, wo mein individueller Geruch am besten wahrzunehmen ist.

„Scheiße. Warum ist mir das nicht aufgefallen... Dabei ist das jetzt so klar und deutlich zu riechen..."

Er kniet sich neben mir nieder und senkt seinen Kopf.

„Verzeiht mir Herr. Ich verstehe nicht, warum ich das vorher nicht erkannt habe." -

„Was soll das jetzt, Kyrrah? Ich bin nicht anders, als vorhin, oder gestern." -

„Und ich habe Euch die ganze Zeit die angemessene Ehrerbietung verweigert, Herr." -

„Unsinn. Du hast mich behandelt, wie ich es wollte - und weiter will. Ob Drrékh oder Drrá'Kin. Ist das denn so unterschiedlich? Verlangen die Drrá'Kin so eine unterwürfige Haltung von den Drrékh? - Dann will ich kein Drrá'Kin sein." -

Er sieht mich lächelnd an und legt mir seine Hände auf mein Bein.

„Nein, so seid ihr nicht. Ein wenig Ehrerbietung, aber ihr erkennt uns als Drachen an und geht recht locker mit uns um. Ich wollte nur sichergehen, entschuldige." -

Ich lege meine Hand hinter seine Ohrfinnen in seinen Nacken und reibe seine Schuppen ein wenig.

„Du musst mich nicht so umtüddeln. Immerhin könnte ich mir fast vorstellen, dass wir Partner sein könnten." -

Er sieht mich an.

„Ohhhh. Ein Liebesgeständnis von einem Hetero... - Entschuldige. Ich weiß das sehr zu schätzen. - Darf ich hoffen..." -

„Ein Liebespaar werden wir wohl nicht. Aber ein wenig intim werden..." -

Er greift meine Hand und sieht mich ernst an.

„Nur bitte nicht, weil ich mich einsam fühle. Du darfst Dich nicht unwohl fühlen, wenn es sich ergeben sollte." -

Ich nicke. Er steht auf.

„Dann wollen wir erstmal essen, ehe es kalt wird." -

Er geht zu seinem Platz. Und es klingt nicht mal merkwürdig, denn auch unser Fleisch hat noch deutlich einen Rest der Körperwärme gespeichert, so frisch ist es ja. Kyrrah schneidet sich ein Stück von dem Schenkel ab und schiebt den Rest zu mir rüber - ein richtig großes Stück...

„Iss, Großer, Du brauchst es jetzt. Ich hätte Dein Gewicht kontrollieren sollen, Du hast ja sogar schon Untergewicht für einen so großen Drrá'Kin." -

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, mit einem Rest von Selbstbeherrschung schneide ich mir ein ordentliches Stück ab und beiße herzhaft rein. Nachdem ich es heruntergeschlungen habe sehe ich Josef entschuldigend an. Aber der grinst nur.

„Nur zu. Du musst sehr hungrig sein. Ich bin froh, dass Du Dich so gut kontrollieren konntest." -

„So schlimm?" -

„Ein Drache kann sehr ungehalten werden, wenn er zum hungern gezwungen wird." -

Ich grinse zwischen zwei Bissen.

„Noch weiß ich nicht, wie ich das mit dem Feuer mache. - Das normale meine ich." Sein Blick wurde kurz besorgt... -

„Mache damit bitte keine Scherze. Schon euer normales Feuer ist für uns Menschen ein Horror." -

„Entschuldige. Auch mir ist es ein Gräuel lebendig zu verbrennen..." -

Ich konzentriere mich auf mein Essen, bevor ich noch mehr Unsinn rede. Die beiden unterhalten sich noch über meine weitere Ausbildung. Obwohl es mich angeht, höre ich nur am Rande zu. Im wesentlichen geht es aber darum, dass ich das Fliegen schnell lernen soll. Und ich soll meinen Feueratem kontrollieren können. Das betrifft Josef wohl doch sehr.

Schließlich sind alle satt, sogar ich. Josef hilft noch schnell beim Aufräumen und verabschiedet sich dann.

„Und danke dafür, dass Du noch auf das Duschen verzichtet hast. Ich mag euch nämlich wirklich sehr gerne riechen. Mir zuliebe verzichtet auch meine Partnerin manchmal auf das Duschen, ehe sie sich zu mir legt, obwohl sie dann wie eine Natter stinkt, wie sie zu sagen pflegt." -

„Gerne. Aber jetzt gehe ich sofort und wasche mir den ganzen Schmutz des Tages runter." -

Was ich auch tue. Erst nach einer ausgiebigen Duschorgie fühle ich mich wieder sauber und kann mich auch selber wieder riechen - genau genommen nichts riechen...

Ich gehe dann in den Wohnraum von Kyrrah und finde ihn dort auf der Suche nach einem Film. Er schlägt mir einige vor und ich entscheide mich spontan für einen SiFi-Fantasy-Film, den ich noch nicht gesehen habe. Kyrrah nickt, auch er findet den spannend und bucht den Film ein.

Nachdem er mich mit Getränken versorgt hat, bleibt er neben meinem Lager stehen, offensichtlich unschlüssig, ob er mich fragen soll. Aber ich rücke einfach ein Stück zur Seite, damit er genügend Platz hat, was er auch sofort nutzt. Er kuschelt sich an mich, dreht meinen Kopf zu sich und ich spüre seine Zunge über meine Lippen gleiten. Ohne zu überlegen öffne ich meinen Mund ein wenig und spüre dann eine Zunge meinen Mund erkunden, meine Zunge finden und sich um sie schlingen. Mit geschlossenen Augen genieße ich den zarten, sehr angenehmen Kontakt und bemühe mich, es ihm gleich zu tun.

Verrückt, ich küsse ein Männchen - und genieße es. Wobei mir aber bewusst ist, dass ich ihn nur als Anthro so anziehend finde. Als Mensch wäre er nur ein guter Freund, mehr nicht.

Er legt anschließend seinen Kopf auf meine Brust und schaut den Film, von dem ich nicht mehr viel mitbekomme, denn ich schlafe schon bald ein - nicht zuletzt wegen seiner angenehmen Wärme auf meinen Schuppen.