Once upon a Fairytale: Kapitel 3: Ein unsichtbarer Feind

Story by Highlight on SoFurry

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#3 of Once upon a Fairytale

Seiner Heimat beraubt, muss Hannibal nun seinen Weg in einer ihm fremden Welt finden. Doch nicht nur er trifft auf unerwartete Probleme. Sein Aufbruch liegt auch im Interesse von anderen Kräften die sich ihm jedoch noch nicht zu erkennen geben wollen.


Mit einem lauten Stöhnen blieb Hannibal erschöpft stehen. Wie weit er gelaufen war konnte er nicht sagen, es war schon eine beachtliche Strecke, die ihn von seinem verbrannten Heim trennte, doch auch die Ausdauer eines Drachen kannte ihre Grenzen. Allem voran, wenn dieser Drache von Anfang an schon nicht sehr sportlich war. Während er seine Hände auf den Knien abstützte um seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen, wanderte sein Blick in die Gegend um ihn herum. Von allen Seiten umschloss ein dichter Wald ihn. Das Laub der Bäume ließ kaum Sternen oder Mondlicht auf den Weg vor ihm fallen, was ihm das Laufen zusätzlich erschwerte. Er entschloss sich lieber in gemächlichem Tempo weiter zu gehen. Es war ungewöhnlich dunkel in diesem Waldstück. Hannibal kannte das Dickicht und wusste, dass es oftmals sehr düster sein konnte, aber niemals so stockfinster. Als wollt sich der Wald verstecken und sich nur durch seine Geräusche zeigen. Zu Ehren des Neuankömmlings schien der Wald ein besonders lautes Stück seiner Musik zu spielen. Ob das Rascheln von kleinen Tieren im Unterholz oder die fragenden Rufe der Eulen. Nichts war still in diesem Wald und alles schien sich im Schatten der Dunkelheit zu bewegen. Ein beruhigendes Gefühl erzeugte der Wald nicht gerade. Immer wieder sprangen Hannibals Augen hin und her um eine vermeintliche Bewegung zu erkennen, die dann doch nur ein belaubter Ast im Wind war. In der Ferne konnte er jedoch ein schwaches Licht sehen, was vermutlich den Ausgang des Waldes markierte. Es war noch ein gutes Stück weg, doch es war sein einziger Anhaltspunkt.

Obwohl er in einem ihm gänzlich unbekannten Wald war, so hingen seine Gedanken noch immer zurück in seiner Höhle. Vor seinem geistigen Auge sah er noch immer das Ausmaß der Zerstörung. Sah seine geliebten Bücher, zerfallen zu nicht mehr als Asche. Seine mühsam über Jahre hinweg gesammelten Schätze, alles für immer vom Antlitz der Welt gefegt. Nichts hatte das Inferno überlebt. Selbst die Eisenteile waren zum Teil geschmolzen. Wie die beiden Frauen es geschafft hatten eine solche Hitze zu erzeugen war ihm ein Rätsel, doch es spielte keine Rolle. Wichtig war nur, dass es ein Fehler gewesen war, ihnen zu trauen. Immerhin hatten sie ihm eine wichtige Lektion beigebracht. Barmherzigkeit war das Zeichen der Schwachen. Wäre er nicht so gütig gewesen, wäre alles noch beim Alten. So musste er seine Höhle, seinen Wald, seine Heimat verlassen und in eine ungewisse Zukunft starten. Alles nur weil er nicht Drache genug war um zwei einfache Menschen zu töten.

Er hätte sie einfach töten sollen, so wie Daros es auch getan hätte und nichts von alledem wäre passiert. Noch einmal würde er diesen Fehler nicht mehr machen. Mit fest zusammengebissenen Zähnen nahm sich Hannibal vor, in Zukunft mehr wie Daros zu sein. Niemand hätte sich je getraut seinen Bruder zu verraten. Er war ein Drache wie er es sein sollte. Groß, stark und Ehrfurcht gebietend. Daros war niemand mit dem man sich anlegte, zumindest nicht, wenn einem sein Leben lieb war. Die Menschen hatten panische Angst vor ihm und mieden ihn auf weiter Flur. Würden sie es bei ihm doch auch nur so machen. Offenbar gab es keinen anderen Weg für einen Drachen. Wenn es nur mittels Angst möglich war, ein friedliches Leben zu führen, dann müsste er dieses Opfer wohl bringen. Mit neuer Entschlossenheit ging er weiter durch den finsteren Wald. Ob er überhaupt noch auf dem richtigen Weg war, würde er erst erfahren, wenn er aus dieser Dunkelheit raus wäre. Mit zusammengebissenen Zähnen beschleunigte er seinen Schritt. Das Licht kam näher und je näher es kam, desto schneller lief er darauf zu. Immer schneller wurde er bis er schließlich wie von den Peitschen des Teufels gejagt durch das Licht lief und keuchend stehen blieb. Seine Ausdauer müsste er in Zukunft auf jeden fall verbessern, so viel war Hannibal klar.

