Drachenmenschen - 07. nur Üben bringt einen weiter

Story by Lord_Eldingar on SoFurry

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#7 of Drachenmenschen

Es kommt, wie es kommen muss.

Egal wie nahe man sich kommt - gerät ein Drache erst einmal in Zorn...

Doch bevor es richtig kracht, gehen wir uns lieber aus dem Weg. Dadurch muss ich zwar alleine an mir arbeiten, aber ich kann auch das tun, was mich dann gerade interessiert. Also stecke ich meine Nüstern in alles mögliche, schaue mich schwindelig - und kämpfe darum, endlich in die Luft zu kommen.

Und langsam neigt sich die erste Woche als aufgeweckter Drache dem Ende...

Teil 7 der Story eines Drachenmenschen.

Original ca. 21 Seiten


Drachenmenschen

  1. nur Übung bringt weiter...

Wieder ein neuer Morgen, zum zweiten Mal in meinem Leben wache ich als Drachenmensch auf und sehe meine Hand neben mir auf dem weichen Polster der Schlafkugel liegen. Nur dass ich mich dieses Mal nicht erschrecke. Ich nehme mir noch ein wenig Zeit und betrachte die Schuppen, die jetzt mein Leben bestimmen... - nee, es liegt ja nicht an den Schuppen, sie sind nur das Äußerliche Merkmal - eines von vielen fremden neuen Merkmalen...

Interessant, betrachtet man es mal in Ruhe, dann erschließt sich einem die Logik hinter den unterschiedlich großen Schuppen auf meinem Körper. Auf den Außen- oder der Oberseite sind die Schuppen größer, kräftiger, schützen meinen Körper gegen äußere Einflüsse - ob es nun Äste und Felsen oder Zähne und Krallen sind. Seitlich, wo weniger Schutz notwendig ist, werden die Schuppen schnell kleiner, sind weniger kräftig - nur soviel Panzerung wie unbedingt nötig, die Natur verschwendet nichts.

Dann in den Bereichen, die beweglich sein müssen, finden sich zwischen Streifen der mittelgroßen Schuppen dann kleine, bewegliche Schuppen, die übereinander gleiten können und so in den Bereichen der Gelenke dafür sorgen, dass ich mich überhaupt bewegen kann. Mir wird klar, warum ich das Gefühl habe, dass alles sehr steif zu sein scheint. Denn an allen Gelenken bieten diese Streifen der größeren, kräftigeren Schuppen eine Schutzwirkung, die die kleinen, beweglichen nicht leisten können. Der Preis für einen ständig geschlossenen Schutzpanzer ist eben, dass es mehr Kraft braucht, bis die Schuppen sich untereinander geschoben haben.

Die Sonne scheint jetzt durch das Fenster und trifft auf meine Hand, die sofort wie aus poliertem Kupfer mit goldenen Reflexen zu bestehen scheint. Auch hier liegen auf dem Handrücken Streifen größerer Schuppen nebeneinander, die kleinere Schuppen beweglich überlappen. Sogar auf den Fingerrücken wechseln diese kräftigen Schuppen mit den zwischen und unter ihnen liegenden kleineren ab. Interessant, wie diese Schuppen übereinander gleiten, die kleinen überdecken und beim Bewegen diese dann wieder freigeben. Ein beweglicher Schuppenpanzer, der hochkompliziert aufgebaut ist und bei maximaler Beweglichkeit nie eine ungeschützte Hautstelle freigibt.

Genau genommen sind die anderen Gelenke nicht anders geschützt, nur sind insgesamt die Schuppen dort stärker und deswegen steifer. Nun gut, die Lebenskraft wird wissen, wozu...

Ich drehe meine Hand, betrachte die Handfläche, die auch vollständig mit feinen etwas mehr golden wirkenden Schuppen bedeckt sind. Diese Schuppen gleiten nicht übereinander, sie liegen in einem chaotischen Muster extrem eng zusammen und bewegen sich gemeinsam eher wie dünnes Leder. Interessant ist, dass sie sich normalerweise sehr glatt und weich anfühlen - aber sobald ich etwas festhalten will, richten sich die zum Handgelenk zeigenden Seiten der Schuppen ein winziges Stück auf und machen die Handfläche rau wie Haifischhaut.

Und dann die Krallen, tiefschwarz, etwa 2 Zentimeter lang und nadelspitz. Sie wachsen anders als die Fingernägel richtig aus den Fingerspitzen heraus, sind extrem fest verankert, nur leicht nach unten gebogen und leicht oval fast so dick wie breit. Damit kann ich zustechen, mich festkrallen, aber nicht schneiden. Kyrrahs Krallen, die viel schmaler sind und eine scharfe Kante auf der Unterseite haben, sind dagegen perfekte Schneidewerkzeuge. Naja, dafür hat er nur kurze Zehenkrallen und jeweils nur eine längere Stichkralle an den Füßen, ich habe 10, jeweils gut 3 Zentimeter lange Greifkrallen an meinen Füßen. - Ich muss es mal ausprobieren, eigentlich müsste ich wie ein Eichhörnchen einen Baum hochlaufen können. Ich habe zwischenzeitlich auch schon bemerkt, dass ich meine Zehenkrallen etwas hochziehen und absenken kann, so grabe ich beim Laufen nicht ständig den Boden durch, oder kann mich auf der Stelle wo ich stehe auch festkrallen, ohne die Füße bewegen zu müssen.

So, und wenn ich jetzt nicht aufstehe, wird Kyrrah mich sicher bald hochjagen... Ich klettere aus dem Bett und recke erstmal alle Arme so richtig - das Zimmer ist gerade breit genug für meine Schwingen. Jetzt schnell noch mal unter die Dusche, ich rieche von gestern Abend immer noch Kyrrah auf meinen Schuppen. - Er hat wohl ganze drei Stunden an mich gekuschelt zwei Filme gesehen, ehe er mich geweckt und zu Bett geschickt hat. Na, zumindest er hat den Schuppenkontakt genossen, ich habe ja nur den Druck seines Körpers auf meinem gespürt.

Beim Duschen habe ich eigenartigerweise schon das Gefühl, nass zu werden, aber so wirklich spüre ich die Wasserfalldusche leider nicht. - Also kurz abschrubben, einmal geschüttelt und schon bin ich wieder trocken. Meine Schuppen werden zwar benetzt, haben aber gleichzeitig einen starken Abperleffekt. Jetzt noch schnell die Zähne gebürstet - wobei schnell ist bei den vielen Zähnen und den Fangzähnen ja relativ. Kyrrah hatte mir zwar gesagt, dass Drachen nicht an Karies leiden, unser Speichel ist ja antibakteriell, aber trotzdem putzt auch er sein Gebiss.

Anziehen muss ich heute nichts, also bin ich fertig. Auf dem Gang höre ich Kyrrah schon wieder in der Küche - schläft der Bursche eigentlich auch mal...?

Aber er ist wohl auch gerade erst aufgestanden, er sucht noch Geschirr und Besteck zusammen, als ich in die Küche trete.

„Guten Morgen Großer. Gut geschlafen?" -

„Moin Kyrrah. Ja, ich fühle mich ausgeruht. Ein, zwei Pötte Kaffee und Du kannst mich wieder durch die Wälder scheuchen." -

„Das höre ich gerne. Du scheinst in Deinem Körper angekommen zu sein, oder?" -

Auf seinen Wink setze ich mich an den Küchentresen, den er hier auch den Raum trennt - er hat schon alles, was wir brauchen bereitstehen und kümmert sich um den Kaffee.

„Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, dass ich mich daran gewöhnen könnte - aber angekommen... nein, das noch nicht. Da ist noch soviel, das ich noch nicht beherrsche, sehr viel, dass sich mir noch verweigert, oder von dem ich noch nichts weiß." -

„Also doch angekommen, nur noch nicht ganz zu Hause." sagt er mit einem Zwinkern seiner Nickhaut. - Die ich erst jetzt bemerke...

„Sag mal, habe ich auch Nickhäute?" -

„Natürlich. Die brauchst Du doch beim Fliegen... Beim Fliegen können Fliegen nämlich ganz schön unangenehm sein - oder nur schon der Wind und Regen." -

„Da kannst Du mal sehen, selbst das habe ich noch nicht bemerkt." -

„Dir ist das kurze Flimmern beim Schließen oder ffnen der Augen doch sicher schon mal aufgefallen..." -

„Ach daher kommt das...?" -

„Ja. Das sind Deine Nickhäute, die sich etwas vorher schließen und etwas später öffnen, als die Lider." -

„Ich hatte das auf irgendeinen Reflex auf den Schuppen geschoben..." -

Er stellt mir grinsend einen großen Pott Kaffee vor die Nüstern, stellt noch eine Schüssel mit Fleischstreifen daneben und kommt dann mit seinem Kaffee um sich mir gegenüber zu setzen.

„Trink erstmal in Ruhe einen Kaffee - und iss noch eine Kleinigkeit. Tut mir leid, dass ich nicht darauf geachtet habe, wie schnell Du Gewicht verloren hast." -

„Ja... ich verstehe nur nicht so recht, wo das so schnell geblieben ist..." -

„Dein Gewicht? Ein großer Teil davon steckt in Deinem Feralkörper. Als Anthro sind wir etwa gleich schwer wie ein Leichtathlet - trotz der Schwingen. Drachen sind zwar um einiges kräftiger, aber auch sehr viel leichter gebaut, als Menschen. Mit dem Feral ist das naturgemäß etwas anders, zwar bist Du dann auch sehr leicht für die Größe, aber absolut natürlich schon ein Schwergewicht. - Der Körper entsteht aus der Lebenskraft - frag mich bitte nicht wie, die Theorien darüber habe ich nicht verstanden - zuviel Physik... - jedenfalls scheint es so zu sein, dass ein Teil deines Körpers notwendig ist, um so eine Art Kern zu bilden, um den sich die Energie sammeln und dann zu Deinem Feralkörper werden kann. - Irgend sowas... Zum Glück musst Du dafür keine Hand oder Fuß opfern, die Lebenskraft ist auch mit Übergewicht zufrieden."

Er grinst mich an.