"Was ist das nur für ein komischer Wald?", fragte Hannibal und sah sich verwundert um. Der vermeintliche Ausgang des Waldes hatte sich als etwas gänzlich anderes heraus gestellt. Aus der Dunkelheit war er zwar entkommen, doch aus diesem Waldstück konnte er sich genauso wenig einen Reim machen. Die Bäume hier waren nicht von brauner Rinde umgeben wie in dem Wald bei seiner Höhle. Sie schienen gar keine Rinde zu besitzen und alle anstelle der rauen Rinde eine spiegelglatte, silbrig leuchtende Haut zu besitzen. Es wäre stockfinster in dem Wald gewesen, wären unter den Blättern der Bäume nicht ebenso leuchtende Exemplare vorhanden. Zeitgefühl hatte er keines mehr, die Sonne schien nicht einen einzigen Strahl durch das dichte Blätterdach. Alles war getaucht in silbern leuchtendes Licht in diesem Wald, als würden die Sterne nur wenige Meter über dem Boden hängen. Es war auf jeden Fall besser als die Dunkelheit die wie eine endlose Wand hinter ihm lag. Etwas unsicher ging Hannibal dennoch voran. So ganz geheuer war ihm dieses Leuchten nicht. Noch schlimmer wurde es durch das Gefühl, dass er ständig beobachtet wurde. Als wären da Schritte hinter ihm die ihm stets folgten aber nie zu ihm aufschlossen.

Egal wie oft er sich umdrehte, er fand nie jemanden der ihm folgte. Das ungute Gefühl jedoch blieb nichts desto trotz. Hannibal konnte nicht einmal sagen, wie lange er nun schon in diesem leuchtenden Wald war. Eine Stunde, oder vielleicht auch schon einen ganzen Tag, er wusste es nicht. Hatte er sonst auch immer ein ziemlich gutes Zeitgefühl, so war es als ob sie hier ganz und gar nicht vergehen würde. Es fühlte sich falsch an. Der ganze Ort hier hatte etwas an sich, was sich der Natur zu widersetzten schien und es sorgte dafür, dass er sich alles andere als wohl fühlte. Es war viel zu ruhig hier. Im Waldstück davor war es zwar dunkel, doch es herrschte zumindest der gleiche Lärm wie in jedem normalen Wald. Hier jedoch herrschte Totenstille. Unsicher ging er weiter, stehen zu bleiben würde das Problem auch nicht lösen.

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"Was wollen wir jetzt tun?"

Mit diesen simplen Worten stellte Katherina die Frage die schon eine ganze Weile unausgesprochen zwischen den beiden jungen Frauen hing. Sie beide wussten, dass es eine Frage war, die sie schon zu lange ignoriert hatten und die ächzend nach Beantwortung verlangte. Ihre Möglichkeiten waren alles andere als gut aufgestellt. Sie konnten auf keinen Fall zurück ins Dorf gehen. Mann würde sie sofort der Hexerei anklagen weil sie die Höhle der Bestie überlebt hatten. Selbst wenn sie wie durch ein Wunder von einer solchen Anklage verschont geblieben wären, dann wäre ihre Liebe zueinander noch immer ein Tabu welches nicht tragbar für das Dorf war. Sie müssten neu anfangen, möglichst weit weg von ihrer alten Heimat und das mit nicht mehr als dem, was sie bei sich trugen. In ihrem Fall war das nicht einmal anständige Kleidung. Die Rüstung, den Schild und den Morgenstern hatte sie bei Hannibal in der Höhle gelassen. Umzugehen vermochte sie ohnehin nicht damit und das schwere Metall wäre nur eine Last gewesen. Sie trug nicht mehr als ihre Stiefel, die Leinenhose und das Leinenhemd. Katherina ging es noch schlechter. Sie trug nichts außer einem alten Umhang, den Hannibal ihr geschenkt hatte. Bei jedem Schritt musste sie mit der Hand den Umhang vorne zuhalten um nicht von einem leichten Windhauch gänzlich entblößt zu werden. Sie hatten weder Geld noch Waffen bei sich, keine Ausrüstung kein Essen. Wenn Alyssa es genau betrachtete, dann war ihre Situation noch genauso aussichtslos wie in Hannibals Höhle.