„Aber so weit runter... das liegt daran, dass Du anscheinend wohl doch irgendwie ein Drrá'Kin bist. Die brauchen einiges mehr an Nahrung, als wir Drrékh. Jedenfalls wenn sie aktiv sind." -

„So viel in zwei Tagen...?" -

„Ich weiß nicht - vielleicht brauchst Du besonders viel." -

„Naja, werden wir ja sehen. Sind die Unterschiede zwischen Drrá'Kin und Drrékh denn so groß?" -

„Teilweise ja, wir Drrékh sind ja als Menschen geboren worden, der Drache steckt tief in uns und wir müssen erst den Kontakt zur Lebenskraft finden um ein Drache werden zu können. Wir können uns frühestens mit 100 Jahren als Drrékh weiterentwickeln und zu einem Feral wandeln. - Man sagt, wir können dann auch nur eine begrenzte Zeit hin und her wechseln, irgendwann müssen wir uns entscheiden, ob wir weiter den menschlichen Körper nutzen wollen und auf den Feral wieder verzichten, oder wir entscheiden uns zum Feral, müssen dann für den Rest unseres Lebens aber auch in der Drachenwelt leben und ein großer Drache bleiben. Angeblich sind die Drachen, die in dieser Welt so einen schlechten Ruf haben, solche Drrékh gewesen, die verzweifelt versucht hatten, in dieser Welt bleiben zu können." -

„Das wäre eine Erklärung." -

Er nickt.

„Ja vorstellbar. Die Drrá'Kin sind sozusagen echte Drachen. Sie schlüpfen als Drachen und wachsen als Ferals auf. Irgendwann lernen die meisten von ihnen, sich zum Anthro wandeln zu können. Aber ein Mensch kann keiner von ihnen werden. Das ist auch ein Grund, warum sie unsere Welt meiden. Naja, sie haben einfach eine völlig andere Tradition, werden anders erzogen, haben andere Vorstellungen vom Leben und teilweise auch andere Wertvorstellungen. Aber von ihrer Grundeinstellung unterscheiden sie sich eigentlich gar nicht so sehr von uns. Gut und Böse sind auch bei ihnen das Gleiche. Körperlich unterscheiden wir uns auch kaum, wir können uns ja auch untereinander paaren und Nachwuchs bekommen. Aber ein paar kleine Unterschiede gibt es schon: Ihre Sinne sind feiner, sie können beispielsweise viel mehr Wellenlängen sehen, als wir und auch besser im Dunkeln sehen. Und sie können viel besser mit der Lebenskraft umgehen, sie sind wirklich Kinder dieser alles durchdringenden Energie. Was wir erst lernen müssen und dann immer noch nur benutzen - das leben und verstehen sie, als wäre es ein Teil von ihnen." -

„Wenn sie Kinder der Lebenskraft sind, dann sind sie ja auch ein Teil davon... - Entschuldige, ich verstehe, was Du damit sagen wolltest." -

Er nickt.

„Ja es ist nicht leicht zu erklären. Obwohl ich glaube, ich muss es Dir gar nicht erklären. Gestern da im Gehege mit der Hirschkuh... Da habe ich einen Drrá'Kin gesehen, keinen Drrékh..." -

„Wie kann das sein, wo ich noch nicht mal richtig mit diesem Körper umgehen kann?" -

„Vergiss nicht, auch die Drrá'Kin sind letztlich nur Drachen. Auch sie müssen vieles erst lernen, auch ihre eigentlichen Fähigkeiten, die sie uns Drrékh voraus haben, müssen sie lange üben. Denn nur weil sie eng mit der Lebenskraft verbunden sind, fällt ihnen auch nicht alles vom Himmel in die Krallen. - Aber Dein Einfühlungsvermögen gestern, die Art wie Du mit dem Tier umgegangen bist... das beweist mir, dass Du in einem engen Kontakt mit der Lebenskraft stehst. -

Großer, ich war drei Monate in der Drachenwelt, bevor ich jetzt meine Aufgabe hier angetreten bin. - Nebenbei: das ist eine große Ehre, die meisten kommen erst sehr viel später dort hin. - Ich habe da Drrá'Kin in ähnlichen Situationen erlebt... das war genauso, wie bei Dir. Selbst die Aura, die euch dann umgibt ist gleich. Du hast den gleichen Zugang zu eurer Kraft, wie alle anderen Drrá'Kin." -

„Kyrrah... - ich kann ja immer noch kaum glauben, dass ich ein Drache werden kann. Ich will ja auch gerne glauben, dass die ganze Sache mit der Wandlung nur mit Hilfe dieser Lebenskraft geht, ob nun Drrá'Kin oder Drrékh - Aber wenn Du so sagst, dass die Drrá'Kin die echten Drachen sind... dann kann ich doch keiner von ihnen sein, ich bin als Mensch geboren und habe 50 Jahre als Mensch gelebt. Wie soll ich da ein echter Drache sein? - Doch eher ein echter Mensch..." -

Etwas genervt wirkend schüttelt er den Kopf.

„Glaub mir, das was ich gestern gespürt habe, ist kein Stück anders, als das was ich drüben dabei gespürt habe. Selbst jetzt habe ich so einen Eindruck, dass Dich die Aura der Lebenskraft umgibt, wie bei den Drrá'Kin. - Aber ich kann es Dir nicht beweisen - also sollten wir es dabei belassen. Du hast heute noch ein wenig vor Dir - vor allem das mit den gefesselten Armen, wenn Du das immer noch möchtest. - Noch einen Kaffee?" -

Ich nicke.

„Ja. Kaffee und Fesseln... Aber bitte in dieser Reihenfolge nacheinander." -

Kyrrah kümmert sich um den Nachschub, während ich noch einige Streifen Fleisch esse.

„Wie ernst ist es Dir mit dem Fesseln?" -

„Du sollst meine Arme schon richtig fesseln." -

„So richtig Richtig?" -

„Ähh... ja..." -

„Ich würde Dich dann so fesseln, dass Du selbst nicht mehr rauskommst, als Feral höchstens." -

„Also wäre ich völlig von Euch abhängig..." -

„Und von Deinen Flugarmen - so wolltest Du es doch..." -

„So in der Art. Ist es unbequem?" -

„Sollte eigentlich gehen, die Arme wären locker ausgestreckt an Deiner Seite. Die Hände werden mit Fäustlingen unbrauchbar gemacht, das ganze mit ein paar Riemen so fixiert, dass Du nicht herausschlüpfen kannst." -

„Klingt gut." -

Ich schnuppere am Kaffee. Eigenartig, wenn ich mich nicht darauf konzentriere, riecht der angenehm aromatisch. Kaum schnuppere ich aktiv, zerlegt der Geruch sich in viele Komponenten, von denen nicht wenige nicht so besonders angenehm riechen... Ich verdränge das schnell, konzentriere mich auf anderes und schon schmeckt mir der Kaffee auch wieder. - Das Gleiche versuche ich auch beim Fleisch - aber abgesehen davon, dass es schon einen leichten Hauch von „Alt" bekommt, was einem Drachen irgendwann sehr unangenehm wird, riecht alles neutral bis angenehm. - Anscheinend erkennen Drachen das Rösten sofort als unnatürlich.

Kyrrah bemerkt sofort, was mir durch den Kopf gegangen ist.

„Du hast also auch eine leichte Abneigung gegen Röststoffe. Das haben viele Drrá'Kin und auch schon einige von uns. Ein paar allerdings braten ihr Fleisch extra in ihrem Feuer, weil sie den Geschmack lieben." -

„Was soll ich morgens trinken, wenn ich keinen Kaffee mehr mag...? Tee ist mir zu labberig." -

„Drüben gibt es eine Pflanze, die von den Drachen gerne zerbissen wird und deren Saft sehr anregend und wohlschmeckend sein soll. Das verwenden sie ähnlich, wie wir den Kaffee - und sie sind ähnlich süchtig danach." -

„Muss ich dann mal probieren. Du hast nicht zufällig was davon?" -

„Nein, die wächst hier nicht und die muss frisch sein, sonst schmeckt es nicht." -

Ich trinke den Kaffee aus.

„Na dann..." -

Wir räumen kurz zusammen und stellen den Rest Fleisch kalt. Kyrrah führt mich in eines der anderen Gästezimmer, wo einige Riemen und zwei Fäustlinge auf dem Bett liegen.

„Letzte Chance - wenn Du erstmal drin bist, dann bleibst Du solange drin, bist Du mit Messer und Gabel isst. - Und Du kommst auch als Mensch nicht da raus, das habe ich mir schon überlegt." -

„Wieso Messer und Gabel?" -

„Wenn Du damit umgehen kannst - zumindest im eingeschränkten Rahmen, da Du ja nur den Daumen frei hast - dann solltest Du eigentlich Deine Flugarme beherrschen - und mit Sicherheit besser, als die meisten von uns anderen. Und dann solltest Du auch bald in der Lage sein, alle vier Arme auch gleichzeitig für verschiedene Dinge nutzen zu können." -

Grinsend sehe ich ihn an.

„Je schneller Du mich jetzt fesselst, umso schneller komme ich da wieder raus." -

Kyrrah nickt und beginnt damit, mir breite Riemen um die Oberschenkel zu schnallen, so hoch oben wie möglich, ohne dass sie stören. Dann legt er mir schmalere Riemen über die Schultern und befestigt diese über Kreuz vorne und hinten zwischen meinen Schwingenarmen, mit den Beingurten. Aha, so kann ich die Beingurte nicht nach unten abstreifen, da sie über meine Schultern festgehalten werden. Und die Schulterriemen kann ich nicht über meine Schwingenarme streifen, da sie dafür viel zu kurz sind. Wenn die Fäustlinge meine Hände unbrauchbar machen, braucht er die nur an den Beingurten mit einem Karabiner festmachen und ich bin gefesselt. Schon kommt der erste Fäustling dran. Die haben ihren Namen wirklich verdient, sie sind ziemlich eng und haben einen festen Steg eingearbeitet, den ich mit meiner Hand umfassen muss, während er mir den Fäustling stramm hochzieht - so muss ich zwangsweise eine Faust machen und den Steg umklammern. Dann ein Riemen fest um das Handgelenk gezogen und mit einem Schloss gesichert - Er grinst dabei... denn das Schloss ist eigentlich überflüssig - und anschließend befestigt er mit einem weiteren Schloss den Fäustling an einen D-Ring am Beingurt. Schnell hat er auch meine andere Hand so immobilisiert und betrachtet mich gespannt.

Ich ziehe und zerre ein wenig an den Gurten, aber mir ist jetzt schon klar, dass ich die Gurte auch als Anthro nicht zerreißen kann. Was ich auch versuche, ich kann meine Hände nur ein klein wenig im Handschuh bewegen, aber nicht ausstrecken. Immerhin dürfte durch den Griffsteg ein Krampf verhindert werden, weil ich mir daran ein wenig Fingerbewegung verschaffen kann. Ich merke auch, dass ausreichend dickes Leder meine Krallen abdeckt, vermutlich sogar mit einem Metallstreifen unterlegt, damit ich mich nicht selber verletzen kann. Insgesamt bin ich selbst mit den im Prinzip noch freien Armen, trotzdem ziemlich hilflos - es ist auch ein eigenartiges Gefühl - aber es ist nicht wirklich unbequem und nichts wird abgeklemmt oder abgedrückt, wie es bei einer normalen Fesselung leicht passieren kann.

„Na Großer, wie ist es?" -

„Merkwürdiges Gefühl. Hilflos. Und ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, ob ich das auch wirklich will..." -

„Zu spät. Entweder Du lernst es, mit Deinen Flugarmen alles zu machen, so wie Du es wolltest, oder Du bleibst eine volle Woche so gefesselt. Punkt." -

„Ja schon gut. Du hast ja Recht, ich wollte es so. - Also los, was ist heute dran?" -

„Zur Abwechslung fangen wir mal mit etwas Laufen an..." Er grinst ein wenig boshaft.

„Das ist nun mal die einfachste Art, sich an die gefesselten Arme ein wenig zu gewöhnen. Aber hauptsächlich werden wir heute Deine Schwingen trainieren. Ein wenig Kraft, vor allem aber die richtigen Bewegungsabläufe für das Fliegen. Und nebenbei darfst Du üben, mit Deinen Flugarmen alles das zu machen, was Du sonst mit Deinen normalen Armen machst." -

Ich will ihn mit der Faust an stupsen... natürlich bleibt die erstmal an meinen Gurten hängen, weil ich das wie gewohnt mit den normalen Handlungsarmen machen will. Aber ich muss gar nicht lange probieren, mein rechter Flugarm reagiert überraschend schnell auf meinen Wunsch und ich ramme Kyrrah mit der Flughand in seine Schulter. Natürlich viel kräftiger, als ich es wollte, aber er grinst trotzdem.

„Entschuldige, das war wohl etwas hart..." -

„Sind wir Drachen oder was? Von so einem Stupser falle ich nicht gleich um. Ich bin ja froh darüber, dass Du sofort umschalten kannst. Weiter so und Du bist schon morgen Abend wieder raus aus den Fesseln." -

„Na sicher doch..." -

Plötzlich bricht es zornig aus ihm heraus.

„Du gehst mir auf den Nerv mit Deiner ewigen Miesmacherei und Deinen Selbstzweifeln. Wir haben Dir doch bewiesen, dass Du ein Drache bist - warum maulst Du immer noch rum, häh?" -

Ich verzichte auf eine Antwort, drehe mich einfach um und mache mich auf den Weg nach draußen. Er kann oder will nicht verstehen, was meine Probleme sind. Dass ich mich die meiste Zeit nicht zu Hause fühle in diesem Körper, dass ich mich frage, warum gerade ich ein Drache sein muss, was das für mich bedeutet, wie überhaupt ein Mensch zum Drachen werden kann - und ob ich das wirklich will... Und überhaupt lasse ich mich von ihm auch nicht so anblaffen.

Schon halb die Treppe runter höre ich ihn hinter mir herrufen.

„Großer... wo willst Du hin?"

So genervt und wütend, wie sein Tonfall klingt, reagiere ich nicht darauf und gehe weiter.

„Großer! Verdammt nochmal, bleib stehen!" -

Ich gehe mit normaler Geschwindigkeit weiter, also kann er mich leicht einholen - ich höre seine Schritte schnell näher kommen, spüre dann einen festen Griff an meiner Schwinge und mit einem schmerzhaften Ruck an meinem linken Zeigefinger reißt er mich herum. Scheiße, das tut weh... ich fauche ihn wütend an, worauf er zwar zurück faucht, mich aber auch sofort loslässt.

„Was verdammt, hast Du eigentlich vor?" immer noch dieser wütend fauchende Unterton. -

„So schnell wie möglich wieder aus diesen Fesseln rauskommen." -

Ich bemühe mich um einen ruhigen Ton und klinge dadurch fast arrogant kühl, wie ich selber bemerke. Aber das ist mir jetzt egal, sein Ton gefällt mir auch nicht...

„Kannst Du vergessen, ich habe Josef verboten, Dich zu befreien." -

In mir kocht der Zorn langsam hoch...

„Wollen wir ausprobieren, auf wen er mehr hört? - Aber das habe ich gar nicht damit gemeint." -

„Was denn sonst?" -

„Auf die Idee, dass ich üben und fliegen will, kommst Du wohl nicht..." -

Wieder ein Fauchen von ihm.

„Dann sieh zu, dass Du raus kommst!" -

Ich knurre nur verächtlich kurz, drehe mich wieder um und ramme vor mühsam unterdrückter Wut die Türen mit den Fäusten meiner Flugarme beim rausgehen geradezu auf.

Draußen recke ich erstmal meine Nüstern in die Luft und sauge die Gerüche in mich auf. Zwar weiß ich immer noch nicht, was ich da alles rieche und es verwirrt mich mehr, als dass es nützt

  • aber aus irgendeinem Grund brauche ich das - es ist so eine Art Freiheit, die mir in dieser künstlichen Welt der Menschen fehlt.

Noch bevor Kyrrah draußen ist, falle ich in einen leichten Trab und sehe zu, möglichst bald im Wald zu sein, ich will weg hier, in die Natur - soweit man das auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz so nennen kann.

Ich erreiche gerade die ersten Bäume, als ich das genervte Knurren von Kyrrah hinter mir höre. Er braucht einen Moment, bis er in meiner Nähe ist.

„Kommst Du auch endlich..." -

Warum ich so maulig ihm gegenüber bin, weiß ich zwar selber nicht so recht, aber mich nervt seine plötzliche Ruppigkeit mir gegenüber.

Er knurrt wütend auf.

„Tan'Náh... mir reicht es jetzt. Mach was Du willst, aber mach es alleine. Wenn Du heute Mittag was zu essen haben willst, findest Du was an der Kreuzung, wo wir gestern waren. Und nun verpiss Dich, ehe ich Dir meine Krallen durch die Schuppen ziehe... - und hoffe nicht auf Josef, der wird nicht wagen, Dir zu helfen - er kennt meinen Zorn..." -

Auch in mir steigt der Zorn, mein tiefes Knurren scheint ihn zu verwirren, ich ziehe die Lippen hoch und zeige meine Fangzähne, was ihn einen Schritt zurückweichen lässt. - Ein wenig Respekt hat er also doch vor mir, selbst so gefesselt, wie jetzt.

„Sieh zu, dass ich Dich nicht mehr riechen muss..." -

Mein bösartig ruhiger Ton macht ihn nur noch wütender, aber er dreht sich abrupt um und läuft zurück zu seinem Haus.

Endlich allein, endlich Ruhe... Auch ich drehe mich um und atme erstmal ruhig durch, schnell verlässt mein Zorn mich wieder, jetzt wo der Gegner vertrieben ist. Ich trabe weiter in den Wald hinein, querfeldein, einfach meinen Nüstern nach - im wahrsten Sinn des Wortes, denn ich will endlich mal verstehen, was ich eigentlich rieche und wie ich mich damit orientieren kann. - So bin ich zwar nicht schnell, aber ständig unterwegs, kreuz und quer, je nachdem wo ich etwas interessantes oder ungewöhnliches rieche.

Nach einer Stunde nehme ich mir die Zeit und erforsche regelrecht ein Stück Wald und eine angrenzende Lichtung mit meinen Nüstern. Ich stecke sie in fast alles rein, was nur nach irgendwas riecht und lerne so, was welchen Geruch hat. Nebenbei erkenne ich, wie gut mein Geruchsgedächtnis ist, immer öfter erkenne ich bekannte Geruchsnoten in vermeintlich neuen Dingen. Und auch die Erinnerungen daran, was ich als Mensch gerochen habe, helfen mir sehr, die einzelnen Gerüche wieder zusammen zu bringen und als Kiefernadeln, Harz oder vermoderndes Holz zu erkennen. Vier Stunden später merke ich überrascht, dass ich auf einmal wieder den Wald rieche, oder das frische Grün auf der Lichtung - anfangs war das noch ein wildes Gewirr von Gerüchen, die ich nicht zusammenbringen und zuordnen konnte.

Auch jetzt habe ich immer noch viele Gerüche in den Nüstern, von denen ich noch nicht weiß, was es ist - aber es verwirrt mich nicht mehr, nachdem ich so langsam meine Umgebung auch geruchlich wahrnehme.

Hmmm, inzwischen ist es Mittag geworden, soll ich die Kreuzung suchen, wo ich etwas zu essen finde? -

So richtig Hunger habe ich heute nicht, ich habe mich heute ja auch nicht so anstrengen müssen. -

Bah... scheiß drauf, ich werde ihm nicht den Gefallen tun, zu Kreuze zu kriechen. Dann setze ich mich lieber hier auf der Lichtung in die Sonne und versuche mal, mich an die Sicht eines Drachen zu gewöhnen, das ist mir wichtiger.

Meine Flugarme nutze ich fast schon, als wären es meine normalen Arme - die ich die meiste Zeit fast vergesse. Erst, wenn ich irgendetwas greifen möchte, drängt es sich wieder in den Vordergrund, dass ich nicht meine Hände zur Verfügung habe. Denn meine Flughände sind ja wegen den langen Fingern und den Flughäuten sehr eingeschränkt. Aber davon abgesehen, verwende ich meine Flugarme jetzt schon fast wie normale Arme, sie sind genau so beweglich - sogar noch beweglicher wie die normalen.