"Ich weiß es nicht", antwortete Alyssa niedergeschlagen.

"Wir müssen weiter, wir haben unterwegs genug Zeit zum nachdenken", wich Alyssa der Antwort aus. Zu ihrer Familie konnte sie auf keinen Fall zurück. Lieber würde sie sich in den Wäldern von den Wölfen zerfleischen lassen. Nein, dies stand nicht zur Debatte. Ihr Weg führte sie nach Süden, doch wohin genau wusste sie selbst nicht. Sie wünschte sich, sie hätte damals besser aufgepasst, dann wüsste sie jetzt vielleicht, was vor ihnen liegen würde. So hatte sie nur eine äußerst grobe Landkarte im Kopf und wie genau diese war, konnte sie nicht sagen.

"Ich hoffe nur, dass wir keinen Banditen begegnen ... oder schlimmeren", murmelte sie kaum noch hörbar.

"Keine Angst, Illumina wird über uns wachen!", lächelte sie Katherina an und Alyssa konnte nicht anders als leicht zu schmunzeln. Woher ihre brünette Freundin diese Kraft fand war ihr unbegreiflich. Egal was geschah, egal was sich ihnen bisher in den Weg gestellt hatte, Katherina war immer fest davon überzeugt, dass sie es überstehen würde. Dass die himmlische Mutter über sie wachen würde. Der Glaube mochte scheinbar wirklich Berge versetzten, wenn er in einem frommen Herzen wohnte. Selbst jetzt, wo sie barfuß neben ihr ging, in eine Zukunft die ungewiss war und mit Überlebenschancen die so gering waren, dass sie selbst aufgerundet noch null waren, lächelte Katherina und beschwerte sich nicht.

"Ich hoffe du hast recht!", antwortete Alyssa nach einiger Zeit leise.

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"Kommandant, wir haben soeben Nachricht von den Spähern bekommen!", schnellte es hektisch aus einer atemlosen Lunge. Demütig kniete der Bote vor dem Kommandanten, der ihm den Rücken gekehrt hatte. Es war ihm sogar lieber so. Noch lieber wäre es ihm, wenn er gar nicht erst im selben Raum sein müsste wie er. Eine unheimliche Aura ging von dem breiten Hühnen aus, dem er die Treue geschworen hatte, schwören musste, korrigierte er sich schnell. Selbst den stärksten Recken übertraf er noch um zwei ganze Köpfe und seine Schultern waren breit genug um zwei Fässer Wein auf einmal tragen zu können. Gehüllt in geschwärzten Stahl und vibrierend roten Umhang. Gerüchte erzählten davon, dass er mit nur einem Streich seiner Axt in einer Schlacht einem Pferd und dessen Reiter gleichzeitig den Kopf abgeschlagen hatte. Wie viel davon wahr war, wusste er nicht, doch er hielt es nicht für unmöglich.

"Sprich!", forderte der Kommandant ihn knapp auf ohne sich umzudrehen.

"Sie ... Sie haben nur noch ihre Leichen gefunden. Das Amulett wurde gestohlen", sprach der Bote mit zittriger Stimme. Der Überbringer von schlechter Kunde zu sein war nie eine gute Aufgabe. Bei einem Mann dessen Hand alleine groß genug war um sich komplett um seinen Kopf zu legen schon gar nicht. Ein schepperndes Donnern hallte durch den kleinen Raum als die in Stahl gekleidete Faust des Kommandanten auf den Tisch hernieder fuhr.

"WAS?", brüllte er den Boten an und packte diesen am Kragen. Mühelos hob er die junge Echse mit nur einer Hand hoch und brachte sie bis dicht vor die Schlitze seines Helmvisiers.

"Ihr hattet den Auftrag es mit eurem Leben zu schützen! Wo ist Shakazara?", knurrte er mit drohender Stimme die dem Boten das Skelett zum Beben brachte.