Ich setze mich also ins Gras, blicke über die Wiese und lenke meine Konzentration vom Sehen weg auf meine Flughände. Holla... jetzt wird mir doch etwas schwindelig... einfach dran gewöhnen... nicht wieder versuchen, nur einen Punkt zu fixieren, lasse es einfach auf Dich einwirken... Ich drehe den Kopf und verschiebe die Schärfeebene auf die andere Seite der Lichtung - schnell lässt das dumme Gefühl im Kopf nach - aber wirklich etwas erkennen kann ich nicht. Es ist einfach zu viel auf einmal - was ich erkenne wirkt wie kurze Aufblitzer von verschiedenen Stellen - ruhig bleiben, offen lassen... Ich kann mich nur dran gewöhnen, wenn ich es zulasse. Ich schaue hin und her, verschiedene Entfernungen... aber es bleiben so eigenartige kurze Bilder, die aus verschiedenen Richtungen in meinem Gehirn ankommen und gleich vom nächsten abgelöst werden. - Noch mag mein Gehirn die Flut an deutlichen Bildern nicht gleichzeitig aufnehmen - obwohl ich mir sicher bin, dass es das kann - sollte man von einem Drachen ja wohl erwarten können.

Seufzend lege ich mich hin, breite meine Schwingen aus und lasse sie locker neben mir auf dem Boden liegen. Ich schaue in den Himmel, ins weite tiefe Blau, durch das einige kleine Wolken ziehen und lasse meine Gedanken treiben.

Wie mag das wohl sein, wenn ich meine Sinne wirklich beherrsche, wenn ich sicher fliege... Was ist das für eine Welt, wo die Drrá'Kin leben? Werden die Weibchen dort wirklich so hinter mir her sein? Ich versuche eine Vorstellung von dem Himmelsfeuer zu bekommen, das ich ja angeblich beherrschen soll - überhaupt, wie mag es wohl sein, Feuer zu blasen... - was ist der Grund, dass ich doch noch erweckt wurde? Was wollen die von mir? Wie mag wohl ein Drachenweibchen aussehen... wie ist es, sich als Feral mit einem Weibchen zu paaren...?

Interessant, die Wolke da rechts hat fast die gleiche Form, wie die links oben... jedenfalls von hier gesehen. Und der Bussard da über mir, betrachtet mich neugierig, die beiden Milane nördlich sind dagegen mehr mit sich selber beschäftigt und umkreisen sich immer wieder in engen Kurven.

Erschreckt richte ich mich auf... Ich habe den Bussard angesehen... aber gleichzeitig die Milane und die Wolken gesehen... scharf und deutlich gesehen, wie den Bussard...

Aber die Lichtung verwirrt mich sofort wieder... da ist einfach viel zu viel gleichzeitig zu sehen - trotzdem lasse ich alles voll auf mich einwirken. Wieder schaue ich auf den Boden vor mir, jetzt wird mir nicht mehr schwindelig. Auch hier ist eigentlich viel zu viel gleichzeitig zu sehen, aber insgesamt ist es doch weniger, langsam beginne ich zu erfassen, was ich da eigentlich alles sehe.

Gras, Kräuter, ein paar erste Blüten, noch alte, trockene Stängel vom letzten Jahr und frisches Grün. Dazwischen kleine Steine, von Stürmen von den Bäumen gewehte Zweige und wimmelnde Insekten. Ganz langsam wird das Bild deutlicher, weitet sich aus - obwohl ich auf meine Zehen schaue, ich sitze in einer Art Schneidersitz, sehe ich rechts und links die Blüten und die Insekten auf ihnen, die nach Nektar suchen. Gleichzeitig, obwohl ich stur geradeaus blicke. Scheiße ist das Geil...

Um mich abzulenken und zu vermeiden, das ich mich auf einen einzelnen Punkt konzentriere, denn der Drang dazu ist sehr stark, beginne ich die Zweige zusammen zu sammeln. Und immer schön auf meine Zehen dabei blicken... Scheiße ist das schwierig, diese kleinen Zweige zu greifen, meine Flughände sind einfach noch zu grobmotorisch dafür - aber langsam geht es besser. Eigenartigerweise mit der linken Hand besser, als mit der Rechten - ich bin eigentlich Rechtshänder.

Ich beobachte, wie eine Ameise meine Zehenkrallen erkundet und versuche dabei zu erkennen, von welchen Bäumen die Zweige sind, links ist es ziemlich sicher eine Kiefer, die Nadelansätze sind sehr deutlich. Die Ameise trommelt mit den Antennen auf die Spitze der Kralle und kehrt wieder um, rechts ist es ein Laubbaum, vermutlich Birke - vorsicht, nicht herunterfallen, die Krallen sind glatt. Eine Sandbiene landet auf den Blüten links vor mir, ziemlich verstaubt braucht sie wohl dringend eine Stärkung.

Wahnsinn... ist das geil... das ist zwar nur ein Kreis von vielleicht anderthalb Meter Durchmesser, aber da sehe ich wirklich alles gleichzeitig. Alles scharf und alles bewusst. Ich muss meine Augen dazu nicht bewegen und sehe es trotzdem alles zur gleichen Zeit.

Ich spiele mit den Zweigen zwischen meinen Fingern. - Moment... ich spiele mit den Zweigen... natürlich sehe ich sie, aber ich habe mich nicht auf meine Hände konzentriert - trotzdem fühle ich die Zweige deutlich, ich spüre ihre Struktur - meine Flughände haben einen Tastsinn, der mir sonst fast überall fehlt...

Der Schrei, den ich ausstoße, veranlasst den Bussard fluchtartig die Arena zu verlassen. Ein Jubelschrei von einem Drachen klingt in den Ohren anderer wohl doch etwas erschreckend.

Warum ist mir das vorher noch nicht aufgefallen? Die Flugarme sind mir ja eigentlich fremd - trotzdem kann ich sie bewegen, als wäre ich mit ihnen geboren worden. Da ist es doch fast logisch, dass auch der Tastsinn hier funktioniert... - oder liegt es an etwas anderem? - Ich streiche mir über die Körperschuppen... nein, ich fühle nur an meinen Händen etwas, der Körper ist weiter wie unter Leder verpackt. - Aber ich habe jetzt die Möglichkeit wenigstens etwas zu fühlen. Und meine Schuppen fühlen sich gut an, fest und glatt. Ich taste weiter, nicht ganz so einfach, da die Arme ja viel länger sind, kitzele meine Nüstern, fühle die Schuppenplatten auf meinem Nasenrücken und Hörner, die sich fast wie poliertes Metall anfühlen.

Wieder lasse ich mich auf den Rücken sinken... wie geil ist es, ein Drache sein zu dürfen...

Was ein wenig Tastsinn doch ausmacht...

Jetzt packt mich der Ehrgeiz. Fliegen! Richtig fliegen... Aber davor hat die Lebenskraft das Üben gesetzt. Schnell bin ich auf den Beinen und gehe langsam zur Mitte der Lichtung. Mein weites Blickfeld bemerke ich jetzt gar nicht mehr, ich sehe einfach. Während ich überlege, wie ich meine Schwingen wohl bewegen muss, zupfe ich nebenbei an einigen Sträuchern und hohen Gewächsen ein paar Blätter im Vorbeigehen ab und genieße das Gefühl an meinen Händen dabei.

Etwa mittig auf der Lichtung habe ich genug Platz, hier wachsen keine Büsche, das Gras und die Kräuter sind noch niedrig. Hier kann ich mit meinen Schwingen um mich schlagen, ohne dass ich irgendwo anstoße.

So, wie geht das jetzt mit dem Fliegen... genau genommen will ich jetzt erstmal das Starten üben... Hmmm, Kyrrah sagte zwar, dass wir anders fliegen, als die Vögel, aber die Grundzüge kann ich mir sicher bei denen abschauen... Nur - wo ist ein Greif, wenn man mal einen braucht...

Ich höre das 'Kiiiiiiä' eines Bussard hinter mir - Danke, da bist Du ja - vernünftige Planung ist eben alles...

Ein wenig den Kopf gedreht, dann sehe ich ihn auch, offensichtlich habe ich Mäuse oder andere Kleintiere aufgescheucht, die er sich jetzt als Beute ausgesucht hat. Und er führt mir mit seinem flatternden Jagdflug, mit dem er dicht über dem Boden praktisch in der Luft steht, die Bewegungen seiner Flügel deutlich vor. Schließlich stößt er herab, offensichtlich erfolgreich. Ich sende einen kurzen Dank an die Lebenskraft für die Hilfe - der Bussard sieht mich an, fast glaube ich, er nickt mir zu, dann ist er mit drei, vier schnellen Flügelschlägen wieder in der Luft und streicht mit seiner Beute in den Krallen ab. Ein wenig verdutzt schaue ich ihm nach - habe ich das eben wirklich so erlebt...? Die Sache mit der Lebenskraft verstehe ich ja, ich weiß, dass es sie gibt, ich spüre sie ja immer wieder. Aber greift sie wirklich aktiv ein? Geht das überhaupt? - Langsam glaube ich das...

Also sende ich meine Bitte an die Lebenskraft, sie möge mir die richtigen Bewegungen eingeben...

Ich will erstmal ruhig anfangen, nur die Luft unter meinen Schwingen spüren. Ganz ruhig... Die Arme hoch in die Luft gestreckt, die Finger spreizen, bis ich die Spannung der Schwingenhaut spüre. Meine Zeigefinger sind jetzt 3 Meter über mir und ich spüre eine starke Spannung an beiden Seiten meines Schwanzansatzes, wo die Schwingenhaut endet. Durch diesen Impuls spreizen sich auch die Seitenfinnen an meinem Schwanz ab, die mir ja zusätzliche Stabilität im Flug geben. - Jetzt drehe ich meine Hände bis die Finger waagerecht stehen, die Spannung in meiner Flughaut verstärkt sich noch... einmal tief einatmen... dann senke ich meine ausgebreiteten Arme bis sie seitlich waagerecht stehen. Nicht weiter, sonst ramme ich meine Finger auf den Boden, was sie sicher nicht gut vertragen würden.

Deutlich habe ich dabei schon den Druck unter meinen Schwingen gespürt, obwohl ich meine Arme noch langsam bewegt hatte. - Aber auch dass ich links etwas mehr Druck hatte, als rechts... darauf muss ich achten und das sofort ausgleichen. - Die Arme wieder angehoben und nochmal das ganze... jetzt ist es mir gelungen, den Druckunterschied schnell auszugleichen.

Nach 10 oder 11 weiteren Versuchen mit langsamer Schlaggeschwindigkeit bekomme ich langsam Mut. Wieder hebe ich meine Arme hoch, nur jetzt lege ich mal Kraft in den Schlag, Kraft und damit auch mehr Geschwindigkeit... Wieder achte ich auf den gleichmäßigen Druck auf beiden Seiten, spüre, dass der Druck stärker ist, halte rechtzeitig den Schwung an, um nicht auf den Boden zu schlagen und lande kurz darauf wieder mit den Füßen auf dem Boden... - Hallo... was war das jetzt...

Gleich nochmal, noch ein wenig mehr Kraft dabei einsetzen. Jetzt achte ich aber mehr auf den Boden unter mir. Kaum habe ich den Abschlag begonnen, spüre ich jetzt, wie ich den Boden unter den Füßen verliere, meine Schwingen erzeugen soviel Widerstand in der Luft, dass ich mehr als einen Meter in die Höhe gehoben werde... - Au verdammt, fast zu weit durchgezogen, ich spüre schon das Gras an meinen Zeigefingern... Mit ausgebreiteten Schwingen sinke ich vergleichsweise langsam wieder auf den Boden und lande sicher.

Oh shit... ist das Geil! So kurz diese Hüpfer auch waren - ich bin aktiv in die Luft gekommen. Habe durch einen Schlag mit meinen Schwingen den Boden verlassen.

...Ruhig... ganz ruhig bleiben... Das ist noch nix... ja, ich schaffe es, aus eigener Kraft vom Boden abzuheben, aber ehe ich die Schwingen wieder oben habe, bin ich schon wieder zurück auf dem Boden - das ist noch lange nicht fliegen. Jetzt kommt es darauf an, die Arme wieder hoch zu bekommen - schnell und so, dass ich mich nicht wieder runterdrücke dabei. Das ist die eigentliche Schwierigkeit bei der Sache.

Wieder zurück zur langsamen Bewegung. Meine Arme sind also unten, in der Waagerechten. Wie hat der Bussard das gemacht? Er hat seine Handfedern angezogen und senkrecht geklappt und dann die Arme angehoben. Das probiere ich nach zu machen... Also: Finger zusammenlegen und Hand drehen, bis die Finger nach unten zeigen und beim Hochziehen keinen Luftwiderstand mehr erzeugen. - Ja, das geht, allerdings spüre ich immer noch einen deutlichen Widerstand beim Anheben der Arme, hauptsächlich im Bereich vom Körper bis zur Hand - Das ist es also noch nicht. - Aber wir müssen ja anders mit den Flügeln schlagen, als die Vögel, so sagte Kyrrah. Die können die Luft durch ihre Federn streichen lassen, unsere Flughäute sind luftdicht... -

Ich probiere es also, meine Arme zusätzlich anzulegen und direkt nach oben zu strecken, anstatt sie nach oben zu schwingen. Hochkompliziert, obwohl es sich so einfach anhört - immer wieder will ich die Arme einfach nach oben heben, das Anziehen der Arme fühlt sich zwar nicht falsch an, aber ich muss das erst in meinen Bewegungsablauf einbinden. Wobei die notwendige schnelle, automatisch ablaufende Bewegung das eigentliche Problem dabei ist. Langsam durchgeführt ist das noch einfach.

So vergehen wohl 2 Stunden mit Üben. Da ich mit den kurzen Startschwüngen wohl kaum längere Zeit fliegen kann, verlege ich mich darauf, die normale Fluglage zu simulieren - ich bewege meine Arme also nicht senkrecht zum Boden, sondern waagerecht... Schließlich entspricht das der Lage, in der ich offensichtlich ja mal fliegen werde - und gestern ja auch schon geflogen bin.

In der waagerechten fühlt sich das ganze auch gleich viel besser an. Meine Flugmuskeln sind eindeutig für diese Fluglage ausgelegt, der senkrechte Start eines Anthros ist demnach etwas unnatürlich. Vermutlich würde ein kurzer Sprint und ein abschließender Sprung den Start deutlich einfacher machen - aber eins nach dem anderen.

Nach kurzem Umsehen finde ich einen Baumstumpf, der noch fest im Boden verwurzelt ist und auch wieder austreibt. Der muss hier alleine auf der Lichtung gewachsen sein und ist wohl bei einem Sturm weggebrochen, der Stamm liegt ein Stück weiter. Mit einer Höhe von gut 1,5 Metern wird er mir genug Halt geben, damit ich bei mehr Krafteinsatz mich nicht selber wegwehe. -

Wie ich mich dann so aufgebaut habe, den Hintern fest gegen den Baumstumpf gedrückt, kann ich ein Grinsen nicht unterdrücken - es muss ein merkwürdiges Bild sein, dass ich hier abgebe.

Also los, Schwingen ausgebreitet... anziehen, nach oben strecken - also nach hinten - mit Schwung nach unten - genauer vorne - ... holla schnell noch den Schwanz um den Stamm legen... wieder Schwingen anziehen, dicht am Körper halten, nach oben strecken, die aufgespannten Schwingen wieder mit Schwung durchziehen, und wieder gerade hoch anziehen, in den Schultern drehen, nach oben die Schwingen aufspannen und durchziehen... noch etwas schneller... und noch schneller... - die Kräuter und Gräser vor mir werden von meinem Winddruck durchgeschüttelt und kommen nicht mehr zur Ruhe, ehe schon der nächste Schwingenschlag wieder Wind macht.

Nach einer Viertelstunde spüre ich eine leichte Ermüdung meiner Brustmuskeln. Vermutlich lege ich viel zu viel Kraft in den Abschlag. Ich probiere es mal mit halber Kraft, ziehe die Schläge auch nicht mehr völlig durch. Trotzdem spüre ich noch einen kräftigen Druck, der mich gegen den Baumstumpf presst. Aber meine Brustmuskeln danken es mir, sie fühlen sich gleich besser an. Ich simuliere mal ein Stück im Gleitflug - vermutlich werden wir Drachen ohnehin die halbe Zeit so fliegen und nur mal ein paar Schläge einfügen um die Höhe zu halten. Schnell erholen meine Muskeln sich wieder, ich bin anscheinend gut im Training.

Dann probiere ich es, beim Abschlag die Hände ein wenig zu drehen, um Vortrieb zu erhalten... funktioniert, gleich wird das Gras neben mir doppelt so kräftig niedergedrückt.

Alles klar - das dürfte mich also in der Luft halten und auch vorwärts bringen. Ob es richtig ist, was ich hier übe... keine Ahnung, aber es fühlt sich zumindest nicht falsch an. Und es macht sogar Spaß, also spiele ich mit verschiedenen Fingerstellungen herum und erkunde, was dabei passiert. Schließlich bemerke ich, wie die Schatten der umstehenden Bäume bei mir ankommen... Oha... schon 18:00 Uhr...

Also ab nach Hause. Ich lasse den Baumstumpf los... aber ich möchte doch noch einmal abheben. So zwei, drei Schwingenschläge lang...

Hinstellen, ruhig durchatmen..., dann die Arme hochrecken, durchziehen, ich verliere den Boden unter den Füßen, vorsicht, nicht zu weit durchziehen... gerade noch rechtzeitig - jetzt schnell anziehen, hoch ausstrecken und durchziehen... Ich habe den Boden nicht gespürt... nochmal anziehen, schnell hoch, durchziehen, oh, das war zu weit... aber... ich den Boden mit den Fingern nicht berührt... los, wieder durchziehen... - ich schaue nach unten... sehe den Boden wohl drei Meter unter mir... nochmal das Ganze... vier Meter, ich kann jetzt voll durchziehen ohne Gefahr, meine Finger zu verletzten...

Halt, Arme ausbreiten und wieder zu Boden sinken lassen... nicht übertreiben... kurz vor dem Boden hebe ich die Arme ein wenig an und bremse mein Sinken mit einem kurzen Abschwung und setze fast sanft auf...

Zitternd lasse ich meine Arme sinken und auf dem Boden liegen, sinke auf die Knie... ich zittere nicht aus Angst oder vor Anstrengung... das ist die Nachwirkung des Adrenalinschubs, als ich bemerkte, dass ich praktisch schon selbständig fliege... Ich pumpe beide Luftsäcke voll auf, recke meinen Kopf hoch und brülle.

„Jaaaaaaaa!"

Jedenfalls sollte es das heißen, das heisere Brüllen eines Drachen klingt irgendwie dann doch gefährlicher, animalischer...

Um mich herum ist es schlagartig still geworden... nur langsam setzen die üblichen Geräusche der Tiere wieder ein - ich sammele grinsend meine Arme wieder ein und stehe auf. Das nenne ich dann doch mal einen erfolgreichen Tag...

In einem gemütlichen Trab suche ich den nächsten Weg, den ich auch bald finde, nach rechts muss ich, nach vielleicht einem Kilometer stehe ich auf der Kreuzung, auf der Kyrrah mir mein Mittagessen bereitstellen lassen wollte. - Richtig, da steht die Kühlbox immer noch. Ich schaue rein, drei Stücke Fleisch sind drin... ein kleines Stück Hirsch, vielleicht einen Kilo - sicher von Kyrrah... er war also immer noch sauer auf mich, nur so wenig... - aber dazu noch zwei Stücke Rindfleisch, jedes wohl anderthalb bis zwei Kilo. An dem oberen hängt noch der Geruch von Josef, er war wohl erst vor kurzem nochmal hier und hat das noch dazugelegt. Ach Josef, wenn ich Dich nicht hätte, ich spüre jetzt nämlich wirklich Hunger...