"Wieso schickt sie einen Boten um mir ihr Versagen mitzuteilen?"

"Herrin Shakazara ist .. sie ist im Moment unpässlich", erklärte der Bote stotternd während er mit beiden Händen versuchte die Hand des Kommandanten um sein Hemd zu lösen. Es stellte sich als deutlich schwieriger heraus als er gedacht hätte. Es kam ihm vor als würde er versuchen einer Steinstatue die Hand zu öffnen.

"Unpässlich?", wiederholte der Kommandant mit vor Wut bebender Stimme. Es schien ihn alle Überwindungskraft zu kosten den Boten nicht direkt aus dem Turmfenster zu werfen für diese Antwort. Er wusste, dass wenn er sein Leben behalten wollte, dann müsste er sehr schnell mit einer etwas besseren Neuigkeit auftrumpfen. Eine die den Kommandanten vielleicht so weit beruhigte, dass er ihm nicht den Kopf von den Schultern schraubte. Shakazara wollte zwar nicht, dass er es erfuhr, doch sein Leben war ihm wichtiger als der Zorn seiner Herrin.

"Unsere Herrin sie .. sie hat die Verfolgung aufgenommen. Sie ist mit einem Trupp ihrer besten Kämpfer den Banditen hinterher", presste der Bote beängstigt hervor. Von Illumina bis Hydra flehte er jeden Gott um Gnade an, dass diese Antwort den Kommandanten besänftigen könnte. Mehr konnte er auch nicht erwarten. Allein dass Herrin Shakazara höchst selbst sich der Jagd angeschlossen hatte, müsste für den Kommandanten schon ausreichend sein um zu wissen, dass es ihr absolut ernst war, diesen Fehler wieder auszubügeln. Es war schließlich nicht alltäglich dass die Fürstin der Schuppen selbst ins Feld marschierte.

"Sollte sie versagen", begann der Kommandant mit drohendem Tonfall.

"Dann möge Hydra ihrer Seele gnädig sein, den von mir hat sie keine zu erwarten!", bellte er den letzten Satz und warf den Boten wie einen Sack Mehl Richtung Ausgang. Dieser ergriff die Chance sofort und verschwand noch auf allen Vieren bevor der Kommandant es sich anders überlegen konnte. Wutschnaubend sah dieser ihm noch eine Weile nach bevor er sich wieder dem Turmfenster zuwandte.

"Musst du denn immer so grob mit den Boten sein? Du weißt genau, dass sie nichts für die Nachrichten können die sie dir überbringen müssen", erklang eine sanfte Stimme vom Rand des kleinen Zimmers.

"Irgendwann wirst du keine Informationen mehr bekommen, wenn sich kein Bote mehr zu dir traut und ein blinder Kommandant ist ein toter Kommandant, dass weißt du doch", tadelte ihn die weibliche Stimme mit hörbarem Lächeln. Ein entnervtes Seufzen schob sich durch das Visier des Kommandanten.

"Was gedenkst du wegen dem Amulett nun zu tun? Du weiß wie wichtig es ist, nicht wahr?"

"Natürlich weiß ich das!", blaffte er die Stimme an die sich langsam aus einem Sessel heraus schälte. Die grazil schlanke Form einer Bergkatze ging ein paar Schritte auf ihn zu und dann jedoch an ihm vorbei zu seinem Schreibtisch wo sie sich seines Weinkelches bemächtigte. Lasziv lehnte sie sich an den Holztisch und nahm einen Schluck seines Weines. Der Kommandant ließ sie unkommentiert gewähren. Seine Augen nahmen zum wiederholten Male ihre Form auf. Das hellbraune, kurze Fell, intensiv gepflegt und nahezu täglich gebürstet strahlte es förmlich im vergleich zu dem alten Mauerwerk des Turmes. Das dunkelbraune Kleid lag eng an ihrer schlanken Figur an und umschmeichelte ihre Kurven wie Wellen im ewigen Tanz der Gezeiten. Ein jeder seiner Männer hätte alles dafür getan um auch nur einmal ihr samtiges Fell berühren zu dürfen doch von solch primitiven Instinkten ließ er sich nicht leiten. Er schätzte sie aufgrund ihrer anderen, mannigfaltigen Talente.