Schnell nehme ich mir ein Stück Rindfleisch, meine Spielereien heute vormittag mit den Zweigen zeigen Wirkung - ich habe keine Probleme, das Fleisch zu greifen. Mit beiden Händen halte ich es und beiße herzhaft hinein. Das Fleisch ist natürlich nicht ganz so frisch, Josef muss das ja bei einem Schlachter in der Nähe kaufen, der ihm das Fleisch auch gleich nach der Schlachtung verkauft, normalerweise lassen die Menschen das ja noch eine Zeit reifen, damit es mürber wird. Und der schlachtet ja auch nicht jeden Tag ein Rind.

Das Stück ist schnell weg, ich greife mir das zweite, ich hab wirklich Hunger... - Das esse ich ein wenig langsamer, aber immer noch mit mehr Hunger, als Genuss. Jetzt noch das Hirschfleisch. Mittlerweile bin ich doch schon ganz gut gesättigt, also genieße ich das Fleisch der Hirschkuh, die ich gestern in die Lebenskraft gesandt habe.

Abschließend noch die Finger und die Handflächen sauberlecken. Boah, 4 bis 5 Kilo Fleisch... belustigt schaue ich mir die deutliche Beule an, unter der mein Magen ist, der sich jetzt unter den Schuppen abzeichnet. Aber ich bin jetzt auch satt. Und ich konnte es auch sicher brauchen, denn ich bin ja praktisch den ganzen Tag geflogen... sozusagen. Jedenfalls habe ich einiges an Kraft gebraucht und ein ordentliches Training meiner Flugmuskeln absolviert. Kyrrah darf also zufrieden mit mir sein.

Noch eben den Deckel der Box geschlossen und weiter nach Hause. Nach einer halben Stunde im lockeren Trab erreiche ich die Häuser, es wird jetzt zunehmend dunkler, am Licht sehe ich, dass beide in ihren Wohnungen sind.

Kyrrah lasse ich links liegen bevor er sich nicht entschuldigt, werde ich nicht zu Kreuze kriechen - ich gehe zu Josefs Haus und klingele. Als hätte er nur darauf gewartet, geht auch schon der Lautsprecher an.

„Tan'Náh... ein Glück, da bist Du ja - na los komm rein."

Eigentlich wollte ich das gar nicht, mich nur kurz bei ihm melden, aber die Tür geht schon auf. Na gut, dann gehe ich kurz noch mal zu ihm.

Schnell bin ich die Treppe hoch, Josef steht auf dem Flur und sieht mich aufatmend an.

„Du siehst besser aus, als ich befürchtet habe... Nur diese Fesseln - komm, ich mache Dich frei." -

„Oh, die habe ich schon ganz vergessen. Nein, ich möchte nicht, dass Du Ärger mit Kyrrah deswegen bekommst, es reicht wenn ich mich mit ihm streite." -

„Ich habe ihm zwar nichts zu sagen und bin ihm momentan auch unterstellt - aber ich habe auch keine Angst davor, ihm die Stirn zu bieten. Außerdem kommt meine Partnerin bald wieder nach Hause und vor ihr hat er Respekt, sie kämpft besser als er..." -

„Oh, dann darf ich Deine Partnerin kennenlernen? Wann kommt sie?" -

„Morgen, mit dem letzten Flug abends. Sie bleibt dann noch in ihrer Wohnung in Berlin und hat noch ein wenig dort zu tun und kommt in ein paar Tagen hierher." -

„Dann werde ich sie ja bald treffen können. Bis dahin werde ich diese Fesseln auch nicht mehr tragen, auf welchem Weg auch immer, ich brauche sie dann nicht mehr." -

„Ja, gut. Übrigens wollte auch der Platzkommandant dann gerne zu uns kommen. Wenn es Dir nichts ausmacht, sage ich ihm dann zu, dann hat er gleich zwei Drrékh und einen Drrá'Kin vor sich." -

„Oh, sie ist eine Drrá'Kina?" -

„Nein, aber Du." -

„Oh, Josef... bitte nicht..." -

Er winkt ab.

„Schon gut. - Was ist, hast Du noch Hunger?" -

„Nein, Du hast mich da draußen gut versorgt und ich habe es ja vorhin erst gefunden. Vorher war ich zu sehr mit mir selber beschäftigt, um Hunger zu spüren. Aber etwas zu Trinken vielleicht." -

Er haut sich mit der Hand vor die Stirn.

„Oh, verdammt. - Ich habe vergessen, Dir Wasser mit rein zu stellen... und ich kann riechen, dass Du Dich angestrengt hast... - Einen Moment, kommt sofort." -

„Oh, entschuldige bitte, dass ich so ungewaschen hier bei Dir aufkreuze..." -

Ich folge ihm zur Küche, wo er mir eine leicht gekühlte Flasche Mineralwasser reicht.

„Du brauchst Dich nicht dafür entschuldigen, dass Du da draußen trainiert hast, was auch immer. - Außerdem weißt Du doch, dass dieser Geruch für einen Menschen, zumindest für mich, sehr angenehm ist."

Ich probiere es einfach mal, klemme die Flasche mit meiner rechten Flughand ein und bringe es tatsächlich fertig, mit der linken den Verschluss zu öffnen, auch wenn es etwas länger dauert.

Josef starrt meine Flughände an.

„Das... entschuldige, ich hätte sie auch aufmachen sollen... aber... Du kannst das mit Deinen Schwingen?" -

„Naja, es hat geklappt, wenn auch noch etwas umständlich - aber sowas zu erreichen, das war ja auch mein Ziel. Und ich übe dabei gleichzeitig oft, mit den gefesselten Händen irgendetwas anderes zu machen - jedenfalls soweit das in diesen Fesselhandschuhen geht. Ich glaube, Morgen Abend habe ich die vier Hände getrennt in meinem Bewusstsein."

Das Wasser läuft meine Kehle hinab... ah, das tut jetzt gut. Eine weitere Flasche lehne ich dankend ab, auch den angebotenen Wein.

„Danke Josef. Vor allem auch für Deine Sonderverpflegung. Sei mir bitte nicht böse, wenn ich mich jetzt in die Wohnung zurückziehe, die Du mir zur Verfügung gestellt hast. Ich möchte noch ein wenig über meine Übungen heute nachdenken und dann früh schlafen gehen." -

„Mir war klar, dass Du nicht nur in der Sonne liegst, wie Kyrrah meinte. - Übrigens ist heute die Schlafkugel bei Dir aufgebaut worden, Du kannst also auch als Anthro angenehm schlafen - falls Du es möchtest. - Ich spüre da so eine Aura um Dich..." -

„Ja, ein paar Dinge haben mich diesem Körper näher gebracht. Unter anderem, dass ich mit meinen Flugarmen und -händen etwas fühlen kann. Wenn das erst für den Rest auch gilt..." -

„Dann los, ab mit Dir. Du hast ja alles da - möchtest Du nicht doch noch eine offene Flasche Wein mitnehmen? Das könnte dann doch noch etwas schwierig sein, eine zu öffnen." -

„Nett von Dir, aber Danke. Heute keinen Wein, dafür ist später noch genug Zeit." -

„Gut - ach... Kyrrah wird morgen wohl noch mit Dir maulen und sich vielleicht nicht bei Dir blicken lassen. Ich weiß, dass ihr ein wenig aneinander geraten seid. Nimm ihm das nicht übel, er ist noch jung und kommt nicht so schnell über seinen Zorn hinweg, wie Du offensichtlich." -

„Kein Problem, ich komme schon alleine klar, sonst melde ich mich bei Dir. Ich habe noch einiges, was ich üben möchte, dazu brauche ich ihn auch nicht. Und ich muss ihn auch nicht unbedingt sehen, so ganz leicht komme ich über meinen Zorn auch nicht weg..." -

Er grinst und begleitet mich noch bis zur Tür. Wir verabschieden uns und ich gehe zu meiner Wohnung. Von Kyrrah ist nichts zu sehen oder zu hören - keine Ahnung, ob er mich beobachtet, oder ob Josef ihn darüber informiert, dass ich wieder da bin.

Ich betrete meine Wohnung, horche und schnuppere kurz, Josef ist noch leicht zu riechen und auch Fremde - wohl die Arbeiter wegen der Schlafkugel - aber nur ein Rest in der Luft, keiner ist mehr da. Also lasse ich die Verriegelung zuschnappen, ich habe heute keine Lust auf einen überraschenden Besuch.

Im ersten Schlafzimmer steht das Drachennest, das warme, weiche Polster in der heimeligen Höhle übt eine starke Anziehungskraft auf mich aus, aber ich gehe jetzt erstmal unter die Dusche. Endlich kann ich diesen Geruch wieder von mir abwaschen. Obwohl mir durchaus klar ist, was Josef daran so angenehm findet, denn für die menschliche Nase riecht es würzig, herb, ein wenig ledrig rauchig und irgendwie wild. Ein Geruch, der mich ein wenig an einen gerade erloschenen Buschbrand erinnert, der durch das Unterholz eines Waldes gelaufen ist und durch den ein Raubtier nach Beute suchend streift. Feuer steckt einem Drachen wohl in den Genen, daher der Geruch...

Oha, so blumige Gedanken... dabei riecht es für mich als Drache einfach furchtbar. Wir bevorzugen es eigentlich, möglichst gar keinen Geruch zu haben. Schon schlimm genug, dass wir im Nacken und in der Geschlechtsspalte Duftdrüsen haben, die für die Partnersuche wichtig sind. - Aber die Menschen verwenden ja ohnehin merkwürdige Inhaltsstoffe für ihre Duftwässerchen. So wie Ambra, Bibergeil oder Moschus...

Die Dusche hat mich wieder etwas munterer gemacht. So setze ich mich mit einem Fruchtsaft doch noch vor den Fernseher, dessen Fernbedienung allerdings eine kleine Herausforderung für mich wird. Erst jetzt, wo ich zur Ruhe komme, merke ich dann doch, wie anstrengend meine Übungen waren, ich fühle eine fast angenehme Müdigkeit in den Flugmuskeln. So beende ich nach einer Stunde meine Suche nach einem interessanten Programm und trolle mich in mein neues, weiches Nest.

Mit dem ersten Sonnenstrahl im Fenster bin ich auch schon wach. Ich krabbele mit einem bedauernden Seufzen etwas umständlich aus dem warmen und bequemen Nest und recke meine Arme - zumindest die nicht gefesselten. Aber auch die spanne und entspanne ich so gut es geht.

Rüber zur Küche, schnell noch einen Kaffee - der Vollautomat hat zum Glück einen Wasseranschluss und der Kaffeevorrat ist noch voll. So ist die Bedienung auch mit den Flughänden gut machbar, nur das Reinigen muss noch ein wenig warten. Ich greife mir den gefüllten Becher und schlürfe genüsslich den frischgebrühten Kaffee, viel heißer, als ich es als Mensch gekonnt hätte. Und muss grinsen - eigentlich müsste Kyrrah mich bald aus den Fesseln befreien, denn weit bin ich von dem Ziel, dass er mir gesetzt hatte, nicht mehr entfernt. - Aber ich lasse meine Arme heute noch gefesselt, denn ich will weiter üben.

Nach dem zweiten Pott und ein paar Stücken Fleisch, die ich Josef verdanke - es ist Rindfleisch - bin ich bereit. Ich nehme mir schnell noch eine große Wasserflasche, die ich mir unter die gefesselten Arme klemme und gehe dann nach draußen.

Immer noch sehr früh, ist es noch etwas nebelig, keiner der beiden Mentoren ist zu sehen, allerdings höre ich leise Geräusche aus dem Haus von Kyrrah, er ist wohl auch schon wach. Auf ihn warten will ich aber nicht - ich habe noch keine Lust, ihm zu begegnen. Also schnell los, ich falle wieder in den leichten Trab, in dem ich mühelos stundenlang laufen kann. Zwar bin ich in meinem Wohlfühltempo deutlich langsamer als Kyrrah, aber mindestens ebenso ausdauernd.

Den Vormittag verbringe ich wie gestern, wieder stecke ich meine Nüstern praktisch in alles rein, was irgendwie interessant oder eigenartig riecht. So langsam weiß ich, was ich eigentlich ständig rieche - und das ist der reine Wahnsinn, was alles zu riechen ist. Vor allem, wieviel Wild hier in der Gegend ist, so schnell würde ich nicht verhungern.

Gleichzeitig bemühe ich mich darum, mich an das Sichtfeld eines Drachen weiter zu gewöhnen. Zwar wird mir nicht mehr schwindelig, aber immer noch blitzen aus dem Gesamteindruck diese Einzelbilder in meinem Bewusstsein auf, nur ganz langsam dringt das gesamte Bild wirklich in mein Bewusstsein. Aber es wird immer besser, die Einzelbilder verwirren mich nicht mehr, ich weiß woher sie kommen, was ich da gerade bewusst sehe - vor allem kann ich es steuern. Und diese Bilder werden immer weiter, verbinden sich teilweise, oder machen es mir manchmal sogar möglich, rechts und links übereinander zu legen und so gleichzeitig zu sehen - dabei aber immer noch die Seiten voneinander unterscheiden zu können. - So langsam beginne ich zu begreifen, was für ein Blickfeld mir mal möglich sein wird.

Mittags lege ich mich wieder für einen Moment in die Sonne und genieße die Wärme, ich esse wieder nichts, trinke aber meine mitgebrachte Flasche Wasser aus.

Und dann geht es wieder um meine Schwingen. Ich binde daran an, wo ich gestern aufgehört habe - und übe alles nochmal und nochmal. Bewusst habe ich das langsam im Griff, steige sicher auf und sinke auch gesteuert wieder, aber sobald mich etwas ablenkt - und das passiert durch die vermeintliche Sicherheit immer öfter - wird es leicht unregelmäßig und ich muss bewusst wieder ausgleichen um nicht abzuschmieren. Auch wenn es irgendwann langweilig wird, aber ich muss es erreichen, dass die Kontrolle unterbewusst abläuft, damit ich mich auch mal auf meine Umgebung konzentrieren kann.

Immerhin sind die Luftsprünge, die ich immer wieder einstreue, dann eine willkommene Entschädigung für die langweiligen Übungseinheiten. Und so ein Blick über die Baumwipfel ist schon ein kleines Erlebnis, wenn die eigenen Schwingen mich auf diese Höhe bringen.

Nur irgendwann spüre ich auch die Anstrengungen, ich bewege meine Schwingen ja praktisch ständig in einer fast verkrampften Haltung. Der Körper ist mehr oder weniger aufrecht, dadurch muss ich meine Schwingen in einer, wie ich immer mehr spüre, sehr ungünstigen Stellung einsetzen. Mir ist vollkommen klar, dass ich so nicht weitermachen kann, ich muss meinen Körper in die Waagerechte bringen, damit meine Flugmuskulatur richtig arbeiten kann.

Aber das ist nicht so einfach. Im Schwebeflug bekomme ich das einfach nicht hin, sobald ich es versuche, komme ich aus dem Gleichgewicht und lande meistens recht unsanft auf dem Boden. Für einen Startsprint reicht diese Lichtung einfach nicht aus, meine Versuche enden immer in den Bäumen - genau genommen noch davor, denn ich breche die Versuche rechtzeitig ab.

Bleibt noch der Übergang vom Schwebeflug in den Horizontalflug um dann den Hintern hoch zu bekommen... aber das ist sauschwer. Meine Arme sind schon verdreht, ich bekomme es nur schwer hin, meine Hände noch weiter zu drehen, damit ich gleichzeitig etwas Vortrieb bekomme - und dabei das Gleichgewicht zu halten. Zudem ist die Lichtung einfach zu klein, um genug Geschwindigkeit zu erreichen und einen sicheren Gleitflug einleiten zu können. Aber mit der Übung komme ich doch langsam dazu, mich gezielt und absichtlich von der Stelle zu bewegen. Noch aber immer in der ungünstigen aufrechten Haltung.

Ach herrje... es wird schon dunkel - die Versuche, endlich mal in die richtige Flugstellung zu kommen hat mich die Zeit vergessen lassen. Schnell nach Hause, es reicht für heute... Au, verdammt... jetzt, beim zusammenfalten meiner Schwingen spüre ich die schmerzenden Muskeln. Alleine das Aufheben der leeren Wasserflasche ist fast eine Qual...

Müde trotte ich Richtung meiner Wohnung, auf der Kreuzung steht auch heute wieder die Kühlbox. Ich nestele am Verschluss, ignoriere meine schmerzenden Muskeln - und atme den Duft von frischem Fleisch. Kyrrah hat sich überwunden und mir ganz frisches Fleisch zukommen lassen - doch es war wieder Josef, der es hierher gebracht hat, ich kann seinen Geruch deutlich wahrnehmen. Und es ist reichlich, insgesamt wohl etwas weniger als gestern, aber ausreichend für mich, denn ich habe ja heute morgen schon einiges gegessen.

Schnell schlage ich mir den Bauch voll, genieße den Geschmack und leere eine der Wasserflaschen, die heute auch mit drinnen liegen. Ich deponiere meine leere Flasche auch noch mit in der Box und schließe den Deckel wieder.

Ab nach Hause, ich falle in einen langsamen Trab, orientiere mich in der Dunkelheit mehr mit Geruch und Gehör, als mit meiner Nachtsicht - eigentlich sehe ich alles, aber ich bin zu müde, um mich wirklich darauf zu konzentrieren.

Vor meiner Wohnung angekommen, kommt auch schon Josef herüber. Mir scheint, er lebt richtig auf, jetzt wo er mehr Verantwortung für mich übernommen hat.

„Du bist spät heute, Tan'Náh. Zeit verträumt?" -

„Die ist mir beim Üben weggelaufen - und dann habe ich schnell noch das Fleisch gegessen, auch den Hunger habe ich völlig übersehen." -

„War es erfolgreich?" -

„Teilweise. Aber ich muss mir einen anderen Platz suchen, damit ich anfangen kann, ein wenig Strecke zu fliegen. Der Schwebeflug ist auf Dauer sehr anstrengend." -

„Oh ja. Das haben alle gesagt. Mach einen Sprintstart, mit einem Sprung zum Schluss, dann hast Du schon etwas Fahrt und kommt besser in die richtige Position für den Flug. Der Übergang vom Schwebeflug aus ist schwieriger, da musst Du sehr auf einen beidseitig gleichmäßigen Schwung achten. Beim Sprintstart ist das weniger wichtig, da kannst Du leichter ausgleichen. - Ah noch was, ich finde ja immer es hilft, wenn ihr am Anfang die Beine anzieht, sieht zwar bescheuert aus, bringt aber den Schwerpunkt weit nach vorne."

Er zieht ein paar Schlüssel aus der Tasche.

„Kyrrah meinte, ich solle Dich losmachen, als ich ihm berichtete, wie Du gestern die Flasche aufgemacht hast. - Er grummelt zwar immer noch, aber er akzeptiert Deine Fortschritte und will Dich vor allem nicht quälen." -

Ich atme auf, denn so langsam geht mir die Fesselung auf den Senkel.

„Oh ja, bitte. Ich hatte schon überlegt, die Riemen einfach durch zu beißen..." -

Josef grinst und schiebt mich in das Haus.

„Lass uns das drinnen machen. Ich brauche etwas Licht, meine Augen sind nicht so gut, wie eure - wie Du ja schon weißt." -

„Na klar." -

Ich lange zum fast drei Meter entfernten Lichtschalter und betätige ihn mit dem Zeigefinger.

„Schon praktisch, so lange Arme..." - ein klein wenig Neid klingt bei Josef durch.

„Allerdings nutzt T'Irrh ihre Schwingen auch nur zum Fliegen und nicht so wie Du jetzt." -

„Deine Partnerin? - Waldfrau... bezieht sich das auf ihre Fähigkeiten?" -

Er schüttelt den Kopf.

„Nein, ihre Schuppenfarben. Die Übersetzung ist zwar richtig, aber die Drrá'Kin bezeichnen so Wesen, die wir als Waldfee bezeichnen würden. - Und ja, sie ist meine Partnerin." -

„Entschuldige. Ich kenne die Geschichte und Mythologie der Drrá'Kin ja noch nicht. Aber Waldfee klingt auch viel besser." -

Josef nestelt an den Schlössern herum, offenbar ist bei meinen Bruchlandungen doch etwas Schmutz hinein gekommen. Aber schließlich hat er sie auf und befreit mich dann schnell, aber vorsichtig, von den Fesselhandschuhen.