"Denkst du, dass Shakazara zurecht kommen wird?", fragte sie neugierig und brachte ihn damit sichtlich zum Nachdenken. Sie ließ ihm Zeit, sah zu wie er zum Fenster ging, seine Arme abstützte und grübelnd in die Ferne blickte.

"Sie ist die Gebieterin der Echsen und Schlangenvölker. Ihre Armee ist klein aber gefährlich. Schon viele machten den Fehler sie aufgrund ihrer wenigen Soldaten zu unterschätzen. Ich habe nicht vor den gleichen Fehler zu machen. Auch wenn es nur wenige sind, ihr Gift ist stark genug um ein Hundertfaches an Männern zu töten. Wenn sie wirklich selbst mit ihren besten Kriegern losgezogen ist, dann gibt es kaum einen Feind der sich ihnen in den Weg stellen kann", antwortete der Kommandant beunruhigt.

"Du klingst dennoch nicht überzeugt."

"Ich zweifle nicht an ihren Fähigkeiten, auch ihre Loyalität steht außer Frage, ich bin beunruhigt wegen des Feindes. Es war Leutnant Groms der das Amulett mit seinem Kampftrupp bewachte. Ein Gegner der einen so fähigen Veteran mitsamt seines Trupps einfach ausschalten kann, ist nicht zu unterschätzen. Ich wünschte ich wüsste womit ich es zu tun habe! Seit drei Jahren nun kämpfen wir schon gegen einen unsichtbaren Gegner, einen Schatten! Es gibt nie einen feindlichen Verwundeten, ja nicht einmal einen feindlichen Leichnam der irgendeinen Hinweis geben könnte. Von Gefangen ganz zu schweigen. Jemand spielt mit uns und ich bin es Leid!"

"Unsichtbarer Feind? Du kennst den Gegner doch", antwortete die Bergkatze lächelnd.

"Gefangene und Leichen haben wir doch auch schon genug gesehen. König Mithras denkt sogar immer noch, dass du seine Tochter getötet hast", lachte sie laut auf.

"König Mithras? Er mag ein Feind von uns sein, doch ist er nicht dieser Feind. Seine Truppen sind zahlreich, aber schwach. Ich rede von einem anderen Feind. Jemand der in allen Schlachten nur am Rande zu sehen war. Der immer zur Hälfte im Schatten verweilt und im Hintergrund die Fäden zieht. Mithras ist ein guter Taktiker und selbst ein vorbildlicher Krieger, doch er wird vermutlich genauso benutzt wie wir auch. Mithras Soldaten hätten niemals Groms Trupp besiegen können, nicht ohne eigene Verluste! Es war jemand anderes! Jemand der viel gefährlicher ist als der König der Menschen! Ich frage mich nur, warum unser Feind gerade jetzt so aktiv wurde?"

"Es geschehen viele erstaunliche Dinge in letzter Zeit, nicht wahr?", zwinkerte sie ihm wissend zu.

"Das Auftauchen des Amulettes, die plötzliche Offensive unseres Feindes, deine Abwesenheit gestern", zählte sie auf obwohl sie nur an letzterem wirklich interessiert war.

"Was treibt jemanden wie dich dazu nach Borkhain zu gehen und die Höhle von einem Einsiedler abzufackeln?", fragte die Katze neugierig. Der Kommandant schwieg wie ein Grab.

"Der Kleine war am Boden zerstört! Ist die ganze Nacht durchgelaufen, mit Tränen in den Augen! Die Höhle von einem Welpen niederzubrennen hätte ich dir gar nicht zugetraut. Das ist sogar für dich ein neuer Tiefpunkt. Also wirklich, so herzlos bist du?", fragte die Katze schon beinahe lachend.

"Ich hatte direkt etwas Mitleid mit ihm, als er auf seine Knie gesunken ist und seine verbrannten Bücher sah. Ach ich wollte ihn nur noch in die Arme nehmen und ganz fest an mich drücken", machte sie sich weiter darüber lustig. Auf den Kommandanten hatte ihr Humor jedoch keinen Einfluss.

"Wo ist er jetzt?", fragte der Kommandant ruhig und ignorierte das Amüsement der Katze.

"Das wird dir nicht gefallen", warnte die Katze doch der plötzlich deutlich interessiertere Blick des Kommandanten war eindeutig.

"Im Silberwald", verkündete die Katze und nahm einen weiteren Schluck des Weines. Vor ihren Augen konnte sie förmlich sehen wie die Gesichtszüge des Kommandanten hinter seines schweren Stahlvisiers entgleisten. Begleitet vom neckischen Lachen der Katze donnerte ein wütender Aufschrei der Rage durch den Turm und verschreckte alle Diener und Soldaten die sich in dem Gebäude aufhielten gleichermaßen.

"WAS?", brüllte er die unbeeindruckte Katze an.

"Wie bei Hydras fauligem Atem konnte er sich so weit verlaufen? Wie konnte er diesen verfluchten Wald überhaupt betreten?", schrie der Kommandant seine Gefährtin an.

"Nun, ich sagte doch, er ist die ganze Nacht durchgelaufen, mit Tränen in den Augen sieht man wohl nicht so gut, wo man lang läuft. Wobei ich zugeben muss, dass es schon etwas seltsam war. Selbst aus meinem Blick verschwand er für eine Weile, als er wieder auftauchte, war er viel weiter weg als es möglich sein sollte. Der Kleine ist kein normaler Wyrmling, das sieht selbst eine Blinde. Warum erzählst du mir nicht, was es mit dem Welpen wirklich auf sich hat?", fragte sie neugierig.

"Alles zu seiner Zeit", sprach der Kommandant deutlich ruhiger.

"Bring ihn wieder auf Kurs, egal wie. Der Silberwald ist kein Ort für einen blutigen Anfänger ohne jede Kampferfahrung. Er muss ihn so schnell wie möglich verlassen bevor er entdeckt wird!"

"Ich kümmere mich darum", nickte die Katze und verließ das Turmzimmer ebenfalls.

Alleine in seinem Arbeitszimmer wandte sich der Kommandant wieder dem Fenster zu. Sein Blick lag auf der Bergkette am Horizont hinter der sich in weiter Ferne der Silberwald erstreckte. Kopfschüttelnd betrachtete er sie für einen Moment bevor er das Fenster verließ und sich an seinen Schreibtisch setzte. Mit der stählernen Hand packte er seinen Weinkelch und hob mit der anderen sein Visier. Der herbe Geschmack von Wein verwehrte sich ihm jedoch nur ein Tropfen des edlen Rebensaftes glitt aus dem leeren Kelch. Mit lautem Gescheppere warf er den Kelch an die Wand.

"Verdammte Katze", fluchte er halbherzig bevor er seinen Helm abnahm und begann sich die Schläfen zu massieren. Vielleicht war es ein Fehler gewesen seine Höhle nieder zu brennen. Er musste nachdenken. So lange Shaki sich nun um die Sache kümmerte, war alles wieder in Ordnung. Sie würde nicht versagen.

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Mit beiden Händen schaufelte Hannibal das kristallklare, kalte Wasser in seinen Mund. So seltsam der Wald auch war, das Wasser hier schmeckte deutlich besser als alles was er bisher kannte. Den kleinen Bachlauf hatte er eben erst entdeckt. Er war nicht schwer zu finden, bei der gespenstischen Stille die hier in diesem Wald herrschte, war das Plätschern von Wasser mehr als nur verräterisch. In aller Ruhe stillte Hannibal seinen Durst und setzte sich anschließend ans Ufer des kleinen Baches.

"Wie soll ich nur jemals hier rausfinden?", fragte er sich selbst laut und legte den Kopf in den Nacken um auf die leuchtenden Baumkronen zu starren.

"Die bessere Frage ist, wie bist du überhaupt hier rein gekommen?"

"Keine Ahnung, ich bin einfach nur ...", vorsichtig stand Hannibal auf und sah sich um. Der Wald um ihn herum sah noch genauso aus wie vorher auf doch irgendetwas schien anders zu sein.

"Wer ist da? Wer hat das gefragt? Zeig dich?", forderte er die Stimme auf die vorhin noch nicht da war.

"Nicht jeder kann diesen Wald betreten, manche sehen es als Segen an hier zu landen, andere als Fluch, ich bin schon gespannt, wie du es sehen wirst", sprach die Stimme weiter und schien dabei aus keiner Richtung zu kommen. So sehr er sich auch bemühte, die Laute schienen von allen Richtungen gleichzeitig zu kommen.

"Zeig dich!", forderte er die Stimme erneut auf.