Ah, eine Wohltat, die Hände wieder ausstrecken zu können, die Finger zu bewegen. Und meine Flugmuskeln danken es mir, dass ich meine Schwingen jetzt wieder richtig in Ruhestellung auf dem Rücken gefaltet trage.

Und das muntert mich jetzt richtig auf. Denn eigentlich sind auch nur meine Flugmuskeln lahm - ich selber fühle mich ansonsten gar nicht so furchtbar müde, das hat sich nur übertragen. Anders, als vor ein paar Tagen nach dem Laufen.

„Bleibst Du noch Josef? Ich bin jetzt doch ein wenig aufgedreht. Und ein Glas Wein könnte ich auch vertragen." -

„Eigentlich gerne - bleibst Du ein Anthro? Würde mich freuen. - Nur wollte ich mir gerade was zu essen machen..." -

„Ich werde mir meine Nüstern zustopfen... Und was das Essen angeht - wenn ihr meine Vorräte einigermaßen gefüllt habt, können wir doch hier schnell was machen." -

„Gute Idee. Ich habe dir nämlich auch Salat und sowas in den Kühlschrank gelegt - den wirst Du als Anthro vermutlich eher nicht essen und heute ist er noch frisch. - Und mehr wollte ich ohnehin nicht mehr essen, ich habe gut zu Mittag gegessen." -

Er folgt mir in die Küche und wir schauen in den Kühlschrank. Im Gemüsefach finde ich frischen Rucola, auf der Fensterbank steht neben anderen Kräutern auch Basilikum und ein schönes Stück aus der Rinderlende liegt auch noch im Kühlschrank - und natürlich ein ordentliches Stück Parmesan. - Schnell schaue ich nach den Gewürzen... Gutes Olivenöl und Balsamico sind vorhanden, dazu noch Pinienkerne. - Alles klar: ein Carpaccio vom Rind, dazu ein Rucola-Basilikum-Salat mit einem Honig-Senf Dressing. Josef nickt, das ist ganz in seinem Sinne - und für mich ist auch was dabei, so isst er nicht alleine.

„Ihr habt mich hier aber ordentlich bevorratet..." -

Josef zuckt grinsend mit den Schultern.

„Ich esse eben gerne gut, das übertrage ich auf andere. Kyrrah hätte sich als Mensch wohl mehr von Burgern und Pizza ernährt..." -

„Naja, manchmal..." -

Ein Grinsen reicht mir als Antwort...

Die Arbeitsteilung ist schnell klar, ich kümmere mich im wesentlichen um das Fleisch, das ja hauchdünn geschnitten und plattiert wird. Josef hauptsächlich um den Salat und das Rösten der Pinienkerne. So ist unser leichtes Abendessen schnell fertig und wir ziehen uns in das Wohnzimmer zurück, wo jetzt auch ein für mich bequemer Sessel auf mich wartet.

Mir schmeckt das Carpaccio sehr gut, vom Salat habe ich allerdings nichts, da ich den ja nicht kauen kann. Das leicht nussige Aroma des Rucola schmecke ich also nicht, die sperrigen Blätter machen mir nur leichte Probleme beim Schlucken.

„Da kann ich eigentlich besser gleich das Dressing trinken." ist mein Kommentar dazu, der Josef grinsen lässt.

Der leichte, fruchtige Rotwein dazu mundet mir aber sehr und neben den Nachrichten im Fernsehen, die besonders Josef interessieren, unterhalten wir uns mehr über Nebensächlichkeiten. So wie über seinen Namen, den seine Eltern gewählt hatten. Sie fühlten sich damals dazu gezwungen, einen Namen der Reichsgrößen für ihren Sohn zu wählen, und fanden den vom Propagandaminister noch am wenigsten belastend. Sein Vater hatte sich als Feldwebel bei Canaris' Abwehr hochgearbeitet und wusste daher, wie es um den Krieg stand - er konnte damals nach dem 20. Juli gerade noch so genug Regimetreue heucheln und so seinen Kopf noch aus der Schlinge ziehen, musste aber an die Ostfront.

Später passte der Name dann auch wieder, denn im Ostblock hatte ja Stalin das Sagen. Er geriet zwar in russische Gefangenschaft, war aber durch die dann natürlich doch nachweisbare Nähe zum Widerstand schnell wieder frei. Denn Spezialisten aus 'Abwehr I' konnten die auch gut brauchen.

„Wie mein Vater mir mal sagte, sah er sich selber immer als gnadenlosen Opportunisten. Er war sich und uns gegenüber immer ehrlich damit, dass er stets sein Mäntelchen nach dem Wind hängte - aber dieser Mantel war auch immer gleichzeitig ein Mantel des Schweigens. Er hat mit seinem Opportunismus immer Positionen halten können, in denen er anderen heimlich helfen konnte und hat Geschäfte mit dem Teufel gemacht um anderen Wege zu öffnen, die diese in Sicherheit brachten.

Und irgendwann, als ich als 'anerkanntes Arbeiterkind' mit meinem Studium des Marxismus-Leninismus fertig war - und nebenbei etwas Elektrotechnik gelernt hatte und mich 'Ing.' nennen durfte - brachte er mich mit einem Drrékh in Kontakt - über den dann mit den Drrá'Kin und die haben mich zum Mentoren erkoren. -

Damit war ich raus aus der Teilung Nato oder Warschauer Pakt. Ich hatte aus dem Weißen Haus und aus dem Kreml gleichzeitig meine Freibriefe und konnte gehen, wohin ich wollte. Die Drachen und die Eingeweihten hielten sehr mächtige Hände über mich." -

Mit solchen mehr allgemeinen Gesprächen vergehen schnell zwei Stunden und bevor Josef sich verabschiedet gibt er mir aber noch ein paar Tipps und zeigt auch einige für Flugübungen geeignete Stellen auf der Karte.

„Wie ist das eigentlich mit dem Feuer spucken. Ich will nichts abfackeln, aber auch nicht überrascht werden. Ihr hattet ja sowas in der Art angedeutet..." -

„Ja, richtig. Ist vielleicht besser, wenn Du wenigstens mal was davon gehört hast. Die Drachen produzieren bei Bedarf in speziellen Drüsen zwei jeweils harmlose Flüssigkeiten, die zusammengebracht von alleine entflammen. Das ist ja auch das Gefährliche am Drachenfeuer. Es klebt schlimmer wie Pech an allem, lässt sich nicht löschen, brennt auch unter Wasser und in Vakuum weiter, weil es den nötigen Sauerstoff gleich mitbringt und brennt deswegen auch extrem heiß mit über 3.000°..." -

„Aua..." -

„Richtig. Deswegen rate ich immer: reißt den Mund auf, so weit es geht und Zunge zurück. Dadurch heben die beiden Röhren sich durch einen Reflex etwas an und die Flüssigkeiten werden herausgedrückt. Die vermischen sich dann schon außerhalb Deines Mundes und entzünden sich dann von alleine - so etwa einen Meter vor Deinem Mund. Als Anthro kannst Du Dein Drachenfeuer bis zu fünf Meter weit schleudern, ein Feral bis zu 50 Meter." -

„Aha, immerhin brennt es nicht schon im Mund. Ist das Mund aufreißen notwendig?" -

„Soweit ich weiß nicht, aber die meisten machen es, weil es sicher sehr unangenehm ist, wenn man sich die Flüssigkeiten um die eigene Nase verteilt, auch wenn auf euren Schuppen nicht so fest haften bleiben und leicht abgespült werden können." -

„Und wie geht das mit dem herausspritzen?" -

„Kann ich Dir leider nur sehr oberflächlich erklären. Mir sagen sie immer, sie wollen es, fühlen es dann aufsteigen bis kurz unter die Kehle und pressen dann ihren Hals zusammen, was die Flüssigkeiten herausdrückt. Meistens unterstützt mit einem Brüllen. Übrigens: wenn es hochgestiegen ist, nie abbrechen und längere Zeit drin lassen, das läuft nicht zurück, denn Du hast kein Reservoir dafür, das wird direkt bei Bedarf produziert. Also immer raus damit, Du kannst es zwar noch bremsen und an einer harmlosen Stelle ausstoßen, aber raus muss es." -

„Und ich kann das?" -

„Jedenfalls habe ich es bei Dir schon gerochen. Im Zorn produzierst Du manchmal eine winzige Menge, die harmlos in Deinem Mund reagiert, die aber einen eindeutigen Geruch hat. Ist übrigens normal, vor allem ihr Flieger könnt sehr viel davon produzieren, das ihr dann beim Überfliegen verteilt, da seid ihr dann im Zorn auch schnell dabei, ein wenig Rauch aufsteigen zu lassen, ohne gleich was zu verbrennen." -

„Na gut. Um das zu üben brauche ich wohl eine feuerfeste Umgebung..." -

„Irgendwo ein alter Fahrzeugstellplatz mit einer Betonwand, da kannst Du Feuer spucken, bis Dir der Hals weh tut. Als Anthro sind die Mengen bei einem Stoß ja nicht so gewaltig. Aber täusche Dich nicht, die Wirkung ist trotzdem beachtlich und es reicht um einen Menschen zu töten. Ein Treffer auf den Körper und mit dem nächsten Atemzug hat der über 2.000 Grad heißes brennendes Gas in der Lunge..." -

„Aua..." -

„Immerhin geht es schnell. Lange muss der nicht leiden, die Nerven verbrennen sofort, dann spürt der schon nichts mehr." -

„Ich hoffe es für die Betroffenen. - Haben Drrékh das schon eingesetzt?" -

„Ja, aber sehr selten zur Verteidigung. Meistens bei der Verteidigung anderer." -

Einen Moment sitzen wir noch zusammen, reden aber nur noch belangloses Zeug, dann verabschiedet Josef sich. Ich begleite ihn noch zur Tür und gehe dann erstmal unter die Dusche, endlich meinen Geruch los werden. anschließend setze ich mich noch ein wenig vor den Fernseher, in dem aber wieder nichts läuft, das mich fesseln könnte. Also lasse ich mich noch ein wenig mit Musik berieseln und trinke noch ein paar Schluck Fruchtsaft, bevor ich mich in meine Schlafkugel zurückziehe.