"Oder was? Wird der böse Drache mich sonst fressen?", verspottete die Stimme ihn mit sichtlichem Amüsement in der Stimme. Hannibal biss die Zähne aufeinander. Wieder jemand der ihn nicht ernst nahm. Jemand der dachte er könnte mit ihm machen was er wollte nur weil er schwach war. Dieses Mal nicht. Dieses Mal würde er zeigen aus welchem Holz er geschnitzt war und wenn es bedeutete irgendjemanden zu fressen, dann sollte es wohl so sein. Hannibals Blick verfinsterte sich während er intensiv lauschte, wo die Stimme sich verstecken könnte. Wie die Sehne eines gespannten Bogens waren alle seine Muskeln zum zerreißen angespannt und plötzlich spürte er einen weichen Finger auf seine Schulter tippen. Ohne zu zögern wirbelte er herum und holte in der Drehung bereits zu einem Schlag mit der Klaue aus. Sein Ziel traf er nicht, doch zumindest sah er es nun. Sein erster Schlag wurde ausgewichen, doch sofort holte er mit dem Fuß aus um sie wegzutreten. Die Maus war überraschend agil und wich auch diesem Schlag mit einem Sprung nach hinten aus. Mit steigender Wut schlug er auf sie ein und doch konnte ihm die lachende Maus mit immer wieder neuen Paraden und Sprüngen ausweichen.

Wieso konnte er sie einfach nicht treffen und wieso lachte diese dämliche Maus dabei auch noch ständig? Hannibals Wut stieg weiter und mit ihr auch seine Verzweiflung. Er wollte doch stärker sein, mehr wie Daros und trotzdem versagte er dabei eine simple Maus zu töten. Daros hätte sie vermutlich mit nur einem Schlag ins Jenseits befördert. Er selbst jedoch stellte sich an wie der größte Versager. Immer wieder hörte er die Maus wie sie ihn ärgerte. War das schon alles? Du musst schneller werden! Gleich hast du mich! Sie spielte mit ihm. Eine Maus! Eine Maus spielte mit einem Drachen! Wenn Daros dies sehen würde, er würde ihn vermutlich nie wieder seinen Bruder nennen. Wieso nur? Wieso konnte er diese dumme Maus nicht einfach erwischen? War er denn so schwach? Vor seinen Augen verschwamm das Bild der weißen Maus zunehmend während seine Klauen weiterhin ins Leere schlugen und dabei immer langsamer wurden. Es dauerte nicht lange, bis sie gänzlich aufhörten und Hannibal sich einfach umdrehte. Ohne ein Wort zu sagen ging er.

Die weiße Maus blieb irritiert stehen und sah zu wie der Drache scheinbar das Interesse verlor und sich abwandte. So seltsam es auch war, er ging einfach. Ließ sie mitten im Wald einfach stehen. Ein solches Verhalten hatte sie bei einem Drachen noch nie gesehen. Er schien mehr als nur das Interesse verloren zu haben. Seine hängenden Schultern, der gesenkte Kopf, er wirkte in seiner ganzen Haltung als wäre er massiv geknickt worden. Völlig baff sah sie ihm nach und konnte selbst nicht verstehen, was gerade geschehen war. Ein Drache gab nicht einfach auf. Ein Drache ließen ihre Opfer nicht einfach stehen und allem voran würde ein Drache niemals davon gehen und dabei aussehen wie sieben Tage Regenwetter. Wer auch immer diese sandfarbene Drache war, er war anders. Neugierig lief die Maus ihm hinterher auch wenn sie wusste, dass er vielleicht nicht die beste Idee war. Als sie neben ihm war konnte sie ihren Augen nicht trauen. Er weinte.

"Hey, wieso weinst du?", fragte sie, erhielt jedoch als Antwort nur eine Handbewegung als wäre sie eine lästige Mücke. Jetzt wo sie ihn genauer ansah, kam sie nicht umhin zu bemerken, dass er ziemlich jung aussah. Ein Knoten formte sich in ihrer Brust als sie sich plötzlich gar nicht mehr so gut fühlte, den Drachen geärgert zu haben.

"Hey, es tut mir Leid, okay? Ich wollte dich nicht ärgern, ich dachte nur weil du ein Drache bist"

"WAS?", schrie Hannibal sie plötzlich an und sofort sprang die Maus ein Stück beiseite.

"Du dachtest was? Dass ich, weil ich ein Drache bin, ein Monster sein muss? Dass mir deshalb alles egal ist? Dass man mit mir machen kann was man will weil ich ja eh nur ein dummer Drache bin?", schrie er die Maus an und wandte sich dann wieder von ihr ab um mit schnellem Schritt weg zu gehen. Die Maus blieb baff stehen. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Sie war die Böse hier! Der Drache hatte sie gerade indirekt zur Rassistin abgestempelt! Ein Drache! Ein Drache hatte sie gerade wegen ihrer Moral gemaßregelt! Es wollte einfach nicht in ihren Kopf. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht mit diesem Drachen. Mit hastigem Schritt folgte sie ihm und schloss schnell zu ihm auf. Dieses Mal jedoch stellte sie sich direkt vor ihn. Zu Beginn schien der Drache keine Anstalten zu machen stehen zu bleiben doch als sie ihr Schwert aus der Scheide zog, blieb er sofort stehen. Gleich würde sich zeigen, was wirklich hinter alledem steckte.

Mit schnellem Schritt überbrückte sie die Distanz zwischen ihnen und schwang ihr Schwert nach ihm. Mehr als einen Sprung zur Seite schaffte Hannibal nicht mehr um auszuweichen. Er rollte sich kurz am Boden ab, doch die Maus lief bereits wieder auf ihn zu und dieses Mal lag er mit dem Rücke auf der Erde, Ausweichen war unmöglich. Mit einem Sprung schien die Maus Schwung zu sammeln um ihm mit einem Schlag den Schädel zu spalten. Von einer Maus getötet. Es wäre der passende Tod für einen Drachen wie ihn, dachte er noch kurz bevor er seinen Kopf mit den Armen schützte. Die Welt war eben doch wie ein Märchen. Der Drache musste zum Ende immer sterben. So sicher er sich diesbezüglich auch war, der Tod kam nicht. Vorsichtig öffnete er ein Auge um zwischen seinen Fingern hindurch zu schauen. Nur wenige Zentimeter vor seinem Gesicht verharrte der kalte Stahl des Schwertes in der Luft. Anstandslos zog die Maus ihr Schwert zurück und versenkte es wieder in seiner Scheide.

"Was bist du nur für ein seltsamer Drache?", fragte sie kopfschüttelnd.

"Wo kommst du her?", fragte sie mit ernster Stimme.

"Borkhain", antwortete Hannibal knapp.

"In Borkhain lebt kein Drache, sprich die Wahrheit! Wie ist dein Name?"

"Es ist mir egal ob du mir glaubst oder nicht!", blaffte er die Maus an und raffte sich wieder auf.

"Was willst du überhaupt von mir?", fragte er zornig.

"Erst lachst du mich aus, dann beschimpfst du mich und willst mich töten und jetzt willst du mich verhören? Verschwinde endlich und lass mich in Ruhe!"

"Okay, hör zu, ich habe keine Ahnung was für eine Art von Drache du bist oder wie du es überhaupt hier in diesen Wald geschafft hast. Wenn ich es genau betrachte, dann habe ich überhaupt noch nie einen sandfarbenen Drachen gesehen. Blaue, Rote, Grüne, Weiße und sogar einen Schwarzen, aber einen Sandfarbenen noch nie! Aber egal wer du bist oder woher du kommst, du bist anders als alle Drachen die ich bisher getroffen habe. Es tut mir Leid, wenn ich dich verletzt habe, aber wenn du jemals wieder aus diesem Wald hinaus willst, dann hör endlich auf vor mir wegzulaufen und sprich mit mir!", stampfte die Maus mit ihrem Fuß auf den Waldboden um ihrem Frust noch mehr Ausdruck zu verleihen.

"Du wolltest mich gerade eben umbringen! Ich werde den Teufel tun und dir vertrauen!", retournierte Hannibal ebenso energisch.

"Ich wollte nur etwas testen! Wenn ich dich umbringen hätte wollen dann wärst du jetzt schon längst tot!", erklärte die Maus etwas ruhiger.

"Und das soll mich jetzt beruhigen oder was?", schrie er die Maus an.

"Nein, aber lass es mich anders formulieren", sprach die Maus und zog erneut ihr Schwert.

"Entweder du kommst freiwillig mit mir mit, oder als mein Gefangener!"

Mit einem Schlucken sah er auf das Seil, dass die Maus mit der anderen Hand von ihrem Gürtel löste.

"Also, was darf es sein?", fragte die Maus grinsend.